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Stand und Perspektiven der japanisch-deutschen Beziehungen

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JAPAN aktuell 238 Juni 2004<br />

Dirk Nabers<br />

<strong>Stand</strong> <strong>und</strong> <strong>Perspektiven</strong><br />

<strong>der</strong> <strong>japanisch</strong>-<strong>deutschen</strong><br />

<strong>Beziehungen</strong><br />

Glie<strong>der</strong>ung:<br />

1 Einleitung<br />

2 Historische Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Beziehungen</strong><br />

3 Zunehmende Verflechtung seit den sechziger Jahren<br />

4 Institutionalisierung <strong>der</strong> bilateralen <strong>Beziehungen</strong><br />

5 Institutionalisierung <strong>der</strong> multilateralen <strong>Beziehungen</strong><br />

6 Politische <strong>Perspektiven</strong> nach dem 11. September 2001<br />

Literaturverzeichnis<br />

1 Einleitung<br />

Die Globalisierung, verstanden als ein Prozess <strong>der</strong> zunehmenden<br />

Verflechtung von Wirtschaft, Gesellschaft, Politik<br />

<strong>und</strong> Ökologie, schreitet weiter unaufhaltsam voran.<br />

Nationale Maßnahmen bieten bei vielen grenzüberschreitenden<br />

Problemen keine Lösung mehr. Die<br />

politischen Steuerungsprobleme werden immer deutlicher<br />

wahrnehmbar. Einige dieser Probleme können bereits<br />

heute durch regionale <strong>und</strong> globale institutionelle<br />

Kooperationsarrangements aufgefangen werden. Entsprechend<br />

schießen internationale Institutionen allerorten<br />

aus dem Boden. Sie umfassen die globale (UNO, WTO,<br />

IWF, G-8 etc.), die interregionale (EU-ASEAN, EU-<br />

MERCOSUR, ASEAN-MERCOSUR), die transregionale<br />

(APEC, ASEM), die regionale (EU, ASEAN, SAARC,<br />

NAFTA, MERCOSUR etc.), die subregionale (Euroregionen,<br />

Mekong-Region etc.) sowie die Ebene <strong>der</strong> bilateralen<br />

<strong>Beziehungen</strong>. Die Ausfächerung politischer Steuerungsmechanismen<br />

veranlasst Beobachter inzwischen dazu, von<br />

einem „Mehrebenensystem globalen Regierens “ (Rüland<br />

1999; Loewen 2003) zu sprechen.<br />

Japan ist als global zweitgrößte Wirtschaftsmacht <strong>und</strong><br />

geostrategisch in beson<strong>der</strong>em Maße exponierte „Mittelmacht<br />

“ stark auf eine aktive Rolle in dem hier skizzierten<br />

internationalen politischen System angewiesen. Deshalb<br />

positioniert sich Tokyo auf <strong>der</strong> globalen Ebene seit<br />

langem als zweitgrößter Beitragszahler <strong>der</strong> Vereinten Nationen<br />

nach den USA (Nabers 2000: 71-76) <strong>und</strong> spielte<br />

eine Vorreiterrolle bei <strong>der</strong> Etablierung transregionaler Regime<br />

wie <strong>der</strong> Asia-Pacific Economic Cooperation (APEC;<br />

vgl. z.B. Maull 2001: 169-170). Mit <strong>der</strong> Asienkrise, die<br />

mit <strong>der</strong> Abwertung des thailändischen Baht im Juli 1997<br />

begann <strong>und</strong> schnell auf die meisten Ökonomien Ostasiens<br />

übergriff, hat in <strong>der</strong> Region auch eine dynamische<br />

Entwicklung regionaler Institutionenbildung eingesetzt, in<br />

<strong>der</strong> Japan zu einer treibenden Kraft geworden ist. Die<br />

Entwicklung führte inzwischen zur Gründung des viel versprechenden<br />

Forums <strong>der</strong> ASEAN+3. 1 Subregional ist die<br />

<strong>japanisch</strong>e Regierung <strong>der</strong> Entwicklung <strong>der</strong> Mekong-Delta-<br />

Region verpflichtet, die man zuletzt im Dezember 2003 auf<br />

dem Japan-ASEAN-Gipfel in Tokyo mit einer Hilfszusage<br />

von r<strong>und</strong> 1,5 Mrd. US$ unterstützte (J.a., 1/2004, Ü 23).<br />

Darüber hinaus unterstützte Tokyo im letzten Jahrzehnt<br />

die am 1. Dezember 2003 suspendierte Arbeit <strong>der</strong> Korean<br />

Peninsula Energy Development Organization (KE-<br />

DO) mit r<strong>und</strong> einer Mrd. US$. Auf bilateraler Ebene<br />

widmet sich Japan in den letzten Jahren verstärkt <strong>der</strong><br />

Gründung von Freihandelszonen. Erste Abkommen konnten<br />

mit Singapur <strong>und</strong> Mexiko unterzeichnet werden (Nabers<br />

2003). Und auch die wohl bedeutendsten bilateralen<br />

<strong>Beziehungen</strong> konnten stetig ausgebaut werden: Die<br />

<strong>japanisch</strong>-amerikanische Sicherheitsbeziehung ist nach einem<br />

Jahrzehnt <strong>der</strong> Neudefinition zu einer stabilen Allianz<br />

geworden, in <strong>der</strong> Japan längst nicht mehr die Rolle<br />

des „Trittbrettfahrers “ (Inoguchi 1984) o<strong>der</strong> „innenpolitisch<br />

gefesselten Riesen “ (Kevenhörster 1993: 5; ähnlich<br />

Katzenstein/Okawara 1993: 86) einnimmt. Und selbst die<br />

<strong>japanisch</strong>-chinesischen <strong>Beziehungen</strong> sind von einem stetigen<br />

Ausbau gekennzeichnet. China hat sich in nur wenigen<br />

Jahren vom wirtschaftlich relativ unbedeutenden<br />

Nachbarn zum größten Handelspartner Japans entwickelt<br />

(ausführlicher Nabers 2003).<br />

Während Japan also auf globaler, transregionaler, regionaler,<br />

subregionaler <strong>und</strong> – in einzelnen Fällen – bilateraler<br />

Ebene eine aktive Außenpolitik betreibt, bleiben<br />

die <strong>Beziehungen</strong> zu Europa <strong>und</strong> hier insbeson<strong>der</strong>e zu<br />

Deutschland (auf den ersten Blick) hinter ihren Möglichkeiten<br />

zurück. Das 1996 gegründete Asia-Europe Meeting<br />

(ASEM) weist gegenüber <strong>der</strong> transpazifischen Achse wenig<br />

Substanz auf, <strong>und</strong> angesichts des von April 2005 bis<br />

zum Frühjahr 2006 geplanten „Deutschland-Jahres in Japan<br />

“ stellt sich heute mehr denn je die Frage, wie die<br />

<strong>Beziehungen</strong> zwischen beiden Län<strong>der</strong>n gestärkt werden<br />

können.<br />

Im Folgenden soll nach den vermeintlichen Gründen für<br />

diese Situation gesucht werden. Es wird dabei zunächst<br />

ein Blick auf die historische Genese <strong>der</strong> politischen, wirtschaftlichen<br />

<strong>und</strong> kulturellen <strong>Beziehungen</strong> zwischen Japan<br />

<strong>und</strong> Deutschland gerichtet, um auf dieser Gr<strong>und</strong>lage die<br />

wirtschaftlichen <strong>Beziehungen</strong> seit dem Zweiten Weltkrieg<br />

analysieren zu können. In einem weiteren Schritt wird<br />

die politische Institutionalisierung <strong>der</strong> <strong>Beziehungen</strong> seit<br />

dem Ende des Ost-West-Konflikts untersucht: zunächst<br />

innerhalb des bilateralen Rahmens Berlin-Tokyo, dann<br />

im multilateralen Kontext des asiatisch-europäischen Dialogs.<br />

Ein Abschlusskapitel diskutiert die <strong>Perspektiven</strong> <strong>der</strong><br />

<strong>Beziehungen</strong> nach dem für Oktober 2004 geplanten fünften<br />

Asia-Europe Meeting in Hanoi, Vietnam.<br />

2 Historische Entwicklung <strong>der</strong> <strong>Beziehungen</strong><br />

„Japan ist das Land, mit dem wir seit langem die intensivsten<br />

politischen, wirtschaftlichen <strong>und</strong> kulturellen Be-<br />

1 Neben <strong>der</strong> südostasiatischen Staatengemeinschaft ASEAN <strong>und</strong> Japan<br />

nehmen China <strong>und</strong> Südkorea an dem Forum teil. Vgl. ausführlich<br />

Nabers 2004a.


JAPAN aktuell 239 Juni 2004<br />

ziehungen pflegen “ (Auswärtiges Amt 2002: 3). So formuliert<br />

es das neue Ostasienkonzept <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung. 2<br />

Und in <strong>der</strong> Tat haben deutsch-<strong>japanisch</strong>e Kontakte ihren<br />

Ursprung ungefähr in <strong>der</strong> Zeit, als portugiesische Seefahrer<br />

1543 auf <strong>der</strong> südlich von Kyushu gelegenen Insel Tanegashima<br />

landeten <strong>und</strong> sich mit <strong>der</strong> Entwicklung neuer<br />

Hafenstädte auch <strong>der</strong> Außenhandel ausweitete (einführend<br />

Schwade 1986; zu den frühen Kontakten auch<br />

Kreft 1994). Der erste Deutsche, <strong>der</strong> nachweislich <strong>japanisch</strong>en<br />

Boden betrat, war Michael Hohreiter aus Ulm,<br />

<strong>der</strong> auf seiner Reise nach Ostindien zwischen 1614 <strong>und</strong><br />

1620 auch in Japan Station machte. Ein deutscher Geschützbauer<br />

namens Braun sorgte für den ersten bezeugten<br />

Technologietransfer von Deutschland nach Japan; er<br />

goss 1639 dem dritten Tokugawa-Shogun Iemitsu den ersten<br />

einsatzfähigen Mörser Japans. Bis zur Mitte des 19.<br />

Jahrh<strong>und</strong>erts sind die <strong>Beziehungen</strong> dann indes spärlich.<br />

Erwähnenswert sind lediglich Engelbert Kaempfer <strong>und</strong><br />

Philipp Franz von Siebold, die als Ärzte <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong><br />

Handelsnie<strong>der</strong>lassung auf Dejima während <strong>der</strong> Edo-Zeit<br />

(1603-1868) tätig waren. Von Kaempfer stammen die ersten<br />

wirklich wissenschaftlichen Aufzeichnungen über Japan<br />

in deutscher Sprache, die 1777 unter dem Titel Geschichte<br />

<strong>und</strong> Beschreibung von Japan erschienen. Siebold,<br />

wohl <strong>der</strong> bekannteste deutsche Japan-Fahrer <strong>der</strong> frühen<br />

Zeit, trug während seiner Japan-Aufenthalte eine Sammlung<br />

<strong>der</strong> dortigen Pflanzen- <strong>und</strong> Tierwelt zusammen, die<br />

später die Basis für die ethnographische Kollektion des<br />

ersten europäischen Völkerk<strong>und</strong>emuseums in Leiden bildete.<br />

Seine Vorträge <strong>und</strong> Schriften trugen maßgeblich zur<br />

Aufklärung über Japan bei.<br />

Der eigentliche Kontakt zwischen beiden Län<strong>der</strong>n begann<br />

dann nach <strong>der</strong> erzwungenen Öffnung Japans durch<br />

amerikanische Kriegsschiffe im Jahre 1851. Preußen<br />

schloss 1861 einen Fre<strong>und</strong>schafts- <strong>und</strong> Handelsvertrag<br />

mit Japan, <strong>der</strong> 1869 als Handels- <strong>und</strong> Schifffahrtsvertrag<br />

zwischen Tokyo <strong>und</strong> dem Nord<strong>deutschen</strong> B<strong>und</strong><br />

erneuert wurde. Als das kaiserliche Japan sich nach <strong>der</strong><br />

Meiji-Restauration 1868 für Deutschland als Vorbild für<br />

die wissenschaftlich-technische Entwicklung im eigenen<br />

Land entschied, setzte sich das Verhältnis so fort, wie<br />

es 1639 begonnen hatte: mit dem Wissenstransfer aus<br />

Deutschland nach Japan. Beson<strong>der</strong>s in <strong>der</strong> Medizin <strong>und</strong><br />

im Staatsrecht war <strong>der</strong> Einfluss des Deutschen Reiches<br />

unübersehbar: 60 Prozent aller Wissenschaftler, die von<br />

Japan zum Studium in Ausland geschickt wurden, gingen<br />

nach Deutschland. Folglich war die <strong>japanisch</strong>e Verfassung<br />

von 1889 in wesentlichen Teilen dem <strong>deutschen</strong><br />

Staatsrecht verpflichtet (dazu Kreiner 2001).<br />

Die Tradition positiver <strong>Beziehungen</strong> erreichte ihren –<br />

wenngleich wenig substanziellen – Höhepunkt mit <strong>der</strong> diplomatischen<br />

Isolation bei<strong>der</strong> Staaten in <strong>der</strong> Zwischenkriegszeit.<br />

Die Achse Berlin-Rom-Tokyo war von <strong>japanisch</strong>er<br />

Seite zwar stets mit Vorbehalten versehen, doch<br />

wirkt sie in Japan mitunter noch heute als symbolischer<br />

Ausdruck einer lange Zeit fre<strong>und</strong>schaftlichen Beziehung<br />

nach. Der Abschluss des Antikominternpaktes 1936<br />

<strong>und</strong> die Unterzeichnung des Dreimächtepaktes zwischen<br />

Deutschland, Italien <strong>und</strong> Japan 1940 kennzeichneten eine<br />

2 Das Auswärtige Amt hat das so genannte Asienkonzept durch<br />

regionale Papiere ersetzt. So gibt es nun eine Südasien-, eine<br />

Ostasien- <strong>und</strong> eine Südostasienstrategie.<br />

negative Entwicklung, die für beide Län<strong>der</strong> schließlich in<br />

<strong>der</strong> Katastrophe des Zweiten Weltkriegs endete. Der Antikominternpakt,<br />

eigentlich als Bündnis zur Eindämmung<br />

<strong>der</strong> kommunistischen Gefahr gedacht, hatte in <strong>der</strong> Praxis<br />

kaum Auswirkungen. Eine engere Zusammenarbeit blieb<br />

aufgr<strong>und</strong> <strong>der</strong> sich stets misstrauisch beäugenden Seiten<br />

aus. Eine gemeinsame politische Linie war zu keiner Zeit<br />

wirklich erkennbar. Insbeson<strong>der</strong>e in den Wirtschaftsbeziehungen<br />

offenbarten sich die Gegensätze zwischen beiden<br />

Nationen: Kontinuierlich weigerte sich Tokyo, die von <strong>der</strong><br />

<strong>deutschen</strong> Rüstungsindustrie benötigten Rohstoffe Kautschuk,<br />

Zinn <strong>und</strong> Wolfram nach Wladiwostok zum Weitertransport<br />

Richtung Deutschland zu verschiffen. Präferenzen<br />

für deutsche Unternehmen wurden verweigert (kritisch<br />

Martin 1994).<br />

Die Parallelität <strong>der</strong> Entwicklungen von Verlierern des<br />

Zweiten Weltkriegs über die Schauprozesse von Nürnberg<br />

<strong>und</strong> Tokyo, ausländische Besatzung <strong>und</strong> den Aufbau parlamentarischer<br />

Demokratien unter amerikanischer Anleitung<br />

haben gleichwohl zur Herausbildung ähnlicher mentaler<br />

Strukturen in beiden Län<strong>der</strong>n geführt, die eine Wie<strong>der</strong>annäherung<br />

in den 1950er-Jahren erleichterte (klassisch<br />

Montgomery 1957). Schon 1951 nahmen Japan <strong>und</strong><br />

die B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland diplomatische <strong>Beziehungen</strong><br />

auf. Mit dem wirtschaftlichen Aufschwung in beiden<br />

Staaten über die nächsten drei Jahrzehnte „gestalteten<br />

sich auch die bilateralen <strong>Beziehungen</strong> immer intensiver “<br />

(Botschaft von Japan in Deutschland 2003), so fasst die<br />

<strong>japanisch</strong>e Botschaft in Berlin die folgende Entwicklung<br />

zusammen, auf die im nächsten Abschnitt ein genauerer<br />

Blick gerichtet werden soll.<br />

3 Zunehmende Verflechtung seit<br />

den sechziger Jahren<br />

Die 1960er-Jahre sind von <strong>japanisch</strong>en Handelsbilanzdefiziten<br />

gegenüber Deutschland geprägt (zur Entwicklung<br />

Zimmermann 2002). Erst als <strong>japanisch</strong>e Unternehmen ein<br />

Jahrzehnt später mit <strong>der</strong> Markterschließung in Deutschland<br />

begannen, än<strong>der</strong>te sich das Bild. Im Gründungsjahr<br />

<strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Industrie- <strong>und</strong> Handelskammer in Japan<br />

1962 exportierten deutsche Unternehmen Waren im Wert<br />

von 852 Mio. DM nach Japan, <strong>japanisch</strong>e Unternehmen<br />

im Gegenzug nur Produkte für 416 Mio. DM. Knapp 20<br />

Jahre später lieferten <strong>japanisch</strong>e Firmen bereits Waren im<br />

Wert von 10,5 Mrd. DM nach Deutschland. Deutsche Exporterlöse<br />

beliefen sich zu diesem Zeitpunkt auf 4,5 Mrd.<br />

DM. Danach hat sich <strong>der</strong> Handel fast kontinuierlich ausgeweitet.<br />

Das seit den 1970er-Jahren wachsende deutsche<br />

Handelsdefizit ist dabei das augenfälligste Merkmal dieser<br />

Entwicklung (siehe Abbildung 1).<br />

DieGeschichte<strong>japanisch</strong>erExportenachDeutschland<br />

beschreibt einen Weg erfolgreicher Diversifikation. Waren<br />

Textilien 1962 mit einem Anteil von 27 Prozent noch<br />

die wichtigste Produktgruppe <strong>japanisch</strong>er Ausfuhren in<br />

die B<strong>und</strong>esrepublik, so wurde die Exportpalette in den<br />

kommenden zwei Jahrzehnten von Chemie- <strong>und</strong> Metallprodukten<br />

dominiert. Auch Kraftfahrzeuge wurden seit<br />

den sechziger Jahren nach Deutschland exportiert, doch<br />

erreichten sie erst 1992 mit einem Anteil von 27 Prozent


JAPAN aktuell 240 Juni 2004<br />

Abbildung 1: Handel Japans mit Deutschland (in Mrd. Yen)*<br />

3.000<br />

2.500<br />

2.000<br />

1.646<br />

1.662<br />

2.566<br />

1.908<br />

2.155<br />

1.500<br />

1.301<br />

1.372<br />

1.000<br />

492<br />

1.288<br />

500<br />

0<br />

570<br />

700<br />

338<br />

1975 1980 1985 1990 1995 2000<br />

Importe<br />

Exporte<br />

* Zahlen nach 1990 für die wie<strong>der</strong>vereinigte B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland.<br />

Quelle: Japan Statistical Yearbook, http://www.stat.go.jp/english/data/nenkan/zuhyou/b1202000.xls [4. Mai 2004].<br />

ihren historisch höchsten Anteil an den Ausfuhren in die<br />

B<strong>und</strong>esrepublik (Zimmermann 2002: 4-5).<br />

Was den Zugang zum <strong>japanisch</strong>en Markt betrifft, so<br />

hebt das Ostasienkonzept <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung für die<br />

Zeit seit Mitte <strong>der</strong> achtziger Jahre insbeson<strong>der</strong>e die fortgeschrittene<br />

Öffnung <strong>der</strong> <strong>japanisch</strong>en Handels- <strong>und</strong> Investitionsmärkte<br />

sowie die Deregulierung <strong>der</strong> <strong>japanisch</strong>en<br />

Volkswirtschaft als positive Entwicklungen hervor (Auswärtiges<br />

Amt 2002: 8). Die Handelsbeziehungen verzeichneten<br />

überraschen<strong>der</strong>weise aber seit Beginn <strong>der</strong> neunziger<br />

Jahre keine nennenswerten Zuwächse mehr. Während<br />

die <strong>japanisch</strong>en Ausfuhren nach Deutschland stagnierten,<br />

konnte nur die deutsche Wirtschaft ihr Exportvolumen<br />

um r<strong>und</strong> 50 Prozent steigern.<br />

Augenfälligstes Merkmal <strong>der</strong> gesamten Handelsentwicklung<br />

ist jedoch, dass nach dem durch die deutsche Einheit<br />

verursachten Schub im Handelsvolumen Anfang <strong>der</strong><br />

neunziger Jahre zunächst sogar wie<strong>der</strong> ein Rückgang zu<br />

verzeichnen ist. Das hat dazu geführt, dass China jüngst<br />

Japan als wichtigsten <strong>deutschen</strong> Handelspartner in Ostasien<br />

abgelöst hat. Dies gilt sowohl für die Exporte als<br />

auch für die Importe <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik (vgl. Tabelle 1).<br />

Was sich im Rang Japans als deutscher Handelspartner<br />

abzeichnet, setzt sich im Stellenwert <strong>japanisch</strong>er Unternehmen<br />

als Investoren im europäischen Wirtschaftsraum<br />

fort. Auch hier dominieren an<strong>der</strong>e, insbeson<strong>der</strong>e die USA<br />

(vgl. Abbildung 2). Während <strong>japanisch</strong>e Direktinvestitionen<br />

sich dem globalen Trend anschlossen <strong>und</strong> 2001 auf<br />

den niedrigsten Wert seit 1986 sanken – um 34,9% auf<br />

31,66 Mrd. US$ – stiegen die Investitionen Japans in den<br />

großen vier ASEAN-Mitgliedsstaaten (Thailand, Malaysia,<br />

die Philippinen <strong>und</strong> Indonesien) um 15,7% auf 2,35<br />

Mrd. US$. Dies ist <strong>der</strong> erste Anstieg seit 1998. Und auch<br />

die Investitionen in China konnten einen heftigen Zuwachs<br />

verzeichnen. Sie beliefen sich 2001 auf 2,16 Mrd. US$ <strong>und</strong><br />

2002 auf 2,61 Mrd. US$. Lediglich die Europäische Union<br />

Abbildung 2: Anteil ausländischer Direktinvestitionen<br />

in <strong>der</strong> Europäischen Union (1998-2001)<br />

China<br />

0,1%<br />

Rest <strong>der</strong><br />

Welt<br />

25,5%<br />

EFTA<br />

9,8%<br />

Japan<br />

3,0%<br />

USA<br />

61,6%<br />

Quelle: Europäische Kommission 2003b.<br />

war 2002 in beson<strong>der</strong>em Maße von einem Rückgang <strong>japanisch</strong>er<br />

Investitionen betroffen: Sie brachen um 45 Prozent<br />

ein. Die Investitionen in Deutschland fielen von 686 Mio.<br />

US$ (2001) auf 576 Mio. US$ (2002); die Investitionen<br />

in Großbritannien fielen von immerhin beachtlichen 12,85<br />

Mrd. US$ (2001) – verursacht durch eine Großinvestition<br />

von NTT DoCoMo – auf 2,05 Mrd. US$ (2002) (zu den<br />

Zahlen JETRO 2002; JETRO 2003).


JAPAN aktuell 241 Juni 2004<br />

Tabelle 1: Rangfolge <strong>der</strong> Handelspartner <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland 2002 (Mrd. Euro)<br />

EINFUHR<br />

AUSFUHR<br />

Nr. Land Mrd. Euro Land Mrd. Euro<br />

1 Frankreich 49,4 Frankreich 69,8<br />

2 Nie<strong>der</strong>lande 43,1 USA 66,6<br />

3 USA 40,0 Großbritannien 54,2<br />

4 Großbritannien 33,7 Italien 47,4<br />

5 Italien 33,6 Nie<strong>der</strong>lande 39,6<br />

6 Belgien 27,0 Österreich 33,2<br />

7 Österreich 21,2 Belgien 31,2<br />

8 VR China 21,1 Spanien 29,7<br />

9 Schweiz 19,5 Schweiz 26,6<br />

10 Japan 19,3 Polen 16,1<br />

11 Tschechische Republik 16,2 Tschechische Republik 16,0<br />

12 Spanien 15,7 VR China 14,5<br />

13 Polen 14,2 Schweden 13,5<br />

14 Irland 13,2 Japan 12,2<br />

Quelle: Statistisches B<strong>und</strong>esamt 2003.<br />

Schließlich offenbart sich kein an<strong>der</strong>es Bild, legt man die<br />

europäischen Direktinvestitionen im Ausland als Indikator<br />

<strong>der</strong> Wirtschaftsbeziehungen zu Gr<strong>und</strong>e (vgl. Abbildung<br />

3). Hier dominieren ebenfalls die USA, auch wenn<br />

das Jahr 2002 einen eindeutigen Aufwärtstrend europäischer<br />

Investitionen in Japan zeigt. Sie verdoppelten sich<br />

im Jahresvergleich <strong>und</strong> lagen bei 6,32 Mrd. US$. Verantwortlich<br />

für diesen Trend waren die Aufstockung <strong>der</strong><br />

Anteile von Renault an Nissan Motor <strong>und</strong> <strong>der</strong> Kauf von<br />

Chugai Pharmaceuticals durch das Schweizer Unternehmen<br />

Roche. Zwar verdoppelten sich auch die <strong>deutschen</strong><br />

Investitionen von 243 Mio. US$ auf 555 Mio. US$, doch<br />

konnten diese Zahlen einmal mehr nicht mit denen an<strong>der</strong>er<br />

europäischer Staaten konkurrieren. Die französischen<br />

Direktinvestitionen in Japan beliefen sich auf 2,3 Mrd.<br />

US$, die holländischen auf 1,7 Mrd. US$ (JETRO 2003).<br />

All diese Zahlen, die ein Spiegel unausgeschöpfter Wohlfahrtspotenziale<br />

in den <strong>japanisch</strong>-<strong>deutschen</strong> Wirtschaftsbeziehungen<br />

sind, sind wichtige Hinweise auf eine Situation,<br />

die we<strong>der</strong> die eine noch die an<strong>der</strong>e Seite zufrieden<br />

stellen kann.<br />

Die Erweiterung <strong>der</strong> Europäischen Union auf 25 Mitglie<strong>der</strong><br />

dürfte dabei die <strong>Perspektiven</strong> für einen Ausbau <strong>der</strong><br />

<strong>japanisch</strong>en Präsenz in Deutschland weiter verschlechtern<br />

(zu den <strong>Perspektiven</strong> als Überblick European Commission<br />

2003c). Nach einer Umfrage <strong>der</strong> <strong>japanisch</strong>en Außenhandelsorganisation<br />

JETRO unter <strong>japanisch</strong>en Unternehmern<br />

in den Beitrittslän<strong>der</strong>n wird <strong>der</strong> Markteintritt dort<br />

künftig noch einfacher. Die geographische Nähe zu Westeuropa<br />

<strong>und</strong> Russland, die rechtliche Angleichung an die<br />

hohen <strong>Stand</strong>ards <strong>der</strong> EU <strong>und</strong> das weiterhin günstigere<br />

Arbeitskräftepotenzial bieten eine aus Sicht <strong>japanisch</strong>er<br />

Investoren attraktive Mischung (AS, 28.4.2004).<br />

Von <strong>der</strong> bereits begonnenen Reorganisation des Europa-<br />

Geschäftes <strong>japanisch</strong>er Autohersteller ist Deutschland daher<br />

negativ betroffen. Als Beispiel für diese Entwicklung<br />

sei hier <strong>der</strong> Autohersteller Toyota angeführt. Das Unternehmen<br />

hatte schon im April 2003 beschlossen, zwölf regionale<br />

Verkaufsnie<strong>der</strong>lassungen in Deutschland, Großbritannien<br />

<strong>und</strong> an<strong>der</strong>en europäischen Län<strong>der</strong>n unter <strong>der</strong> Toyota<br />

Motor Marketing Europe zusammenzufassen.<br />

Abbildung 3: Direktinvestitionen <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union im Ausland (1998-2001)<br />

China<br />

0,1%<br />

Rest <strong>der</strong><br />

Welt<br />

33,5%<br />

EFTA<br />

11,1%<br />

Japan<br />

2,4%<br />

USA<br />

52,4%<br />

Quelle: Europäische Kommission 2003b.<br />

Zwischenzeitlich wird dadurch die Zahl <strong>der</strong> Filialen sinken<br />

(J.a., 10/2003, Ü 30). Und das, obwohl Toyota stark auf<br />

eine globale Expansionsstrategie setzt. Bis 2010 soll <strong>der</strong><br />

weltweite Marktanteil um die Hälfte auf 15% ansteigen. In<br />

ihrer „2010 Global Vision “ setzt die Unternehmensleitung<br />

auf die Kernmärkte USA <strong>und</strong> Japan sowie auf erstarkende<br />

Volkswirtschaften wie Indien <strong>und</strong> China. Für diese Strategie<br />

ist Toyota sehr gut ausgerüstet: Die Reserven des<br />

Unternehmens betragen <strong>der</strong>zeit über 20 Mrd. US$ (J.a.,<br />

10/2002, Ü 25).<br />

Schaut man nun auf die Gesamtentwicklung <strong>der</strong><br />

Direktinvestitionen <strong>japanisch</strong>er Unternehmen in Europa,<br />

so ist eine starke Aktivität in den Beitrittslän<strong>der</strong>n<br />

<strong>der</strong> EU zu beobachten. Toyota baute bereits eine Produktionsstätte<br />

in Walbrzych, 500 Kilometer südwestlich von


JAPAN aktuell 242 Juni 2004<br />

Warschau. In unmittelbarer Nähe soll nun eine Fabrik für<br />

Dieselmotoren des Kleinwagen Yaris, <strong>der</strong> europäischen<br />

Version des Vitz, gebaut werden. Toyota hat in Europa<br />

bisher keine so erfolgreiche Stellung wie in Japan o<strong>der</strong> auf<br />

dem nordamerikanischen Markt gewinnen können. Mit<br />

<strong>der</strong> Expansion auf dem europäischen Festland will man<br />

nun den Marktanteil von 3 Prozent im Jahre 1999 auf 5<br />

Prozent im Jahre 2005 steigern (ebd.; NW, 13.11.2000).<br />

Auch wenn die Investitionsentscheidung gegen die Beitrittslän<strong>der</strong><br />

ausfällt, zieht Deutschlandnochallzuoftden<br />

Kürzeren. Im Januar 2001 begann Toyota auch mit <strong>der</strong><br />

Produktion des Kleinwagen Yaris in Valenciennes im Norden<br />

Frankreichs. Die Firmenleitung entschied sich nach<br />

<strong>der</strong> Berücksichtigung einer Reihe von <strong>Stand</strong>ortfaktoren<br />

für die Produktion in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> belgischen Grenze,<br />

darunter die Nähe zum Kanaltunnel, aber auch das Wetter,<br />

das hohe Ausbildungsniveau <strong>der</strong> potenziellen Arbeitnehmer<br />

<strong>und</strong> die niedrige Kriminalitätsrate. Im Ostasienkonzept<br />

<strong>der</strong> B<strong>und</strong>esregierung wird mithin eine intensive<br />

<strong>Stand</strong>ortwerbung in Zusammenarbeit mit den B<strong>und</strong>eslän<strong>der</strong>n<br />

als bedeuten<strong>der</strong> Faktor für die künftige Entwicklung<br />

<strong>der</strong> <strong>japanisch</strong>en Investitionen genannt (Auswärtiges Amt<br />

2002: 8).<br />

Bereits seit Beginn <strong>der</strong> neunziger Jahre sind eine Reihe<br />

von politischen Initiativen gestartet worden, die zu einer<br />

Intensivierung <strong>der</strong> bilateralen <strong>Beziehungen</strong> geführt haben,<br />

offensichtlich in Kernbereichen aber ihr Ziel verfehlten.<br />

Folgend soll daher die Frage nach dem Institutionalisierungsgrad<br />

<strong>und</strong> den Schwachstellen <strong>der</strong> politischen <strong>Beziehungen</strong><br />

zwischen beiden Län<strong>der</strong>n gestellt werden.<br />

4 Institutionalisierung <strong>der</strong> bilateralen<br />

<strong>Beziehungen</strong><br />

Mit keinem an<strong>der</strong>en Staat außerhalb <strong>der</strong> Europäischen<br />

Union <strong>und</strong> den USA unterhält die B<strong>und</strong>esregierung ein<br />

so enges Netz institutionalisierter Dialog- <strong>und</strong> Kooperationsforen<br />

wie mit Japan (Auswärtiges Amt 2003). Regelmäßige<br />

Treffen finden auf <strong>der</strong> Ebene <strong>der</strong> Fachminister in<br />

den Bereichen Finanzen, Wirtschaft, Verteidigung, Justiz,<br />

Soziales <strong>und</strong> Umwelt statt. Beide Län<strong>der</strong> sind Mitglied<br />

<strong>der</strong> Gruppe <strong>der</strong> acht wichtigsten Industrienationen (G-8)<br />

<strong>und</strong> <strong>der</strong> Organisation für Wirtschaftliche Zusammenarbeit<br />

<strong>und</strong> Entwicklung. Zurückgehend auf die so genannte<br />

„Kastrup-Owada-Initiative “ von 1994 konsultieren deutsche<br />

Botschafter in 72 Län<strong>der</strong>n regelmäßig ihre <strong>japanisch</strong>en<br />

Amtskollegen. 1996 wurde eine deutsch-<strong>japanisch</strong>e<br />

Botschafterkonferenz zu Russland, 2001 eine bilaterale<br />

Botschafterkonferenz zu China durchgeführt. Darüber hinaus<br />

existiert ein reger Beamtenaustausch zwischen den<br />

jeweiligen Ministerien für Äußeres, Verteidigung, Justiz<br />

<strong>und</strong> Forschung. In den vergangenen Jahren sind die<br />

<strong>Beziehungen</strong> auf <strong>der</strong> politischen Ebene von einer voranschreitenden<br />

Institutionalisierung gekennzeichnet, <strong>und</strong><br />

doch kommt das Auswärtige Amt zu dem Schluss, dass<br />

„bislang die Möglichkeiten, die <strong>der</strong> zweit- <strong>und</strong> drittstärksten<br />

Wirtschaftsmacht <strong>der</strong> Welt eigentlich zur Verfügung<br />

stehen, noch nicht ausgeschöpft worden [sind] “ (ebd.).<br />

Die <strong>Beziehungen</strong> scheinen sich weitest gehend in Routine<br />

zu erschöpfen (zu einer kritischen Bilanz Scheel 2003).<br />

We<strong>der</strong> die eine noch die an<strong>der</strong>e Seite verfügt über ein<br />

strategisches Konzept, das die eigenen Interessen definiert<br />

<strong>und</strong> langfristige politische Zielformulierungen enthält.<br />

Was fehlt – dies wurde nach dem 11. September<br />

einmal mehr deutlich – ist eine Abstimmung <strong>der</strong> beiden<br />

Partner in regionalpolitischen <strong>und</strong> weltpolitischen Fragen.<br />

In <strong>der</strong> Vergangenheit war das Verhältnis oft symbolisch,<br />

nicht substanziell. So ist es zu erklären, dass wechselseitige<br />

Besuche <strong>japanisch</strong>er Kaiser <strong>und</strong> deutscher B<strong>und</strong>espräsidenten<br />

seit den siebziger Jahren die Höhepunkte <strong>der</strong> Kontakte<br />

darstellten, 3 die Treffen <strong>der</strong> Regierungschefs <strong>und</strong><br />

Außenminister aber regelmäßig ergebnislos blieben.<br />

Intensiver wurden die Kontakte auf dieser Ebene erst,<br />

als sich in den neunziger Jahren eine Praxis regelmäßiger<br />

Antrittsbesuche <strong>japanisch</strong>er Premierminister in Deutschland<br />

durchsetzte. Mit dem Ziel, den politischen, wirtschaftlichen<br />

<strong>und</strong> kulturellen <strong>Beziehungen</strong> eine neue Qualität<br />

zu verleihen, haben insbeson<strong>der</strong>e seit dem Jahr 2000<br />

eine Reihe von Treffen auf Regierungsebene stattgef<strong>und</strong>en,<br />

aus denen sich konkrete, längerfristig angelegte Initiativen<br />

entwickelt haben. B<strong>und</strong>eskanzler Schrö<strong>der</strong> reiste<br />

zwei Jahre nach seinem Amtsantritt erstmals nach Japan.<br />

Die Reise vom 31.10. bis zum 2.11.1999 brachte aber wenig<br />

konkrete Ergebnisse. Man einigte sich auf die Gründung<br />

eines bilateralen Forums aus Gewerkschaften zur<br />

Diskussion <strong>der</strong> in beiden Län<strong>der</strong>n hohen Arbeitslosigkeit.<br />

Diese Initiative ist jedoch nicht neu, kooperieren doch <strong>der</strong><br />

Deutsche Gewerkschaftsb<strong>und</strong> (DGB) <strong>und</strong> die <strong>japanisch</strong>e<br />

Rengô bereits seit langem in unterschiedlichen Bereichen.<br />

1997 hatten beiden Arbeitnehmerverbände eine Gemeinsame<br />

Erklärung zur Zukunft von Arbeit, Sozialstaat <strong>und</strong><br />

Gewerkschaften verabschiedet. Seither sind einige Konferenzen<br />

zu Themen gemeinsamen Interesses durchgeführt<br />

worden, aus denen Empfehlungen für die Politik ihrer jeweiligen<br />

Regierung hervorgegangen sind (DGB 2000).<br />

Für größere Resonanz in den Medien sorgte die Reise<br />

des <strong>deutschen</strong> Außenministers Fischer nach Japan im<br />

Rahmen seiner Asienreise im Herbst 2000. Es war die erste<br />

offizielle Reise Fischers in die Hauptstadt Tokyo zu<br />

Gesprächen mit <strong>japanisch</strong>en Regierungsvertretern. Im Juli<br />

2000 hatte Fischer bereits am G-8-Gipfeltreffen in <strong>der</strong><br />

Präfektur Okinawa teilgenommen. Lei<strong>der</strong> war <strong>der</strong> erste<br />

Besuch eines <strong>deutschen</strong> Außenministers nach drei Jahren<br />

mit einem Tag recht kurz ausgefallen. Das Programm war<br />

dafür umso voller: Einem Treffen mit seinem Amtskollegen<br />

Kôno schlossen sich Gespräche mit Premierminister<br />

Mori sowie mit Vertretern <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Industrie<strong>und</strong><br />

Handelskammer in Tokyo an. Ein von <strong>japanisch</strong>er<br />

Seite als wichtig eingestuftes Treffen mit dem Vizepräsidenten<br />

des Wirtschaftsdachverbandes Keidanren, Ôga,<br />

musste wegen <strong>der</strong> verspäteten Ankunft Fischers ausfallen<br />

(FAZ, 30.10.2000; HB, 31.10.2000).<br />

Vor seinem Weiterflug nach Seoul reiste Fischer als erster<br />

deutscher Außenminister nach Hiroshima, wo er am<br />

Mahnmal im Friedenspark einen Kranz nie<strong>der</strong>legte. Es<br />

sei ein ausdrücklicher Wunsch Fischers gewesen, den Friedenspark<br />

<strong>und</strong> das Atombombenmuseum in seinen engen<br />

Zeitplan aufzunehmen, so ein Sprecher des Auswärtigen<br />

Amtes. Die Zeit des <strong>deutschen</strong> Außenministers war insge-<br />

3 1971 weilte Kaiser Hirohito in <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik, 1978 B<strong>und</strong>espräsident<br />

Walter Scheel in Japan, 1993 Kaiser Akihito in Deutschland,<br />

B<strong>und</strong>espräsident Roman Herzog 1997 <strong>und</strong> 2002 B<strong>und</strong>espräsident<br />

Johannes Rau in Japan.


JAPAN aktuell 243 Juni 2004<br />

samt so knapp bemessen gewesen, dass er keine Zeit fand,<br />

einen Oppositionspolitiker o<strong>der</strong> den als Deutschlandkenner<br />

bekannten ehemaligen Ministerpräsidenten Kaifu zu<br />

treffen (J.a., 6/2000, Ü 59).<br />

Mit seinem Amtskollegen Kôno einigte sich Fischer auf<br />

„Sieben Säulen <strong>der</strong> Kooperation “ zwischen Japan <strong>und</strong><br />

Deutschland, die in den kommenden Jahren umzusetzen<br />

seien. Man einigte sich auf 1) einen stärkeren Beitrag für<br />

den Frieden <strong>und</strong> die Stabilität <strong>der</strong> internationalen Gemeinschaft,<br />

2) die Stärkung <strong>der</strong> Wirtschafts- <strong>und</strong> Handelsbeziehungen<br />

unter Nutzung <strong>der</strong> Impulse <strong>der</strong> Globalisierung,<br />

3) einen Beitrag zur Lösung globaler Probleme<br />

<strong>und</strong> sozialer Aufgaben, 4) einen Beitrag für die Stabilität<br />

in den Regionen, 5) die weitere Gestaltung vertrauensvoller<br />

politischer <strong>Beziehungen</strong> zwischen Japan <strong>und</strong> Deutschland,<br />

6) die För<strong>der</strong>ung <strong>der</strong> Wirtschaftsbeziehungen <strong>und</strong><br />

7) die För<strong>der</strong>ung des gegenseitigen Verständnisses <strong>und</strong><br />

<strong>der</strong> Kulturbeziehungen (Auswärtiges Amt 2000). Die sieben<br />

Säulen beziehen sich auf die 1996 erstmals erstellte<br />

„Agenda für die deutsch-<strong>japanisch</strong>e Partnerschaft “, die regelmäßig<br />

aktualisiert werden soll <strong>und</strong> die Gr<strong>und</strong>lage für<br />

den Ausbau <strong>der</strong> <strong>Beziehungen</strong> darstellt. Nach Meinung von<br />

Beobachtern ist <strong>der</strong> Titel des Papiers – „Sieben Säulen “ –<br />

indes angesichts einer bloßen „Aufzählung von Kooperationsthemen<br />

“ (Scheel 2003: 128) zu anspruchsvoll formuliert.<br />

So bleibt <strong>der</strong> Eindruck, die <strong>Beziehungen</strong> zwischen beiden<br />

Län<strong>der</strong>n würden nur verwaltet, obwohl doch mannigfaltige<br />

Anknüpfungspunkte existierten. Auf <strong>der</strong> 9. Asien-<br />

Pazifik-Konferenz in Tokyo im Juli 2002 for<strong>der</strong>te B<strong>und</strong>eswirtschaftsminister<br />

Werner Müller insbeson<strong>der</strong>e eine<br />

Richtungsän<strong>der</strong>ung im Denken deutscher Unternehmensleitungen.<br />

In Japan würden immer noch zwei Drittel des<br />

Bruttosozialproduktes Asiens erwirtschaftet, <strong>der</strong> deutsche<br />

Mittelstand müsse sich dieser Herausfor<strong>der</strong>ung stellen<br />

(HB, 4.7.2002; FAZ, 5.7.2002). Japan werde nicht genug<br />

gewürdigt, das Bild des Landes in westlichen Staaten sei<br />

von Schwankungen <strong>und</strong> Wi<strong>der</strong>sprüchen gekennzeichnet,<br />

meinte auch B<strong>und</strong>espräsident Rau in seiner Rede auf <strong>der</strong><br />

Konferenz (FAZ, 3.7.2002).<br />

Das kulturelle Verständnis zwischen beiden Län<strong>der</strong>n zu<br />

vertiefen, ist deshalb ein kurzfristiges Ziel bei<strong>der</strong> Regierungen.<br />

Ein viel versprechen<strong>der</strong> Schritt in diese Richtung<br />

ist das Deutschland-Jahr in Japan 2005/2006. Es<br />

soll vor allem helfen, Deutschlands Image in Japan aufzufrischen.<br />

Deutschland soll als innovatives Kulturland,<br />

Tourismusziel, Forschungs- <strong>und</strong> Investitionsstandort präsentiert<br />

werden. Ferner soll für das Studium an <strong>deutschen</strong><br />

Hochschulen geworben werden (Auswärtiges Amt<br />

2004a). Zum Programm sollen attraktive Konzerte, Ausstellungen,<br />

Kunstsammlungen, Filme, Festivals, Sportveranstaltungen,<br />

Messen, „Deutsche Wochen “ in <strong>japanisch</strong>en<br />

Kaufhäusern <strong>und</strong> wissenschaftliche Tagungen gehören.<br />

Langfristig sollen so für die deutsche Wirtschaft neue,<br />

junge Zielgruppen erschlossen werden <strong>und</strong> <strong>der</strong> Austausch<br />

in Wirtschaft, Kultur, Bildung <strong>und</strong> Wissenschaft auf einem<br />

dauerhaft hohen Niveau gefestigt werden.<br />

Diese Initiative wird von <strong>der</strong> <strong>deutschen</strong> Wirtschaft begrüßt.<br />

4 Japan hatte bereits von September 1999 bis zum<br />

4 Vgl. zu einer Einschätzung bspw. die Rede des BDI-Präsidenten<br />

Michael Rogowski zum Deutschlandjahr am 29. März 2004 (Auswärtiges<br />

Amt 2004b).<br />

Sommer 2000 unter dem Motto „Japan in Deutschland “<br />

eine Reihe von kulturellen Großveranstaltungen durchgeführt.<br />

Solche Aktivitäten tragen zu gegenseitigem Verständnis<br />

<strong>und</strong> mittelfristig zu einer Verbesserung <strong>der</strong> <strong>Beziehungen</strong><br />

bei. Momentan stehen die <strong>Beziehungen</strong> zu<br />

Deutschland zumal seit Berlins Rückzug aus <strong>der</strong> „Koalition<br />

<strong>der</strong> Willigen “ im Irakkrieg lei<strong>der</strong> noch nicht auf <strong>der</strong><br />

Prioritätenliste <strong>der</strong> <strong>japanisch</strong>en Regierung. Dies wurde<br />

während <strong>der</strong> Europa-Reise des <strong>japanisch</strong>en Ministerpräsidenten<br />

Koizumi im Frühjahr 2003 einmal mehr deutlich.<br />

Koizumi begann seine Reise in London, wo er mit dem britischen<br />

Premierminister Tony Blair zu Gesprächen über<br />

den Irak <strong>und</strong> Nordkorea zusammenkam. Von London begab<br />

er sich nach Spanien, das neben den USA <strong>und</strong> Großbritannien<br />

ebenfalls an <strong>der</strong> Allianz teilgenommen hatte,<br />

die im Irak intervenierte. Schließlich begab er sich zu<br />

Gesprächen zum französischen Präsidenten Jacques Chirac<br />

<strong>und</strong> erst dann zum <strong>deutschen</strong> B<strong>und</strong>eskanzler Gerhard<br />

Schrö<strong>der</strong>, bevor er am Ende seiner Reise in Athen die Gelegenheit<br />

hatte, mit EU-Kommissionspräsident Romano<br />

Prodi <strong>und</strong> dem griechischen Premierminister Costas Simitis<br />

über die <strong>Beziehungen</strong> Japans zur Europäischen Union<br />

zu diskutieren. In den <strong>japanisch</strong>en Medien wurde den<br />

Treffen mit Blair <strong>und</strong> Chirac die größte Aufmerksamkeit<br />

geschenkt. B<strong>und</strong>eskanzler Schrö<strong>der</strong> kam in <strong>der</strong> Berichterstattung<br />

<strong>der</strong> <strong>japanisch</strong>en Medien lediglich ein nachgeordneter<br />

Platz zu (J.a., 6/2003, Ü 43).<br />

Künftig wird es unabdingbar sein, auch die oberste Regierungsebene<br />

zur Verbesserung <strong>der</strong> bilateralen Rahmenbedingungen<br />

zu nutzen. Hier ist Berlin gefor<strong>der</strong>t, immer<br />

häufiger aber auch die Europäische Union. Welche Institutionalisierungsschritte<br />

in den letzten Jahren auf <strong>der</strong><br />

europäisch-asiatischen Achse erfolgt sind <strong>und</strong> ob sich daraus<br />

verbesserte <strong>Perspektiven</strong> für die <strong>japanisch</strong>-<strong>deutschen</strong><br />

<strong>Beziehungen</strong> ergeben, ist Gegenstand des folgenden Kapitels.<br />

5 Institutionalisierung <strong>der</strong> multilateralen<br />

<strong>Beziehungen</strong><br />

Die Institutionalisierung <strong>der</strong> politischen <strong>Beziehungen</strong> zwischen<br />

Asien <strong>und</strong> Europa hat eine lange Geschichte, ist<br />

aber bis heute nicht über das Stadium des regelmäßigen<br />

Dialogs hinausgekommen. Entsprechend gering ist bisher<br />

<strong>der</strong> Nutzen für die <strong>Beziehungen</strong> einzelner asiatischer <strong>und</strong><br />

europäischer Staaten untereinan<strong>der</strong> gewesen. Dies än<strong>der</strong>te<br />

sich nicht, als am 1. März 1996 25 Staats- <strong>und</strong> Regierungschefs<br />

aus <strong>der</strong> EU <strong>und</strong> Ostasien zum ersten Gipfel<br />

des seither Asia-Europe Meeting (ASEM) genannten Forums<br />

zusammenkamen. 5 Themen, die in dieser Institution<br />

besprochen werden, „appear to be low on the list of Japanese<br />

foreign policy-making consi<strong>der</strong>ations “ (Gilson 1999:<br />

736). Deutschland war nicht einmal in <strong>der</strong> Lage, am 4.<br />

Treffen <strong>der</strong> Staats- <strong>und</strong> Regierungschefs in Kopenhagen<br />

teilzunehmen, weil das Treffen am Tag <strong>der</strong> B<strong>und</strong>estagswahlen<br />

(22. September 2002) stattfand. Wie gering <strong>der</strong><br />

Stellenwert des Gipfels aus <strong>der</strong> Sicht an<strong>der</strong>er Regierun-<br />

5 Neben den Mitgliedstaaten <strong>der</strong> EU nahmen auf asiatischer Seite<br />

die ASEAN-Mitglie<strong>der</strong> Brunei, Indonesien, Malaysia, Philippinen,<br />

Singapur, Thailand, Vietnam sowie die VR China, Japan <strong>und</strong> Südkorea<br />

an dem Treffen teil.


JAPAN aktuell 244 Juni 2004<br />

gen zum Teil ist, kann man an <strong>der</strong> Liste <strong>der</strong> Delegationsleiter<br />

ablesen. Großbritannien entsandte statt Premierminister<br />

Tony Blair seinen Stellvertreter John Prescott, die<br />

Philippinen Außenminister Blas F. Ople, Indonesien seinen<br />

Wirtschaftsminister Dorodjatun Kuntjoro-Jakti <strong>und</strong><br />

Deutschland den Botschafter Johannes Dohmes.<br />

Durch diese nachrangige Behandlung des Treffens bleiben<br />

gute Möglichkeiten ungenutzt, bietet doch „<strong>der</strong><br />

ASEM-Prozess eine einzigartige Gelegenheit zur deutsch<strong>japanisch</strong>en<br />

Abstimmung nicht nur in Regionalfragen “<br />

(Scheel 2003: 140). Das Forum verfolgt die gleichen Ziele,<br />

die auch auf <strong>der</strong> Agenda <strong>der</strong> deutsch-<strong>japanisch</strong>en <strong>Beziehungen</strong><br />

Priorität besitzen. Handlungsleitend ist das unausgeschöpfte,<br />

sich aus freiem Handel ergebende Wohlfahrtspotenzial<br />

bei<strong>der</strong> Weltwirtschaftsregionen. Zur Anhebung<br />

des Handels- <strong>und</strong> Investitionsniveaus wurden ursprünglich<br />

folgende Ziele formuliert:<br />

– Stärkung des multilateralen Handelssystems,<br />

– Reduzierung von Handelsbarrieren,<br />

– Investitionsför<strong>der</strong>ung,<br />

– Kooperation in <strong>der</strong> Infrastrukturentwicklung,<br />

– Intensivierung <strong>der</strong> wissenschaftlichen <strong>und</strong> technologischen<br />

Zusammenarbeit,<br />

– Zusammenarbeit in den Fel<strong>der</strong>n Umwelt <strong>und</strong> Entwicklung,<br />

– För<strong>der</strong>ung von „Humankapital “ <strong>und</strong><br />

– Verbesserung <strong>der</strong> Entwicklungszusammenarbeit zur<br />

Armutsbekämpfung (Bersick 1998: 55-56).<br />

Längerfristig könnten innerhalb des Forums darüber hinaus<br />

auch politische <strong>und</strong> sicherheitspolitische Aspekte eine<br />

Rolle spielen – Faktoren, denen nach den Anschlägen<br />

auf New York <strong>und</strong> Washington vom 11. September 2001<br />

erhöhte Aufmerksamkeit zukommen sollte. So stand vor<br />

allem Nordkorea auf <strong>der</strong> Agenda des vierten Asia-Europe-<br />

Meetings (ASEM IV) in Kopenhagen 2002. Es wurde eine<br />

gemeinsame Erklärung verabschiedet, in <strong>der</strong> die Mitglie<strong>der</strong><br />

des ASEM ihre Unterstützung für den Friedensprozess<br />

auf <strong>der</strong> koreanischen Halbinsel festschrieben. Auch<br />

dem Normalisierungsprozess zwischen Nordkorea <strong>und</strong> Japan<br />

wurde volle Unterstützung zugesichert. Künftig müsse<br />

Nordkorea durch alle ASEM-Mitgliedsstaaten aktiv<br />

in wirtschaftliche <strong>und</strong> politische Initiativen eingeb<strong>und</strong>en<br />

werden, so das Schlusskommuniqué <strong>der</strong> Konferenz (J.a.,<br />

4/2002, Ü 47).<br />

Einmal mehr wurden jedoch keine konkreten Handlungsleitlinien<br />

für die ASEM-Staaten festgelegt. Dem Forum<br />

fehlt es an Handlungsbefugnissen; es besitzt bisher<br />

kein ständiges Sekretariat, das die Treffen auf Arbeitsebene<br />

koordinierend vorbereiten könnte. Es ist nur<br />

schwer vorstellbar, dass informelle Zusammenarbeit auf<br />

Dauer ein funktionales Äquivalent zu formaler Kooperation<br />

sein kann, wenn es um Themen wie Marktzugang,<br />

Investitionsschutz o<strong>der</strong> Terrorismus geht. Zwar wurden<br />

auf dem zweiten ASEM-Gipfel in London 1998 ein<br />

Plan zur Handelserleichterung (Trade Facilitation Action<br />

Plan, TFAP) <strong>und</strong> einer zum Abbau von Investitionshemmnissen<br />

(Investment Promotion Plan, IPAP)<br />

auf den Weg gebracht, doch handelt es sich auch hier<br />

um nicht mehr als einen informellen <strong>und</strong> auf freiwilliger<br />

Basis abgehaltenen Dialogprozess über die Beseitigung<br />

von nichttarifären Handelshemmnissen einerseits<br />

<strong>und</strong> Investitionsbeschränkungen an<strong>der</strong>erseits (Loewen<br />

2003: Kap.3). Wo <strong>der</strong> alternative Beitrag zur Welthandelsorganisation<br />

(WTO) liegen könnte, ist hier noch<br />

nicht ganz deutlich geworden. Künftig könnte es stärker<br />

darum gehen, sich im Vorfeld von WTO-Treffen auf eine<br />

asiatisch-europäische Position zu verständigen. 6<br />

Ein Teil des ASEM, das unter <strong>der</strong> informellen Struktur<br />

<strong>der</strong> Institution leidet, ist das Asia-Europe Business Forum<br />

(AEBF). Neben den genannten staatlich-initiierten<br />

Maßnahmen existiert hier eine privatwirtschaftliche o<strong>der</strong><br />

transnationale Komponente unter dem Dach <strong>der</strong> Außenministertreffen,<br />

die sich gezielt um die För<strong>der</strong>ung von Unternehmenskontakten<br />

bemüht. Das AEBF entwirft regelmäßig<br />

Empfehlungen, <strong>der</strong>en Umsetzung durch die Außenminister<br />

bisher aber nicht sichtbar wurde. Der Wert des<br />

AEBF liegt wohl allein darin, dass hier Unternehmern im<br />

Rahmen einer intergouvernementalen Struktur ein Forum<br />

zum Austausch geboten wird, wie dies <strong>der</strong> Abschlussbericht<br />

des 8. Asia Europe Business Forum vom Oktober<br />

2003 in Seoul an zentraler Stelle hervorhebt: „AEBF VIII<br />

has greatly contributed to forging strong and productive<br />

partnerships between businesspeople in both Asia and Europe<br />

and has continued to solidify the bonds formed during<br />

previous AEBF meetings “ (APA 2003: 2).<br />

Wie das Forum des ASEM selbst – <strong>und</strong> an<strong>der</strong>s als beispielsweise<br />

die viel stärkeren <strong>Beziehungen</strong> Japans zu den<br />

USA (dazu die Beiträge in Stern 2002) – befindet sich<br />

die Institutionalisierung <strong>der</strong> <strong>japanisch</strong>-europäischen <strong>Beziehungen</strong><br />

noch im Übergang von <strong>der</strong> Konsultationsphase<br />

zu einer Phase des gemeinsamen Handelns. Mannigfaltige<br />

gemeinsame Aktionspläne sind im Rahmen des jährlichen<br />

„EU-Japan Summit “ bereits aufgelegt worden, <strong>und</strong><br />

die Europäische Kommission vertritt implizit den <strong>Stand</strong>punkt,<br />

dass Marktzugangsprobleme besser im direkten<br />

bilateralen als im multilateralen Rahmen gelöst werden<br />

können (European Commission 2003). Vor diesem Hintergr<strong>und</strong><br />

<strong>und</strong> angesichts eines starken Richtungswechsels<br />

des ASEM von <strong>der</strong> Behandlung wirtschaftlicher hin zur<br />

Diskussion sicherheitspolitischer Themen auf dem letzten<br />

Gipfel 2002 in Kopenhagen stellt sich heute mehr denn<br />

je die Frage nach den <strong>Perspektiven</strong> des multilateralen<br />

asiatisch-europäischen Dialogs.<br />

6 Politische <strong>Perspektiven</strong> nach<br />

dem 11. September 2001<br />

Kurz vor dem ASEM-Gipfel in Hanoi im Oktober<br />

2004 <strong>und</strong> im Vorfeld des Deutschland-Jahres in Japan<br />

2005/2006 sind die bilateralen <strong>Beziehungen</strong> zwischen Japan<br />

<strong>und</strong> Deutschland in einem verbesserungswürdigen<br />

Zustand. In ihrer Darstellung des Verhältnisses wählt<br />

auch die deutsche Botschaft in Tokyo eher nüchterne Worte:<br />

Das bilaterale Verhältnis zwischen Deutschland <strong>und</strong> Japan<br />

ist problemlos. Wir haben Interesse an einem weiteren Ausbau<br />

<strong>der</strong> engen <strong>und</strong> vertrauensvollen <strong>Beziehungen</strong> zu Japan,<br />

das nicht nur unser wichtigster Wirtschafts- <strong>und</strong> Handelspartner<br />

in Asien ist, son<strong>der</strong>n sich darüber hinaus bei <strong>der</strong><br />

6 Ansätze einer solchen Zusammenarbeit hat es in <strong>der</strong> Vergangenheit<br />

bereits gegeben. Vgl. AS, 16.2.2001 <strong>und</strong> FT, 28.3.2001.


JAPAN aktuell 245 Juni 2004<br />

Lösung <strong>der</strong> großen internationalen Aufgaben <strong>und</strong> Probleme<br />

zu einem interessanten außenpolitischen Partner entwickelt<br />

hat (Deutsche Botschaft Tokyo o.J.).<br />

Die Beschreibung <strong>der</strong> bilateralen <strong>Beziehungen</strong> als „problemlos<br />

“ suggeriert eine gewisse Zufriedenheit mit dem<br />

gegenwärtigen Zustand. Doch spätestens seit dem 11. September<br />

2001 <strong>und</strong> dem anschließenden „Krieg gegen den<br />

Terror “ in Afghanistan <strong>und</strong> Irak täuscht diese Etikette<br />

über die komplexen Probleme <strong>der</strong> beiden regionalen<br />

Großmächte hinweg. Dabei existieren gerade im politischen<br />

Bereich zahlreiche Gemeinsamkeiten, die die Geschichte<br />

<strong>und</strong> das heutige Selbstverständnis bei<strong>der</strong> Staaten<br />

als „Zivilmächte “ (klassisch Maull 1990) betreffen. Beide<br />

Staaten haben sich in den letzten Jahrzehnten für die<br />

För<strong>der</strong>ung sozialer Ausgewogenheit <strong>und</strong> Gerechtigkeit auf<br />

globaler Ebene, die Verregelung <strong>und</strong> Verrechtlichung internationaler<br />

<strong>Beziehungen</strong> im Rahmen <strong>der</strong> Vereinten Nationen<br />

<strong>und</strong> die Intensivierung multilateraler Kooperation<br />

eingesetzt. Es überrascht geradezu, dass diese Parallelen<br />

nicht zu einer intensiveren bilateralen Zusammenarbeit<br />

<strong>und</strong> besseren Rahmenbedingungen für einen florierenden<br />

wirtschaftlichen Austausch geführt haben. Besinnen sich<br />

beide Regierungen auf ihre Gemeinsamkeiten, lassen sich<br />

zahlreiche Ansatzpunkte für politische Kooperationsinitiativen<br />

ausmachen. Das Deutschland-Jahr in Japan ist<br />

ein sinnvoller Schritt in die richtige Richtung.<br />

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2003 JETRO White Paper on International Trade and<br />

Foreign Direct Investment (Summary), Tokyo<br />

Katzenstein, Peter J./Okawara, Nobuo (1993): Japan’s<br />

National Security. Structures, Norms and Policy Responses<br />

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Kevenhörster, Paul (1993): Japan. Außenpolitik im Aufbruch,<br />

Opladen<br />

Kreft, Heinrich (1994): „Deutsch-<strong>japanisch</strong>e <strong>Beziehungen</strong><br />

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für politische Bildung)


JAPAN aktuell 246 Juni 2004<br />

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205<br />

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– Geschichte – Kultur – Religion – Staat –<br />

Gesellschaft – Bildungswesen – Politik – Wirtschaft,<br />

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im Außenhandel <strong>der</strong> B<strong>und</strong>esrepublik Deutschland.<br />

Vorläufige Ergebnisse, Wiesbaden<br />

Stern, Robert M. (Hrsg.) (2002): Issues and Options for<br />

U.S.-Japan Trade Policies, AnnArbor

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