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Schneckenkornvergiftung

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Erfahrungsbericht einer <strong>Schneckenkornvergiftung</strong><br />

von Klaus Bäumel<br />

Laut Auskunft der Tierklinik und vieler Tierärzte sind <strong>Schneckenkornvergiftung</strong>en in dieser<br />

Jahreszeit keine Seltenheit.<br />

Dass einer meiner Hunde davon betroffen sein könnte hätte ich mir bis zum letzten<br />

Wochenende nicht gedacht.<br />

Am Samstag morgen veränderte sich das Verhalten meiner Hündin Cheyenne von der Einen<br />

auf die Andere Minute. Sie begann nervös zu zittern, machte einen abwesenden Eindruck,<br />

reagierte nicht mehr auf Zuspruch.<br />

Mein Verdacht ging zuerst in Richtung Kreislaufkollaps oder vielleicht noch schlimmer<br />

Schlaganfall. Zum Glück befindet sich in meiner Nähe die Breitenseer Tierklinik, welche<br />

rund um die Uhr über einen Notdienst verfügt.<br />

Ein kurzer Anruf und fünf Minuten später stand ich vor der Tür. Cheyennes Zustand hatte<br />

sich weiter dramatisch verschlechtert. Sie hielt sich mittlerweile nur noch schwer auf den<br />

Beinen und konnte offensichtlich nichts mehr sehen.<br />

In der Klinik steigerten sich die Symptome zu krampfhaften Zuckungen und Speichelfluss. Da<br />

die zuständige Ärztin sofort auf eine Vergiftung tippte und ich nach Rücksprache, erfuhr, dass<br />

bei uns im Garten Schneckenkorn ausgelegt worden war, bestätigte sich diese Vermutung.<br />

Nach der Notaufnahme wurde ihr Magen und Darm durchgespült und mit Infusionen begann<br />

der Kampf ums nackte Überleben. Die nächsten 24 Stunden so hieß es, würden über Leben<br />

oder Tod entscheiden.<br />

Sie hat den Kampf gewonnen, aber um euch eventuell ähnliche Erfahrungen zu ersparen, eine<br />

kurze Beschreibung der Wirkungsweise und Symptome einer <strong>Schneckenkornvergiftung</strong>.<br />

Einem Schneckenkorn auf dessen Beipacktext auf die nicht schädliche Wirkung für Haustiere<br />

hingewiesen wurde.<br />

Symptomatischer Verlauf und Wirkungsweise:<br />

Methiocarb und Thiodicarb gehören chemisch zur Gruppe der Carbamate und sind stark<br />

wirksame Nervengifte. Beide wirken bei Insekten, Spinnentieren und Schnecken, darüber<br />

hinaus wird Methiocarb zur Abwehr landwirtschaftlicher Schadvögel eingesetzt<br />

(Vogelrepellent). Es ist auch für Igel, Katzen und Hunde giftig, auch für den Menschen ist es<br />

sehr gefährlich. Beide Wirkstoffe sind mäßig beständig im Boden und zeigen eine geringe<br />

Tendenz zum Versickern, sie sind für Wasserorganismen sehr giftig, ebenso für<br />

Bodenorganismen wie Regenwürmer. Durch die Beimengung weiterer Substanzen, weist das<br />

Schneckenkorn für Vögel einen abschreckenden Geruch und Geschmack auf.<br />

Werden Carbamate oral aufgenommen, werden sie recht rasch und vollständig aus dem<br />

Magen-Darm-Trakt resorbiert. Auch die Aufnahme über die Haut ist zügig möglich. Es<br />

erfolgt eine rasche Verteilung im Körper, so dass bereits ein bis zwei Stunden nach der<br />

Giftaufnahme die ersten Symptome sichtbar werden. Carbamate werden rasch im<br />

Stoffwechsel verarbeitet und nur in geringen Mengen gespeichert. Carbamate hemmen im<br />

Gehirn das Enzym Acetylcholinesterase, das dafür verantwortlich ist, dass der Botenstoff<br />

(Neurotransmitter) Acetylcholin in Essigsäure und Cholin gespalten werden kann. Dadurch<br />

steigt die Konzentration von Acetylcholin an und die Folge ist eine<br />

„Überstimulierung“ bestimmter Synapsen im vegetativen Nervensystem, an den motorischen


Endplatten und im ZNS. Die Tiere werden durch dieses „Gewitter im Kopf“ unruhig und<br />

erregt, manchmal treten auch Krämpfe auf. Die Hemmung des Enzyms Acetylcholinesterase<br />

ist reversibel, d.h. der Vorgang kann wieder rückgängig gemacht werden, ist also umkehrbar.<br />

Die Toxizität von Carbamaten wird vergrößert, wenn gleichzeitig Medikamente wie<br />

Neuroleptika, Morphine, Inhalationsanästhetika u.a. im Organismus vorhanden sind.<br />

Die auftretenden Symptome sind auch hier vielfältig, vor allem Verhaltensveränderungen wie<br />

Depression, Angst, Aggression sind auffällig, daneben auch Zittern, Zuckungen, gestreckte<br />

Haltung, steifer Gang, Erbrechen, Durchfall, unkontrollierter Harnabsatz etc. Der<br />

labortechnische Nachweis der Carbamate ist durch die schnelle Abbaubarkeit schwerer, kann<br />

mittels chromatographischer Methoden in Mageninhalt, Blut, Harn, Leber oder Niere jedoch<br />

gelingen. Eine Behandlung mit Atropinsulfat ist möglich.

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