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Ausbildungsseminar<br />

Physics meets sports<br />

<strong>Biomechanik</strong> <strong>im</strong> <strong>Judo</strong>: Wurftechniken<br />

Andreas Fehlner<br />

Naturwissenschaftliche Fakultät II - Physik<br />

<strong>Universität</strong> Regensburg<br />

Juli 2008


Inhaltsverzeichnis<br />

1 Was ist <strong>Judo</strong>? 3<br />

2 Wurftechniken 4<br />

2.1 Grundlagen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

2.1.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

2.1.2 Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

2.1.3 Methodische Einteilung . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 4<br />

2.1.4 Wurfphasen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

2.2 Wurfprinzipübersicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

2.2.1 Tachi-waza . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5<br />

2.2.2 Sutemi-waza (Selbstfallwürfe/ alte Bezeichnung Opferwürfe) . . . . . . . . . . . . 6<br />

2.2.3 Maki-komi-waza (Mitfalltechniken) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 6<br />

3 Biomechanische Aspekte 7<br />

3.1 Allgemeines . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

3.2 Allgemeine Wurfprinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

3.2.1 Kuzushi: Das Gleichgewichtbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7<br />

3.2.2 Tsukuri: Die Wurfvorbereitung, das Eindrehen in <strong>de</strong>n Wurf . . . . . . . . . . . . . 8<br />

3.2.3 Kake: Die Wurfausführung, das Werfen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 10<br />

4 Gleichgewicht, Gleichgewichtbrechen 11<br />

4.1 Körperschwerpunkt (KSP) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

4.2 Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

4.2.1 Stabiles Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 11<br />

4.2.2 Labiles Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

4.2.3 Gebrochenes Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

4.2.4 Dynamisches Gleichgewicht . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 13<br />

4.3 Gleichgewichtbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

4.3.1 Gleichgewichtbrechen aus <strong>de</strong>r Ruheposition . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

4.3.2 Dynamisches Gleichgewichtbrechen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

4.4 Mo<strong>de</strong>ll . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 14<br />

5 Würfe 21<br />

5.1 Würfe nach vorne: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

5.1.1 Prinzipien . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

5.1.2 Beispiel: Schulterwurf (Ippon-seoi-nage) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21<br />

5.1.3 Beispielsrechung: Hüftwurf (O-Goshi) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 22<br />

5.2 Wurf nach hinten . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

5.2.1 Sicheltechniken (Beinsicheln) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 23<br />

5.2.2 Beispiel: Groÿe Auÿensichel (O-Soto-Gari) . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 24<br />

6 Mo<strong>de</strong>rne biomechanische Analyse und Kraftdiagnostik 26<br />

6.1 Dreid<strong>im</strong>ensionale Bewegungsanalyse und Mo<strong>de</strong>llierung von judospezischen Bewegungen . 26<br />

6.2 Kinematische Messverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 27<br />

6.2.1 1- o<strong>de</strong>r 2-Kamera-Verfahren (Filmbildanalyse, Vi<strong>de</strong>obildanalyse) . . . . . . . . . . 27<br />

6.2.2 Speedometrie . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 28<br />

6.3 Dynamometrische Messverfahren . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

6.3.1 3-d<strong>im</strong>ensionale Kraftplattform . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

6.3.2 Hubkraftmessgerät . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32<br />

6.4 Elektromyographie: . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 33<br />

2


1 Was ist <strong>Judo</strong>?<br />

<strong>Judo</strong> ist die weltweit populärste Kampfsportart. Allein <strong>de</strong>r Deutsche <strong>Judo</strong>bund (DJB) hat ca. 200.000 Mitglie<strong>de</strong>r<br />

und ist damit <strong>de</strong>r gröÿte Kampfsportverband in Deutschland. [Vergleich: Karate (DKV): 120.000,<br />

Ju-Jutsu (DJJV): 50.000, Fechtbund: 11.328, Taekwondo (DTU): 58.000]<br />

<strong>Judo</strong> ist eine relativ junge japanische Kampfsportart (Ju<br />

= sanft, weich ; Do = Weg), <strong>de</strong>ren Grundprinzip max<strong>im</strong>ale<br />

Wirkung bei einem Min<strong>im</strong>um an Aufwand ist. Der<br />

Begrün<strong>de</strong>r dieser Sportart war Jigoro Kano, <strong>de</strong>r in seiner<br />

Jugend diverse Kampfsportarten (Jiu-Jitsu-Stile) unter<br />

vielen be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>n Meistern studierte. Laut Kano präsentierte<br />

je<strong>de</strong>r Meister seine Kunst als eine reine Sammlung<br />

von Techniken. Keiner von ihnen bemerkte das Leitprinzip,<br />

welches hinter <strong>de</strong>n Techniken stand. Als Kano nun<br />

mit unterschiedlichen Lehrweisen einzelner Techniken konfrontiert<br />

wur<strong>de</strong>, wusste er zuerst nicht, welche nun davon<br />

korrekt wäre. Dies brachte ihn dazu nach einem Prinzip<br />

zu suchen, welches <strong>de</strong>m Jiu-Jitsu zugrun<strong>de</strong> lag. Er behielt<br />

von allen Techniken, die er gelernt hatte, nur jene,<br />

die diesem Prinzip entsprachen. Sein damals erschaene<br />

Kampfsportart enthielt noch Waen-, Schlag und Tritttechniken.<br />

Abbildung 1.1: Jigoro Kano (1860-<br />

1938)<br />

Die Versportlichung <strong>de</strong>s <strong>Judo</strong> nach <strong>de</strong>m 2. Weltkrieg hatte einige ganz s<strong>im</strong>ple Ursachen. Zum einem<br />

wur<strong>de</strong> <strong>Judo</strong> von <strong>de</strong>n amerikanischen Besatzungstruppen verboten und man erreichte 1947 eine Wie<strong>de</strong>rzulassung<br />

<strong>de</strong>s <strong>Judo</strong>, in<strong>de</strong>m man bei Vorführungen <strong>de</strong>m Generalstab <strong>de</strong>r Amerikaner vorgaukelte, <strong>Judo</strong> sei<br />

eine Ringkampf-Sportart und eigentlich ganz, ganz harmlos. Zum an<strong>de</strong>ren war <strong>de</strong>r <strong>Judo</strong>-Grün<strong>de</strong>r Kano<br />

Jigoro bereits 1938 gestorben, und auch die drei <strong>Judo</strong>ka, die er zu seinen Nachfolgern best<strong>im</strong>mt hatte,<br />

waren <strong>im</strong> Krieg gefallen. Aus politischen Grün<strong>de</strong>n wur<strong>de</strong> dann NICHT Kyuzo Mifune, <strong>de</strong>r Direktor <strong>de</strong>s<br />

Kodokan, son<strong>de</strong>rn <strong>de</strong>r Adoptivsohn Kanos, <strong>de</strong>r selbst kein jedoch <strong>Judo</strong>ka gewesen war.<br />

Mifune weigerte sich daraufhin, sein Wissen <strong>im</strong> <strong>Judo</strong> auf breiter Basis weiterzugeben. Nach Risei Kano<br />

kam <strong>de</strong>r (<strong>im</strong>mer noch amtieren<strong>de</strong>) Yuk<strong>im</strong>itsu Kano als Direktor <strong>de</strong>s Kodôkan an die Reihe (<strong>de</strong>r Enkel<br />

Kanos), und Yuk<strong>im</strong>itsu trägt zwar ehrenhalber <strong>de</strong>n 1. Dan (Schwarzgurt), ist aber ebenfalls kein Jûdôka.<br />

Nach Europa kam <strong>Judo</strong> <strong>im</strong>mer nur bruchstückhaft und verzerrt.<br />

So verschwan<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Laufe <strong>de</strong>r Zeit viele gefährlichere Waen-, Tritt- und Schlagtechniken und <strong>Judo</strong><br />

entwickelte sich fast zum reinen heute bekannten Wettkampfsport mit <strong>de</strong>n verbliebenen Techniken, also<br />

hauptsächlich Würfe, Halte- und Würgetechniken sowie Armhebel. Heute ist <strong>Judo</strong> die populärste Zweikampfdisziplin,<br />

welche <strong>im</strong> Jahre 1964 <strong>de</strong>n Sprung in das olympische Programm schate.<br />

Die Techniken <strong>de</strong>s mo<strong>de</strong>rnen Sportjudo lassen sich in Bo<strong>de</strong>ntechniken (Katame Waza), Falltechniken<br />

(Ukemi-waza), Schlagtechnik (Atemi Waza, nur in Kata) und Wurftechniken (Nage Waza) einteilen.<br />

Ich beschäftige mich nun mit <strong>de</strong>n Prinzipien und Ablauf <strong>de</strong>s Wurfvorgangs etwas näher. Dazu gehe ich<br />

auf zwei Würfe, <strong>de</strong>n Schulterwurf (Seoi-Nage) und die groÿe Auÿensichel (O-Soto-Gari), etwas näher ein.<br />

Zum Abschluss stelle ich noch die Metho<strong>de</strong>n und ein paar Ergebnisse <strong>de</strong>r mo<strong>de</strong>rnen biomechanischen<br />

Analyse und Kraftdiagnostik dar.<br />

3


2 Wurftechniken<br />

2.1 Grundlagen<br />

2.1.1 Allgemeines<br />

Wurftechniken wer<strong>de</strong>n angesetzt, um <strong>de</strong>n Gegner vom Stand in die Bo<strong>de</strong>nlage zu bringen. Es existiert<br />

eine Vielzahl von Techniken, um dieses Ziel zu erreichen.<br />

Das Kodokan, die älteste und be<strong>de</strong>utendste <strong>Judo</strong>-Schule <strong>de</strong>r Welt, gegrün<strong>de</strong>t von Jigoro Kano teilt 40<br />

klassische Würfe in 5 Gruppen (GOKYO) zu je 8 Techniken (nach Schwierigkeitsgrad) ein. Dabei reicht die<br />

Auswahl vom einfachen Beinstellen (O-soto-otoshi) bis hin zu spektakulären Aushebern (Kata-guruma)<br />

o<strong>de</strong>r auch <strong>de</strong>m klassischen Überkopfwurf (Tomeo-nage), <strong>de</strong>r in diversen Hollywood-Actionlmen (→ u.a.<br />

James Bond) wie<strong>de</strong>rzun<strong>de</strong>n ist.<br />

Gut ausgeführte Wurftechniken benötigen <strong>im</strong> Optmialfall wenig Kraft zur Ausführung, da man <strong>de</strong>n<br />

Schwung und die Bewegung <strong>de</strong>s Partners geschickt ausnutzt. [Dieses Prinzip kann man bereits aus <strong>de</strong>r<br />

Übersetzung <strong>de</strong>s Wortes <strong>Judo</strong> ablesen: sanfter Weg]<br />

Die bei<strong>de</strong>n Kampfpartner heiÿen Tori (<strong>de</strong>r Werfen<strong>de</strong>, bzw. <strong>de</strong>r <strong>de</strong>r die Technik macht) und Uke (<strong>de</strong>r<br />

Geworfene, bzw. <strong>de</strong>r, an <strong>de</strong>m die Technik gemacht wird, <strong>de</strong>r die Technik ann<strong>im</strong>mt).<br />

2.1.2 Prinzipien<br />

Das Prinzip aller Wurftechniken basiert darauf,<br />

a) <strong>de</strong>n Angreifer unter Ausnutzung seines Kraftusses (=Bewegung und Kraft) aus <strong>de</strong>m Gleichgewicht<br />

zu bringen. Dies erfolgt durch Zug und/o<strong>de</strong>r durch Druck.<br />

b) <strong>de</strong>n nun instabilen Angreifer seine Unterstützäche, sprich Beine durch z.B. Ausheben, Wegfegen,<br />

Sichel etc. zu nehmen.<br />

2.1.3 Methodische Einteilung<br />

Würfe lassen sich nach ziemlich verschie<strong>de</strong>nen Gesichtspunkten einteilen.<br />

Folgen<strong>de</strong> weit verbreitete Einteilung (1885) stammt von <strong>Judo</strong>grün<strong>de</strong>r Jigoro Kano und von seinem Assistenten.<br />

Er teilte die Standardtechniken nach <strong>de</strong>n Körperteilen <strong>de</strong>s Werfen<strong>de</strong>n (Tori) ein, <strong>de</strong>ssen Funktion<br />

verhältnismäÿig stark ins Gewicht/Auge fällt. Die Unterscheidung wird z.B. nach Bein-, Fuÿ-, Handwürfen<br />

vorgenommen.<br />

(⇒ Vi<strong>de</strong>os zu <strong>de</strong>n einzelnen Gruppen)<br />

1) Tachi-waza<br />

Ashi-waza (Bein- und Fuÿwürfe)<br />

Koshi-waza (Hüftwürfe)<br />

Te-waza (Hand- und Armwürfe)<br />

2) Sutemi-waza (Selbstfallwürfe/ alte Bezeichnung Opferwürfe)<br />

Yoko-sutemi-waza (Selbstfallwürfe zur Seite)<br />

Ma-sutemi-waza (Selbstfallwürfe nach hinten)<br />

• Maki-komi-waza (Mitfalltechniken)<br />

• Beingreiftechniken<br />

4


Die letzten bei<strong>de</strong>n Gruppen stellen eine Beson<strong>de</strong>rheit dar. Maki-komi-Waza könnten als Selbstfallwürfe<br />

gezählt wer<strong>de</strong>n an<strong>de</strong>rerseits auch als Ashi-waza, Koshi-waza o<strong>de</strong>r Te-waza, da die jeweils relevanten Prinzipien<br />

<strong>de</strong>r Gleichgewichtsbrechung zum Einsatz kommen.<br />

Eine weitere Einteilungsmöglichkeit ist die nach <strong>de</strong>r Wurfrichtung, insbeson<strong>de</strong>re, wenn Würfe in einer<br />

nahezu rhythmischen Reihe geübt wer<strong>de</strong>n. Das heiÿt Schüler führen die Würfe mit nahezu i<strong>de</strong>ntischen<br />

Bewegungsbil<strong>de</strong>rn hintereinan<strong>de</strong>r aus. Ein Beispiel hierfür wären die Techniken Groÿer Hüftwurf (O-<br />

Goshi) und Schulterwurf (Seoi-Nage).<br />

In verschie<strong>de</strong>nen Büchern und Artikeln n<strong>de</strong>n sich noch weitere Einteilungsmöglichkeiten, wie z.B. geradlinige<br />

und kreisförmige Würfen, o<strong>de</strong>r eine Einteilung nach <strong>de</strong>m Zeitpunkt <strong>de</strong>s Einsetzen <strong>de</strong>r Drehmomente:<br />

1. Wurf durch Einsetzen eines Drehmoments am Gegner<br />

• Der Gegner wird durch <strong>de</strong>n Wurf von seinen Stützächen weggedreht (z.B. durch Anreiÿen<br />

nach vorn). Die Drehachse liegt in <strong>de</strong>r Stützäche.<br />

• Durch ein weiteres Drehmoment wird <strong>de</strong>r Gegner seiner Stützäche beraubt, in<strong>de</strong>m sein Bein<br />

o<strong>de</strong>r seine Beine weggedreht wer<strong>de</strong>n. Die Drehachse geht durch <strong>de</strong>n Körper <strong>de</strong>s Gegners.<br />

• Der Gegner wird über ein Hin<strong>de</strong>rnis geworfen. Dazu können z.B. das o<strong>de</strong>r die Beine und die<br />

Hüfte <strong>de</strong>s Werfen<strong>de</strong>n dienen.<br />

2. Wurf nach Anheben <strong>de</strong>s Gegners: Zum Anheben benutzt <strong>de</strong>r Werfen<strong>de</strong> z.B. Arme, Beine, Hüfte,<br />

Rücken o<strong>de</strong>r Schulter. Die Weiterführung erfolgt<br />

• mit einem Drehmoment,<br />

• mit einem Drehmoment über ein Hin<strong>de</strong>rnis, wozu z.B. <strong>de</strong>r Werfen<strong>de</strong> die Extremitäten, d.h.<br />

Beine, Hüfte, Rücken o<strong>de</strong>r Schulter benutzen kann.<br />

- z.B. alle Ausheber, Schaufelwurf<br />

Viele weitere Einteilungsmöglichkeiten n<strong>de</strong>n sich in Biomechanical Classication of <strong>Judo</strong> Throwing<br />

Techniques (Nage Waza) von A. Sacripanti , welche aber in <strong>de</strong>r <strong>Judo</strong>-Praxis nur eine geringe Be<strong>de</strong>utung<br />

haben dürften.<br />

2.1.4 Wurfphasen<br />

Im <strong>Judo</strong> (o<strong>de</strong>r auch <strong>im</strong> Ringen) teilt man man <strong>de</strong>n Wurf klassisch in drei aufeinan<strong>de</strong>rfolgen<strong>de</strong> Phasen.<br />

1. Phase Kuzushi (Gleichgewichtbrechen)<br />

2. Phase Tsukuri (Wurfvorbereitung, Eindrehen in <strong>de</strong>n Wurf, Ausheben, Wurfeingang)<br />

3. Phase Kake (Wurfausführung)<br />

Die drei Phasen verschmelzen während einer Wurfausführung jedoch zu einer einzigen blitzschnellen und<br />

harmonischen Bewegung. Für das Verständnis/Erlernen ist es jedoch von gröÿtem Vorteil, diese Einteilung<br />

zu treen.<br />

2.2 Wurfprinzipübersicht<br />

2.2.1 Tachi-waza<br />

Ashi-waza (Bein- und Fuÿwürfe)<br />

Beinwürfe können in Sichel-, Rad- und Fegetechniken geglie<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n. Erstere greifen das vornehmlich<br />

belastete Standbein <strong>de</strong>s Partners an und entziehen ihm so das Gleichgewicht. Bei <strong>de</strong>n Fegetechniken<br />

hingegen wird das unbelastete Bein angegrien und <strong>de</strong>m Partner die Möglichkeit, sich mit diesem abzustürzen,<br />

genommen. Bei <strong>de</strong>n Radtechniken wird eines o<strong>de</strong>r bei<strong>de</strong> Beine <strong>de</strong>s Partners blockiert und durch<br />

Drehung <strong>de</strong>s eigenen Körpers um die längste Achse <strong>de</strong>r xierte Körper <strong>de</strong>s Partners über diesen Block<br />

gedreht. Diese Techniken erfor<strong>de</strong>rn eine präzise Koordination <strong>de</strong>r Arme und Beine sowohl zeitlich als auch<br />

räumlich.<br />

z.B. De-ashi-barai (Fuÿfegen), Hiza-guruma (Knierad), O-soto-gari (Groÿe Auÿensichel), O-soto-otoshi<br />

(Beinstellen), O-uchi-gari (Groÿe Innensichel), (Ashi-) Uchi-mata (Innerer Schenkelwurf)<br />

5


Koshi-waza (Hüftwürfe)<br />

Der werfen<strong>de</strong> Partner bricht das Gleichgewicht <strong>de</strong>s Partners nach vorn, dreht mit einer Halbdrehung<br />

ein und bringt die eigene Hüfte mehr o<strong>de</strong>r weniger unter <strong>de</strong>n Schwerpunkt (Hüfte) <strong>de</strong>s Partners. Durch<br />

Beinstreckung und Armzug wird <strong>de</strong>r so xierte Partner dann über die Hüfte nach vorn geworfen.<br />

z.B. O-goshi (Groÿer Hüftwurf), (Koshi-) Uchi-mata (Innerer Schenkelwurf), Uki-goshi (Hüftschwung)<br />

Te-waza (Hand- und Armwürfe)<br />

Der Partner wird entwe<strong>de</strong>r <strong>im</strong> Bereich <strong>de</strong>r Schulter <strong>de</strong>s Werfen<strong>de</strong>n xiert, ausgehoben und mehr o<strong>de</strong>r<br />

weniger über <strong>de</strong>n Körper <strong>de</strong>s Werfen<strong>de</strong>n geworfen o<strong>de</strong>r durch eine erzwungene Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r Bewegungsrichtung<br />

aus <strong>de</strong>m Gleichgewicht gebracht und förmlich zu Bo<strong>de</strong>n gerissen.<br />

z.B. Seoi-nage (Schulterwurf), Kata-guruma (Schulterrad), Uki-otoshi (Schwebehandzug)<br />

2.2.2 Sutemi-waza (Selbstfallwürfe/ alte Bezeichnung Opferwürfe)<br />

Yoko-sutemi-waza (Selbstfallwürfe zur Seite)<br />

Durch die Aufgabe <strong>de</strong>s eigenen Gleichgewichtes wird <strong>de</strong>r Partner gezwungen, seine Bewegung fortzusetzen.<br />

Dabei wer<strong>de</strong>n die Beine <strong>de</strong>s Partners blockiert und <strong>de</strong>ssen Fall seitlich am werfen<strong>de</strong>n, bereits am<br />

Bo<strong>de</strong>n liegen<strong>de</strong>n Partner vorbeigelenkt.<br />

z.B. Tani-otoshi (Talfallzug), Yoko-gake (Seitliches Einhängen)<br />

Ma-sutemi-waza (Selbstfallwürfe nach hinten)<br />

Der werfen<strong>de</strong> Partner gibt sein eigenes Gleichgewicht auf und zwingt <strong>de</strong>n Partner so zu Bo<strong>de</strong>n. Dadurch<br />

dass <strong>de</strong>r Werfen<strong>de</strong> direkt unter <strong>de</strong>m Schwerpunkt <strong>de</strong>s Geworfenen zu liegen kommt, kann er <strong>de</strong>ssen Fall<br />

direkt über <strong>de</strong>n eigenen Körper hinweg lenken.<br />

z.B. Tomoe-nage (Überkopfwurf, James-Bond-Wurf), Ura-nage (Rückwurf)<br />

2.2.3 Maki-komi-waza (Mitfalltechniken)<br />

Zu <strong>de</strong>n durchaus spektakulären Techniken gehören die Maki-komi-Techniken, bei <strong>de</strong>nen nicht nur Uke<br />

(<strong>de</strong>r Geworfene) fällt, son<strong>de</strong>rn Tori (<strong>de</strong>r Werfer) mit Uke zusammen fällt. Bei diesen Techniken muss<br />

Tori darauf achten, dass er möglichst nach Uke die Matte berührt. Uke fällt in <strong>de</strong>r Regel sehr hoch,<br />

sodass die Maki-komi-waza oft sehr unbeliebt bei Ukes sind. Als Kampftechniken sind sie jedoch sehr gut<br />

einzusetzen, da Tori meistens sofort eine Halte- o<strong>de</strong>r Hebeltechnik anbringen kann.<br />

Anmerkungen<br />

Die Beschreibungen erläutern die Prinzipien <strong>de</strong>r schulmäÿigen Techniken. Im Wettkampf, <strong>im</strong> Randori<br />

(Übungskampf) und auch als Bewegungsaufgabe können diese Techniken fast beliebig variiert wer<strong>de</strong>n,<br />

sofern kein Regelverstoÿ begangen wird. Beson<strong>de</strong>rs zu erwähnen sind dabei Varianten <strong>de</strong>r Fassart o<strong>de</strong>r<br />

<strong>de</strong>s Eingangs. Einige Techniken können in ihrer Ausführung soweit abgeän<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n, dass eine Eingruppierung<br />

in eine an<strong>de</strong>re Gruppe auch möglich wäre.<br />

6


3 Biomechanische Aspekte<br />

3.1 Allgemeines<br />

Alle Kampftechniken (Würfe, Stöÿe und Schläge) sind azyklische Bewegungsakte, die auf Grundlage einer<br />

einmaligen Aktion zu einer Wertung führen. Sie glie<strong>de</strong>rn sich in eine Vorbereitungs-, Haupt- und<br />

Endphase.<br />

Im Wettkampfgeschehen kommt es häug zu Bewegungskombinationen und einer Variation <strong>de</strong>r Grundstruktur.<br />

Durch Finten wird versucht, <strong>de</strong>n Gegner zu täuschen. Dazu wer<strong>de</strong>n vom Angreifer Vorbereitungsphasen<br />

ange<strong>de</strong>utet, die in eine an<strong>de</strong>re Hauptphase als erwartet mün<strong>de</strong>n.<br />

Be<strong>im</strong> Betrachten <strong>de</strong>r Wettkampfregeln fällt auf, dass <strong>im</strong> <strong>Judo</strong> und <strong>im</strong> Ringen ein Wurf mit einer hohen<br />

Punktwertung versehen wird, wenn ein Kämpfer seinen Gegner schwungvoll auf <strong>de</strong>n Rücken o<strong>de</strong>r auf die<br />

Seite wirft. Im Boxen, Fechten, Karate, Taekwondo o<strong>de</strong>r auch Kickboxen wer<strong>de</strong>n Punkte vergeben, wenn<br />

es <strong>de</strong>m Angreifer gelingt, die Faust, die Hand, <strong>de</strong>n Ellenbogen in die gültigen/erlaubten Treerzonen <strong>de</strong>s<br />

gegnerischen Körpers zu bringen.<br />

Die Bewegungsvielfalt <strong>de</strong>r Kampfhandlungen in <strong>de</strong>n Kampfsportarten Boxen, <strong>Judo</strong>, Ringen, Thai-Boxen,<br />

Taekwondo aber auch in an<strong>de</strong>ren Budo-Sportarten wie Karate, Jiu-Jitsu, Aikido, Kendo sind auÿeror<strong>de</strong>ntlich<br />

hoch (v.a. <strong>im</strong> Vergleich mit Ausdauersportarten). In gewisser Weise stellt je<strong>de</strong> Bewegung, je<strong>de</strong><br />

Kampfhandlung ein technisches Element, eine sportliche Technik dar. Für diese Technik benötigt man<br />

trainierte/ausgeprägte kampf- und kraftspezische Bewegungsfähigkeiten.<br />

Zur Analyse <strong>de</strong>r Bewegungen, wie z.B. Wurf- und Schlagtechniken wer<strong>de</strong>n mit Hilfe verschie<strong>de</strong>ner physikalischer<br />

Messverfahren [z.B. Kinemetrie (Weg-Zeit-Messung <strong>de</strong>r Geschwindigkeit von Körpern), Dynamometrie<br />

(Kraftmessung äuÿerer Kräfte)] biomechanische Kenngröÿen wie z.B. Anrisskraft, Kraftrichtung,<br />

Winkel, dazugehörige Zeitparameter, Ortsparameter und Anrissgeschwindigkeit aufgenommen.<br />

Durch Auswertung <strong>de</strong>r dadurch gewonnenen Daten ist es u.a. möglich, leistungsbest<strong>im</strong>men<strong>de</strong> Merkmale<br />

einer Technik zu ermitteln und Fehler/Schwächen in <strong>de</strong>r Technikausführung aufzu<strong>de</strong>cken. Dadurch ist ein<br />

verbessertes Techniktraining möglich.<br />

3.2 Allgemeine Wurfprinzipien<br />

3.2.1 Kuzushi: Das Gleichgewichtbrechen<br />

Warum? - Wie? - Wohin?<br />

Versucht man einen Angreifer, <strong>de</strong>r fest auf bei<strong>de</strong>n Beinen steht, also unter vollkommen<strong>de</strong>r Wahrung seines<br />

eigenen Gleichgewichtes zu werfen, stöÿt man sehr schnell auf erhebliche Schwierigkeiten. Dieses Unterfangen<br />

kann nur zum Erfolg führen, wenn man selbst viel stärker als <strong>de</strong>r Angreifer ist. Dies kommt jedoch<br />

<strong>im</strong> Verteidigungsfall auf <strong>de</strong>r Straÿe bzw. <strong>im</strong> <strong>Judo</strong> (Wettkampf → Gewichtsklassen) nur recht selten vor.<br />

Aus diesem Grund n<strong>im</strong>mt <strong>de</strong>r Prozess in <strong>de</strong>r Wurfrealisierung eine Schlüsselstellung ein. Man versucht<br />

<strong>de</strong>m Angreifer eben durch das Gleichgewichtbrechen seine momentane Stärke (= stabile Stellung) zu<br />

nehmen.<br />

Gelingt es durch Zug und/o<strong>de</strong>r Druck Uke (= Verteidiger) auf die Fuÿspitzen zu ziehen o<strong>de</strong>r auf die<br />

Hacken zu drücken, ist seine Stellung äuÿerst instabil.<br />

Das Gleichgewichtbrechen ist kein hektisches Zerren o<strong>de</strong>r Reiÿen an <strong>de</strong>n Extremitäten von Uke, son<strong>de</strong>rn<br />

geschieht unter Zuhilfenahme <strong>de</strong>r eigenen Körperkraft. Die Grundlage <strong>de</strong>s Gleichgewichtbrechen besteht<br />

<strong>im</strong> Drücken und Ziehen, was nicht nur mit <strong>de</strong>n Armen, son<strong>de</strong>rn mit <strong>de</strong>m ganzen Körper gemacht wird.<br />

Je nach Situation umfasst das mehr als nur einen Druck o<strong>de</strong>r einen Zug. Man kann zum Beispiel mit <strong>de</strong>r<br />

7


einer Hand ziehen, mit bei<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n ziehen, mit einer Hand ziehen und mit <strong>de</strong>r an<strong>de</strong>ren drücken o<strong>de</strong>r<br />

erst drücken und dann ziehen.<br />

Kuzushi (Gleichgewichtbrechen) kann in je<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Richtungen sowohl gera<strong>de</strong> als auch bogenförmig gemacht<br />

wer<strong>de</strong>n.<br />

Es gibt 8 Richtungen <strong>de</strong>s Gleichgewichtbrechen:<br />

nach vorne nach hinten nach links nach rechts<br />

schräg nach vorne links schräg nach vorne rechts schräg nach hinten links schräg nach hinten rechts<br />

Die Richtungsbezeichnungen sind aber nicht nur für das Gleichgewichtbrechen, son<strong>de</strong>rn auch für die spätere<br />

Wurfrichtung von be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong>r Wichtigkeit.<br />

Da <strong>de</strong>r Gegner jetzt wie<strong>de</strong>r seine ganze Konzentration <strong>de</strong>m Wie<strong>de</strong>rerlangen eines guten und festen Stan<strong>de</strong>s<br />

widmen wird, ist er schwach und für Tori (=Angreifer) ohne viel Kraftaufwand angreifbar und leicht<br />

zu werfen.<br />

Um zu verhin<strong>de</strong>rn, dass man selbst von <strong>de</strong>m Gegner aus <strong>de</strong>m Gleichgewicht gebracht wird, muss man<br />

etwas nachgeben und dann selbst das Gleichgewicht <strong>de</strong>s Gegners brechen. Wenn man gedrückt wird,<br />

sollte man in diese Richtung mitgehen und dabei sein Gleichgewicht behalten; dann kann man ziehen,<br />

wodurch <strong>de</strong>r Gegner seinerseits das Gleichgewicht verliert. Wenn man gezogen wird, muss man analog<br />

dazu drücken.<br />

3.2.2 Tsukuri: Die Wurfvorbereitung, das Eindrehen in <strong>de</strong>n Wurf<br />

Der erste Erfolg von Tori, Uke in eine instabile Lage zu bringen, währt allerdings nur kurze Zeit. Denn mit<br />

einem Schritt in die Zug- o<strong>de</strong>r Druckrichtung kann Uke sein Gleichgewicht relativ rasch wie<strong>de</strong>rherstellen.<br />

Dies zu verhin<strong>de</strong>rn ist nun Aufgabe von Tori. Durch eine schnelle Bewegung <strong>de</strong>r Füÿe bringt sich Tori in<br />

die Ausgangsposition <strong>de</strong>r Wurfausführung.<br />

8


Dies geschieht durch Zug-, Druck- und Hubbewegungen <strong>de</strong>r Arme in<br />

Verbindung mit speziellen Ausholbewegungen <strong>de</strong>s gesamten Körpers.<br />

Die entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Muskelkräfte (F M ) wer<strong>de</strong>n dabei über die Arme <strong>de</strong>s<br />

Werfen<strong>de</strong>n auf <strong>de</strong>n Gegner übertragen, wobei durch <strong>de</strong>n Kontakt mit<br />

Rumpf o<strong>de</strong>r Beinen o<strong>de</strong>r indirekt durch Masseverlagerung ein zusätzlicher<br />

Eekt für die günstigste Impulserhaltung erzielt wer<strong>de</strong>n kann.<br />

Er vernachlässigt dabei zu keinem Zeitpunkt <strong>de</strong>n Zug/Druck, um Uke nach<br />

wie vor nicht in eine stabile Stellung gelangen zu lassen.<br />

Abbildung 3.1: O-Goshi<br />

(Hüftwurf)<br />

Falls die nachfolgen<strong>de</strong> Technik ein Ausheben <strong>de</strong>s Gegner erfor<strong>de</strong>rt, bringt<br />

Tori seinen Schwerpunkt unter <strong>de</strong>m <strong>de</strong>s Gegners. Der Gegner ben<strong>de</strong>t<br />

sich bereits in einer dynamisch-labilen Stellung, die es erlaubt, <strong>de</strong>n betreffen<strong>de</strong>n<br />

Wurf auszuführen. Um die Wirkung eines weiteren Drehmoments<br />

zu erzeugen, setzt <strong>de</strong>r Werfen<strong>de</strong> Hüfte, Beine und Rücken ein, die als<br />

Hin<strong>de</strong>rnis fungieren. Damit wird <strong>de</strong>m Gegner be<strong>im</strong> Nie<strong>de</strong>rwurf zusätzlich<br />

die Stützäche entzogen.<br />

Um Eindrehtechniken, z.B. Schulter- und Hüftwürfe durchführen<br />

zu können, muss sich <strong>de</strong>r Werfen<strong>de</strong> während <strong>de</strong>s Wurfansatzes<br />

um 90 ◦ bis 180 ◦ um seine Körperlängenachse drehen bei<br />

gleichzeitigen Platzwechsel <strong>de</strong>r Füÿe. Dabei wirkt weiterhin die<br />

Muskelkraft als Zug o<strong>de</strong>r Druck, um <strong>de</strong>n in <strong>de</strong>r Phase <strong>de</strong>r Gleichgewichtsstörung<br />

erzwungenen labilen Gleichgewichtszustan<strong>de</strong>s<br />

<strong>de</strong>s Gegners aufrechtzuerhalten. Eine wesentliche Aufgabe <strong>de</strong>s<br />

Wurfansatzes besteht darin, die dynamisch-labile Position <strong>de</strong>s<br />

Gegner durch kontinuierliches Weiterziehen o<strong>de</strong>r -schieben mit<br />

<strong>de</strong>n Armen während <strong>de</strong>r Eindrehbewegung aufrechtzuerhalten<br />

und vor allem die Vorwärtsbewegung <strong>de</strong>s Gegner durch Setzen<br />

eines Hin<strong>de</strong>rnisses zu unterbin<strong>de</strong>n.<br />

Abbildung 3.2:<br />

Doppelschrittdrehung um 180 ◦<br />

vorwärts:<br />

z.B. Schulterwurf<br />

Es erfolgt <strong>im</strong> mechanischen Sinn <strong>de</strong>r Aufbau eines Wi<strong>de</strong>rlagers,<br />

in <strong>de</strong>m z.B. bei <strong>de</strong>r Wurftechnik Körpersturz (Tai-Otoshi)- das<br />

rechte Bein <strong>de</strong>s Gegners durch das rechte Bein <strong>de</strong>s Werfen<strong>de</strong>n blockiert<br />

und <strong>de</strong>r Gegner mittels Muskelkraft <strong>de</strong>r Arme über dieses<br />

Hin<strong>de</strong>rnis gedreht wird. Infolge <strong>de</strong>r Trägheit <strong>de</strong>s Gegners verliert<br />

dieser das Gleichgewicht und wird dann durch die Wirkung <strong>de</strong>s<br />

dadurch entstehen<strong>de</strong>n Drehmomentes geworfen. Dabei ist wichtig<br />

<strong>de</strong>n Dreh<strong>im</strong>puls <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Werfen<strong>de</strong> be<strong>im</strong> Eindrehvorgang um seine<br />

Längsachse gewinnt, auszunutzen. Dabei erhält man die kinetische<br />

Energie W kin = 1 2 · J · ω2 (Trägheitsmoment <strong>de</strong>s Werfen<strong>de</strong>n<br />

um seine Längsachse mit J L und seine Winkelgeschwindigkeit mit<br />

ω L )<br />

Abbildung 3.3: Tai-Otoshi<br />

(Körpersturz)<br />

Falls <strong>de</strong>r Gegner schwächer ist als man selbst, kann man ihn unter Umstän<strong>de</strong>n auch ohne gutes Tsukuri<br />

(Wurfvorbereitung) werfen, wobei jedoch ein erhöhtes Verletzungsrisiko besteht und es nicht <strong>de</strong>m <strong>Judo</strong>-<br />

Prinzipien entspricht. Ohne gutes Tsukuri wird man aber nicht in <strong>de</strong>r Lage sein, Gegner zu werfen, die<br />

stärker sind als man selbst. Anfänger sollten sich <strong>de</strong>shalb zunächst darauf konzentrieren, das Tsukuri zu<br />

meistern, und erst später dann das Kake (Wurfausführung) zu verfeinern.<br />

9


3.2.3 Kake: Die Wurfausführung, das Werfen<br />

Die dritte und letzte Phase eines Wurfes ist <strong>de</strong>r Wurf bzw. das Abwerfen von Uke. Mit opt<strong>im</strong>alen Gleichgewichtsbrechen,<br />

verbun<strong>de</strong>n mit einem sicheren Wurfansatz, erfolgt <strong>de</strong>r Wurf meist ohne groÿe Mühe.<br />

Die Durchführung <strong>de</strong>s Wurfes geschieht:<br />

a) durch permanenten Druck o<strong>de</strong>r Zug an Extremitäten von Uke in Wurfrichtung<br />

b) durch Ausheben, Sperren, Wegsicheln o<strong>de</strong>r Wegfegen <strong>de</strong>r Beine o<strong>de</strong>r durch <strong>de</strong>n Zug <strong>de</strong>s eigenen<br />

fallen<strong>de</strong>n Körpers (bei Selbstfalltechniken),<br />

c) falls erfor<strong>de</strong>rlich durch das Abdrehen <strong>de</strong>s eigenen Körper<br />

In dieser Phase wirkt durch <strong>de</strong>n Werfen<strong>de</strong>n das entschei<strong>de</strong>n<strong>de</strong> Drehmoment als Kippmoment. Das geschieht<br />

in <strong>de</strong>r Regel durch die Oberkörperdrehung um die Körperlängs- und breitenachse. Des Weiteren<br />

wird <strong>de</strong>r Gegner durch eine schnelle und kräftige Streckbewegung <strong>de</strong>r Beine zusätzlich angehoben.<br />

Dies ist in vieler Hinsicht vorteilhaft und notwendig:<br />

1. Je dynamischer die Beinstreckung erfolgt, umso weniger Gelegenheit hat <strong>de</strong>r Gegner, <strong>de</strong>m Wurf zu<br />

entgehen.<br />

2. Je dynamischer die Beinstreckung erfolgt, umso schwungvoller und höher wird <strong>de</strong>r Wurf.<br />

3. Durch <strong>de</strong>n Einsatz <strong>de</strong>r groÿen Beinmuskeln können die Rumpf- und Armmuskeln <strong>de</strong>n Nie<strong>de</strong>rwurf<br />

kontrollieren.<br />

Die Kraftrichtung <strong>de</strong>s Armzuges beeinusst die Richtung <strong>de</strong>s Wurfs. Man versucht so die Wurfphase zu<br />

steuern, dass <strong>de</strong>r Gegner auf <strong>de</strong>n Rücken o<strong>de</strong>r die Seite fällt.<br />

Der Einsatz <strong>de</strong>r Muskelkräfte sollte explosiv (dazu mehr in Abschnitt 4.4), aber nicht ruckartig, son<strong>de</strong>rn<br />

stetig schwellend und nachhaltig erfolgen, <strong>de</strong>nn für eine Impulsän<strong>de</strong>rung am Gegner gilt:<br />

∫<br />

P = F A (t) · dt<br />

d.h. <strong>de</strong>r Gesamt<strong>im</strong>puls wird von <strong>de</strong>n Faktoren Muskelkraft und Zeit best<strong>im</strong>mt. Es ist also nicht <strong>de</strong>r<br />

momentane Wert <strong>de</strong>r Kraft F (t) (z.B. F max = max<strong>im</strong>ale Beschle<strong>uni</strong>gung) maÿgebend, son<strong>de</strong>rn die Summe<br />

aller Kraftwerte <strong>de</strong>s Wurfablaufes <strong>im</strong> Zeitabschnitt (dt).<br />

10


4 Gleichgewicht, Gleichgewichtbrechen<br />

Be<strong>im</strong> normalen Gehen wechseln Menschen zwischen stabilen und labilen Gleichgewicht. Durch das spezielle<br />

Fortbewegen auf <strong>de</strong>r Matte in <strong>de</strong>r zweikämpferischen Ausein<strong>de</strong>rsetzung wird versucht, diesen Wechsel<br />

zwischen labilen und stabilen Gleichgewicht weitestgehend zu vermei<strong>de</strong>n, in<strong>de</strong>m die Schrittlänge sehr<br />

klein gewählt wird, um auf diese Weise eine möglichst konstante Körperschwerpunktslage (KSP) beizubehalten.<br />

Eine weitere Möglichkeit zum Erhalt einer stabilen Gleichgewichtslage ist die Vergröÿerung <strong>de</strong>r<br />

Unterstützungsäche mit <strong>de</strong>n Füÿen und eine tiefe KSP-Lage, weil dadurch <strong>de</strong>r Reibungsfaktor mit <strong>de</strong>r<br />

Matte erhöht wer<strong>de</strong>n kann. Ein tieferer Schwerpunkt vermin<strong>de</strong>rt aber u.U. auch die Beweglichkeit.<br />

4.1 Körperschwerpunkt (KSP)<br />

Wo ist <strong>de</strong>r Körperschwerpunkt <strong>de</strong>s menschlichen Körpers?<br />

Eine genau Beschreibung <strong>de</strong>r Körperstellung ist erfor<strong>de</strong>rlich. Wenn nur ein Teilkörper, und damit ein an<strong>de</strong>re<br />

Teilkörperschwerpunkt, an einer an<strong>de</strong>ren Stelle ist, führt die Konstruktion zu einer an<strong>de</strong>ren Lage <strong>de</strong>s<br />

Gesamtschwerpunkts. Der Körperschwerpunkt eines Menschen variiert also mit je<strong>de</strong>r Stellungsän<strong>de</strong>rung.<br />

4.2 Gleichgewicht<br />

4.2.1 Stabiles Gleichgewicht<br />

Zieht man von <strong>de</strong>n Berührungsächen <strong>de</strong>r Füÿe mit <strong>de</strong>r Matte die gemeinsamen Tangenten, so bil<strong>de</strong>t die<br />

von <strong>de</strong>n Auÿenkanten <strong>de</strong>r Füÿe und <strong>de</strong>n Tangenten umschriebene Fläche die Unterstützungsäche. Allgemein<br />

sind die gemeinsamen äuÿeren Tangenten die Verbindungslinien <strong>de</strong>r Zehenspitzen bzw. <strong>de</strong>r Fersen.<br />

Ein Körper ben<strong>de</strong>t sich <strong>im</strong> Gleichgewicht, wenn sich <strong>de</strong>r KSP lotrecht über <strong>de</strong>r Unterstützungsäche<br />

ben<strong>de</strong>t. (Wie schon erwähnt verlagert sich bei kleinsten Än<strong>de</strong>rungen <strong>de</strong>r Körperhaltung auch <strong>de</strong>r KSP.)<br />

Welche biomechanischen Prinzipien liegen nun <strong>de</strong>r Standfestigkeit zu Grun<strong>de</strong>?<br />

Eine Aussage über die Stabilität eines Gleichgewichts kann man mit Hilfe <strong>de</strong>s in <strong>de</strong>r Mechanik <strong>de</strong>nierten<br />

Maÿes <strong>de</strong>r Standfestigkeit treen.<br />

So versteht man unter <strong>de</strong>m geometrischen Masses <strong>de</strong>r Standfestigkeit <strong>de</strong>n so genannten Kippwinkel,<br />

um <strong>de</strong>n <strong>de</strong>r Körper gekippt wer<strong>de</strong>n muss, damit das Lot <strong>de</strong>s KSP die Kippkante schnei<strong>de</strong>t.<br />

11


Bei einem groÿen Kippwinkel ist folglich auch die Standfestigkeit groÿ. Hierzu wählt <strong>de</strong>r <strong>Judo</strong>ka eine<br />

Körperhaltung, bei <strong>de</strong>r die Füÿe etwa schulterbreit auseinan<strong>de</strong>r gestellt sind, ein Fuÿ leicht nach vorn<br />

gesetzt ist und die Knie leicht gebeugt sind.<br />

Unter <strong>de</strong>m energetischen Maÿ <strong>de</strong>r Standfestigkeit versteht man <strong>de</strong>n vertikalen Weg h <strong>de</strong>s KSP (Hubweg).<br />

Die Standfestigkeit eines <strong>Judo</strong>ka ist folglich umso gröÿer, je geringer die Höhe seines KSP ist. Umgekehrt<br />

be<strong>de</strong>utet diese, dass die Standfestigkeit umso kleiner ist, je höher die Lage <strong>de</strong>s KSP ist.<br />

Unter <strong>de</strong>m dynamischen Maÿ <strong>de</strong>r Standfestigkeit versteht man die Lage <strong>de</strong>r Wirkungslinie (F R ), wie sie<br />

aus <strong>de</strong>r Gewichtskraft <strong>de</strong>s Körpers und seiner seitlich am Körper angreifen<strong>de</strong>n Kraft durch Vektoraddition<br />

resultiert. Der Körper ben<strong>de</strong>t sich dann <strong>im</strong> Gleichgewicht, wenn diese Wirkungslinie innerhalb <strong>de</strong>r<br />

Unterstützungsäche verläuft.<br />

Insgesamt ben<strong>de</strong>t sich <strong>de</strong>r <strong>Judo</strong>ka in einer stabilen Gleichgewichtslage, wenn<br />

• die Unterstützungsäche und die Gewichtskraft <strong>de</strong>s Körpers groÿ sind,<br />

• <strong>de</strong>r Kippwinkel <strong>de</strong>s Körpers opt<strong>im</strong>al groÿ ist,<br />

• die Höhe <strong>de</strong>s KSP über <strong>de</strong>r Unterstützäche gering ist (eine zu geringe Höhe <strong>de</strong>s KP allerdings führt<br />

zu seiner Verlagerung an <strong>de</strong>n Rand <strong>de</strong>r Unterstützungsäche und auch zu einer Verringerung <strong>de</strong>r<br />

Haftreibung) und die Muskelkraft sowie das Koordinationsvermögen <strong>de</strong>s <strong>Judo</strong> so entwickelt sind,<br />

dass er seitlich auf ihn einwirken<strong>de</strong>n Kräften wi<strong>de</strong>rsteht.<br />

12


4.2.2 Labiles Gleichgewicht<br />

Der Körper ben<strong>de</strong>t sich dann <strong>im</strong> labilen Gleichgewicht, wenn sich das Lot <strong>de</strong>s KSP bzw. die Wirkungslinie<br />

<strong>de</strong>r Gewichtskraft <strong>de</strong>s <strong>Judo</strong>ka über <strong>de</strong>m Rand <strong>de</strong>r Unterstützungsäche ben<strong>de</strong>t. Auf diese Weise entsteht<br />

ein Kippmoment. Bereits durch eine sehr kleine, horizontal wirken<strong>de</strong> innere o<strong>de</strong>r äuÿere Kraft kann<br />

entwe<strong>de</strong>r das Gleichgewicht gebrochen o<strong>de</strong>r wie<strong>de</strong>r eine stabile Gleichgewichtslage hergestellt wer<strong>de</strong>n.<br />

4.2.3 Gebrochenes Gleichgewicht<br />

Das Gleichgewicht eines Körpers ist gebrochen, wenn sich das Lot <strong>de</strong>s KSP bzw. die Wirkungslinie <strong>de</strong>r<br />

Gewichtskraft auÿerhalb <strong>de</strong>r Unterstützungsäche ben<strong>de</strong>t.<br />

Die Lage <strong>de</strong>s Körpers ist dann so verän<strong>de</strong>rt, dass er nicht mehr fähig ist, in die stabile Lage zurückzukehren<br />

und er <strong>de</strong>mzufolge kippt. Unter best<strong>im</strong>mten Voraussetzungen aber, wie Muskelkraft <strong>de</strong>s Gegners,<br />

Abstoÿen von <strong>de</strong>r Tatami o<strong>de</strong>r vom Gegner, kann das Kippen noch verhin<strong>de</strong>rt wer<strong>de</strong>n.<br />

4.2.4 Dynamisches Gleichgewicht<br />

Im <strong>Judo</strong> wird es niemals über eine längere Zeitspanne hinweg ein ausgeprägt stabiles o<strong>de</strong>r labiles Gleichgewicht<br />

<strong>de</strong>s <strong>Judo</strong>ka o<strong>de</strong>r auch <strong>de</strong>r bei<strong>de</strong>n <strong>Judo</strong>ka (, die sich normalerweise mit bei<strong>de</strong>n Hän<strong>de</strong>n, bzw.<br />

zumin<strong>de</strong>st mit einer halten [Grikampf vernachlässigt]) in ihrer systemhaften Verbindung geben. Das<br />

ergibt sich aus <strong>de</strong>r Anpassungsfähigkeit <strong>de</strong>s menschlichen Körpers und <strong>de</strong>m Bestreben <strong>im</strong> Kampf zielgerichtet<br />

auf <strong>de</strong>n Gegner einzuwirken o<strong>de</strong>r aber <strong>de</strong>n Einwirkungen <strong>de</strong>s Gegner zu wi<strong>de</strong>rstehen bzw. zu<br />

entgehen. So kann sich beispielsweise das aus Tori und Uke bestehen<strong>de</strong> Gesamtsystem zwar über eine<br />

best<strong>im</strong>mte Zeit <strong>im</strong> stabilen Gleichgewicht ben<strong>de</strong>n, ohne dass aber <strong>de</strong>r einzelne <strong>Judo</strong>ka in einer stabilen<br />

Gleichgewichtslage ist.<br />

Abbildung 4.1: Positionen <strong>de</strong>s dynamischen Gleichgewichts<br />

Dynamisches Gleichgewicht be<strong>de</strong>utet für <strong>de</strong>n <strong>Judo</strong>ka bei Bewegung, d.h. ständiger Vertikal- und Horizontalbewegung<br />

<strong>de</strong>s KSP zu sichern, dass sein Lot <strong>de</strong>s KSP innerhalb <strong>de</strong>r Unterstützungsäche bleibt.<br />

13


Be<strong>im</strong> Werfen nutzt <strong>de</strong>r <strong>Judo</strong>ka in vielen Fällen <strong>de</strong>n Körper seines Gegners zur Aufrechterhaltung <strong>de</strong>s<br />

eigenen Gleichgewichts. Zum Übergang von einer labilen in eine stabile Gleichgewichtslage stöÿt er sich<br />

mit seinem Körper von <strong>de</strong>m <strong>de</strong>s Gegners ab. Zusammen mit <strong>de</strong>r eigenen Körperbeherrschung kann es<br />

ihm gelingen, das eigene Gleichgewicht zu sichern.<br />

4.3 Gleichgewichtbrechen<br />

Um eine solche zumeist passive Abwehr für einen Wurf nutzen zu können, sind Maÿnahmen <strong>de</strong>s Werfen<strong>de</strong>n<br />

notwendig, die einen hohen Impuls zur Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>s Gleichgewichtszustan<strong>de</strong>s herbeiführen.<br />

Im Wesentlichen treten zwei unterschiedlichen Formen <strong>de</strong>r Gleichgewichtsbrechung auf.<br />

1. Brechung <strong>de</strong>s Gleichgewichts aus <strong>de</strong>r Ruheposition (<strong>im</strong> quasi-statischen Sinn) und<br />

2. Gleichgewichtsbrechung aus <strong>de</strong>r Bewegung<br />

4.3.1 Gleichgewichtbrechen aus <strong>de</strong>r Ruheposition<br />

Wie gera<strong>de</strong> behan<strong>de</strong>lt ist das gegnerische Gleichgewicht gebrochen, d.h. er ist nicht mehr stabil, wenn<br />

sich das Lot von seinem Schwerpunkt auÿerhalb <strong>de</strong>r Unterstüzungsäche liegt.<br />

Der <strong>Judo</strong>ka wür<strong>de</strong> ohne weiteres Han<strong>de</strong>ln umkippen, wenn er seinen Körper starr halten wür<strong>de</strong>.<br />

Die Störung <strong>de</strong>s Gleichgewichts kann normalerweise nur durch das Wirken von Kräften (Muskelkräfte,<br />

Trägheitskräfte, Reibungskraft, Schwerkraft) realisiert wer<strong>de</strong>n.<br />

Die allgemeine Grundlage <strong>de</strong>r Bewegungsän<strong>de</strong>rung ist das Gegenwirkungsgesetz (3. Newtonsches Axiom),<br />

d.h. <strong>de</strong>r Bewegungs<strong>im</strong>puls, <strong>de</strong>r <strong>de</strong>m Gegner übertragen wird steht <strong>im</strong> direkten Zusammenhang zum<br />

Kraft<strong>im</strong>puls <strong>de</strong>s Werfen<strong>de</strong>n. Bei je<strong>de</strong>r Anriss-, Abreiÿ-, Stoÿ-, Schub- und Hubbewegung wer<strong>de</strong>n durch<br />

Muskelarbeit Kräfte auf <strong>de</strong>n Gegner übertragen, von <strong>de</strong>ren Wirkungsdauer, Betrag und Wirkungsrichtung<br />

die erzielte Geschwindigkeit <strong>de</strong>s KSP vom Gegner und somit die Gleichgewichtsstörung wesentlich<br />

abhängt. Den Kraftschluÿ zwischen Werfen<strong>de</strong>n und Geworfenen übernehmen dabei die Arme.<br />

4.3.2 Dynamisches Gleichgewichtbrechen<br />

Die zahlreichen Analysen <strong>de</strong>r verschie<strong>de</strong>nen Würfe bei <strong>de</strong>n Wettkämpfen haben ergeben, dass es mitunter<br />

nicht <strong>im</strong>mer notwendig ist, eine Gleichgewichtsbrechung <strong>im</strong> statischen Sinn zu erwirken. Meist genügt<br />

es eine Gleichgewichtsstörung herbeizuführen o<strong>de</strong>r die Bewegung <strong>de</strong>s Gegners auszunutzen. Im Wettkampf<br />

entstehen sehr häug Situationen, bei <strong>de</strong>nen sich <strong>de</strong>r Gegner durch eine eigene Aktion selbst aus<br />

<strong>de</strong>m Gleichgewicht bringt. Dabei spielt die Reaktionsfähigkeit über die taktile-kinästischen Analysatoren<br />

eine be<strong>de</strong>uten<strong>de</strong> Rolle, diese instabile Situation zu erfüllen. Um die Schwerpunktsbewegung <strong>de</strong>s Gegners<br />

auszunutzen, muss <strong>de</strong>r Werfen<strong>de</strong> diese durch passen<strong>de</strong>n Zug o<strong>de</strong>r Druck über das vom Gegner beabsichtige<br />

Maÿ verlängern und so das Gleichgewicht stören. Es kommt als auch darauf an, <strong>im</strong> richtigen Moment<br />

entsprechend schnell die Wurftechnik anzusetzen.<br />

4.4 Mo<strong>de</strong>ll<br />

Für die <strong>Biomechanik</strong> eines Wurfes ist das vorher <strong>de</strong>nierte Maÿ <strong>de</strong>s Standfestigkeit o<strong>de</strong>r Stabilität und<br />

somit die Gröÿe <strong>de</strong>r zur Gleichgewichtbrechung notwendigen Anrisskräfte von groÿer Be<strong>de</strong>utung. Anhand<br />

eines Beispiels wer<strong>de</strong>n die S<strong>im</strong>ulationsergebnisse (aus einer Studie von Herrn Dr. Nowoisky) <strong>de</strong>r Kippbewegung<br />

<strong>de</strong>s Uke unter Wirkung von realistisch wirken<strong>de</strong>n Anrisskräften dargestellt.<br />

In folgen<strong>de</strong>r Abbildung ist die Gleichgewichtbrechung nach Gesetzen <strong>de</strong>s Drehmoments dargestellt. In<br />

diesem vereinfachten Mo<strong>de</strong>ll wird die Eindrehbewegung <strong>de</strong>s Angreifers und die wirken<strong>de</strong>n Reaktionskräfte<br />

vernachlässigt. Das Mo<strong>de</strong>ll baut hauptsächlich auf das Kippen <strong>de</strong>s Gegners unter Einuss von Schwerkraft<br />

und Anrisskraft auf.<br />

14


Aus mechanischer Sicht ist die Gleichgewichtbrechung abhängig von folgen<strong>de</strong>n<strong>de</strong>n Parametern:<br />

• Anrisskraft <strong>de</strong>s Angreifers nach vorn<br />

• Winkelstellung <strong>de</strong>r angreifen<strong>de</strong>n Anrisskraft<br />

• Momentane Winkelgeschwindigkeit <strong>de</strong>s Körperschwerpunktes (KSP) vom Gegner<br />

• Höhe <strong>de</strong>r angreifen<strong>de</strong>n Anrisskraft<br />

• KSP-Lage <strong>de</strong>s Gegners<br />

• Masse <strong>de</strong>s Gegners<br />

• Winkelstellung <strong>de</strong>s KSP <strong>de</strong>s Gegners zum Kipppunkt<br />

• Standäche <strong>de</strong>s Gegners<br />

• Winkelstellung <strong>de</strong>s Rumpfes vom Gegner<br />

Be<strong>im</strong> Betrachten dieser Zusammenstellung wird <strong>de</strong>utlich, dass <strong>de</strong>r Angreifer <strong>im</strong> wesentlichen durch die<br />

Intensität und Wirkungsrichtung <strong>de</strong>r Anrisskraft die Gleichgewichtsstörung maÿgeblich beeinussen kann.<br />

Die an<strong>de</strong>ren Parameter wer<strong>de</strong>n hauptsächlich durch <strong>de</strong>n Gegner selbst kontrolliert.<br />

Hierbei be<strong>de</strong>uten<br />

M D = M T + M G<br />

M D = J ¨ϕ Kipp Dynamisches Trägheitsmoment:<br />

¨ϕ Kipp - Kippbeschleuigung<br />

J - Trägheitsmoment <strong>de</strong>r gegnerischen Masse<br />

M T = F A cos ϕ 2 r 2 Kraftmoment <strong>de</strong>s Werfen<strong>de</strong>n in Abhängigkeit von <strong>de</strong>r Höhe<br />

<strong>de</strong>s Angripunktes r 2 am Gegner und vom Anrisswinkel ϕ 2<br />

M G = G sin ϕ KSP r KSP Wirken<strong>de</strong> Schwerkraft <strong>de</strong>s Gegners in Abhängigkeit<br />

von <strong>de</strong>r Unterstüzungsäche und vom Kippwinkel ϕ KSP<br />

Mit Hilfen von <strong>de</strong>rartigen Mo<strong>de</strong>llen ist nun möglich, die Auswirkungen von Parametervariationen (wie<br />

z.B. die Än<strong>de</strong>rung <strong>de</strong>r KSP-Bewegungsgeschwindigkeit vom Gegner) auf das Stabilitätsverhalten unter<br />

reproduzierbaren Bedingungen zu untersuchen.<br />

Annahme: Die Kippbewegung <strong>de</strong>s Gegners (Uke) wird als Drehung <strong>de</strong>s Körper um Kipppunkt K (Fuÿspitze)<br />

betrachtet. Zur einfacheren Behandlung <strong>de</strong>s Problems wird <strong>im</strong> Moment <strong>de</strong>r Drehung <strong>de</strong>r Körper<br />

als starr angesehen. Da <strong>im</strong> Wettkampf die Anrisskräfte meist <strong>im</strong> oberen Rumpfbereich angreifen wird das<br />

wirken<strong>de</strong> Kraftmoment <strong>im</strong> Schulterbereich gewählt.<br />

Beispiel: Henry Stöhr (Vize-Olympiasieger 1988 in Seoul, Schwergewicht)<br />

15


Mo<strong>de</strong>llmasse Gegner m G 136 kg<br />

Trägheitsmoment Gegner J 205 kgm<br />

Kippwinkel Schulter ϕ 2 −24 ◦<br />

Kippwinkel KSP ϕ KSP −33 ◦<br />

Abstand KSP zum Ursprung r KSP 1.62 m<br />

Winkel <strong>de</strong>r Beinspreizung α 35 ◦<br />

Anrisskraftmoment Werfen<strong>de</strong>r M A<br />

Amkraftzugmeÿeinrichtung; leistungsdiagnostischer<br />

Untersuchung. Olympiavorbereitung<br />

Abgeleitet aus Anrisskräften (gemessen mit<br />

1988)<br />

Bei folgen<strong>de</strong>r S<strong>im</strong>ulation wur<strong>de</strong>n die Anfangswerte <strong>de</strong>r Geschwindigkeit <strong>de</strong>s KSP <strong>de</strong>s Gegners verän<strong>de</strong>rt.<br />

Kraftverlauf von Stöhr (M A ), Kippwinkelverlauf <strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>llgegners (ϕ KSP )<br />

Abbildung 4.2: Kippverlauf von ϕ KSP <strong>de</strong>s Gegners in Abhängigkeit von Anriss-Kraftmoment M A und von<br />

<strong>de</strong>r KSP-Geschwindigkeit <strong>de</strong>s Gegners (Ausgangsgeschwindigkeit von v KSP = −1 m/s, 0 m/s, +1 m/s)<br />

Ausgangsgeschwindigkeit<br />

<strong>de</strong>s<br />

Beginn <strong>de</strong>r instabilen Körperlage<br />

KSP von Uke v KSP<br />

t 0 Kraftmoment bei t 0 : M A(t0) v KSP bei t 0<br />

in m/s in ms in Nm in m/s<br />

Stöhr Schmidt Loll Stöhr Schmidt Loll Stöhr Schmidt Loll<br />

-3,5 660 / / 0 / / 2,1 / /<br />

-3,0 470 / / 1200 / / 3,5 / /<br />

-2,0 320 >900 >900 1480 / / 5,1 / /<br />

-1,0 250 520 560 2600 360 0 6,5 3,0 1,9<br />

0 220 360 340 5400 720 360 7,2 4,1 3,4<br />

+1,0 180 270 250 8300 1700 1200 7,2 4,5 4,1<br />

+1,5 170 240 220 8800 2000 1800 7,3 4,4 4,4<br />

Abbildung 4.3: Ausgewählte Parameterwerte bei t 0 in Abhängigkeit von <strong>de</strong>r Ausgangsgeschwindigkeit<br />

<strong>de</strong>s KSP v KSP <strong>de</strong>r Mo<strong>de</strong>llmasse (Henry Stöhr: m G = 136 kg, Loll: m G = 80 kg, Schmidt: m G = 65 kg ;<br />

Ausgangskippwinkel ϕ KSP = −33 Grad)<br />

Interpretation:<br />

• An diesem Beispiel wird gezeigt, dass auch wenn sich <strong>de</strong>r Gegner mit einer KSP-Geschwindigkeit<br />

von 3 m/s nach hinten bewegt, dies durchaus noch ausreichend ist <strong>de</strong>n Gegner in wenigen Millisekun<strong>de</strong>n<br />

aus <strong>de</strong>m Gleichgewicht zu bringen. Der übertragene Bewegungs<strong>im</strong>puls ist so groÿ, dass<br />

<strong>de</strong>r Gegner bereits nach t = 470 ms umkippen wür<strong>de</strong>. Bewegt sich <strong>de</strong>r Gegner z.B. mit einer KSP-<br />

Geschwindigkeit von 1 m/s nach vorne, so wür<strong>de</strong> bei gleicher Kraftübertragung <strong>de</strong>r Kippzeitpunkt<br />

t 0 bereits nach 180 ms sein.<br />

• Die Eindrehbewegung kann somit zeitlich nach vorne verlagert wer<strong>de</strong>n (dabei können die zur Verfügung<br />

stehen<strong>de</strong>n Anrisskräfte von 2000 N bis 5000 N für die Eindreh- und Nie<strong>de</strong>rwurfphase ausgenutzt<br />

wer<strong>de</strong>n). Be<strong>im</strong> Betrachten <strong>de</strong>r Tabelle fällt auf, dass die Athleten <strong>de</strong>r unteren Gewichtsklassen,<br />

16


d.h. Loll und Schmidt aufgrund ihrerer geringeren Kraftwerte nicht in <strong>de</strong>r Lage sind, ihren Mo<strong>de</strong>llgegner<br />

bei einer nach hinten gerichteten Schwerpunktsgeschwindigkeit von 2 m/s nach vorne aus<br />

<strong>de</strong>m Gleichgewicht zu bringen. Das kurzzeitig gestörte Gleichgewicht stellt sich nach 900 − 1200 ms<br />

wie<strong>de</strong>r ein.<br />

• Wenn es Tori schat, die nach vorn gerichtete KSP-Geschwindigkeit von Uke auszunutzen, so ist<br />

dies <strong>im</strong> Beispiel von Stöhr ein Zeitgewinn von 40 ms. Dies ist eine extrem kurze Zeitdauer, <strong>de</strong>nn<br />

obwohl die Reaktionsfähigkeit <strong>de</strong>s neuronalen Systems nur 20 bis 40 ms beträgt, benötigen selbst<br />

<strong>Judo</strong>-Spitzenathleten circa 400 ms, um mit judospezischen Mitteln sowohl <strong>im</strong> Angri als auch in<br />

<strong>de</strong>r Verteidigung wirkungsvoll und motorisch zu reagieren.<br />

• Um aber <strong>de</strong>r Gleichgewichtsstörung entgegenzuwirken (z.B. durch Mobilisation von max<strong>im</strong>alen<br />

Gegenkräften) sind aber höhere Reaktionszeiten für die doch sehr komplexen Verteidigungsaktionen<br />

notwendig.<br />

• 1980 wur<strong>de</strong>n mit ehemaligen Spitzenjudoka die Kraftfähigkeiten unter wettkampfadäquaten Bedingungen<br />

untersucht. Die Aktionszeiten bis zum Aufbau max<strong>im</strong>aler Gegenkräfte sind <strong>im</strong> Bereich<br />

von 400 bis 600 ms. Die Bestwerte, nämlich 390 bis 430 ms, wur<strong>de</strong>n von D. Lorenz (Olympiasieger<br />

1980) und D. Ultsch (zweifacher Weltmeister) erreicht. Dies hat zur Folge, dass Tori das Gleichgewicht<br />

in weniger als 600 ms gebrochen haben muss, damit es Uke nicht möglich ist, mit hohen<br />

Wi<strong>de</strong>rstandkräften zu reagieren.<br />

• Des weiteren wur<strong>de</strong> festgestellt, dass die Winkelstellung <strong>de</strong>s Kopfes ein nicht zu vernachlässigen<strong>de</strong>r<br />

Faktor für das Gleichgewicht ist. Dieser kann durch die übliche Faÿart von Tori kaum kontrolliert<br />

wer<strong>de</strong>n. Durch verschie<strong>de</strong>ne Kopfstellungen ergeben sich aber bis zur instabilen Körperlage<br />

Zeitverzögerungen von 20 bis 35 ms.<br />

• Je steifer die Hüfte ist, <strong>de</strong>sto einfacher ist es für <strong>de</strong>n Werfer, <strong>de</strong>n Kippvorgang wirkungsvoll zu<br />

been<strong>de</strong>n, d.h. die wirken<strong>de</strong> Anrisskraft zur Gleichgewichtsbrechung störungsfrei zu übertragen. Uke<br />

sollte also nicht nur <strong>de</strong>r Anrisskraft durch z.B. Blockieren <strong>de</strong>r Arme entgegenwirken, son<strong>de</strong>rn <strong>im</strong>mer<br />

aktive Verteidigungsformen wie z.B. Senken <strong>de</strong>s KSP, Losreissen <strong>de</strong>r Arme, Wegstoÿen von Tori,<br />

Ausweichen o<strong>de</strong>r Übersteigen <strong>de</strong>r Sperre bevorzugen.<br />

Plausibilitätserklärung <strong>de</strong>r Kurven<br />

Da mir durch die Veröentlichungen von Herrn Nowoisky nicht klar gewor<strong>de</strong>n ist, auf welche Weise die<br />

Kurven genau entstan<strong>de</strong>n sind, mach ich <strong>im</strong> Folgen<strong>de</strong>n mit Hilfe vom CAS MuPAD ein Mo<strong>de</strong>ll, mit<br />

welchen ich versuche mir die Kurven zu erklären.<br />

reset()<br />

Trägheitsmoment <strong>de</strong>s Gegeners in kg m<br />

J:= 205<br />

Kraftmoment MA <strong>de</strong>s Mo<strong>de</strong>llgegners :<br />

Es wird eine nach unten geöffnete Parabel angenommen.<br />

Die exper<strong>im</strong>entell ermittelten Werte wer<strong>de</strong>n damit nur<br />

grob angenähert.<br />

Folgen<strong>de</strong> zwei Werte wer<strong>de</strong>n für die Parabel angenommen:<br />

- Verlauf durch <strong>de</strong>n Ursprung<br />

- Scheitel bei t=150 ms und MA = 9x1260 Nm<br />

MA:= t-> -(11340/0.0225)*(t-150e-3)^2 + 9*1260<br />

17


Kontrollwerte<br />

für die Parabel (Nullstelle-Scheitel-Nullstelle):<br />

MA(0), MA(150e-3), MA(300e-3)<br />

plotfunc2d(MA(t),t=0..310e-3,YRange=0..13000,Height=120,Width=120)<br />

Differentialgleichung für die Bewegung:<br />

Rotation eines Körpers mit <strong>de</strong>m Trägheitsmoment J unter<br />

<strong>de</strong>m Einfluss <strong>de</strong>s Drehmoments MA<br />

Die Randbedingung: Startwinkel -33 Grad zur Zeit t=0 wird hier berücksichtigt.<br />

dgl1:=o<strong>de</strong>({J*phi''(t) = MA(t),phi(0)=-33},phi(t))<br />

LL:=solve(dgl1) : L:=op(LL)<br />

Umwan<strong>de</strong>ln <strong>de</strong>r Lösung in eine Funktion:<br />

phi2:=fp::unapply(L,t)<br />

18


Eine weitere Randbedingung, <strong>de</strong>r Kippzweitpunkt muss berücksichtigt wer<strong>de</strong>n.<br />

Annahme: Der Kippwinkel wird nach 180 ms erreicht.<br />

Der Winkel hat <strong>de</strong>n Wert 0 Grad (Null Grad)<br />

gl3:= phi2(180e-3)=0 ; // Kippwinkel<br />

Mit <strong>de</strong>r zweiten Randbedingung läÿt sich z ermitteln<br />

zz:=solve(gl3,z) : z:=op(zz)<br />

z einsetzen und <strong>de</strong>n entstehen<strong>de</strong>n Ausdruck in eine Funktion umwan<strong>de</strong>ln:<br />

gl4:=subs(phi2(t),z=op(zz))<br />

Umwan<strong>de</strong>ln:<br />

phi4:=fp::unapply(gl4,t)<br />

phi4 ist nun die Funktion für <strong>de</strong>n Winkel, abhängig von <strong>de</strong>r Zeit.<br />

plotfunc2d(phi4(t),t=0..400e-3)<br />

Überprüfung <strong>de</strong>r Gröÿenordnung <strong>de</strong>s Winkels:<br />

In <strong>de</strong>r Untersuchung entspricht eine Skaleneinheit einem Winkel von 18 Grad.<br />

plotfunc2d(phi4(t)/18,t=0..400e-3)<br />

19


Die Ergebnisse <strong>de</strong>r gewählten Näherungen liegen in <strong>de</strong>r Gröÿenordnung <strong>de</strong>r in <strong>de</strong>r Studie von<br />

Herrn Nowoisky angegebenen Werte.<br />

Folgen<strong>de</strong> Annahmen wur<strong>de</strong>n gemacht:<br />

* Parabel für das Kraftmoment MA<br />

* Der Kippzeitpunkt wird nach 180 ms erreicht.<br />

Nicht berücksichtigt wur<strong>de</strong> die KSP-Geschwindigkeit von Uke<br />

20


5 Würfe<br />

5.1 Würfe nach vorne:<br />

5.1.1 Prinzipien<br />

Allen Würfen nach vorne ist gemeinsam, dass:<br />

a) <strong>de</strong>r Oberkörper von Uke stark nach vorne, also in in die Wurfrichtung gezogen wird,<br />

b) <strong>de</strong>r Unterkörper (Beine) von Uke gesperrt wird, so dass dieser <strong>de</strong>r Zugbewegung nicht folgen kann,<br />

c) <strong>de</strong>r Körperschwerpunkt unterlaufen wird. Beson<strong>de</strong>rheiten wie z.B. Ukes Oberäche nach vorne<br />

ziehen und gleichzeitig seine Beine nach hinten fegen, die Körperdrehung von Tori, das Ausheben<br />

unterschiedlich bei <strong>de</strong>n einzelnen Techniken.<br />

5.1.2 Beispiel: Schulterwurf (Ippon-seoi-nage)<br />

Fassen<br />

Tori fasst Ukes Arm (<strong>de</strong>n rechten bei rechter Wurfausführung) mit <strong>de</strong>r linken Hand entwe<strong>de</strong>r direkt hinter<br />

<strong>de</strong>m Ellenbogengelenk o<strong>de</strong>r am Handgelenk.<br />

Gleichgewichtbrechen<br />

Das Gleichgewicht wird dadurch gebrochen, dass Tori <strong>de</strong>n Arm von Uke stark nach vorne in die Wurfrichtung<br />

zieht. Damit zwingt er Uke auf die Zehenspitzen.<br />

Wurfeingang<br />

Tori dreht sich in <strong>de</strong>n Wurf mit einer Doppelschrittdrehung in <strong>de</strong>n Parallelstand. Mit <strong>de</strong>m rechten Arm<br />

geht Tori während <strong>de</strong>s Wurfeingangs unter die Achsel von Uke und klemmt <strong>de</strong>n Oberarm von Uke zwischen<br />

seinem Ober- und Unterarm ein. Den Zug am rechten Arm von Uke darf Tori dabei nicht vernachlässigen.<br />

21


Er senkt be<strong>im</strong> Eingang seinen Körperschwerpunkt <strong>de</strong>utlich ab, <strong>de</strong>nn je tiefer Tori in die Knie geht, <strong>de</strong>sto<br />

leichter fällt <strong>de</strong>r Wurf. Wie be<strong>im</strong> O-Goshi (Groÿer Hüftwurf) hält Tori engen Körperkonakt zu Uke und<br />

seinen Oberkörper völlig aufrecht. Auch hier ist ein Hohlkreuz unter allen Umstän<strong>de</strong>n zu vermei<strong>de</strong>n.<br />

Passiert dies, so kann Uke ihn nach hinten zu Bo<strong>de</strong>n ziehen, <strong>de</strong>shalb drückt Tori sein Kinn auf die eigene<br />

Brust.<br />

Wurfausführung<br />

Das Werfen geschieht dadurch, dass Tori seine Beine explosivartig durchstreckt und Ukes Arm dabei stark<br />

nach vorne und zur Seite (links bei rechter Wurfausführung) zieht. Tori beugt dabei dynamisch seinen<br />

Oberkörper nach vorne und dreht diesen ebenfalls zur linken Seite hin.<br />

5.1.3 Beispielsrechung: Hüftwurf (O-Goshi)<br />

Bei einem <strong>Judo</strong>kampf wollen Sie an ihrem 80 kg schweren Gegner einen O-goshi (Hüftwurf) anwen<strong>de</strong>n.<br />

Dazu müssen Sie ihn mit einer Kraft F ⃗ und einem Hebelarm d l = 0.30 m an seinem Anzug erfassen und<br />

über einen Punkt auf Ihrer rechten Hüfte (<strong>de</strong>r Rotationsachse) werfen. Die Winkelbeschle<strong>uni</strong>gung bei <strong>de</strong>r<br />

Drehung über die Achse sei ¨ϕ = −6.0 rad<br />

s<br />

(also <strong>im</strong> Uhrzeigersinn auf <strong>de</strong>r Skizze). Das Trägheitsmoment<br />

2<br />

I <strong>de</strong>s Gegners bezüglich <strong>de</strong>r Achse sei 15 kg · m 2<br />

Abbildung 5.1: Hüftwurf <strong>im</strong> <strong>Judo</strong>: (a) korrekt ausgeführt, (b) nicht korrekt ausgeführt<br />

(a) Wie groÿ muss <strong>de</strong>r Betrag <strong>de</strong>r Kraft ⃗ F sein, wenn Sie ihren Gegner vor <strong>de</strong>m Wurf nach vorne beugen,<br />

um seinen Schwerpunkt auf Ihre Hüfte zu verlagern?<br />

Lösung:<br />

Unsere Lösungsi<strong>de</strong>e besteht darin, <strong>de</strong>n Zug ⃗ F, <strong>de</strong>n Sie auf Ihren Gegner ausüben müssen, mittels <strong>de</strong>s<br />

zweiten newtonschen Axioms <strong>de</strong>r Rotation zur gegebenen Winkelbeschle<strong>uni</strong>gung ¨ϕ in Beziehung zu setzen<br />

(M ges = I ¨ϕ). Sobald sich die Füÿe <strong>de</strong>s Gegners vom Bo<strong>de</strong>n abgehoben haben, wirken auf ihn nur<br />

noch drei Kräfte: Ihr Zug ⃗ F, eine Kraft ⃗ N, die Sie am Drehpunkt aufbauen (in Abb. nicht eingezeichnet),<br />

und die Graviationskraft ⃗ F g . Um die Gleichung M ges = I ¨ϕ anwen<strong>de</strong>n zu können, benötigen wir alle drei<br />

Drehmomente, jeweils bezüglich <strong>de</strong>r angegebenen Achse.<br />

Gemäÿ M = r ⊥ F ist das Drehmoment infolge ihrer Zugkraft ⃗ F gleich −d 1 F mit d 1 als Hebelarm r ⊥<br />

(das negative Vorzeichen zeigt an, dass das Drehmoment eine Rotation <strong>im</strong> Uhrzeigersinn auslöst). Das<br />

Drehmoment infolge von ⃗ N ist Null:<br />

Um das Drehmoment infolge <strong>de</strong>r Gravitationskraft ⃗ F g ermitteln zu können, nehmen wir an, dass ⃗ F g am<br />

Schwerpunkt <strong>de</strong>s Gegners wirkt.<br />

Ben<strong>de</strong>t sich dieser Schwerpunkt auf <strong>de</strong>r Drehachse, so ist <strong>de</strong>r Hebelarm wie<strong>de</strong>r gleich Null, und auch<br />

22


dieses Drehmoment verschwin<strong>de</strong>t. Das einzige Drehmoment, das auf ihren Gegner wirkt, entsteht folglich<br />

durch ihre Zugkraft ⃗ F, und wir schreiben, das zweite newtonsche Axiom in <strong>de</strong>r Form<br />

auf. Daraus ergibt sich<br />

−d 1 F = I ¨ϕ<br />

F =<br />

−I ¨ϕ<br />

= −(15 kg · m2 )(−6.0 rad/s 2 )<br />

= 300 N<br />

d 1 0.3 m<br />

(b) Wie groÿ muss <strong>de</strong>r Betrag von ⃗ F sein, wenn ihr Gegner vor <strong>de</strong>m Wurf aufrecht steht und <strong>de</strong>r Hebelarm<br />

von ⃗ F g gleich d 2 = 0.12 m ist, gemessen vom Drehpunkt aus Bild (b).<br />

Lösung:<br />

Wir gehen analog zu Aufgabenteil (a) vor, mit einer Ausnahme: Die Gravitationskraft ⃗ F g erzeugt jetzt<br />

ein Drehmoment d 2 mg, weil ihr Hebelarm d 2 gröÿer als null ist. (Das positive Vorzeichen besagt, dass<br />

dieses Drehmoment eine Rotation entgegengesetzt bewirkt.) Das zweite newtonsche Axiom lautet nun:<br />

daraus folgt<br />

−d 1 F + d 2 mg = I ¨ϕ<br />

F = − I ¨ϕ<br />

d 1<br />

+ d 2mg<br />

d 1<br />

Aus (a) wissen wir, dass <strong>de</strong>r erste Term auf <strong>de</strong>r rechten Seite gleich 300 N ist und die an<strong>de</strong>ren gegebenen<br />

Wert setzen wir ein:<br />

F = (0.12 m)(80 kg)(9.8 m/s2 )<br />

+ 300 N<br />

0.30 m<br />

= 613.6 N ≈ 610 N<br />

Dies Lösung macht klar, dass es erheblich weniger Kraft benötigt wird, <strong>de</strong>n Gegner zu werfen, wenn man<br />

<strong>de</strong>ssen Gleichgewicht bricht.<br />

5.2 Wurf nach hinten<br />

Allen Würfen nach hinten ist gemeinsam, dass Ukes Oberkörper stark nach hinten gedrückt wird, wobei<br />

zusätzlich eine seitliche Druckrichtung bei etlichen Würfen notwendig ist. Der Schwerpunkt von Uke ist<br />

<strong>de</strong>utlich nach hinten auÿerhalb <strong>de</strong>r natürlichen Standäche zu verlagern.<br />

5.2.1 Sicheltechniken (Beinsicheln)<br />

Es n<strong>de</strong>n sich Unterscheidungsmerkmale bei <strong>de</strong>r Wurfgruppe <strong>de</strong>r Sicheln Anwendung:<br />

1. Groÿe Sicheln (z.B. O-soto-gari) und kleine Sicheln (Ko-soto-gari)<br />

2. Innensicheln (Ko-uchi-gari) und Auÿensicheln (O-soto-gari)<br />

Denition:<br />

Von einer groÿen Sichel wird <strong>im</strong>mer dann gesprochen, wenn das Sichelbein von Tori eine groÿe Bewegung<br />

ausführt, <strong>de</strong>ssen Mittelpunkt das Hüftgelenk bil<strong>de</strong>t.<br />

Im Gegensatz dazu sind kleine Sicheln dann gegeben, wenn Toris Sichelbein eine kleine Bewegung ausführt,<br />

<strong>de</strong>ssen Mittelpunkt das Kniegelenk ist.<br />

Innen- und Auÿensicheln sind dadurch kennzeichnet, dass es die Seite angibt, an <strong>de</strong>r Uke angegrien<br />

wird.<br />

23


Auÿensichel: Beinauÿenseite, wobei sich Tori auÿerhalb <strong>de</strong>r Stellung Uke ben<strong>de</strong>t.<br />

Innensichel: Beininnenseite, wobei sich Tori innerhalb <strong>de</strong>r Stellung von Uke ben<strong>de</strong>t.<br />

Das Prinzip <strong>de</strong>r Sicheltechniken beruht darauf, dass das belastete Standbein von Uke weggesichelt wird.<br />

Das belastete Standbein be<strong>de</strong>utet in diesem Zusammenhang, dass mehr als 50 Prozent <strong>de</strong>s Körpergewichts<br />

auf diesem ruhen. Bei <strong>de</strong>n kleinen Sicheln wird das Sicheln mit <strong>de</strong>r Fuÿsohle, bei <strong>de</strong>n groÿen<br />

Sicheln mit <strong>de</strong>m Bein durchgeführt.<br />

5.2.2 Beispiel: Groÿe Auÿensichel (O-Soto-Gari)<br />

Fassen<br />

Der <strong>Judo</strong>ka muss seine Faÿart <strong>de</strong>rart wählen, dass er <strong>de</strong>n Partner, in <strong>de</strong>r eingangs erwähnten Weise aus<br />

<strong>de</strong>m Gleichgewicht bringen kann. Eine geeignete Form dazu ist, <strong>de</strong>n Arm <strong>de</strong>s Partners (gleiche Seite wie<br />

das zu sticheln<strong>de</strong> Bein) unter <strong>de</strong>r eigenen Achsel einzuklemmen (Sicherungseekt). Der eigene rechte Arm<br />

drückt gegen die Halsseite <strong>de</strong>s Partners. Dieser Gri ermöglicht es, <strong>de</strong>n Partner bei <strong>de</strong>r Wurfausführung<br />

ständig unter Kontrolle zu halten und zu führen.<br />

Gleichgewichtbrechen<br />

Das Gleichgewicht von Uke wird nach hinten rechts (bei rechter Wurfausführung) gebrochen, in <strong>de</strong>m man<br />

Hals von Uke nach hinten gedrückt und an Ukes rechten Arm gezogen wird. Ukes Gewicht ruht auf <strong>de</strong>r<br />

Ferse bzw. <strong>de</strong>r Fuÿauÿenkante <strong>de</strong>s anzugreifen<strong>de</strong>n Beines. Bei richtigem Gleichgewichtbrechen muss es<br />

Uke noch möglich sein, die Zehen seines Standbeines anzuheben.<br />

Wurfeingang<br />

Das Gleichgewichtbrechen und <strong>de</strong>r Wurfeingang müssen nahtlos ineinan<strong>de</strong>r übergehen. Tori setzt sein<br />

Standbein (sein linkes) auf die gleiche Höhe <strong>de</strong>s Standbeines von Uke. Bei dieser Bewegung zieht Tori<br />

<strong>de</strong>n Körper von Uke zu sich heran. Damit unterstützt er die Instabilität von Ukes Stand. Tori drückt<br />

sein eigenes Kinn auf die Brust, <strong>de</strong>nn er muss unter allen Umstän<strong>de</strong>n ein Hohlkreuz vermei<strong>de</strong>n. Tori<br />

achtet auÿer<strong>de</strong>m darauf, dass sein Standbein gebeugt ist. Sein Sichelbein bringt Tori nach vorne, wobei<br />

die Zehen nach unten zeigen.<br />

24


Wurfausführung<br />

Tori wirft Uke dadurch, dass er<br />

• mit seinem Sichelbein das Standbein von Uke nach hinten und oben wegsichelt; die Auftrestelle ist<br />

die Schenkelrückseite, sowohl bei Uke, als auch bei Tori (wo man auftritt ist von <strong>de</strong>r Körpergröÿe<br />

und <strong>de</strong>r Stellung bei <strong>de</strong>r Kontrahenten abhängig);<br />

• gleichzeitig zu dieser Bewegung beugt Tori seinen Oberkörper dynamisch nach vorne und atmet<br />

kräftig aus<br />

Tori muss auch darauf achten, dass sein Standbein gebeugt ist, dass Sichelbein sehr weit nach oben hinten<br />

geschwungen wird und er ständig Körperkonakt zu Uke hält.<br />

25


6 Mo<strong>de</strong>rne biomechanische Analyse und<br />

Kraftdiagnostik<br />

6.1 Dreid<strong>im</strong>ensionale Bewegungsanalyse und Mo<strong>de</strong>llierung von<br />

judospezischen Bewegungen<br />

Seit En<strong>de</strong> <strong>de</strong>r 80er gibt es verstärkt wissenschaftliche Projekte, die sich mit <strong>de</strong>r Erforschung und Analyse<br />

von 3-d<strong>im</strong>ensionalen Bewegungen <strong>im</strong> Sport beschäftigen. Diese Untersuchungen betreen auch das <strong>Judo</strong>.<br />

Durch die <strong>im</strong>mer leistungsfähigeren PCs und bessere Software gewinnt diese Art <strong>de</strong>r biomechanischen<br />

Bewegungsuntersuchung <strong>im</strong>mer mehr an Be<strong>de</strong>utung.<br />

Zur Analyse <strong>de</strong>r technischen Bewegungsabläufe (Schlag, Stoÿ-, Wurf, Gritechniken) und <strong>de</strong>r dazu notwendigen<br />

speziellen Kraft- und Schnelligkeitsfähigkeiten wer<strong>de</strong>n biomechanische Kenngröÿen aufgenommen<br />

wer<strong>de</strong>n. Es wer<strong>de</strong>n dabei max<strong>im</strong>ale Explosivkraft, Beschle<strong>uni</strong>gungskraft, Anriss- und Stoÿ<strong>im</strong>puls,<br />

Kraftintensität, Kraft<strong>im</strong>puls, Kraftrichtung, Winkel, dazugehörige Zeitparameter, Ortsparameter, Geschwindigkeit<br />

(wie z.B. Anriss- und Schlaggeschwindigkeit) best<strong>im</strong>mt.<br />

Diese Parameter sind mit <strong>de</strong>m Auge nur sehr ungenau bzw. fehlerbehaftet zu erfassen. Daher bedient man<br />

sich verschie<strong>de</strong>ner physikalischen und biologischer Messverfahren um ein möglichst objektive Erfassung<br />

<strong>de</strong>r Bewegung zu erreichen.<br />

Die wichtigsten Messverfahren sind:<br />

• Dynamometrie: Kraftmessung über dynamometrische Kraftmessplattformen<br />

• Kinemetrie: Weg- und Geschwindigkeitsmessung durch Einsatz von Speedographen, Tachogeneratoren<br />

und 3D-Bildmeÿverfahren, Vi<strong>de</strong>o, Film, Infrarot, Ultraschall u.a.<br />

• Elektromyographie: Aufzeichnung <strong>de</strong>s elektrischen Aktivierungszustands <strong>de</strong>s Muskels und <strong>de</strong>s<br />

Innervationsverhaltens<br />

Wesentlich für die Mo<strong>de</strong>llierung und S<strong>im</strong>ulation <strong>de</strong>r Bewegung ist eine nahezu verlustfreie räumliche Bewegungsanalyse<br />

<strong>de</strong>r einzelnen Körperteile. Daher wer<strong>de</strong>n Bildmessverfahren bevorzugt eingesetzt, da sie<br />

berühungslos und rückwirkungfrei sind. Auÿer<strong>de</strong>m sind sie <strong>uni</strong>versell einsetzbar, liefern eine hohe Informationsdichte,<br />

anschauliche Daten.<br />

Mit Hilfe dieser erfassten Daten (für einen best<strong>im</strong>mten Bewegungsablauf charakteristische Kurven) untersuchen<br />

Bewegungsanalytiker und Trainer zahlreiche Fragestellungen:<br />

1. Auf<strong>de</strong>ckung grundlegen<strong>de</strong>r mechanischer Gesetzmäÿigkeiten zwischen <strong>de</strong>n Teilkörperbewegungen<br />

untereinan<strong>de</strong>r und zwischen Teilkörperbewegungen und Ganzkörperbewegungen<br />

2. Herleitung von Kriterien für die Zweckmäÿigkeit einer Bewegungsausführung in Bezug auf eine<br />

gegebene Zielgröÿe und Ableitungen von Maÿnahmen für <strong>de</strong>n Trainingsprozess<br />

3. Fehler <strong>im</strong> Bewegungsablauf aufzu<strong>de</strong>cken, Schwächen <strong>de</strong>r speziellen Kraftfähigkeiten nachzuweisen<br />

und Korrekturmaÿnahmen zur Verbesserung <strong>de</strong>r technischen und konditionellen Leistungsvoraussetzungen<br />

anzubieten.<br />

4. Ermittlung von individuellen Bestlösungen für eine Bewegungsauführung unter Berücksichtigung<br />

<strong>de</strong>r körperlichen Beson<strong>de</strong>rheiten und <strong>de</strong>r Leistungsfähigkeit <strong>de</strong>s einzelnen Sportlers<br />

5. Erarbeiten von neuen Lehrmetho<strong>de</strong>n <strong>im</strong> Schulsport, zur Erlernung <strong>de</strong>r sportlichen Techniken aus<br />

pädagogischer Sicht und letztlich auch neue Ansätze aus orthopädischer Sicht<br />

26


Eine Zielstellung <strong>de</strong>r biomechanischen Untersuchungen besteht also unter an<strong>de</strong>rem darin, die Kurvencharakteristik<br />

<strong>de</strong>r Funktionen F (t) = Kraftzeitverlauf, P (t) = Leistungszeitverlauft, v(t) = Geschwindigkeitszeitverlauf,<br />

v(s) = Geschwindigkeitswegverlauf u.a. zu ermitteln und gegenüberzustellen, aber auch<br />

Aussagen zur Gröÿenordnung <strong>de</strong>r Einzelparameter (F max , v max , P max , t Fmax )<br />

Folgen<strong>de</strong> Meÿkongurationen (sind mobil einsetzbar) erfolgt <strong>im</strong> Jahresverlauf vorrangig bei leistungsdiagnostischen<br />

Maÿnahmen (Kraft- und Techniktraining in <strong>de</strong>n Olympiastützpunkten/Leistungsstützpunkten<br />

zur Vorbereitung auf Europa- und Weltmeisterschaften und Olympische Spiele.<br />

6.2 Kinematische Messverfahren<br />

6.2.1 1- o<strong>de</strong>r 2-Kamera-Verfahren (Filmbildanalyse, Vi<strong>de</strong>obildanalyse)<br />

Bildmessverfahren: berührungslose Messverfahren, mit <strong>de</strong>nen indirekt mittlere Geschwindigkeiten und<br />

Körperschwerpunktsverläufe (Kinegramme) sowie die Dauer ausgewählter Bewegungsphasen ermittelt<br />

wer<strong>de</strong>n können. (auch Best<strong>im</strong>mungen von Beschle<strong>uni</strong>gung und Kräften möglich)<br />

Nachteil: Aktuell noch sehr zeitaufwendig (aber Entwicklung macht Fortschritte)<br />

Beispiel: (A three d<strong>im</strong>ensional analysis of the center of mass for three dierent judo throwing techniques,<br />

Carlifornia State University, 2006)<br />

Es wur<strong>de</strong>n 4 DAN-Träger als Werfer (Tori) und ein DAN-Träger als Uke gelmt und analysiert. Der ehemaligen<br />

Wettkämpfer wur<strong>de</strong>n mit Hilfe von 2 Kameras aufgenommen und mit Bewegungsanalysesoftware<br />

ausgewertet.<br />

Participant Weight (kg) Height (m) Age Rank (Degree Black)<br />

1 84 1.78 22 Shodan (1 st )<br />

2 118 1.68 42 Yondan (4 th )<br />

3 89 1.78 32 Sandan (3 rd )<br />

4 75 1.68 39 Sandan (3 rd )<br />

Uke 89 1.75 38 Yondan (4 th )<br />

Der durchschnittliche lineare Impuls in x,y,z-Richtung und <strong>de</strong>r daraus resultieren<strong>de</strong> Impuls von Ukes<br />

Massenschwerpunkt wur<strong>de</strong> best<strong>im</strong>mt und ausgewertet.<br />

Untersucht wur<strong>de</strong>n 3 unterschiedliche Würfe, ein Hüftwurf (Harai-Goshi), ein Handwurf (Seoi-Nage) und<br />

ein Beinwurf (O-Soto-Gari). Je<strong>de</strong>r Wurf wur<strong>de</strong> unterteilt, in die uns schon bekannten drei Hauptwurfphasen:<br />

Kuzushi, Tsukuri, Kake.<br />

Um <strong>de</strong>n i<strong>de</strong>alen Wurf mit a<strong>de</strong>quante Kombination aus max<strong>im</strong>aler Kraft/Wirkung und sauberer Technik<br />

zu s<strong>im</strong>ulieren, wer<strong>de</strong>n folgen<strong>de</strong> Annahmen gemacht: Die Werfer sollen die Würfe mit max<strong>im</strong>aler Kraft<br />

ausführen, ohne dass sie ihre Stabilität verlieren (d.h. sie müssen min<strong>de</strong>stens mit einem Fuÿ am Bo<strong>de</strong>n<br />

stehen und dürfen mit max<strong>im</strong>al einer Hand <strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>n berühren, nach<strong>de</strong>m <strong>de</strong>r Wurf ausgeführt wur<strong>de</strong>.<br />

Da die <strong>Judo</strong>ka einen Gi benötigen sind keine Marker möglich, wer<strong>de</strong>n 18 Körperpunkte manuell <strong>im</strong> Vi<strong>de</strong>o<br />

gesetzt.<br />

Harai-goshi Seoi-nage Osoto-gari<br />

Participant 1 (129.2)x(.68) = 87.8 (88.5)x(.86) = 76.1 (175.8)x(.70) = 123.0<br />

Participant 2 (175.9)x(.61) = 107.3 (175.6)x(.67) = 117.7 (181.5)x(.72) = 130.6<br />

Participant 3 (193.6)x(.55) = 106.5 (130.0)x(.67) = 86.1 (122.7)x(.73) = 89.5<br />

Participant 4 (136.6)x.68) = 92.8 (87.5)x(.76) = 66.5 (145.4)x(.75) = 109.0<br />

Mean (158.9)x(.63) = 100.1 (120.4)x(.74) = 89.0 (156.3)x(.73) = 113.0<br />

SD 9.9 18.8 17.7<br />

Tabelle 6.1: Kraft in N, Zeit in s<br />

27


Be<strong>im</strong> Harai-Goshi und O-Soto-Gari waren ergaben die Impulsmessungen die gröÿten Beträge be<strong>im</strong> Tsukuri<br />

und Kuzushi. (wo die Kollision hauptsächlich stattn<strong>de</strong>t).<br />

Dies weiÿt darauf hin, wie wichtig es für Tori ist einen möglichst groÿen Impuls vor <strong>de</strong>m Kontakt mit<br />

Uke zu erzeugen.<br />

Der Schulterwurf (Seoi-Nage) erzeugt <strong>de</strong>n geringsten Impuls. Der Harai-Goshi/O-Soto-Gari wer<strong>de</strong>n auch<br />

als Power-Würfe bezeichnet, die gut geeignet für groÿe und starke <strong>Judo</strong>kämpfer sind. Der Seoi-Nage ist<br />

technischer und ist eher geeignet für kleinere <strong>Judo</strong>kas mit höherer Beweglichkeit.<br />

6.2.2 Speedometrie<br />

Zur Ermittelung biomechanischer Gröÿen dient auch ein Tachogenerator, <strong>de</strong>r zum Geschwindigkeits-<br />

Zeitverlauf die proportionalen Spannungssignale abgibt. Dieser Tachogenerator, kann an verschie<strong>de</strong>ne<br />

han<strong>de</strong>lsübliche Seilzugsysteme montiert wer<strong>de</strong>n, die annähernd judospezische Anrissbewegungen zulassen.<br />

Man konzentriert sich meist auf solche Best<strong>im</strong>mungsgröÿen, die <strong>de</strong>m Athleten und Trainer unmittelbar<br />

nach <strong>de</strong>r Technikausführung übermittelt wer<strong>de</strong>n und an<strong>de</strong>rererseits gesicherte Aussagen hinsichtlich <strong>de</strong>r<br />

Bewegungsqualität zulassen.<br />

28


(a) Gerät 1 (Kraftübertragung über Zugseile auf Umlenkrollen,<br />

höhenverstellbar, wahlweise über Gewichtseinstellung<br />

o<strong>de</strong>r über Fe<strong>de</strong>r- und Gummizugseile)<br />

Schnellkraftspezische Wirkungsweise: kleine Gewichte<br />

Max<strong>im</strong>alkraftspezische Wirkungsweise: groÿe Gewichte<br />

(b) Gerät 2 (Kraftübertragung <strong>de</strong>r Anrissbewegung über Zugseile<br />

auf ein Rotationsmechanismus, Wi<strong>de</strong>rstandregulierung:<br />

Geschwindigkeitsabhängig<br />

Abbildung 6.1: Seilzuggeräte<br />

Am Gerät 2 wird insbeson<strong>de</strong>re die reaktive Wi<strong>de</strong>rstandwirkung (das aktive Blockieren) <strong>de</strong>s Gegners nach<br />

<strong>de</strong>n ersten Anriss s<strong>im</strong>uliert. An bei<strong>de</strong>n Geräten liefern jeweils ein Tachogenerator o<strong>de</strong>r ein Speedograph<br />

die Gewschwindigkeitssiganle, die über einen PC verarbeitet sofort nach <strong>de</strong>r Ausführung <strong>de</strong>r S<strong>im</strong>ulationsübung<br />

die Anrissbeschle<strong>uni</strong>gungen und Anrisskräfte zur Anzeige bringen.<br />

Abbildung 6.2: Seilzuggerät 3 (Kraftübertragung <strong>de</strong>s rechten und linken Armzuges über Zugseile auf eine Rotationsmasse,<br />

Wi<strong>de</strong>rstandregulierung erfolgt über eine mechanische wirken<strong>de</strong> Bandbremse)<br />

Schnellkraftspezische Wirkungsweise: niedrige Bandbremseinstellung<br />

Max<strong>im</strong>alkraftspezische Wirkungsweise: groÿe Bandbremseinstellung<br />

Hierbei wird die Masse in Rotation versetzt die ein Trägheitsmoment erzeugt. Das Trägheitsmoment <strong>de</strong>r<br />

rotieren<strong>de</strong>n Masse entspricht <strong>de</strong>r Masse eines Gegners, die gewichtsklassenspezisch festgelegt wer<strong>de</strong>n<br />

kann. Dies be<strong>de</strong>utet dass <strong>de</strong>r Athlet einen Gegner dieser Masse bewegt, ohne, dass ein reaktiver Wi<strong>de</strong>rstand<br />

entgegengesetzt wird. Zur Ermittelung biomechanischer Gröÿen dient ein Tachogenerator, <strong>de</strong>r zum<br />

Geschwindigkeitsverlauf die proportionalen Spannungssignal abgibt.<br />

29


Folgen<strong>de</strong> Parameter lassen sich ermitteln:<br />

v max - max<strong>im</strong>ale Anrissgeschwindigkeit<br />

F max - max<strong>im</strong>al wirken<strong>de</strong> Beschle<strong>uni</strong>gungkraft<br />

F mitt - mittlere Anrisskraft (Wirkung <strong>de</strong>s Krafteinsatzes während <strong>de</strong>r gesamten<br />

Anrissbewegung - einschlieÿlich Eindrehbewegung)<br />

- Anrissleistung<br />

t Fmax - Dauer <strong>de</strong>r max<strong>im</strong>alen Kraftentfaltung bis F max<br />

t vmax - Zeitintervall bis zum Erreichen <strong>de</strong>r max<strong>im</strong>alen Anrissgeschwindigkeit v max<br />

max<strong>im</strong>ale Anrissleistung<br />

Als Ergebnis wer<strong>de</strong>n u.a. folgen<strong>de</strong> Zeitverläufe und Abhängigkeiten zwischen <strong>de</strong>n biomechanischen Parametern<br />

dargestellt: v(t), F (t), P (t), P (v).<br />

Aus <strong>de</strong>n Daten <strong>de</strong>r Vi<strong>de</strong>oanalyse ergeben sich als räumlichen und zeitlichen Bezugspunkte folgen<strong>de</strong> Körperpositionen:<br />

F 0 - Ausgangsstellung<br />

F max - 1. Phase <strong>de</strong>r Anrissbewegung (Gleichgewichtsstörung)<br />

P max - 2. Phase <strong>de</strong>r Anrissbewegung (Beginn <strong>de</strong>r Eindrehbewegung)<br />

2/3 · v max - 3. Phase (Eindrehbewegung)<br />

v max - 4. Phase (Beginn <strong>de</strong>s Nie<strong>de</strong>rwurf)<br />

Abbildung 6.3: Zeitlicher Verlauf verschie<strong>de</strong>ner Parameter sowie Darstellung ausgewählter Körperpositionen<br />

(Beispiel: Seoi-Nage)<br />

Abbildung 6.4: Verlaufscharakteristik verschie<strong>de</strong>ner Parameter bei fehlerhafter Wurfausführung (Technik:<br />

Seoinage (Schulterwurf))<br />

30


Be<strong>im</strong> Armkraftzug-Messplatz sind die Anrissgeschwindigkeit und Anrisskraft (links/rechts) die gemessenen<br />

Parameter.<br />

Übungen:<br />

• Einarmige Anrissbewegungen (rechts/links)<br />

• Beidarmige Anrissbewegungen<br />

• Anrissübungen zur jeweiligen Spezialtechnik<br />

• Beidarmiger Anriss mit judospezischen Eindrehbewegungen (rechts/links)<br />

• Technikübungen (Seoi-nage, Tai-otoshi, Hiza-guruma, Harai-goshi)<br />

Sportler GK v max F max P max F m F max t v(max)<br />

(kg) (m/s) (kN) (kW) (kN) (s) (s)<br />

A bis 60 1,9 1,3 0,87 0,48 0,085 0,75<br />

B 65 2,4 1,5 1,7 0,55 0,085 0,74<br />

C 65 2,6 1,4 1,7 0,46 0,17 0,81<br />

D 71 2,5 2,0 1,8 0,45 0,09 0,61<br />

E 71 3,2 2,3 3,0 0,7 0,09 0,61<br />

F 78 2,8 2,3 3,6 1,1 0,18 0,55<br />

G 78 2,4 2,4 3,8 1,18 0,17 0,47<br />

. . .<br />

K 4,2 5,8 10,0 1,8 0,1 0,15 0,55<br />

Tabelle 6.2: Ergebnisse von leistungsdiagnostischen Untersuchungen be<strong>im</strong> Anrisses <strong>Judo</strong> (Februar 1988),<br />

Nowoisky<br />

31


6.3 Dynamometrische Messverfahren<br />

6.3.1 3-d<strong>im</strong>ensionale Kraftplattform<br />

Kraftsensoren: Piezogeber<br />

Erfassung von horizontal und vertikal wirken<strong>de</strong>n Bo<strong>de</strong>nreaktionskräften bei <strong>de</strong>r Ausführung von Wurftechniken.<br />

Abbildung 6.5: Messplatz zur Erfassung <strong>de</strong>r Anriss- und Bo<strong>de</strong>nreaktionskräfte (Armkraftzuggerät und<br />

3-d<strong>im</strong>ensionale Kraftmessplattform<br />

6.3.2 Hubkraftmessgerät<br />

Hubkraftmessgerät zur Erfassung von isometrischen und dynamometrischen Kräften<br />

Kraftsensoren: Halbleiter-Dehnsmessstreifen auf Formmetall<br />

Abbildung 6.6: Messplatz und Trainingsgerät zur Erfassung <strong>de</strong>r Hub- und Fegekraft von judospezischen<br />

Imitationsübungen [z.B. Uchi-Mata (Schenkelwurf) und De-Ashi-Barai (Fuÿfeger)]<br />

Bei spezischen Hub- und Fegebewegungen überträgt ein drehbar gelagerter Hebelarm <strong>de</strong>n Krafteinsatz<br />

eines Athleten. Dabei wird eine Masse über ein Zugband, welches aufgerollt wird, in vertikaler Richtung<br />

in Bewegung versetzt. Die Messsensoren (Kraftmessbügel) sind unmittelbar an <strong>de</strong>r Schnittstelle Zugband<br />

und Gewichtsplatten anmontiert. Sie liefern Signale zur Weiterverarbeitung/Anzeige auf einem PC.<br />

32


6.4 Elektromyographie:<br />

Hauptgegenstand <strong>de</strong>r inneren <strong>Biomechanik</strong> ist die Beschreibung von Struktur und Funktion <strong>de</strong>s Muskel-<br />

Skelett-Systems <strong>de</strong>s Menschen. Dabei unterschei<strong>de</strong>n die Bewegungswissenschaftler <strong>de</strong>n aktiven, energiebereitstellen<strong>de</strong>n<br />

Teil dieses Systems (Muskel) und <strong>de</strong>n passiven, energieübertragen<strong>de</strong>n Teil (Sehnen,<br />

Knochen, Gelenke). Das bekannteste Meÿverfahren ist die Elektromyographie (kurz EMG).<br />

Die Elektromyographie (EMG) ist in <strong>de</strong>r Human-Medizin eine elektrophysiologische Metho<strong>de</strong> <strong>de</strong>r Diagnostik<br />

in <strong>de</strong>r Neurologie, bei <strong>de</strong>r die elektrische Muskel-Aktivität gemessen wird.<br />

Mit Hilfe von konzentrischen Na<strong>de</strong>lelektro<strong>de</strong>n lassen sich die Potentialschwankungen einzelner motorischer<br />

Einheiten ableiten. Mit Spezialna<strong>de</strong>ln lassen sich auch einzelne Muskelfasern erfassen (Einzelfasermyographie).<br />

Auÿerhalb <strong>de</strong>s eigentlichen Fachgebiets <strong>de</strong>r Neurologie wird manchmal auch die Messung von<br />

Potentialän<strong>de</strong>rungen auf <strong>de</strong>r Haut mit Oberächenelektro<strong>de</strong>n als EMG bezeichnet. Diese Technik misst<br />

das Summen-Aktionspotential eines ganzen Muskels o<strong>de</strong>r sogar mehrerer Muskeln.<br />

Bei <strong>de</strong>r Durchführung eines EMGs wird die elektrische Aktivität <strong>im</strong> ruhen<strong>de</strong>n Muskel (Spontan-Aktivität)<br />

und bei unterschiedlich stark willkürlich kontrahiertem Muskel (Muskel-Aktionspotentiale) gemessen. In<br />

<strong>de</strong>r medizinischen Elektrodiagnostik lassen sich durch das EMG Aussagen über Krankheiten <strong>de</strong>r Nervenund<br />

Muskelzellen machen. In <strong>de</strong>r <strong>Biomechanik</strong> wer<strong>de</strong>n die Zusammenhänge zwischen <strong>de</strong>n Frequenzen<br />

o<strong>de</strong>r <strong>de</strong>n Amplitu<strong>de</strong>n <strong>de</strong>r registrierten elektrischen Signale und <strong>de</strong>r Kraft eines Muskels untersucht, um<br />

etwa die Bewegungen von Sportlern zu opt<strong>im</strong>ieren.<br />

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Literaturverzeichnis<br />

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Spitta (Auslieferung Wmi), 1. a. edition, 1 2005.<br />

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