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Das Lager<br />
KURZGESCHICHTE<br />
Frank Böhmert<br />
Erstes Kapitel:<br />
HARRY HAT EINEN ARBEITSPLATZ<br />
»Sag mal, wo ist er denn jetzt schon wieder?«<br />
»Weiß nicht, vorhin war er hinten, Collies zerkloppen …«<br />
»Na, lass uns mal erst ‘nen kleinen Stick einziehen.«<br />
Harry stand, zwischen Metall und Beton geklemmt, im<br />
Halbschatten und beobachtete, wie die beiden an ihm vorbeizogen.<br />
Er lauschte ihnen nach. Dann wuchtete er die Kartons<br />
zur Seite – Autorelais, gute, muskelschwere Pakete, machte<br />
immer Spaß, die Dinger einzulagern – und leise, leise trat er<br />
hinaus auf den Gang.<br />
Collies kleinmachen? Jetzt, wo die zwei hinten ihren Stick<br />
schmauchten, war das wieder reizvoll. Also!<br />
»Na, mein Kleiner? Warst du wieder auf Klo, Schlaf nachholen?«<br />
»Nö. Pissen.« Für mehr als Grinsen war keine Zeit, Chihi<br />
hielt schon die –<br />
»Nee, der Filter! Is’ ja geil …«<br />
Bestimmt dreißig Zentimeter lang, das Röllchen, und als<br />
Harry es stockenden Atems an Chris weiterreichte, war er sehr<br />
vornehm. Er zog Luft nach, um nicht husten zu müssen, und<br />
klemmte wie Sau. Chris flippte schon wieder. Stand da, wippend<br />
auf Nikes natürlich, ließ seine Muskeln spielen und –<br />
»Mann! Jetzt ein Stößchen wär gut! Ist heut nicht Dienstag,<br />
wo die kleine Mama putzen kommt? Irgendwann bring<br />
ich’s mal schön zwischen zwei Regalen! Ein Quickie, mein<br />
kleines Negerlein!«<br />
Was Chihi mit einem Grinsen beantwortete: »Nimm doch<br />
die Dicke vorn.«<br />
Kotz. Das Spiel lief weiter, immer dieselbe Schiene, acht<br />
Stunden lang. Aber Harry stieß nun die Luft aus, atmete has-<br />
tig, und da war er, der Flash, wohltuend schwindelnd zwischen<br />
seinen Regalen.<br />
Nachdem er die Pappcontainer zerlegt und auf den Hof gezogen<br />
hatte, warf er Brecheisen und Handschuhe in den<br />
Schrank und zog sich ein Bier rein. Schön eiskalt. Die Sonne<br />
knallte durch die großen Fenster, die Dicke schwitzte ihr Parfüm<br />
aus, fluchte am Terminal rum –<br />
»Scheiß, verfluchter! Schon wieder nix! Die beschissene<br />
‘kette kaputt! Wie soll ich da Versand machen, verflucht!«<br />
– und Harry träumte von schattiger Kühle und Schweigen.<br />
»Ich geh mal auslagern.«<br />
Dies waren die Arbeiten, die noch am ehesten zu ertragen<br />
waren: die Collies – mit dem Brecheisen rein in die Pappe<br />
und einen vier, fünf Meter hohen Turm umgestürzt … das<br />
krachte durch die düstere, nach einem Brand nie wieder renovierte<br />
Halle … gingen zwar die Paletten bei kaputt, aber<br />
noch hatte keiner was gesagt … und dann klein den Dreck<br />
… manchmal zog er die Handschuhe aus und zerriss sich<br />
die Hände … – und das Hochregal. Dreißig Meter lange,<br />
schwere Metallregale, acht Meter hoch. Anderthalb Meter<br />
Platz für den Kran, und immer durfte nur eine Person im<br />
Gang sein.<br />
Harry machte den Wagen arbeitsklar und fuhr zurück,<br />
schräg nach oben. Kif und Bier ließen die Streben sich nach<br />
innen biegen, wie in einer Linse, durch die er fuhr. Die Öffnung<br />
wurde kleiner, kleiner, seine Kollegen hasteten an ihr<br />
vorbei in ihren Arbeiten, sahen ihn kaum, und der Wagen<br />
sirrte auf ewiger Bahn.<br />
Bis das Ende erreicht war und die automatische Bremse<br />
anzog. Harry fuhr ganz nach oben. Jetzt war er am weitesten<br />
entfernt von allem, was herumlief und lärmte. Er lagerte solange<br />
Kisten aus, bis die Ladefläche zugestapelt war und den<br />
No. 4 • Januar 2010 andromeda extended magazine www.sfcd.eu • p. 46