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Themas anhob, sich mittlerweile wie ein Virus derart verbreitet<br />
hat, dass die Allgegenwart in ambulonekrotophilen Kitsch<br />
umschlug. Zombies, die einst das kulturelle Unterbewusstsein<br />
heimsuchten wie unheilvoller Tadel, haben sich zu knuddeligem<br />
Spielzeug gewandelt, zu toten Metaphern (ta-da!) die<br />
uns nicht länger in Wallung versetzten. Paradoxerweise werden<br />
die Zombiefail ‘09-istischen Autoren aus Respekt für die<br />
zunehmend herabgewürdigten Zombies entweder diese Banalisierung<br />
ausdrücklich mit melancholischem Spott untergraben,<br />
oder sich weigern, überhaupt über sie zu schreiben und<br />
stattdessen aus verschiedenen anderen Mythen verschmähte<br />
Monster plündern, an denen die Welt zugrunde gehen kann.<br />
Die negativen Einflüsse, gegen die man aufbegehren wird,<br />
umfassen so ziemlich alle der erstaunlich vielen Zombie-basierten<br />
Filme, Bücher, Videospiele, Kartenspiele und Strickmuster<br />
der vergangenen zehn Jahre (vor allem seit dem Jahr<br />
2002 und dem, was Zombiefail ‘09-isten-Autoren das ›28-<br />
Days-Later-Ereignis‹ nennen werden).<br />
Positive Einflüsse werden ältere Zombiestoffe liefern, insbesondere<br />
Romero und Tourneur/Lewton, von denen man<br />
annehmen kann, dass sie zu heilig sind, um in unserer nach<br />
dem Sündenfall befindlichen Welt zitiert zu werden.<br />
Was man sagen darf: »Dieses kommerzialisierte Lager<br />
des Todestriebes ist eine kulturelle Tragödie.«<br />
Was man nicht sagen darf: »Määhr Hirrrnnnä!«<br />
2) Post-Elegieanismus<br />
Egal ob der Weltuntergang nun eintritt wegen dem Versiegen<br />
des Erdöls, dem Ansteigen des Meeresspiegels, der Rache der<br />
Natur, wegen Krieg, Kriegsherren, atomarem Weltenbrand<br />
oder – D’oh! – einem künstlich gezüchteten Virus, er wird<br />
weder schmerzhaft schön, noch eine Morallehre sein. Darauf<br />
werden die Post-Elegieanisten beharren. Diese grummelige<br />
Gruppe literarischer Querdenkender wird verärgert sein über<br />
die spärlich getarnte Endzeit-Pornografie der unzähligen,<br />
vorgeblich ›trostlosen‹ und ›dystopischen‹ Apokalyptik-Fiktionen<br />
und -Kulturen. Visionen, in denen verblüffend großartige<br />
Eisschollen am Chrysler-Wolkenkratzer vorübertreiben,<br />
mit schwermütig vollmundigen Beschreibungen von Aschelandschaften,<br />
und die klumpige Bukolik all der zugewucherten<br />
Städte wird so gar nicht nach ihrem Geschmack sein.<br />
Post-Elegieanisten werden sich zusammenrotten in ihrem<br />
Zorn auf das, was sie für feiges Aufgeben halten und ›Nachmittagstee<br />
zwischen Ruinen‹ nennen werden. Das wird sich<br />
auf eine von zwei möglichen gegensätzlichen Arten manifestieren:<br />
die ›High‹-Post-Eligieanisten werden das Nicht-Ende<br />
der Welt als fortwährenden und sich beschleunigenden Fortschritt<br />
beschreiben, vielleicht unter Einbezug von Singularitäten,<br />
vielleicht auch mit asymptotischen Verbesserungen,<br />
niemals einseitig, aber eben verbissen progressiv. Der ›Low‹-<br />
oder ›Punk‹-Flügel wird sich stattdessen an Beschreibungen<br />
von Ragnaröks verschiedenster Art weiden, die echt furchtbar<br />
sind, Weltuntergänge, die durch keine scheinheilige Ästhetik<br />
wettgemacht werden können, die hässlich, umfassend und<br />
völlig deprimierend sind. Sie werden als die mutigeren<br />
Künstler gelten, aber ihre Verkaufszahlen werden niedrig<br />
bleiben.<br />
Zu den Einflüssen der High-Post-Elegianisten zählen die<br />
Golden-Age-Science-Fiction, der Extropianismus, die Futurologie<br />
und der Fabianismus, sowie Anleitungen zur Selbsthilfe<br />
und Paulo Coelho. Die Low-Post-Elegieanisten werden sich<br />
aber konzentrieren auf den Splatterpunk, Pierre Guyotat und<br />
D. Keith Manos »Die Brücke«. Beide Flügel eint die Verabscheuung<br />
von Alan Weisman, Richard Jefferies und Cormac<br />
McCarthys »Die Straße«.<br />
Was man sagen darf: »Gerechtigkeitsfiktionen jenseits<br />
des eschatologischen Horizonts sind Entlastung.«<br />
Was man nicht sagen darf: »Will Smith war doof, aber<br />
das zugewucherte New York sah cool aus.«<br />
3) HochLit-Prätorianer<br />
Jedes neues Schlamassel, das uns die Durchschnittspolitik<br />
und ihre Kultur beschert, sollte das letzte sein, doch unterschätze<br />
nie deren Beständigkeit. Dieser Mainstream ist ein<br />
Panzerschiff, und auch wenn die aufkeimende Ökonopokalypse<br />
sie hie und da ein wenig trudeln lässt, bereitet sie ihr<br />
doch noch kein Ende. Für die Romanform wird sich das darin<br />
ausdrücken, dass die Löwen des guten Geschmacks jenen<br />
den Krieg erklären, die skeptisch gegenüber den Ansprüchen<br />
des Romans sind, die Umrisse der Conditio humana ( TM ) zu<br />
untersuchen, oder so ähnlich.<br />
Anders als viele frühere so genannte literarischen Fiktionen,<br />
werden die HochLit-Prätorianer verstehen, (i) dass sie<br />
ein Genre neben vielen anderen sind, und (ii) dass ihre angesehene<br />
Position angegriffen wird. Und sie werde sich entschließen,<br />
den Kampf zum Feind zu bringen.<br />
Dementsprechend wird diese Bewegung fortfahren, jene<br />
Aspekte von Fiktionen zu bevorzugen, die, zumindest für einige,<br />
das unentbehrliche Ein und Alles der Literatur selbst ist<br />
– ein Fest der ›Innerlichkeit‹ und eines bestimmten Protagonistenkonzepts<br />
der ›Person‹; eine Prosa, die für sich beansprucht,<br />
›sparsam‹ und ›genau‹ zu sein; ein Streben zum<br />
Metaphernhorizont, um vollendet irgendeine ›menschliche<br />
Wahrheit‹ mittels konkreterer Dinge zu beschreiben (Geschirr,<br />
Malfarbe, ein bestimmtes Tier, eine Wetterbegebenheit<br />
etc., auf die sich vorzugsweise im Buchtitel bezogen wird);<br />
ein Wechselspiel kunstvollen Wiedererkennens und so weiter.<br />
No. 4 • Januar 2010 andromeda extended magazine www.sfcd.eu • p. 95