18.11.2013 Aufrufe

Gemeinschaften - Integrierte Gesellschaft - Forum Integrierte ...

Gemeinschaften - Integrierte Gesellschaft - Forum Integrierte ...

Gemeinschaften - Integrierte Gesellschaft - Forum Integrierte ...

MEHR ANZEIGEN
WENIGER ANZEIGEN

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

<strong>Gemeinschaften</strong><br />

zwischen Grundeinkommen und<br />

Regionalentwicklung als Impulsgeber<br />

einer integrierten <strong>Gesellschaft</strong><br />

Dokumentation<br />

Symposion<br />

15. bis 17. Februar 2008<br />

Niederkaufungen /Kassel<br />

forum integrierte gesellschaft hamburg (hg)


Die Zukunft in die eigenen Hände nehmen<br />

von Christine Ax<br />

Prolog<br />

Nehmen wir einmal an, wir kÄmen zu der EinschÄtzung, dass wir uns bei dem Versuch<br />

den Kapitalismus abzuschaffen und die Globalisierung rÅckgÄngig zu machen<br />

verheben. Nehmen wir aber auch an, dass wir dennoch in einem sozialen Kontext<br />

leben wollten, der unseren BedÅrfnissen entspricht. Was wÅrden wir tun? Sollten<br />

wir z.B. den Versuch unternehmen, mit anderen Menschen Ähnlicher BedÅrfnisstruktur<br />

in <strong>Gemeinschaften</strong> zusammenzuleben und eine gute Praxis zu entwickeln,<br />

die ggf. sogar ein Leitbild abgÄbe? Gegenseitige Toleranz der LebensentwÅrfe wÄre<br />

m.E. die wichtigste Voraussetzung fÅr ein Leben in <strong>Gemeinschaften</strong>. Denn Gemeinschaft<br />

entsteht unterwegs, wÄhrend wir gemeinsam Handeln, wÄchst auf der Grundlage<br />

geteilter WÅnsche, Erfahrungen, Werte.<br />

Grundeinkommen - Finanzierbarkeit ?<br />

Die FinanzierungsvorschlÄge, die ich kenne, basieren letztlich auf einer Wirtschaftsweise,<br />

die nicht vÇllig verschieden von der heutigen ist. Ihre Voraussetzung:<br />

Ein Staat, der Staatseinkommen umverteilt, also irgendeine Kuh (WertschÇpfung)<br />

melken muss. Die Kuh ist derzeit die global operierende Wirtschaft und ihre Akteure.<br />

alle, die im System verbleiben, es aufrechterhalten und nÄhren. Diese Transferleistungen<br />

brauchen einen Apparat der Abgaben erhebt und Abgaben umverteilt.<br />

Ich vertraue den Berechnungen der Experten, dass dies angesichts des heutigen<br />

Staatsanteils auf niedrigem Niveau machbar wÄre. Sicher ist jedoch auch: sollten zu<br />

viele aus diesem „TrÄgersystem“ aussteigen – freiwillig oder unfreiwillig – wird es<br />

eng fÅr die Grundfinanzierten.<br />

Ich behaupte: Wir kÇnnen kein Konzept des Grundeinkommens ohne die realwirtschaftliche<br />

Ebene mit zu denken. Auf keiner rÄumlichen und gesellschaftlichen Ebene.<br />

Und wir mÅssen im Auge behalten, wer die Zeche zahlt. Jede Abgabe auf Unternehmen<br />

erhÇht den Druck zu Rationalisieren und die Zusatzkosten, die erwirtschaftet<br />

werden mÅssen. Es gibt auf dieser Welt nicht nur Konzerne sondern auch SelbstÄndige,<br />

Kleinstunternehmen, Handwerksbetriebe und deren BeschÄftigte und die<br />

machen mindestens 80% aller Unternehmen aus. Das Bild der Linken von „der Wirtschaft“<br />

hatte und hat in Bezug auf diese Wirtschaftsakteure einen blinken Fleck.<br />

Menschenbild<br />

Viele Debatten in diesem Kontext drehen sich um das Menschenbild. Was machen<br />

Menschen, wenn sie Åber ein Grundeinkommen verfÅgen? Ich denke, es gibt hierauf<br />

viele Antworten: einige wollen mehr Geld, Verantwortung, Karriere und bieten<br />

ihre Arbeitskraft auf dem Markt auch weiterhin an. Andere brauchen kein Geld. Sie<br />

ziehen es vor ihre Zeit selber zu gestalten, sie sind tÄtig alleine, als KÅnstler, in der<br />

Familie, mit Freunden, in <strong>Gemeinschaften</strong> oder sie machen sich als Unternehmer<br />

alleine mit anderen selbstÄndig. Was braucht der Mensch? Wir wissen: Die glÅcklichsten<br />

Nationen Europas sind die eher egalitÄr organisierten <strong>Gesellschaft</strong>en, Bildung<br />

scheint ein wichtiger Faktor zu sein, Gesundheit und die Chance produktiv zu


Die Zukunft in die eigenen Hände nehmen<br />

von Christine Ax<br />

sein. Sinn und Selbstachtung sind zentrale Kategorien. Der Mensch ist sowohl ein animal<br />

laborans als auch ein homo faber, homo ludens und ein homo sociales. Lernen,<br />

ProduktivitÄt, Wachsen und Weiterentwicklung scheint fÅr ihn eine Notwendigkeit zu<br />

sein. So gesehen ist nichts unmenschlicher als das Aussondern oder ÜberflÅssig machen<br />

von Menschen, ihre Stigmatisierung, Verletzung und Abwertung, wie wir es heute<br />

nicht nur im Kontext von Arbeitslosigkeit sondern als generellen Trend in der Arbeitswelt<br />

vorfinden. Es ist die von Sennett zu recht beklagte Tatsache, dass die Normalbiographie<br />

eines Arbeitnehmers heute keine „durchhaltbare ErzÄhlung“ mehr ist und dazu<br />

fÅhrt, dass sich diese Unsicherheiten Åber den Alltag der Menschen legt, wie ein grauer<br />

Schleier.<br />

<strong>Gemeinschaften</strong> und Grundeinkommen: die Zukunft in die eigene Hand nehmen<br />

Grundeinkommen kÇnnte ein Übergangs- ein Ausstiegszenario fÅr den Aufbau von<br />

<strong>Gemeinschaften</strong> auf Zeit sein. Ziel mÅsste es unbedingt bleiben, den notwendigen<br />

Zufluss externer Ressourcen zu minimieren und in einen dauerhaft stelbstragenden<br />

Austausch mit den externen Systemen (andere <strong>Gemeinschaften</strong> oder MÄrkte) zu kommen.<br />

Dauerhaft muss Geben und Nehmen – auf welcher Ebene auch immer – ins<br />

Gleichgewicht kommen (menschlich, wirtschaftlich, spirituell). Dass dies MACHBAR<br />

ist, daran habe ich keinen Zweifel. Ziehe ich die technisch-organisatorischen MÇglichkeiten<br />

in Betracht, und die guten Beispiele, die es heute schon gibt, dann ist es machbar,<br />

in <strong>Gemeinschaften</strong> weitgehend autonom ein gutes Leben zu fÅhren. Wir kÇnnen<br />

die meisten BedÅrfnisse vor Ort heute dezentral befriedigen und den Austausch mit<br />

den externen Systemen auf ein nachhaltiges Maá reduzieren. Die Elemente hierfÅr<br />

sind bekannt: Çkologischer Landbau mit Handwerksbetrieben an der Schnittstelle zur<br />

Weiterverarbeitung der Urproduktion oder vor Ort verfÅgbaren natÅrlichen Ressourcen:<br />

dezentrale Erzeugung von WÄrme und Energie auf der Grundlage von Biomasse und<br />

Sonnenenergie. Wir kÇnnen exklusive Bekleidung, HÄuser, Bildung, Musik, Kultur und<br />

WerkstÄtten dezentral in Stadt und Land fÅr alle bereitstellen. Beim Computer wird’s<br />

eng und auf das Internet und Reisen sollen wir nicht verzichten mÅssen. Auch die Solaranlage<br />

und manch andere Technik werden dauerhaft von externen Partnern benÇtigt.<br />

Aber auf gar keinen Fall brauchen wir den heutigen Wahnsinn eines globalisierten<br />

Warenaustausches und dieser Ressourcen-Verschwendungsproduktion, bei dem unterm<br />

Strich die meisten Menschen zu den Verlierern gehÇren. Dass nachhaltiges Wirtschaften<br />

mÇglich ist und auch erfolgreich im Austausch mit konventionellen MÄrkten,<br />

wird inzwischen allÅberall vorgemacht. Die Bereiche Kaffee, Tee, Kakao und Textilien<br />

sind hierfÅr Beispiele. Viele grÅne Unternehmen oder Manufakturen zeigen, dass es<br />

mÇglich ist fair und sozial zu produzieren und in einem fairen und erfolgreichen Austausch<br />

mit externen MÄrkten zu sein.<br />

Umsetzung<br />

Die heutige Erbengeneration hat RÅcklagen genug, das hierfÅr notwendige Kapital<br />

aufzubringen. Das Geld das derzeit in den Aufbau einer kapitalgedecken Rentenversicherungen<br />

wandert und auf den globalen FinanzmÄrkten viel Unsinn anrichtet, sollte<br />

fÅr den Aufbau solcher <strong>Gemeinschaften</strong> mobilisiert werden. Wer kein Geld hat, bringt


Die Zukunft in die eigenen Hände nehmen<br />

von Christine Ax<br />

Arbeit ein, sein Wissen und KÇnnen. Alles was eingebracht wird, sollte auf einem<br />

zukunftsfÄhigen Niveau verzinst werden – in welcher WÄhrung (Geld oder andere<br />

Leistungen) ist offen. Das Grundeinkommen dient hier der Absicherung und der<br />

Einstiegsfinanzierung fÅr den Aufbau nachhaltiger Lebens- und Wirtschaftsstrukturen.<br />

Nachhaltig wÄre es, wenn diese Strukturen in einen dauerhaft durchhaltbaren<br />

Austausch mit der Mit- und Umwelt - und dazu gehÇrt auch der Markt – gehen<br />

kÇnnten.<br />

Literaturhinweis:<br />

C. Ax, Das Handwerk der Zukunft, Basel, New York, BirkhÄuser Verlag 1997<br />

C. Ax, Die KÅnnensgesellschaft— Mit guter Arbeit aus der Krise, ISBN 978-3-938807-96-5. Rhombos-<br />

Verlag, Berlin 2009 ( lieferbar ab MÄrz/April 2009 )<br />

Autorin: Christine Ax, Autorin und Expertin fÅr Handwerk und Nachhaltige Entwicklung,<br />

Institut fÅr ZukunftsfÄhiges Wirtschaften Hamburg, Berlin, Bruno-Lauenroth-Weg 4,<br />

22417 Hamburg, www.fhochx.de, ax@fhochx.de; Tel.: 040 59350021; 0173 2470058<br />

Bedingungsloses Grundeinkommen, pro und contra im<br />

Selbstgespräch<br />

von Veronika Bennholdt-Thomsen<br />

1. Ein erhellendes SchlÅsselerlebnis hinsichtlich der Frage - bedingungsloses<br />

Grundeinkommen ja oder nein? - war fÅr mich das 1. deutsche Sozialforum in Erfurt<br />

2005. Das eine Ende des Kontinuums mit LÇsungsvisionen raus aus Sozialabbau<br />

und Kriegstreiberei wurde von den alternativen <strong>Gemeinschaften</strong><br />

(Landkommunen, âkodÇrfer etc.) gebildet, das andere von den Arbeitsloseninitiativen.<br />

Die einen plÄdierten fÅr Selbstorganisation, auch des Einkommens und der<br />

Subsistenz, die anderen fÅr das, staatlich zu verteilende, bedingungslose Grundeinkommen.<br />

Die einen plÄdieren also fÅr VerlÄsslichkeit, solidarische Gemeinschaftlichkeit<br />

und (relative) Selbstbestimmung der Einkommensarbeit innerhalb lokaler,<br />

Åberschaubarer Gruppen von Menschen. Die anderen plÄdieren an die mechanische<br />

(wegen der groáen Zahl der Menschen “mechanische“) SolidaritÄt im nationalen<br />

staatlichen Gemeinwesen. Letzteres ist eine typische Lohnarbeits-<br />

AbhÄngigkeits-Kultur konforme Haltung. M.E. ist die mangelnde Kritik an der LohnabhÄngigkeit<br />

ein erhebliches negatives GepÄck der Linken.<br />

2. Der LÇsungsvorschlag (LÇsung welchen Problems? - siehe unten)<br />

„bedingungsloses Grundeinkommen“ steht in der Tradition der Fetischisierung des<br />

Geldes. Frau und Man glaubt, dass Geld die Existenz sichere, das Leben eben;<br />

dass man sozusagen Geld essen kÇnne. Da diese Sicht so verbreitet ist, dass sie<br />

quasi in Fleisch und Blut Åbergegangen ist, kÇnnte man auf den Gedanken kommen,<br />

dass es womÇglich tatsÄchlich an der Zeit sei, Geld als Lebensmittel zu be-


Bedingungsloses Grundeinkommen, pro und contra im<br />

Selbstgespräch<br />

von Veronika Bennholdt-Thomsen<br />

trachten. Nach dem Motto, die Geschichte nimmt eben ihren Lauf; seien wir also realistisch<br />

und pragmatisch statt fundamentalistisch. Das aber wÄre sehr vordergrÅndig<br />

gedacht. Zuerst mal mÅssen wir durchschauen, wie es dazu kommen konnte, dass<br />

das Geld = die Existenz empfunden wird. Etwa so wie Marx den zuerst mal verborgenen<br />

Mechanismus der kapitalistischen Ausbeutung analysiert hat, von der Mehrarbeit<br />

zu Mehrwert und Profit. Wobei er sich insgesamt zu sehr auf die Produktion und die<br />

Lohnarbeit fixiert hat und u.a. der Ausbeutung durch die Zirkulations- und Geldmechanismen<br />

zu wenig Bedeutung beigemessen hat. Die aber kann man gut z.B. am Kolonisierungsprozess<br />

des 19. Jh. in Afrika erkennen. Statt des direkten Tributs und der unmittelbaren<br />

Zwangsarbeit wie noch im Amerika des 16. und 17. Jh., wird in Afrika das<br />

Geld als Unterwerfungs- und Zwangsmechanismus eingesetzt. Es wird eine Kopfsteuer<br />

erhoben. Um die zahlen zu kÇnnen, mÅssen die Menschen das entsprechende Geld<br />

durch Lohnarbeit in Minen und Plantagen „verdienen“. Die bestehenden afrikanischen<br />

âkonomien werden auf diese Weise kolonisiert, indem die vorhandenen, subsistenzorientierten<br />

Arbeits-, Markt- und TauschverhÄltnisse (auch GeldverhÄltnisse) aufgebrochen<br />

werden. Das Geld des bedl. GE. ist ebenfalls kolonialherrschaftlich: Es ist das<br />

Geld der globalisierten SupermarktÇkonomie, der Massenproduktion der groáen<br />

StÅckzahl (UmweltzerstÇrung) und des Konsumismus.<br />

3. Aber wenn wir das bedingungslose Grundeinkommen erst mal haben, sagen Verteidiger<br />

der Idee, dann kÇnnen wir doch anders damit umgehen, ohne Konsumismus,<br />

bewusst Çkologisch usw. Ich selbst habe in Bezug auf die matriarchale <strong>Gesellschaft</strong><br />

am Isthmus von Tehuantepec in Mexiko gezeigt, dass nicht das Geld an sich das<br />

Problem ist, sondern dass auch mit Dollar und Peso anders umgegangen werden<br />

kann, etwa nach den Regeln der Gegenseitigkeitsgesellschaft. Allerdings war das Anfang<br />

der 1990er Jahre so (vor NAFTA und WTO), aber inzwischen (2005) hat dort ein<br />

WalMart erÇffnet, der die eigenstÄndigen Markt(frauen)beziehungen bald zum bedeutungslosen,<br />

so genannten informellen Sektor degradieren wird. Meine ErklÄrung dieser<br />

Entwicklung lautet nun nicht, dass die kolonisierende Globalisierung von âkonomie<br />

und Geld unabwendbar sei, sondern dass die Fiktion des Geldes in die KÇpfe und Herzen<br />

Einzug gehalten hat und damit, wie Polanyi sagen wÅrde, die âkonomie aus der<br />

<strong>Gesellschaft</strong> entbettet hat. Nicht die personalen menschlichen Beziehungen geben<br />

den Ton im Umgang mit dem Geld an, sondern der abstrakte, Åber die gesellschaftlichen<br />

Grenzen hinaus verallgemeinerbare Wert des Geldes. Nicht die gemeinschaftlichen<br />

Beziehungen sichern die Existenz sondern das Geld. Wenn schon eine bislang<br />

matriarchale <strong>Gesellschaft</strong> der Fetischisierung des Geldes erliegt, dann frage ich mich,<br />

wie in unserer <strong>Gesellschaft</strong> ein anderer Begriff von Geld (nÄmlich entkolonisierend)<br />

ausgerechnet mit dem staatlich verteilten bedl. GE entstehen soll.<br />

4. Geld ist ein gesellschaftlicher Diskurs, es spiegelt die Kultur und umgekehrt. Unser<br />

Wertesystem ist ein GeldwertSystem, das sich mit dem Neoliberalismus noch erheblich<br />

verschÄrft hat, z.B. Bildung muss bezahlt werden, Forschung muss Geld einbringen<br />

usw. Ich glaube nicht, dass das bedinungslose GE. dieses Wertesystem verÄndern<br />

kann. Aber genau darum geht es: um bedingungslose SolidaritÄt, um bedingungslosen<br />

Frieden, um bedingungsloses Ende der UmweltzerstÇrung; und es geht<br />

darum, anderen Menschen bedingungslos nicht die Nahrung wegzuessen (Soja, Biodiesel<br />

usw.) und die Lebensgrundlagen zu zerstÇren. Die Zeit der Suche nach Reformen<br />

ist vorbei, ebenso vorbei die Zeit in der die DestruktivkrÄfte in ProduktivkrÄfte um-


Bedingungsloses Grundeinkommen, pro und contra im<br />

Selbstgespräch<br />

von Veronika Bennholdt-Thomsen<br />

gedichtet werden und das Geld in ein Lebensmittel. Der Gelddiskurs hat sich durch die<br />

Entwicklungspolitik (BSP, pro-Kopf-Einkommen als Indikator fÅr Armut usw.), durch die<br />

Bretton Woods Organisationen (z.B. Strukturanpassungsmaánahmen) und die WTO<br />

rapide verbreitet und vertieft. Er ist dabei, die wichtigsten Subsistenzpfeiler, wie etwa<br />

die kleinbÄuerliche Landwirtschaft einzureiáen und unser Subsistenzdenken zu unterminieren.<br />

Was auch immer davon nach wie vor vorhanden ist, gilt es zu verteidigen<br />

statt es den MNK, der SupermarktÇkonomie und der CasinomentalitÄt anzupassen.<br />

(Die Folgen sind gut in den Filmen „We Feed the World“ und „Unser tÄglich Brot“ zu<br />

erkennen).<br />

5. Sollen wir eigentlich alle in den StÄdten GÄrten anlegen, fragten meine MitstreiterInnen<br />

im Sozialforum. JA, meinte ich, nÄmlich diejenigen, die es kÇnnen, die es nÇtig<br />

haben und die es verstanden haben; Stichwort „urban gardening“, „Internationale GÄrten“.<br />

Wir sollten <strong>Gemeinschaften</strong> bilden, sowie die Nachbarschaft und das Viertel wieder<br />

neu erfinden, und zwar Çkonomisch und kulturell, vor allem auch basisdemokratisch<br />

(Stichwort etwa „Beteiligungshaushalt“). Wir sollten endlich die basispolitische<br />

Bedeutung der Zusammenarbeit von Stadt und Land, sowie der Region begreifen, und<br />

die sterbenden kleinen HÇfe stÅtzen bzw. uns von ihnen stÅtzen lassen (vermutlich ein<br />

gutes Projekt fÅr eine Arbeitsloseninitiative). Kurzum, wir sollten all die vielen, guten<br />

Erfahrungen und Erfindungen der Alternativen ernst nehmen und propagieren, die die<br />

Eigenmacht, den konkreten lokalen Zusammenhalt, sowie die MÇglichkeit selbst und<br />

gemeinschaftsbezogen tÄtig zu werden, stÄrken.<br />

6. Ich will, dass das kapitalistische Patriarchat beendet wird. Das ist kein Traum, sondern<br />

eine Überlebensnotwendigkeit. Ich will, dass die patriarchale Kultur, der zufolge<br />

Maschinen das Leben hervorbringen und Geld die Nahrung schafft, aus den KÇpfen<br />

und Herzen der Menschen vertrieben wird. Das geht meiner Meinung nach nur, wenn<br />

wir, die eine andere Welt wollen, auch vom illusionÄren Geldglauben abfallen. So zu<br />

tun, als wÄren wir alternativ politisch denkende PragmatikerInnen und auch noch die<br />

besseren, weil wir zwar das Bedingungslose. Grundeinkommen fordern, aber auch die<br />

Verhungernden in anderen Weltregionen erwÄhnen und den Konsumismus anprangern,<br />

- das bringt’s nicht.<br />

Autorin: Veronika Bennholdt-Thomsen; b-th@uni-bielefeld.de


<strong>Gemeinschaften</strong> sind Erfahrungs– und Lernorte<br />

von Ralf Becker<br />

Ich war in den letzten 20 Jahren sehr international entwicklungspolitisch orientiert und<br />

engagiert, habe die Erlassjahrkampagne zur Entschuldung von sog. EntwicklungslÄndern<br />

mit aufgebaut und war beim kath. Hilfswerk Misereor fÅr die Studie ZukunftsfÄhiges<br />

Deutschland angestellt: weltweite Konsultationen fÅr die RIO+10-Konferenz in Johannesburg,<br />

Mitarbeit im Nationalen Nachhaltigkeitsrat, u.a. dessen AG „Nachhaltige Regionalentwicklung“,<br />

etc. etc. Mitte 2006 zog ich in die âkumenische Gemeinschaft (âG)<br />

Wethen, jetzt gerade habe ich einen Mitgliedsantrag fÅr dessen TrÄgerverein<br />

www.laurentiuskonvent.de gestellt. Ich glaube, dass wir die Welt nur verÄndern kÇnnen,<br />

wenn wir uns selbst verÄndern. geplantes Atomlager mit organisiert.<br />

Das Thema Grundeinkommen (GE) wurde bei uns in zwei Çffentl. Diskussionsabenden<br />

diskutiert – mit dem Tenor, dass ein bedingungsloses GE nicht einfach mit Gemeinschaftsleben<br />

vereinbar sei: Wie schon Kai Ehlers ausfÅhrt, besteht eine Spannung zwischen<br />

der Bedingungslosigkeit und der Praxiserfahrung, dass <strong>Gemeinschaften</strong> wesentlich<br />

auch auf (bei uns geld- und tauschringlosem) Geben und Nehmen basieren.<br />

Ich sehe <strong>Gemeinschaften</strong> – wie Kai Ehlers – als wertvolle Erfahrungs- und Lernorte fÅr<br />

den homo socialis und kann mir eine Kombination von bedingungslosem GE und Gemeinschaftslernen<br />

vorstellen. Andererseits teile ich Eberhard Hierses Erfahrung: ich kenne<br />

nur wenige Menschen, die mit abstrakter Sicherung ihres Lebensunterhalts in einem<br />

mehr oder weniger anonymen Wirken fÅr die <strong>Gesellschaft</strong> glÅcklich werden – das ist<br />

wohl der wesentliche Grund, warum ich mein Engagement inzwischen in einer Gemeinschaft<br />

verorte.<br />

Meine Hausgenossen haben jahrelang in Russland gelebt und gearbeitet und berichten,<br />

dass sie auf den Sowchosen und Kolchosen doch auch sehr viele Alkoholiker und unmotivierte<br />

Menschen angetroffen haben. Dort wie hier scheinen <strong>Gemeinschaften</strong> (und z.B.<br />

Regiogeld-Initiativen) am besten dann zu funktionieren, wenn sie von mindestens einer<br />

sozialen PersÇnlichkeit gefÅhrt werden – und sind keine Garantie fÅr soziales Lernen<br />

und Wachsen. Seit vier Jahren wirke ich als freier Mitarbeiter beim Verband der Regiogeldinitiativen<br />

www.regiogeld.de mit und sehe Regiogeld als „neuen Herzschlag der Region“,<br />

d.h. mittels dieses Vernetzungsinstruments entstehen derzeit interessante regionale<br />

und in der Vernetzung auch europa- und weltweite Herzensverbindungen.<br />

Mit Johannes Heimrath glaube ich, dass die anstehenden VerÄnderungen einen enormen<br />

kulturellen Sprung bedeuten, wofÅr u.a. Gemeinschaftserfahrungen, Regiogeld und<br />

die GE-Diskussion langsam aber sicher erste zarte Grundlagen kreieren – nicht mehr<br />

und nicht weniger. Meiner Ansicht nach wird es wahrscheinlich mehr oder minder schleichend<br />

zu einer immer grÇáeren gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Krise kommen,<br />

nach der aller Erfahrung nach zunÄchst noch einmal mehr oder minder die alten Strukturen<br />

aufgebaut werden.<br />

Doch nach solch einer Krise – oder so Gott will schon rechtzeitig vor dem Erreichen ihres<br />

Wendepunktes – wird allgemein das Bewuátsein und das Suchen nach etwas wirklich<br />

Neuen wachsen, dann wÅrden solche Konzepte wie das der integrierten <strong>Gesellschaft</strong><br />

populÄr werden kÇnnen. Der Regiogeld-Verband hat im Herbst 2007 gerade eine<br />

Arbeitsgruppe eingesetzt, die Krisenkonzepte fÅr den Verband und seine ca. 60 Initiativen<br />

in Deutschland, âsterreich, der Schweiz und Holland erarbeiten wird.<br />

Als Anlage fÅge ich LeitsÄtze fÅr eine Region der Zukunft bei, die im Rahmen einer Tagung<br />

der Initiative Zukunft im Jahr 2005 erarbeitet wurden.


<strong>Gemeinschaften</strong> sind Erfahrungs– und Lernorte<br />

von Ralf Becker<br />

In Wethen lerne ich gerade selbst die Bibel neu zu lesen und stimme Johannes Heimrath<br />

zu, dass diese am besten neu Åbersetzt werden sollte. Gott ist fÅr mich Gemeinschaft.<br />

Und die Schreiber, Übersetzer, VerkÅndiger und Leser der Bibel, dieses uralten<br />

Gemeinschaftsdokuments, haben Jesus augenscheinlich so manches unterstellt, was er<br />

so sicher nicht gesagt und gemeint hat.<br />

Letztlich birgt jeder Text doch Interpretations- und insofern MissverstÄndnis-SpielrÄume.<br />

Texte sind nur in ihrem Entstehungszusammenhang wirklich lesbar. Echte Gemeinschaftserfahrung<br />

macht man halt nicht beim Lesen, sondern nur im Tun – womit ich wieder<br />

bei den Lebensgemeinschaften lande.<br />

Autor: Ralf Becker; becker.nrw@gmx.de<br />

Jeder Mensch ist ein KÅnstler<br />

von Frederike von Dall ´Armi<br />

Viele groáe und kleine Geister haben vor unserer Zeit die „neue <strong>Gesellschaft</strong>“ gedacht<br />

und ersehnt. KÅnstler wie Goethe, Schiller, Beuys und viele andere haben uns lÄngst<br />

den Gedankenzug aufgezeichnet, wohin es gehen kann. So Goethe in seinem<br />

„MÄrchen“: „der Einzelne hilft nicht, nur wer sich mit vielen zur rechten Stunde vereinigt“,<br />

oder Friedrich Schiller in seinen Briefen zur Ästhetischen Erziehung des Menschen: „Alle<br />

Verbesserung im Politischen soll von der Veredelung des Charakters ausgehen“ – aber<br />

wie? – „ein Werkzeug aufsuchen, welches der Staat nicht hergibt. ...Dieses Werkzeug<br />

ist die Kunst. KUNST!“ Dabei skizziert Schiller schon die AnfÄnge eines erweiterten<br />

Kunstbegriffes, wie ihn Joseph Beuys in unserer Zeit unermÅdlich propagiert hat: „Jeder<br />

Mensch ist ein KÅnstler.“<br />

Ausgangspunkt fÅr die neue Revolution ist die Entdeckung und mutige Entwicklung eigener<br />

KreativitÄt, die eine neue Substanz schafft, die es bislang noch nicht gegeben hat.<br />

Stichwort: Der erweiterte Kunstbegriff – die soziale Plastik, womit nicht die Kunst, sondern<br />

der Mensch als entwicklungsfÄhiges Wesen im Focus aller BemÅhungen steht.<br />

Hieran knÅpft sich auch der neue Arbeitsbegriff, - jeder arbeitet fÅr jeden - und der neue<br />

Geldbegriff an. Eine wÅnschbare Zukunftsvision, die mich hier ins SchwÄrmen bringen<br />

kÇnnte: die âffnung eines weltumspannenden groáen Raumes, in dem sich LIEBE bilden<br />

darf.<br />

Die Idee der so genannten „integrierten <strong>Gesellschaft</strong>“ kann ein mÇglicher Anfang sein,<br />

eine gangbare BrÅcke, ein guter erster Versuch! Der Gedanke des ernst gemeinten<br />

„bedingungslosen Grundeinkommens“ kann ein Schritt zur Befreiung vieler Menschen<br />

aus ihrer zermÅrbenden, die Existenz bedrohenden Not sein, kann neue Frei-RÄume


Jeder Mensch ist ein Künstler<br />

von Frederike von Dall ´Armi<br />

schaffen, in denen der Mensch als Mensch aufatmen, wieder neu Luft schÇpfen und<br />

sich wieder auf seinen eigentlichen Menschenwert besinnen kann.... Doch das E-<br />

lend sitzt tief – die Seele und der Geist sind oft gebrochen in ihrer Aufschwungkraft.<br />

Um der tief sitzenden ErmÅdung zu begegnen, die auf allen Ebenen, energetischen,<br />

seelischen und geistigen, wahrzunehmen ist, braucht es Bewusstseinsorte,<br />

Bildungswerke, KreativwerkstÄtten, LernhÄuser und auch TherapiestÄtten, wie es<br />

Frithjof Bergmann in seinen Projekten sehr bewegend beschreibt und praktiziert. Erholungs-<br />

HÄuser, in denen der einzelne Mensch sich wieder er – holen kann, seine<br />

Menschlichkeit wieder holen darf. (Dazu fÄllt mir das englische Wort fÅr heilig = holy<br />

ein) Last not least: Es geht um SCHAFFUNG von WäRMERäUMEN, in denen der<br />

Mut und das Selbstbewusstsein in die eigenen kreativen FÄhigkeiten erwachen und<br />

wachsen dÅrfen.<br />

Aus dem Zwangskorsett der lÄngst ÅberfÄlligen Lohnarbeitsgesellschaft befreit, stellt<br />

sich die Frage direkt nach der Gesundung des einzelnen Menschen wie der des sozialen<br />

Organismus. Ein gesunder sozialer Organismus wird im Folgenden dann davon<br />

abhÄngen, wie bewusst der einzelne Mensch Mitglied einer sozialen Gemeinschaft,<br />

an der eigenen Gesundung arbeiten will und kann, wie die Erfahrung Åberall<br />

zeigt. Dabei bedingen sich auáen und innen gegenseitig: Keine wirkliche Gesundheit<br />

des einzelnen Menschen ohne gesunden sozialen Organismus, kein gesunder<br />

sozialer Organismus ohne den Willen des einzelnen Menschen zur Gesundung.<br />

Dies bedeutet stÄndige harte Arbeit am eigenen KreativitÄtspotential. Ein altes bekanntes<br />

Lied, in das alle einstimmen kÇnnen, die den heilsamen Weg der Desillusionierung<br />

(und Abbau der eigenen Eitelkeiten) in einer kleineren oder grÇáeren Gemeinschaft<br />

gewÄhlt haben.<br />

Das Eurythmiewerk Hamburg, das sich zu einem internationalen Werk entwickeln<br />

mÇge, ist eine freie (Volks)Hochschule, ein Schulungsort. Es ist zugleich ein Produktionsort,<br />

an dem Menschen durch ihr gemeinsames kÅnstlerisch-schÇpferisches<br />

Tun eine neue Art der Arbeit am Klima leisten. Dort wird WÄrme, Licht und gute Luft<br />

ganz anderer Art erzeugt. Es entsteht eine Art-Zukunfts-WÄrmeplastik im gemeinsamen<br />

eurythmischen Üben und Sprechen.<br />

FÅr diejenigen, denen die Eurythmie ganz unbekannt ist, nur kurz: Eurythmie ist<br />

Sprache sichtbar gemacht durch die ganze Bewegungsgestalt. In einem Stille-<br />

Rausch-Raum wird der ganze Mensch zum Kehlkopf und erzeugt eine neue Art von<br />

WÄrme durchdrungener Sprache, ausgedrÅckt durch Kopf, Herz, Bauch und Gliedmaáen.<br />

– Diese WÄrme setzt sich als hohe energische Kraft in Form geistiger WÄrme<br />

in der AtmosphÄre fort, vorausgesetzt die einzeln TÄtigen schaffen es im Moment<br />

ihre Herzen liebevoll fÅreinander zu Çffnen. Kein leichtes Unterfangen, aber<br />

mÇglich, auch fÅr weniger Geschickte.<br />

Die Idee des Eurythmiewerkes entstand aus der Arbeit im <strong>Forum</strong> fÅr eine integrierte<br />

<strong>Gesellschaft</strong> vor anderthalb Jahren. Das Anliegen war und ist mit dazu beizutragen<br />

Voraussetzungen zu schaffen, damit die Bildung einer integrierten <strong>Gesellschaft</strong> von<br />

innen erfolgen kann. Zurzeit arbeiten etwa fÅnfzehn Menschen, die sich regelmÄáig<br />

treffen und in aller Bescheidenheit die neue Welt mit vorzubereiten versuchen. Das


Jeder Mensch ist ein Künstler<br />

von Frederike von Dall ´Armi<br />

Eurythmiewerk kann nur existieren in obiger Weise, wenn zugleich der Geldbegriff neu<br />

gedacht wird. Durch die Eurythmie wie durch das Geld flieáen Ähnliche Energien. Hier<br />

gilt das alte Gesetz: „Neuer Wein braucht neue SchlÄuche.“<br />

Ich freue mich sehr auf die Begegnung mit Euch allen und eine intensive Arbeit fÅr die<br />

Zukunft. GrÅáe von Herzen!<br />

Elemente einer integrierten <strong>Gesellschaft</strong><br />

von Kai Ehlers<br />

Unter dem Stichwort der Globalisierung erleben wir heute eine gigantische Explosion<br />

unserer ProduktivkrÄfte, welche die Menschheit fÅr ein zukÅnftiges Jahrtausend ausrÅsten<br />

kÇnnte. Die zunehmende Automation, Minimalisierung und Intellektualisierung von<br />

Technik setzt kÇrperliche, mentale und psychische KrÄfte frei, die Raum schaffen kÇnnten,<br />

die Produktion materiellen Mehrwerts durch die Schaffung sozialen und kulturellen<br />

Mehrwerts zu ergÄnzen, auszuweiten und so eine soziale und menschliche Zukunft zu<br />

ermÇglichen.<br />

Zugleich mÅssen wir erleben, dass die VerhÄltnisse, unter denen sich die Entwicklung<br />

vollzieht, den MÇglichkeiten, die sie enthÄlt nicht entsprechen, im Gegenteil die Entwicklung<br />

dieser mÇglichen sozialen, mentalen und kulturellen Potenzen verhindern. Die ungesteuerte,<br />

ziellose Dynamik der Selbstvermehrung des Kapitals spitzt Bedingungen zu,<br />

unter denen wir nicht mehr in der Lage sind, uns selbst zu versorgen, sondern in wachsendem<br />

Maáe von Fremdversorgung abhÄngig werden, wÄhrend die lokalen, regionalen<br />

Wirtschaften, aus denen bisher gewirtschaftet wurde und aus denen sich soziales Leben<br />

entwickelte, desorganisiert, z. T. sogar gezielt zerstÇrt werden. Der herangewachsene<br />

gesellschaftliche Reichtum, die weiter beschleunigt herangewachsenen produktiven<br />

MÇglichkeiten drohen so in eine allgemeine soziale Desintegration umzukippen.<br />

Es ist also an der Zeit, die ProduktivkrÄfte von den Fesseln dieses Fremdversorgungswahns<br />

zu befreien, sich selbst und andere Menschen zu ermutigen Åber Alternativen zur<br />

Diktatur der Fremdversorgung nachzudenken und zur Entwicklung der eigenen KreativitÄt<br />

und der MÇglichkeiten neuer Eigenversorgung nachzudenken.<br />

Dabei kann es nicht darum gehen, das sei hier ausdrÅcklich hervorgehoben, in UrzustÄnde<br />

der Selbstversorgung zurÅck zu gehen. Es geht vielmehr darum die technischwissenschaftlichen<br />

und mentalen MÇglichkeiten der heutigen Zeit allseitig zu ergreifen<br />

und zu nutzen, um eine Symbiose von Fremdversorgung und Eigenversorgung auf dem<br />

Niveau der heutigen Entwicklung herzustellen, in der sich beide in einer lebendigen<br />

Wechselwirkung ergÄnzen und so eine neue RealitÄt entstehen lassen.<br />

Dieser Schritt ist aber selbstverstÄndlich nur mÇglich, wenn der Gedanke zugelassen<br />

wird, dass die grenzenlose Steigerung der Fremdversorgung kein unausweichliches Naturgesetz<br />

ist, sondern eine soziale Fehlentwicklung, die aus der Selbstvermehrung des<br />

Kapitals folgt, welche einen in Maáen zu begrÅáenden Prozess in einen schrankenlosen,<br />

aller erstickenden Konsumismus zu verwandelt droht.


Elemente einer integrierten <strong>Gesellschaft</strong><br />

von Kai Ehlers<br />

Betrachten wir vor diesem Hintergrund die gegenwÄrtige Debatte um Alternativen,<br />

dann wird klar, dass es keine einfachen, schnellen, auch keine einseitigen LÇsungen<br />

dieses Problems geben kann, sondern dass wir uns in einem Prozess des kulturellen<br />

Umbruchs befinden. Er beginnt mit der Einsicht, dass die Entwicklung der<br />

ProduktivitÄt der menschlichen <strong>Gesellschaft</strong>, einschlieálich der Fremdversorgung<br />

heute zwar die Chance gibt bisher nicht gekannte soziale und psychische KrÄfte zu<br />

entwickeln, dass diese KrÄfte aber unter keinen UmstÄnden einzeln, sondern nur in<br />

der Gemeinschaft entwickelt werden kÇnnen. – womit wir am Thema wÄren: Der<br />

Gedanke an die EinfÅhrung eines Grundeinkommens macht dann einen Sinn,<br />

wenn er im Zusammenhang mit der Überwindung der beschriebenen Desintegration<br />

gedacht, positiv gesprochen, wenn er zur Relativierung, zur Überwindung des<br />

Diktats der Fremdversorgung genutzt wird. Er ginge jedoch in die falsche Richtung,<br />

wenn er sich in der BegrÅndung erschÇpfte, dem einzelnen Menschen durch ein<br />

Grundeinkommen die Teilhabe am Konsum einer Fremdversorgungsgesellschaft<br />

zu garantieren.<br />

Ein allgemeines bedingungsloses Grundeinkommen ist dann sinnvoll, wenn es der<br />

Entwicklung neuer KrÄfte der gemeinschaftlichen Grundversorgung dient und sich<br />

nicht etwa bei der weiteren Atomisierung der <strong>Gesellschaft</strong> in voneinander getrennte<br />

Individuen aufhÄlt. Andererseits darf die Bildung von <strong>Gemeinschaften</strong> nicht zur<br />

Voraussetzung fÅr den Erhalt eines Grundeinkommens gemacht werden, denn<br />

dies wÅrde das Element der Befreiung, das dem Gedanken des bedingungslosen<br />

Grundeinkommens zugrunde liegt, ins Gegenteil verkehren. Es ist nur das eine<br />

nicht von dem anderen zu trennen und indem beides zusammen gedacht und um<br />

dessen Gestaltung gerungen wird, erscheint notwendiger Weise ein dritter Aspekt:<br />

die persÇnliche Freiheit diese oder jene Arbeit zu tun, die man – im Bergmannschen<br />

Sinne - „wirklich, wirklich“ tun mÇchte.<br />

Die Idee des Grundeinkommens, der Entwicklung von Solidargemeinschaften fÅr<br />

die Aktivierung von Eigenversorgung und Schaffung sozialer RÄume und die individuelle,<br />

frei gewÄhlte EigentÄtigkeit sind drei Elemente, die wie drei sich Åberkreuzende<br />

Ringe in bestÄndiger untrennbarer Wechselwirkung miteinander gedacht<br />

und entwickelt werden mÅssen. In ihrem Zentrum steht der Mensch, der oder die<br />

seine Menschlichkeit entwickeln mÇchte. Es ist dieses Bild, von dem aus ich die<br />

Diskussion um Alternativen fÅhren mÇchte.<br />

Autor: Kai Ehlers; Transformationsforscher und Publizist; Rummelsburgerstr. 78;<br />

22147 Hamburg, Tel: 940 / 64 789 791;<br />

www.kai-ehlers.de; info@kai-ehlers.de


Ökonomische Sicherheit eröffnet neu Horizonte<br />

von Uli Barth<br />

Ich lebe seit über 20 Jahren in der Kommune Niederkaufungen, einer Gemeinschaft mit<br />

einer weitgehenden gemeinsamen Ökonomie. Da ich nicht die vielen Artikel, die es zum<br />

Grundeinkommen gibt wiederholen will, weil die meisten Argumente sicher den meisten<br />

unter uns schon bekannt sind, möchte ich einige unserer Erfahrungen in Beziehung stellen<br />

zu unserer Thematik Grundeinkommen und Gemeinschaft.<br />

Unsere Art gemeinsame Ökonomie zu leben, schafft keinen Zusammenhang zwischen<br />

Arbeitsleistung und Konsumrecht, weder theoretisch noch praktisch. Was natürlich nicht<br />

heißt, dass wir in der Kommune als Individuen schon alle unsere Sozialisation im Kapitalismus<br />

überwunden haben. Egal wie viel der/die einzelne arbeitet, hat sie/er Zugriff auf<br />

die gemeinsame Kasse. Es wird nicht nach scheinbaren Gerechtigkeitsbegriffen gesucht<br />

oder nach gleichem Taschengeld für alle, es wird akzeptiert, dass wir unterschiedliche<br />

Bedürfnisse haben und dem gemäß uns unterschiedliche Beträge aus der Kasse nehmen.<br />

Obwohl jedeR auch mit wenig Arbeit oder ohne zu arbeiten sich an der Kasse bedienen<br />

kann, wird seit zwanzig Jahren in der Kommune gearbeitet, von allen und ich<br />

glaube nicht zu knapp. Die einzelne KommunardIn arbeitet, obwohl sie sich ihr Taschengeld<br />

auch ohne zu arbeiten aus der Kasse nehmen könnte.<br />

Zweifellos gibt es Menschen die aktiver sind als andere, wobei das viele Ursachen haben<br />

kann und nicht nur nach einfachen moralischen Kategorien in gut und schlecht geteilt<br />

werden kann. Sich zu betätigen oder sich effektiv zu betätigen ist nicht eine reine<br />

Frage des aktuellen Wollens. Tätigsein geschieht in einem sehr vielfältigen physischen,<br />

psychischen und sozialen Rahmen, der nicht das Verdienst des/der einzelnen ist. Insofern<br />

kann die, nach der herrschenden Ideologie, vorhandene Kopplung zwischen Leistung<br />

und Belohnung nicht gerecht sein. Die Kommune ist ein äußerst interessantes Beispiel,<br />

um die Entkopplung von Leistung und Gegenleistung und die Umgangsweisen der<br />

Individuen damit zu untersuchen.<br />

Des Menschen einziges Lebensziel ist nicht Konsum bis zur Besinnungslosigkeit ohne<br />

Tätigsein! Es gibt in der Kommune Konflikte um die Leistungen, die erbracht werden und<br />

es gibt Konflikte um die Höhe der Entnahmen aus der gemeinsamen Kasse. Trotzdem<br />

wurde das System dieser Art miteinander zu wirtschaften für die Gruppe in 20 Jahren<br />

noch nicht prinzipiell in Frage gestellt. Vielleicht haben einzelne diese Art der Ökonomie<br />

persönlich nicht ausgehalten und sind individuell aus dieser Wirtschaftsform wieder ausgestiegen,<br />

für die Gruppe steht es bislang nicht in Frage.<br />

Das besondere an der Ökonomie einer überschaubaren Gruppe ist, Mensch steht miteinander<br />

in Beziehung, Mensch erlebt einander, kritisiert einander direkt und indirekt,<br />

Mensch erlebt die Konsequenzen seines/ihres Handelns. Aber auch Mensch wird gesehen<br />

und kritisiert und in Beziehung gesetzt. Wobei ich hier nicht verheimlichen möchte,<br />

dass die Art der Kritik und Auseinadersetzung, die wir an dieser Stelle führen sicher<br />

noch weit entfernt ist, von dem was wünschenswert wäre.<br />

Für unser Symposion möchte ich einige Fragen aufwerfen und Position beziehen zu einigen<br />

Aussagen, die in den bisherigen Texten gemacht wurden.


Ökonomische Sicherheit eröffnet neu Horizonte<br />

von Uli Barth<br />

Haben wir beim Symposion ein gemeinschaftliches Bild von dem, was Gemeinschaft<br />

ist/sein soll? Ist Gemeinschaft per se gut? Oder verbinden wir auch Inhalte mit dem<br />

Begriff, die Åber ein beliebiges gemeinsames Handeln hinaus gehen? FÅr mich ist<br />

zum Beispiel die Hierarchie- und Machtproblematik ein zentrales Thema.<br />

Intoleranz und ein enges Beziehen auf die eigene Ideologie, war in der jÅngeren Geschichte<br />

ein groáes Manko in der Linken, das erheblich zu ihrer SchwÄche beigetragen<br />

hat, dies wird heute in der neuen Linken gesehen. Dieser SchwÄche damit zu begegnen,<br />

in eine vollkommene Beliebigkeit abzurutschen, ist allerdings keine LÇsung.<br />

Deshalb mÅssen wir uns auch der Frage widmen, wo hat die Toleranz Grenzen. Damit<br />

mÇchte ich nicht befÅrworten als erstes eine Abgrenzungsdebatte zu fÅhren, allerdings<br />

darf auch nicht Åber jeden Inhalt das Tuch der Toleranz geworfen werden.<br />

<br />

<br />

<br />

Die Kommune Niederkaufungen strebt bewusst keine Autarkie an. Der Verzicht auf<br />

einen Austausch ist nicht nur, nicht mÇglich, er ist meines Erachtens auch nicht anstrebenswert.<br />

Ich mÇchte keine Gemeinschaft, die sich gegen die <strong>Gesellschaft</strong> abschlieát.<br />

Auf die Ablehnung einer Ressourcen-Verschwendungsproduktion kÇnnen wir uns sicher<br />

sofort einigen – darauf kÇnnen sich heute fast alle schnell einigen - aber globaler<br />

(Waren-)Tausch ist nicht nur Grundlage fÅr Computer- und Handyproduktion. Deshalb<br />

mÇchte ich globalen Tausch nicht per se verurteilen. Ich glaube zu einem konsequenten<br />

Verzicht ist kaum jemand bereit. Was nicht dagegen spricht regional das zu<br />

organisieren was sinnvoll machbar ist.<br />

FÅr das Symposion wÄre mir wichtig einen offenen, ehrlichen Dialog ohne BeschÇnigungen<br />

zu fÅhren. Die Probleme nicht nur in einem bÇsen äuáeren zu sehen, sondern<br />

auch in uns („uns“ als <strong>Gemeinschaften</strong> und nicht nur als Individuum gesehen)<br />

Ich denke wir sind sehr begrenzt in unserer LeistungsfÄhigkeit – begrenzt vor allem<br />

gegenÅber unseren hochfliegenden Idealen. Wir sind auch als und mit Gemeinschaft,<br />

Suchende und Experimentierende. Diese Offenheit und Ehrlichkeit ist bei der HeterogenitÄt<br />

der Zusammensetzung des Symposions sicher eine riesige Herausforderung.<br />

Weiter kommen wir aber nur, wenn wir uns dieser Aufgabe stellen.<br />

Autor: Uli Barth, Kommune Niederkaufungen, ui.barth@gmx.de; Uli direkt:<br />

05605 / 80070


Modelle müssen gelebt werden<br />

Joachim Detjen<br />

Ich habe mich gefragt, was ich eigentlich zu diesem Thema beizutragen habe. Mit meinen<br />

Gedanken kann ich dem Kreis sicher kaum wesentliche Erkenntnisse hinzufügen.<br />

So stimme ich mich einfach mal gefühlsmäßig darauf ein und lasse Assoziationen und<br />

Bilder dazu in mir aufsteigen:<br />

Ich finde das Thema Geld zum Kotzen. Es steht für mich gleichzeitig für Unterdrückung,<br />

Zwang, Ausbeutung... Ich möchte schreien, weglaufen, empfinde Wut und Hass. Es ist<br />

auch eine Last, dem Zwang des Geldverdienens ausgesetzt zu sein. Ständig wird an mir<br />

gezogen. Ich möchte meiner Liebe und meiner Kreativität durch meine Arbeit Ausdruck<br />

verleihen. Wäre vielleicht ein Argument für das Grundeinkommen, zumal dadurch die<br />

Qual der vielen Unterhaltszahlungen gemindert wäre.<br />

Ansonsten habe ich eine Beschwerde gegen den vielen Egoismus und auch Mitgefühl<br />

für diese Menschen. Dieses zwanghafte Ausbeuten, sich gegenseitig die Butter vom Brot<br />

nehmen, sich nicht öffnen oder zeigen können ... aus Angst.<br />

Was erlebe ich, wenn ich mich nicht dagegen sträube. Es fühlt sich in mir an wie eine<br />

Krake, die überall hineinreicht. In alle Ecken und Nischen des Lebens. Wir (als Menschheit)<br />

lassen es zu, erfüllen damit ein Bedürfnis nach Kontrolle, Macht, Ausdehnung, spiegeln<br />

unsere Unwertgefühle, nicht gewollt zu sein, benutzen es als Druckmittel, Flucht<br />

oder Kompensationsmittel. Ersatz für Liebe. Ja, wir brauchen es als Ausdruck unserer<br />

Unfähigkeit zu lieben, zu vertrauen, uns zu verschenken. Das Wirtschaftssystem ist der<br />

Ausdruck (Spiegel) unserer inneren Verfassung. Wir leiden daran.<br />

Andere Formen des Wirtschaftens sind viele möglich. Neue Modelle zu entwerfen, ist<br />

nicht schwer. Doch sie müssen gelebt sein, als Ausdruck (Spiegel) unserer inneren Verfassung.<br />

Die Wut weicht Ehrfurcht und Demut. Stehe ich am Anfang es in mir zu transformieren?<br />

Trägt das zur Lösung bei? Die (Mit-) Verantwortung zu übernehmen?<br />

Wir als <strong>Gemeinschaften</strong> haben es da leichter, müssen uns nicht so verstecken, können<br />

Menschen aus der Region teilhaben lassen an einzelnen Projekten wenn sie sich beteiligen<br />

wollen. Nach dem Konzept oder dem Modell unseres Projektzentrums ist das möglich<br />

und findet in kleinen Ansätzen auch schon statt. Das Modell lässt sich grafisch leicht<br />

erklären. Aber da ich das entsprechende Programm nicht beherrsche, werde ich das Modell<br />

mit Worten erklären: Stellt euch einen Kreis vor, der die Gemeinschaft darstellt. Dazu<br />

gibt es Kreise, die in den Kreis hineinreichen und darüber hinausgehen. Dieses sind<br />

die einzelnen Projekte. Ihnen gehören Menschen aus der Gemeinschaft und andere<br />

Leute aus der Region an. Bei uns sind es im Moment gemeinsames Essen, Theater,<br />

Nutzung von Fahrzeugen, Austausch bzw. Gemeinschaftsbildung. Weitere Projekte sind<br />

möglich und werden teilweise auch angestrebt. Z.B. Betriebe, gemeinsame Ökonomie.<br />

Die Teilnahme ist freiwillig, muss aber erklärt werden und bedarf auch der Zustimmung<br />

der bereits vorhandenen Mitglieder. Je nach Art des Projekts sind die Hürden für<br />

die Aufnahme unterschiedlich hoch und auch die Verbindlichkeit hat ein unterschiedliches<br />

Gewicht.<br />

Autor: Joachim Detjen, "Projektzentrum Maibacher Schweiz", 35510 Butzbach-<br />

Maibach, 06081-4427516.


<strong>Gemeinschaften</strong> als Impulsgeber — Drei Thesen<br />

von Ronald Blaschke<br />

Ich mÇchte meinen Beitrag in drei Thesen gliedern:<br />

1. <strong>Gemeinschaften</strong> sind dann Impulsgeber für integrierte <strong>Gesellschaft</strong>en, wenn sie<br />

A) SolidaritÄt und Freiheit verbinden und<br />

B) eine âkonomie im oikos-VerstÄndnis betreiben.<br />

C) SolidaritÄt ist eine Tausch-Handlungsform, die nicht auf eine äquivalenz oder<br />

eine eng verstandene ReziprozitÄt setzt. Der Tausch besteht darin, dass Leistungen<br />

zu emotionaler Anerkennung, Sympathie, Freundschaft und Kreat ivitÄt<br />

fÅhren. Die Freiheit in der SolidaritÄt besteht darin, nicht zu einer bes timmten<br />

(Gegen-)Leistung gezwungen zu werden. Grundlegende Motivatoren fÅr<br />

Leistungen sind Freude, Sympathie und Anerkennung, aber auch Wett streit.<br />

D) Eine âkonomie ohne Einbindung in die âkologie und in die âkumene ist keine<br />

âkonomie. Die Beziehungen des ganzen Hauses – oikos – (Beziehung zwischen<br />

Organismen – âkologie – und Menschen – âkumene –) finden keine BerÅcksichtigung<br />

und Anerkennung. Eine âkonomie der âkologie setzt auf strikte Ressourcen-schonung,<br />

anerkennt den Eigenwert der nicht menschlichen Natur. Eine â-<br />

konomie der âkumene hat die gesamten Çkonomischen Beziehungen einer<br />

Menschgemeinschaft im Blick (keineswegs nur die geld- oder tauschwertvermittelten)<br />

und ordnet sich den produktiven und konsumtiven BedÅrfnissen der Menschen<br />

unter – nicht umgekehrt. Eine <strong>Integrierte</strong> <strong>Gesellschaft</strong> setzt auf die Einbettung<br />

der âkonomie in das ganze Haus (integrative âkonomie). Dazu ist auch ein<br />

hoher Anteil von Selbstproduktion an materiellen GÅtern, Energie, Wasser, Lebensmitteln<br />

und an sozialer und kultureller Versorgung nÇtig. Hightech und Naturverfahren/-wissen<br />

sind in integrativer Selbstproduktion kein Widerspruch.<br />

2. Solidarische und freiheitliche <strong>Gemeinschaften</strong> (besser wären die Begriffe Gemeinwesen<br />

oder Kooperationen) gestehen jedem Mitglied zu,<br />

<br />

<br />

<br />

die Regeln und AktivitÄten des Gemeinwesens/der Kooperation zu beeinflussen,<br />

seine Leistungen fÅr das Gemeinwesen unter Vorbehalt der Zustimmung zu<br />

stellen,<br />

das Gemeinwesen bzw. die Kooperationen verlassen zu kÇnnen.<br />

Das Bedingungslose Grundeinkommen ist ein Çkonomischer Garant fÅr diese Freiheiten.<br />

Es kann aus einem Mix aus einer menschenrechtlich verbrieften Grundabsicherung der<br />

Existenz und Teilhabe aller Menschen und spezifischen regionalen Teilhabesicherungsformen<br />

bestehen.<br />

3. Solidarische und freiheitliche Kooperationen tragen zur Entwicklung von Regionen<br />

bei, wenn sie mit diesen im Çkonomischen und sozialen Austausch stehen und sich<br />

darÅber hinaus politisch fÅr weitgehend autonome Regionalentwicklungen einsetzen.


<strong>Gemeinschaften</strong> als Impulsgeber — Drei Thesen<br />

von Ronald Blaschke<br />

Dazu gehÇrt, regionale Entwicklungen behindernde Çkologische, wirtschaftliche und soziale<br />

(globale und nationale) Politiken und Strukturen zu kritisieren, deren VerÄnderungen<br />

politisch einzuklagen – ebenso Politiken und Strukturen, die eine integrative <strong>Gesellschaft</strong><br />

und âkonomie, SolidaritÄt und Freiheit verhindern.<br />

Einige Éberlegungen zur Bedeutung regionaler KreislÑufe<br />

von Hans-Gert Gräbe<br />

In allen bisher vorliegenden BeitrÄgen geht es in der einen oder anderen Form um UmbrÅche<br />

in der heutigen Welt, die in ihren verschiedenen Dimensionen das ãÜberleben<br />

oder Wohlergehen einzelner Menschen, einzelner Menschengruppen, einzelner Regionen<br />

oder der Menschheit insgesamt in ihrer physischen, Çkonomischen, sozialen und<br />

kulturellen Dimension bedrohen. Ich halte es fÅr wichtig, die verschiedenen Dimensionen<br />

genauer auseinanderzuhalten und sich sowohl der jeweiligen GefÄhrdungspotenziale als<br />

auch der verfÅgbaren Erfahrungen zu versichern.<br />

Auf einzelnen solchen Ebenen werden unterschiedliche und in vielen FÄllen widersprÅchliche<br />

PhÄnomene sichtbar – Dialektik eben. Diese reichen von Fragen zur Einordnung<br />

der europÄischen “Moderne” der letzten 500 Jahre in das Gesamtspektrum der<br />

Entwicklung menschlicher Vergesellschaftungsformen1, siehe etwa [2], Åber Fragen des<br />

allgemeinen VerhÄltnisses der Menschen zu ihrer Äuáeren und inneren “Natur”, wie sie<br />

etwa in [4] aufgeworfen werden, bis hin zu den im Titel des Symposions genannten Fragen<br />

von Grundeinkommen und Regionalentwicklung.<br />

Ich mÇchte fÅr diesen kurzen Text mit der Bedeutung regionaler KreislÄufe einen einzigen<br />

Aspekt aufgreifen und diesen ãÅber ausgewÄhlte Dimensionen verfolgen. Als Ausgangspunkt<br />

dient mir die Perspektive des Klimawandels. Dieser wird sich in nÄher Zukunft<br />

als Klimastress auf die globale Zivilgesellschaft auswirken, wobei die Auswirkungen<br />

durch die Energiekrise weiter verschÄrft werden. In [2] wird an historischen Beispielen<br />

gezeigt, dass vergleichbare durch Klimastress ausgelÇste Katastrophen stets einen<br />

RÅckgang der KomplexitÄt gesellschaftlicher Interaktion nach sich zogen. Es ist deshalb<br />

zu erwarten, dass in naher Zukunft Fragen der regionalen Selbstversorgung einen deutlich<br />

grÇáeren Stellenwert einnehmen werden und die heute zu beobachtende Entgrenzung<br />

materieller StoffstrÇme stark zurÅk gefahren werden wird. Dies bedeutet nicht Autarkie,<br />

jedoch die Umkehrung der Globalisierung – 80% der Material- und EnergiestrÇme<br />

zur Befriedigung der BedÅrfnisse der Menschen einer Region werden sich innerhalb dieser<br />

Region bewegen mÅssen.<br />

Dazu gilt es, urban-suburban-rurale RÄume zu identifizieren, die Åber eine solche reproduktive<br />

Potenz verfÅgen und diese gezielt zu entwickeln. Über entsprechende Erfahrungen<br />

hat Mike Lewis [3] vom kanadischen CCED-Netzwerk wÄhrend der Infotour Solidar-<br />

Çkonomie im November 2006 vorgetragen.<br />

Eine wichtige Erfahrung solcher regionaler WirtschaftsrÄume ist die Koexistenz eines<br />

Çkonomischen BinnenverhÄltnisses innerhalb einer solchen Region und eines Çkonomi-


Einige Überlegungen zur Bedeutung regionaler Kreisläufe<br />

von Hans-Gert Gräbe<br />

schen AuáenverhÄltnisses zu anderen solchen regionalen WirtschaftsrÄumen sowie<br />

dem globalen Markt. An vielen Orten wurden Erfahrungen mit Regionalgeld gesammelt,<br />

was einer Entkopplung von Innen und AuáenverhÄltnis – einem in der evolutionÄren<br />

Systemtheorie (Prigogine, Eigen, Jantsch, Haken u.a.) gut studierten PhÄnomen – entspricht.<br />

Eine klare Adjustierung der Marxschen Arbeitswerttheorie wie in [1] zeigt, dass als<br />

Quelle von (Çkonomischem) Wert nur diejenige Arbeit fungiert, die auf fremdes BedÅrfnis<br />

ausgerichtet ist. So habe ich etwa folgende Frage bereits mit Kai Ehlers diskutiert:<br />

Ist die europÄische industrielle Arbeitsweise, deren UnfÄhigkeit im Umgang mit KomplexitÄt<br />

immer deutlicher wird, Haupt- oder nur Seitenzweig menschlicher<br />

Entwicklung?<br />

Arbeit in einem regionalen Kreislauf ist Arbeit auf fremdes BedÅrfnis in der Region, a-<br />

ber Arbeit auf ein gemeinsames BedÅrfnis, wenn das VerhÄltnis der Region zu anderen<br />

Regionen betrachtet ist. Sie ist also wertschÇpfend innerhalb des regionalen Reproduktionszusammenhangs,<br />

nicht aber auf der Ebene der transregionalen ReproduktionsverhÄltnisse.<br />

Dies ist zugleich die Basis, warum und wann Regionalgeld funktionieren<br />

kann.<br />

Zugleich wird damit der fraktale Charakter des WertverhÄltnisses deutlich. Dieser fraktale<br />

Charakter lÄsst sich weiter verfolgen im werttheoretischen Innen- und AuáenverhÄltnis<br />

von grÇáeren Betrieben ebenso wie in Gemeinschaftsprojekten wie Siebenlinden<br />

oder Niederkaufungen.<br />

FÅr letztere scheint eine klare BuchfÅhrung der AuáenwirtschaftsverhÄltnisse mit einer<br />

laxen “inneren BuchfÅhrung” einherzugehen. Dies bestÄtigt die Grundthese von [1] Å-<br />

ber die Schichtenstruktur des WertverhÄltnisses sowie die systeminterne DezentralitÄt<br />

der BuchfÅhrung. Die innere “BuchfÅhrung” wird in einem solchen Gemeinschaftsprojekt<br />

informell gefÅhrt, was zu Spannungen, Konflikten und Entladungen fuhrt, wenn sie<br />

fÅr einzelne nicht mehr stimmt. In diesen “privaten Rechnungen” sowie den Spannungen,<br />

Konflikten und Entladungen prozessiert sich das innere WertverhÄltnis auch jenseits<br />

der Geldform. Aus der Theorie der small worlds ist bekannt, dass eine solche informelle<br />

BuchfÅhrung in Gemeinschaftsprojekten bis etwa 150 Personen mÇglich ist.<br />

DarÅber hinaus sind formalere vertragsrechtliche Mechanismen fÅr das Prozessieren<br />

des inneren WertverhÄltnisses derartiger Projekte in der Einheit von VerantwortungsfÄhigkeit,<br />

VerantwortungsÅbernahme und Bilanz/Abrechnung erforderlich.<br />

ähnlich ist wohl auch das Abspaltungstheorem von Roswitha Scholz einzuordnen –<br />

Hausarbeit ist Arbeit in einem BinnenverhÄltnis und deshalb im AuáenverhÄltnis im Ç-<br />

konomischen Sinne nicht wertschÇpfend. Die Tatsache, dass vorwiegend Frauen von<br />

diesem PhÄnomen betroffen sind, wird durch eine solche Feststellung nicht berÅhrt.<br />

Schlieálich ergibt sich aus diesen Überlegungen, dass sowohl die Losung “Arbeit her”<br />

als auch die Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) zu wenig<br />

differenzieren. Beide Forderungen betrachten ungenÅgend das GegenÅber, an welches<br />

diese Forderung gerichtet ist, denn sie mÅssen sich in die TragfÄhigkeit des reproduktiven<br />

Zusammenhangs dieser einbettenden Strukturen einordnen. Insofern ist<br />

kein BGE ohne eine grundlegende Finanzreform zu Gunsten kommunaler und regiona-


Einige Überlegungen zur Bedeutung regionaler Kreisläufe<br />

von Hans-Gert Gräbe<br />

ler KÇrperschaften mÇglich. Regionen mit leistungsfÄhigen RegionalgeldkreislÄufen mÅssen<br />

Teile des BGE auch in dieser RegionalwÄhrung ausreichen.<br />

Überhaupt steht die Frage, ob eine Fokussierung auf den monetÄren Aspekt von BGE, wie<br />

sie insbesondere von BGE-Gegnern in der Linken betrieben wird, der aufgeworfenen<br />

Grundproblematik Åberhaupt gerecht wird bzw. sogar kontraproduktiv ist und als Teil der<br />

Domestizierung und EntschÄrfung der BGE-Debatte in dieser <strong>Gesellschaft</strong> betrachtet werden<br />

muss.<br />

Literatur<br />

[1] Hans-Gert GrÄbe: Arbeitswerttheorie nach Marx – ein dezentraler Ansatz. Manuskript,<br />

Sept. 2007. Siehe http://www.hg-graebe.de/EigeneTexte<br />

[2] Friedhart Klix, Karl Lanius: Wege und Irrwege der Menschenartigen. Wie wir wurden,<br />

wer wir sind. W. Kohlhammer, Stuttgart 1999. Eine Zusammenfassung fÅr eine Diskussion<br />

bei Attac Leipzig siehe ttp://leipzig.softwiki.de/index.php5/Attac.2007-10-25<br />

[3] Mike Lewis: Vortrag im Rahmen der Infotour Solidarãokonomie in Leipzig. AusfÅhrlicher<br />

Bericht und weitere Links siehe http://leipzig.softwiki.de/index.php5/InfoTour-06<br />

[4] Potsdamer Manifest und Potsdamer Denkschrift. VerÇffentlicht vom Verein Deutscher<br />

Wissenschaftler im Einsteinjahr 2005. Siehe http://www.vdw-ev.de/manifest


Der Beitrag der Matriarchatsforschung<br />

Heide Göttner-Abendroth<br />

Warum Matriarchatsforschung?<br />

WÄhrend meines ganzen Lebens bin ich mit der Erforschung der matriarchalen <strong>Gesellschaft</strong>sform<br />

in der Gegenwart und Vergangenheit beschÄftigt und wurde so zur BegrÅnderin<br />

der modernen Matriarchatsforschung.1 Diese ist nicht irgendeine nebensÄchliche,<br />

exotische Erscheinung, im Gegenteil: Sie fÇrdert ein Wissen von nicht-patriarchalen,<br />

grundsÄtzlich egalitÄren gesellschaftlichen, politischen und kulturellen Mustern ans Licht,<br />

das wir in dieser global destruktiven Phase des SpÄtpatriarchats dringend brauchen.<br />

Denn Matriarchate waren in ihrer langen geschichtlichen Epoche und sind in ihren letzten,<br />

heute noch existenten Beispielen <strong>Gesellschaft</strong>en, die ohne Herrschaft, ohne Hierarchie<br />

und ohne kriegerische Veranstaltungen als organisiertes TÇten ausgekommen sind.<br />

Sie kennen insbesondere keine Gewalt gegen Frauen und Kinder, von der die patriarchalen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en auf der ganzen Erde randvoll sind.<br />

Was ist ein Matriarchat?<br />

Ich gebe hier in aller KÅrze die Tiefenstruktur der matriarchalen <strong>Gesellschaft</strong>sform auf<br />

der Çkonomischen Ebene, der sozialen Ebene, der politischen Ebene und der kulturellen<br />

Ebene an:<br />

Auf der ökonomischen Ebene sind Matriarchate meistens, aber nicht ausschlieÉlich<br />

Ackerbaugesellschaften. Es wird Subsistenzwirtschaft mit lokaler und regionaler Autarkie<br />

praktiziert. Land und HÄuser sind Eigentum des Clans im Sinne von Nutzungsrecht; Privatbesitz<br />

und territoriale AnsprÅche sind unbekannt.<br />

Die GÅter sind in lebhaftem Austausch, der den Verwandtschaftslinien und Heiratsregeln<br />

folgt. Dieses System des Austauschs basiert auf einer Ñkonomie des Schenkens,2 und es<br />

verhindert, das GÅter bei einem Clan oder bei einer Person akkumuliert werden kÇnnen.<br />

Das Ideal ist Verteilung und nicht Akkumulation. Vorteile und Nachteile beim Erwerb von<br />

GÅtern werden durch soziale Regeln ausgeglichen, z. B. ist es Åblich, dass ein wohlhabender<br />

Clan bei den zahlreichen, gemeinschaftlichen Festen das ganze Dorf einlÄdt, wobei<br />

er seine GÅter als Geschenke an alle gibt. Das vermindert den Wohlstand dieses<br />

Clans, doch das Schenken bei den FestivitÄten geht reihum zu jenen, die das meiste<br />

GlÅck bei Ernten oder beim Handel hatten. DafÅr haben die schenkenden Clans „Ehre“,<br />

d.h. soziales Ansehen, gewonnen. Auf diese Weise werden Çkonomische Unterschiede<br />

immer wieder nivelliert<br />

Auf der Çkonomischen Ebene sind Matriarchate daher gekennzeichnet von perfekter Gegenseitigkeit,<br />

ich definiere sie daher als Ausgleichsgesellschaften auf der Basis einer Ñ-<br />

konomie des Schenkens.<br />

Auf der sozialen Ebene beruhen matriarchale <strong>Gesellschaft</strong>en auf dem Clan. Matriarchale<br />

Menschen leben in groÉen Sippen zusammen, die nach dem Prinzip der MatrilinearitÄt,<br />

der Verwandtschaft in der Mutterlinie, aufgebaut sind. Der Clanname, alle sozialen WÅr-


Der Beitrag der Matriarchatsforschung<br />

Heide Göttner-Abendroth<br />

den und politischen Titel werden in der mütterlichen Linie vererbt. Ein solcher Matri-<br />

Clan besteht aus mindestens drei Generationen von Frauen: die Clanmutter und ihre<br />

Schwestern, deren Töchter und Enkelinnen und den direkt verwandten Männern: die<br />

Brüder der Clanmutter, die Söhne und Enkel.<br />

Ein Matri-Clan lebt im großen Clanhaus zusammen, das 10 bis 100 Personen je nach<br />

Größe und architektonischem Stil umfassen kann. Die Frauen leben permanent hier,<br />

denn Töchter und Enkelinnen verlassen niemals das mütterliche Clanhaus. Man nennt<br />

dies Matrilokalität. Ihre Gatten oder Geliebten, die in ihren Mutterhäusern wohnen,<br />

kommen in sog. Besuchsehe nur über Nacht zu ihnen.<br />

Der Clan ist eine autarke Wirtschaftseinheit. Um zu erreichen, dass diese autarken<br />

Gruppen ein gesellschaftliches Gefüge mit den anderen Clans des Dorfes oder der<br />

Stadt bilden, wurden komplexe Heiratsregeln entwickelt, z.B. die Regel der wechselseitigen<br />

Heirat zwischen je zwei Clans. Dazu gehören noch Regeln der freien Wahl mit<br />

den anderen Clans, mit der beabsichtigten Wirkung, dass alle Mitglieder des Dorfes<br />

oder der Stadt durch Geburt oder Heirat näher oder ferner miteinander verwandt<br />

sind. Diese Verwandtschaft stellt ein gegenseitiges Hilfssystem nach festen Regeln<br />

dar. Auf diese Weise wird eine nicht-hierarchisch organisierte, horizontale und egalitäre<br />

<strong>Gesellschaft</strong> erzeugt, die sich als erweiterter Clan mit allen wechselseitigen Hilfsverpflichtungen<br />

versteht.<br />

Ich definiere matriarchale <strong>Gesellschaft</strong>en auf der sozialen Ebene deshalb als horizontale<br />

matrilineare Verwandtschaftsgesellschaften.<br />

Auf der politischen Ebene sind die Prozesse der Entscheidungsfindung ebenfalls<br />

entlang den Verwandtschaftslinien organisiert. Basis jeder Entscheidungsfindung sind<br />

die einzelnen Clanhäuser. Angelegenheiten, die das Clanhaus betreffen, werden von<br />

den Frauen und Männern in einem Prozess der Konsensfindung, d.h. durch Einstimmigkeit,<br />

entschieden.<br />

Dasselbe gilt für Entscheidungen, die das ganze Dorf betreffen: Nach dem Rat im<br />

Clanhaus treffen sich Delegierte der einzelnen Clanhäuser im Dorfrat, in manchen<br />

<strong>Gesellschaft</strong>en die Clanmütter selbst, in anderen die gewählten Mutterbrüder, der ihren<br />

Clan nach außen vertreten. Im Dorfrat treffen sich keine Entscheidungsträger,<br />

sondern nur Delegierte, die miteinander austauschen, was die einzelnen Clanhäuser<br />

beschlossen haben. Sie halten das Kommunikationssystem im Dorf aufrecht und gehen<br />

so lange zwischen Clanrat und Dorfrat hin und her, bis alle Clanhäuser auf Dorfebene<br />

den Konsens gefunden haben.<br />

Dasselbe gilt wiederum auf regionaler Ebene: Hier werden die Entscheidungen der<br />

Dörfer und Städte auf regionaler Ebene ebenfalls von Delegierten, in der Regel den<br />

angesehenen Männern, durch Information koordiniert. Auch hier gehen die Delegierten<br />

zwischen Dorfrat und regionalem Rat solange hin und her, bis die Region durch<br />

alle Clanhäuser aller Dörfer ihre Entscheidung im Konsens gefunden hat.


Der Beitrag der Matriarchatsforschung<br />

Heide Göttner-Abendroth<br />

Es ist klar, dass sich in einer solchen <strong>Gesellschaft</strong> Hierarchien und Klassen nicht bilden<br />

kÇnnen. Ein MachtgefÄlle zwischen den Geschlechtern oder zwischen den Generationen<br />

kann ebenfalls nicht entstehen. Minderheiten werden nicht durch Mehrheitsentscheidungen<br />

ausgegrenzt und stimmlos gemacht, denn sÄmtliche politische Entscheidungen<br />

fallen in den ClanhÄusern, wo die Menschen leben, d.h. sie fallen<br />

„basisdemokratisch“. Auf der politischen Ebene definiere ich Matriarchate daher als<br />

egalitÄre Konsensgesellschaften.<br />

Auf der spirituell-kulturellen Ebene kennen matriarchale <strong>Gesellschaft</strong>en keine religi-<br />

Çse Transzendenz mit einem unsichtbaren, ungreifbaren, unbegreifbaren, aber allmÄchtigen<br />

Gott, demgegenÅber die Welt als „Jammertal von SÅnde und Leid“ oder gar<br />

als „tote Materie“ abgewertet wird. Der matriarchale Begriff von GÇttlichkeit ist immanent,<br />

denn die gesamte Welt wird als gÇttlich betrachtet, und zwar als weiblich gÇttlich.<br />

Dies belegen die alten Vorstellungen von der GÇttin als Universum, die SchÇpferin<br />

ist, und der Mutter Erde, die alles Lebendige hervorbringt. Deshalb besitzt alles GÇttlichkeit,<br />

jede Frau und jeder Mann, jedes Tier und jede Pflanze, der kleinste Stein und<br />

der grÇÉte Stern.<br />

In einer solchen Kultur ist alles spirituell. In ihren Festen, die dem Jahreszeitenzyklus<br />

folgen, wird auch alles gefeiert: die Natur mit ihren verschiedenen Erscheinungen, die<br />

verschiedenen Clans mit ihren FÄhigkeiten und Aufgaben, die verschiedenen Geschlechter<br />

und die verschiedenen Generationen, nach dem Prinzip: Vielfalt ist der<br />

Reichtum in allem. Es gibt keine Trennung zwischen dem Sakralen und dem Profanen,<br />

deshalb ist auch im alltÄglichen Leben jede Handlung wie z.B. SÄen, Ernten, Kochen,<br />

Weben, Reisen zugleich ein bedeutungsvolles Ritual. Auf der spirituellen Ebene definiere<br />

ich Matriarchate daher als sakrale <strong>Gesellschaft</strong>en und Kulturen des Weiblich-<br />

GÇttlichen bzw. der GÇttin.<br />

Anregungen für eine neue <strong>Gesellschaft</strong><br />

Auf der ökonomischen Ebene ist keine weitere Steigerung der GroÉindustrien und<br />

des sog. Lebensstandards mehr mÇglich auf Gefahr hin, die BiosphÄre der Erde vollends<br />

zu zerstÇren. Hier Çffnet sich als Alternative die Subsistenzperspektive als Wirtschaftsform<br />

der kleinen und regionalen Einheiten. Diese wirtschaften selbstgenÅgsam<br />

und autark, wobei die LebensqualitÄt vor der QuantitÄt unbedingten Vorrang hat.<br />

Weltweit geht es darum, die Strukturen von Subsistenzwirtschaft, die es noch gibt und<br />

in denen meistens Frauen die WirtschaftstrÄgerinnen sind, zu stÄrken und zu erweitern,<br />

sie keinesfalls der wirtschaftlichen Globalisierung der GroÉkonzerne zu opfern.<br />

Diese Regionalisierung zugunsten der Frauen ist ein matriarchales Prinzip.<br />

Auf der sozialen Ebene geht es darum, aus der weiteren Atomisierung der <strong>Gesellschaft</strong><br />

herauszukommen, welche die Menschen immer tiefer in Vereinzelung und Vereinsamung<br />

treibt und sie krank und destruktiv werden lÄsst. Denn das ist der NÄhrboden<br />

fÅr Gewalt und Krieg. Es geht um die Bildung wahlverwandter <strong>Gemeinschaften</strong><br />

verschiedener Art, seien diese nun Lebensgemeinschaften oder Nachbarschaftsgemeinschaften<br />

oder Netzwerke. Wahlverwandtschaft bildet sich aber nicht durch bloÉe<br />

Interessengemeinschaft, solche Gruppen entstehen und zerfallen schnell. Sondern


Der Beitrag der Matriarchatsforschung<br />

Heide Göttner-Abendroth<br />

Wahlverwandtschaft entsteht nur auf dem Boden einer spirituell-geistigen ábereinstimmung,<br />

durch sie wird ein symbolischer Clan gebildet, der mehr Verbindlichkeit<br />

hat als eine bloÉe Interessengruppe.<br />

Das matriarchale Prinzip daran ist, dass solche wahlverwandten Clans grundsÄtzlich<br />

von Frauen initiiert, getragen und geleitet werden, womit Frauen heute Åberall beginnen<br />

kÇnnen oder schon begonnen haben. Der MaÉstab sind nÄmlich die BedÅrfnisse<br />

von Frauen und Kindern, welche die Zukunft der Menschheit sind, und nicht die<br />

Macht- und PotenzwÅnsche von MÄnnern. Diese haben zu den patriarchalen GroÉfamilien<br />

und politischen MÄnnerbÅnden gefÅhrt, die ein hohes MaÉ an UnterdrÅckung<br />

und Ausschluss fÅr Frauen enthalten. In die neuen Matri-Clans werden MÄnner hingegen<br />

vollgÅltig integriert, von den Frauen, aber gemÄÉ einem anderen Wertesystem,<br />

nÄmlich der Orientierung an gegenseitiger FÅrsorge und Liebe statt an der<br />

Macht. Darin leben auch die MÄnner besser als im Patriarchat.<br />

Auf der Ebene der politischen Entscheidungsfindung ist das matriarchale Konsens-Prinzip<br />

fÅr eine wirklich egalitÄre <strong>Gesellschaft</strong> unverzichtbar. Es kann hier und<br />

jetzt, sofort und Åberall eingeÅbt werden. Denn es ist das impulsgebende Prinzip fÅr<br />

matriarchale Gemeinschaftsbildung Åberhaupt, zugleich verhindert es bei neuen<br />

symbolischen Clans verschiedenster Art jegliche Herrschaftsbildung von Einzelnen<br />

oder Gruppen. Es stellt die Balance zwischen Frauen und MÄnnern her, aber auch<br />

zwischen den Generationen, denn sowohl die alten Menschen wie auch die Jugendlichen<br />

kommen dabei vollgÅltig zu Wort. Es ist zudem das eigentlich demokratische<br />

Prinzip, denn es lÇst ein, was die formale Demokratie verspricht, aber nicht hÄlt.<br />

GemÄÉ diesem Prinzip sind die kleinen Einheiten der neuen Matri-Clans die tatsÄchliche<br />

EntscheidungstrÄger, aber es ist nur bis zur GrÇÉe von Regionen ausweitbar.<br />

BlÅhende, autarke Regionen sind allerdings gemÄÉ der Subsistenzperspektive das<br />

politische Ziel, nicht die immer grÇÉeren Einheiten wie Nationen, Staaten-Unionen<br />

und SupermÄchte, die den ohnehin Herrschenden immer grÇÉere Macht bescheren<br />

und in denen die einzelnen Menschen zu Nummern oder schlimmer: zu<br />

„Menschenmaterial“, „Humankapital“ herabsinken.<br />

Auf der spirituell-kulturellen Ebene kommt man nicht umhin, sich von allen hierarchischen<br />

Religionen mit transzendentem Gottesbegriff und absolutem Wahrheitsanspruch<br />

zu verabschieden, welche die Welt, die Erde, die Menschen, insbesondere die<br />

Frauen, tief herabgewÅrdigt haben. Stattdessen geht es um eine neue Heiligung der<br />

Welt gemÄÉ der matriarchalen Vorstellung, dass die ganze Welt mit allem, was darin<br />

und darauf ist, gÇttlich ist. Das fÅhrt dazu, auch alles auf eine kreative, freie Weise<br />

wieder zu ehren und zu feiern: die Natur mit ihren Erscheinungen und Wesen und<br />

die Ordnung der menschlichen <strong>Gemeinschaften</strong>. Letzteres geschieht, indem einmal<br />

die Frauen, einmal die MÄnner, dann wieder die Alten oder die Kinder mit ihren jeweils<br />

besonderen FÄhigkeiten, ihrer jeweils besonderen „WÅrde“, geehrt und gefeiert<br />

werden. Auch jeder Schritt auf dem Weg, den wir tun, um eine neue egalitÄre <strong>Gesellschaft</strong><br />

zu finden, ist ein Fest wert. Denn jeder dieser Schritte ist ein StÅck neuer<br />

Frauengeschichte, die der Welt ein Beispiel geben kÇnnte, wie die ganze Menschheit


Der Beitrag der Matriarchatsforschung<br />

Heide Göttner-Abendroth<br />

glÅcklicher leben kann.<br />

Auf diese Weise kann matriarchale SpiritualitÄt alles und jedes durchdringen und<br />

wird wieder ein normaler Teil aller Tage werden. Zugleich zeigt sich in ihr das Prinzip<br />

der matriarchalen Toleranz, denn niemand muss an etwas „glauben“. Denn sie<br />

ist kein Dogma, keine Lehre auf dem Boden „heiliger“ BÅcher, sondern die unaufhÇrliche,<br />

vielfÄltige Feier des Lebens und der sichtbaren Welt.<br />

Ich nenne die Vision, die alle diese Eigenschaften integriert, ein matriarchales Modell.<br />

Einem Modell selbst wohnt kein Zwang inne es zu befolgen, denn nur in HerrschaftszusammenhÄngen<br />

werden Modelle mit Zwang durchgesetzt. In freier Kommunikation<br />

ist ein Modell eine klare Idee, und es kann als praktischer Leitfaden fÅr<br />

eine bessere Zukunft freiwillig angenommen werden, um verschiedene alternative<br />

Bestrebungen und Aktionen zu integrieren.<br />

Nach meiner Auffassung werden von den heutigen alternativen Bewegungen viele<br />

Schritte getan, die implizit zu dem matriarchalen Modell, das hier gegeben wird,<br />

tendieren. Diese Bewegungen breiten sich, im weltweiten MaÉstab gesehen, immer<br />

rascher von unten aus, wie<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

die verschiedenen sozialen Bewegungen,<br />

die Çkologischen Bewegungen,<br />

die diversen Friedensbewegungen,<br />

die verschiedenen Frauenbewegungen,<br />

die Bewegungen indigener VÇlker,<br />

die BÅrgerbewegungen,<br />

die Gemeinschaftsbewegungen.<br />

1 Heide Göttner-Abendroth: Das Matriarchat, - Bd. I. Geschichte seiner Erforschung, - Bd. II,1.<br />

Stammesgesellschaften in Ostasien, Indonesien, Ozeanien ; - Bd. II,2. Stammesgesellschaften in A-<br />

merika, Indien, Afrika ; Kohlhammer-Verlag, Stuttgart 1989 – 2000.<br />

2<br />

Genevieve Vaughan: For-Giving. A Feminist Criticism of Exchange, Plain View Press and Anomaly<br />

Press, Austin 1997-2002.; The Gift, A Feminist Analysis (Hg.), Athanor book, Meltemi editore,<br />

Roma 2004. Women and the Gift Economy (Hg.), Inanna Publications, Toronto/Canada 2007.<br />

Autorin: Dr. Heide Goettner-Abendroth<br />

www.hagia.de ; www.goettner-abendroth.de


Internationales Kultur– und Wohnprojekt Greifswald<br />

von Jan Holten<br />

Das Internationale Kultur- und Wohnprojekt (IKuWo e.V.) ist Mittelpunkt einer besonderen<br />

Stadtteilstruktur. Als Verein, welcher den interkulturellen Austausch auf allen Ebenen<br />

befÇrdern sollte, wurde er im Jahr 2000 als Wohnprojekt und Ort des AufklÄrungs-, Aktions-<br />

und Kulturbetriebes in einer alten Villa Greifswalds gegrÅndet und steht nun am<br />

Scheideweg. Nach Jahren des àmterkampfes kommt ihm in den nÄchsten sechs Monaten<br />

eine europÄische FÇrderung in HÇhe von 700.000,- € zu Gute. MÇglich ist dies durch das<br />

Programm „Soziale Stadt“ (ESF) auf der einen Seite und den strukturellen Wandel der<br />

letzten 15 Jahre in der Greifswalder Innenstadt auf der anderen Seite, bei welchem das<br />

IKuWo eine besondere Rolle spielte und spielt.<br />

Greifswalds Altstadt fiel in den 40 Jahren DDR zu fast 80 % dem Abriss zum Opfer. Nach<br />

der Wende war erst ab Mitte der 90er Jahre der GroÉteil der immobilen BesitzverhÄltnisse<br />

geklÄrt und verschiedene Programme und Interessen des Wiederaufbaus konnten<br />

greifen. SchwerpunktmÄÉig galten die BemÅhungen den historischen Bauten, der Neubebauung<br />

und der FÇrderung des lokalen BeschÄftigungsmarktes.<br />

Seit Mitte der 90er entwickelten sich daneben die ersten festen Strukturen auf dem Vereinssektor.<br />

Insbesondere die junge Hausbesetzerszene und die spÄter daraus hervorgehenden<br />

Interessengruppen gaben die entscheidenden Impulse dafÅr, das soziokulturelle<br />

Leben in freien, aber auch kommunalen TrÄgerschaften zu entwerfen, zu leben und als<br />

solches zu etablieren. MedienwerkstÄtten, Veranstaltungs- und BegegnungsrÄume,<br />

Jugendzentren, Musikplattformen, Nahrungsmittelkooperativen, Menschenrechtsinitiativen<br />

usw. entstanden.<br />

Jetzt, fÅnfzehn Jahre spÄter zeigt sich folgendes Bild: Die jahrelangen Kooperationen<br />

verschiedener Gruppen verknÅpfen die anfÄnglich auf einzelne Zielgruppen und Arbeitsfelder<br />

versierte Arbeit zu einer Art soziokulturellem Netz, welches in bestimmtem MaÉe<br />

selbst organisiert und –verwaltet ist. Ein GroÉteil dieser Arbeit geschieht durch eigene<br />

Finanzakquise und einem enorm hohen Anteil finanziell nicht vergÅteter Arbeit.<br />

Das IKuWo hat sich in dieser Entwicklung als treibender Motor bewiesen und gilt inzwischen<br />

als Plattform in vielerlei Hinsicht. Als SchwerpunktmÄÉige Arbeits- und Funktionsbereiche<br />

des IKuWo mÅssen genannt werden:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

ein gastronomischer Begegnungsraum als Çkonomisches Standbein des Vereins<br />

der Personenkorpus, bestehend aus einer Wohngemeinschaft, aktiven Vereinsmitgliedern,<br />

sowie anderen Interessengruppen und Sympathisanten die Veranstaltungsorganisation<br />

und –DurchfÅhrung in den eigenen vier WÄnden und an<br />

Çffentlichen PlÄtzen der Stadt<br />

die thematischen Koalitionen mit losen und festen Interessengruppen<br />

die wechselseitige Verknüpfung von individuell-lebensweltlichen Aspekten mit<br />

Aspekten einer Gemeinschaft, deren Erhalt als grundlegend gilt<br />

Die „Gemeinschaft“ ist seit Bestehen des Projektes ein Arbeitsbegriff und wird so in seiner<br />

Praxis verstanden und diskutiert. Zu deren Erhalt trÄgt der Einzelne durch sein Tun<br />

bei, denn diese Gemeinschaft ermÇglicht dem Einzelnen einen Handlungsraum, den wir<br />

gemeinhin als „Freiheit zum Tun“ bezeichnen. Gemeinschaft in diesem Sinne bedeutet<br />

die (Selbst-)Definition einer Gruppe, die sich an ethischen Diskursfragen orientiert, dabei


Internationales Kultur– und Wohnprojekt Greifswald<br />

von Jan Holten<br />

gemeinsame Handelsmaxime entwirft und daraus praktische Lebensgestaltung betreibt.<br />

Diese Gemeinschaft konstatiert sich immer wieder neu im aktuell Politischen.<br />

Die Frage des Grundeinkommens ist wichtig fÅr uns, denn das bisher interessengeleitete<br />

Engagement von Einzelnen im Gemeinschaftsbetrieb muss erweitert werden um<br />

eine finanzielle oder materielle VergÅtung von geleisteter Arbeit. Das so genannte<br />

„Ehrenamt“ reicht nicht mehr aus, um den AnsprÅchen des laufenden Plattform- und<br />

Kulturbetriebes gerecht zu werden. Die individuelle Absicherung des Einzelnen liefert<br />

die Grundlage fÅr die Gemeinschaftsgenese im konstitutiven und institutionell Åbergreifenden<br />

Sinne.<br />

Versteht man die Arbeits- und Funktionsweise des IKuWo in der kommunalen Struktur,<br />

zeigen sich AbhÄngigkeiten, die nicht unerheblich fÅr die Zukunft des soziokulturellen<br />

Lebens Greifswalds sind: Mit dem Jahr 2008 fallen jÄhrliche ZuschÅsse der EU in HÇhe<br />

von 100.000,- € weg, das Programm „Soziale Stadt“ zur FÇrderung „strukturschwacher<br />

Stadtteile mit besonderem Entwicklungsbedarf“ lÄuft aus, Çffentliche Dienstleistungsstellen<br />

auf dem Sozialsektor werden weiter gekÅrzt – im Geflecht von Sozialarbeit,<br />

kommunaler Politik und KulturÇkonomie gilt das Grundeinkommen hier quasi als eine<br />

Art „Erhaltungszahlung fÅr die Soziokultur“ – nicht nur fÅr das IKuWo, sondern eben<br />

auch fÅr die in den letzten 15 Jahren sich entwickelnden Einzel- und Gruppeninteressen.<br />

Die Frage der Grundversorgung muss deshalb nicht allein in schon bestehende oder in<br />

ihrem Ansatz bestehende Selbstversorgungsstrukturen, wie das IKuWo, gestellt werden,<br />

sondern betrifft den gesellschaftstragenden Sektor – das Soziale – schlechthin.<br />

Ich bin sehr gespannt auf die unterschiedlichsten Sichtweisen auf und zwischen Lebenspraxis-<br />

und Theorie.<br />

Autor: Jan Holten<br />

Internationales Kultur- und Wohnprojekt (e.V.),<br />

www.ikuwo.de; janholten@gmx.net


13 durchaus widersprüchliche Assoziationen zum Thema<br />

von Johannes Heimrath<br />

1.) Vor 35 Jahren dachte ich, so kann es mit der Welt nicht weitergehen. Seitdem staune<br />

ich Åber die ElastizitÄt der herrschenden Kultur (Kapitalismus, Militarismus, nichtpartizipative<br />

Demokratie etc.). In den Siebzigern waren wir sicher, „das System“ werde<br />

nicht mehr lange durchhalten. Wir warteten auf den Crash, der spÄtestens nach der LektÅre<br />

von „Grenzen des Wachstums“ angesagt war. – Alles, was bereits damals unhaltbar<br />

erschien, gibt es noch, und dazu Neues, Schlimmeres. Warum gibt es nicht das, was wir<br />

wollen?<br />

2.) Die Hoffnung, die Dynamik, mit der wir uns auf eine globale Ressourcendiktatur zubewegen,<br />

sei noch zu bremsen, ist im gÅnstigen Fall utopisch (wenn sich die kulturkreative<br />

StrÇmung zur WeltbÅrgerbewegung formiert), im ungÅnstigen Fall eine Illusion<br />

(wenn es nicht gelingt, die kulturkreativen KrÄfte zu bÅndeln).<br />

3.) Die Zahlen, die wir derzeit fÅr das Entstehen einer kulturkreativen StrÇmung in den<br />

westlich geprÄgten <strong>Gesellschaft</strong>en haben, liegen zwischen 25 und 35 Prozent der BevÇlkerung.<br />

Allerdings hat erst ein FÅnftel dieses Potenzials damit begonnen, sich an lebensfÇrdernden<br />

Werten neu zu orientieren, und davon ein Zehntel lebt bereits danach.<br />

4.) Wir mÅssen uns von der Vorstellung verabschieden, der globale Wandel kÇnnte in<br />

kleinen Schritten und in einzelnen Segmenten erfolgen. Es braucht einen gewaltigen<br />

Ruck, der sÄmtliche gesellschaftlichen Bereiche vom Kopf auf die FÅáe stellt. Es wird<br />

nicht gehen ohne eine zivile Revolution.<br />

5.) Bewirkt nur ein globaler Crash, dass sich alle Bereiche zugleich revolutionieren?<br />

6.) Crash wie zivile Revolution kÇnnen nicht nur durch die katastrophale Überdehnung<br />

der auseinanderstrebenden gesellschaftlichen Dynamiken herbeigefÅhrt werden, sondern<br />

auch dadurch, dass unsere Gedanken eine kritische Masse derjenigen Menschen<br />

mobilisieren, die sich bereits heute auf die Zeit danach vorbereiten. <strong>Gemeinschaften</strong><br />

kommt in den Regionen die Vorreiterrolle zu. Die weltweit Hunderttausenden von Netzwerken<br />

haben kaum bereichsÅbergreifende Querverbindungen aufgebaut. Die AnfÄnge<br />

dazu liegen in der Region: Hier mÅssen die <strong>Gemeinschaften</strong> Weberschiffchen spielen.<br />

7.) Zu welcher <strong>Gesellschaft</strong> fÅhrt die zivile Revolution? WÅrden wir sie integriert nennen?<br />

Wenn ja, heiát das, dass auch diejenigen KrÄfte, die zum heutigen Zustand der Welt gefÅhrt<br />

haben und die dem Wandel nach unseren Vorstellungen widerstreben, wertgeschÄtzt<br />

und gewÅrdigt werden? Ist es das, wovon <strong>Gemeinschaften</strong> heute trÄumen?<br />

Wenn nicht, ist dann nicht jede „integrierte“ <strong>Gesellschaft</strong> TrÄumerei?<br />

8.) <strong>Gemeinschaften</strong> sollten sich mit aller Kraft ruhig und unaufgeregt auf den Crash vorbereiten<br />

und lebensfÇrdernde Impulse setzen (matriarchale Politikformen, Subsistenzwirtschaft,<br />

SchenkÇkonomie, Regiogeld, Grundeinkommen mit oder ohne Bedingungen,<br />

freie Bildung, neue Arbeit, Salutogenese etc.)<br />

9.) Die Zivilgesellschaft ist die grÇáte schlafende Macht der Welt. Die Weisheit der Kulturen<br />

ist die grÇáte ungenutzte Ressource der Welt. <strong>Gemeinschaften</strong> mÅssen sich als Mitochondrien<br />

der Zivilgesellschaft und als FÇrderbÄnder fÅr die Weltweisheit begreifen<br />

lernen. Das ist ein grÇáerer Anspruch, als bloá Impulsgeber zu sein.


13 durchaus widersprüchliche Assoziationen zum Thema<br />

von Johannes Heimrath<br />

10.) Appelle nÅtzen nichts. Nur das unabgelenkte, selbstsichere (= sich seiner selbst<br />

im Spiegel der anderen jederzeit rÅckversichernde, ansonsten vollkommen sicherheitslose)<br />

Tun nÅtzt. Man darf nicht danach schielen, ob und wie viele Mitmenschen<br />

sich anstecken lassen.<br />

11.) Vor 30 Jahren habe ich gemeinsam mit einigen Menschen eine – wie man heute<br />

sagt – intentionale Gemeinschaft gegrÅndet. Wir nannten es Wahlfamilie. Die sieben<br />

GrÅnder leben noch immer zusammen, und die Familie besteht heute aus 25 Menschen<br />

in vier Generationen. Diese Lebenspraxis zeigt zweierlei: (1) Man kann neue<br />

Lebensformen finden, die ein HÇchstmaá an Verbindlichkeit entfalten und sogar vererbbar<br />

sind. (2) Dies erfordert ein derart fundamentales Sich-aufeinander-Einlassen,<br />

derartig radikale innere Arbeit und zugleich eine hÇchst undeutsche Leichtigkeit und<br />

Freiheit von sÄmtlichen Ismen, dass die gewonnenen Erfahrungen kaum Åbertragbar<br />

sind. Die Einsicht, dass man ein liebender, sich selbst sehr gut kennender und sich<br />

selbst und alle anderen bedingungslos annehmender Mensch sein muss, um Gemeinschaft<br />

dauerhaft und in der Generationenfolge gelingen zu lassen, fÅhrt weit<br />

weg vom Hedonismus, von der âkoromantik und der modischen ScheinspiritualitÄt<br />

vieler LOHAS-Kosumenten, die Gemeinschaft heute „ganz spannend“ finden.<br />

12.) Eine auf Grundeinkommen basierende <strong>Gesellschaft</strong> setzt das Auswechseln einiger<br />

Erz-Metaphern voraus, die unser Denken und FÅhlen dominieren. Wir sollten die<br />

Religionen verpflichten, sÄmtliche aggressiven, diskriminierenden und angstmachenden<br />

Aussagen in ihren heiligen Schriften zu tilgen. Zugleich sollten die <strong>Gemeinschaften</strong><br />

ihren eigenen Wortschatz von den Formeln und Metaphern bereinigen, die den<br />

alten Geist fortpflanzen.<br />

13.) Wir sind die erste Generation in der Geschichte der Menschheit, von deren Entscheidungen<br />

es abhÄngt, ob wir auch die letzte sein werden. SALT I war vor 35 Jahren<br />

– heute sind noch immer 32.000 nukleare SprengkÇpfe auf Raketen montiert,<br />

von denen 4.000 in stÄndiger minutenschneller Gefechtsbereitschaft gehalten werden.<br />

Das degradiert selbst den Klimawandel zum Problemchen. Wie radikal wollen<br />

wir denken? <strong>Gemeinschaften</strong> – wie werden wir mehr? Grundeinkommen – wieso Å-<br />

berhaupt Geld? Regionalentwicklung – wie verschaffen wir uns eine Basisautonomie<br />

(Restautarkie)? Impulsgeber – wie wecken wir Lust auf die zivile Revolution? <strong>Integrierte</strong><br />

<strong>Gesellschaft</strong> – gehÇren dazu auch diejenigen, die an den roten StartknÇpfen<br />

sitzen, und diejenigen, die sich bereits heute die Quellen angeeignet haben, aus denen<br />

demnÄchst der Åberwiegende Teil der Menschheit seinen Durst wird stillen mÅssen?<br />

Autor: Johannes Heimrath; www.johannesheimrath.de, jh@humantouch.de


Konzept für das Praxisexperiment Bürgergeld bzw. tätiges<br />

Grundeinkommen<br />

von Maik Hosang<br />

1. Ziele<br />

<br />

<br />

das seit ca. 2 Jahren zunehmend diskutierte Bürgergeld bzw. Grundeinkommen<br />

zu testen (da großgesellschaftliche Umsetzungen nicht möglich<br />

sind ohne praktische Erfahrungen und empirische Antworten auf die zentralen<br />

Streitfragen: Ist es finanzierbar? Verleitet es zu Faulenzerei oder<br />

motiviert es eigenaktive Tätigkeit mit gesellschaftlichem Nutzen?)<br />

besonders inwieweit es menschliche Belebungseffekte für strukturschwache<br />

und demografisch schwierige Orte ermöglicht (in Anlehnung an Aussage<br />

von MP Prof. Georg Milbradt, dass die Zukunft der Region Oberlausitz/Niederschlesien<br />

neue Ideen quer zu bisherigen Ressorts braucht).<br />

2. Kooperationspartner für die Rahmenbedingungen<br />

<br />

<br />

<br />

Bautzner Landrat Michael Harig und Stellv. Dr. Wolfram Leunert<br />

Amt für Arbeit und Soziales (AFAS) Bautzen, Frau Yvette Härtlein<br />

Verein Neue Lebensformen e.V. Hochkirch, Dr. Maik Hosang<br />

3. Hintergrundbedingungen<br />

1. Der Gegenstand menschlicher Tätigkeit sollte individuell frei wählbar und gleichwertig<br />

gesellschaftlich anerkannt sein. Denn gesellschaftlich nützliche Tätigkeit<br />

ist nicht nur Lohnarbeit, sondern auch Versorgung/Erziehung von Kindern und<br />

gemeinnützige Tätigkeit für soziale, ökologische, bildende oder forschende<br />

Zwecke.<br />

2. Jeder kann seine Kreativität und Tätigkeitsbedürfnisse zum eigenen materiellen<br />

und seelischem Wohl, dem Wohl seiner Verwandten und Freude und dem<br />

Wohn aller beliebig entfalten, wenn dabei ökologische und soziale (rechtliche)<br />

Rahmenbedingungen gesichert sind.<br />

3. Wichtig ist eine menschlich unmittelbare gesellschaftliche Einbettung, z.B. im<br />

Rahmen von Vereinen oder Nachbarschaftsverband, da nur so die für Eigenmotivation<br />

wesentliche individuelle Anerkennung durch andere gewährleistet ist.<br />

4. Bürgergeld bzw. Grundeinkommen sollte Nahrung, Kleidung, Wohnung, sowie<br />

elementare Gesundheits-, Kommunikations- und Kulturbedürfnisse abdecken.<br />

Die verschiedenen Expertenentwürfe zum Grundeinkommen schwanken zwischen<br />

800-1500 Eur für Erwachsene, je nachdem welche Lebensansprüche und<br />

Steuerungsformen zugrunde gelegt werden. Wenn Rentenversicherung (die bei<br />

GE perspektivisch wegfällt), Krankenversicherung und Miete (und damit ein Gesamtwert<br />

von ca. 400 Eur) im Sozialsystem organisiert bleiben, setzen wir den<br />

verbleibenden individuellen Grundbedarf (IG) vorläufig auf 420 Eur je Person.<br />

Konkrete Rahmenbedingungen für Teilnehmer über das AFAS Bautzen:<br />

1. Die Sondersituation eines kleinen Experiments kann großgesellschaftlich denkbare<br />

Rahmenbedingungen (z.B. reales Grundeinkommen oder negative Einkommenssteuer<br />

etc.) nur beschränkt realisieren. Daher braucht es Sonderlösungen,<br />

die diese Rahmenbedingungen funktional ersetzenDas Experiment umfasst vorerst<br />

eine beschränkte Zeit (zwei Jahre) und eine begrenzte Anzahl (ca. 20) frei-


Konzept für das Praxisexperiment Bürgergeld bzw. tätiges<br />

Grundeinkommen<br />

von Maik Hosang<br />

willig dazu bereiter langzeitarbeitsloser Personen im Rahmen und Umfeld des<br />

Vereins Neue Lebensformen e.V. Durch die hier bereits vorliegenden Organisations-<br />

und Motivationserfahrungen freier TÄtigkeit ist die unter 2.3. genannte<br />

Einbettung gewÄhrleistet.<br />

2. SGB 2 ermÇglicht zusÄtzlich zur Grundsicherung von 342 EUR gemeinnÅtzige<br />

TÄtigkeit mit AufwandsentschÄdigung. Durch eine Halbtags-MAE (78 Eur pro<br />

Monat) werden die angestrebten 420 EUR erreicht.<br />

3. Die MAE fÅr 20 Personen wird mit Sachkosten (zur TÄtigkeitsfÇrderung) und Organisationspersonalkosten<br />

(zur menschlichen und forschenden Begleitung) ausgestattet<br />

(inklusive AufwandsentschÄdigung ca. 280 € monatlich pro Teilnehmer).<br />

4. Die ohne weitere RÅcksprachen mÇglichen TÄtigkeiten entsprechen dem Katalog<br />

gemeinnÅtziger TÄtigkeit des Steuerrechts (soziale, Çkologische, bildende und<br />

forschende TÄtigkeiten ohne Konkurrenzsituation zu Unternehmen des ersten<br />

Arbeitsmarkts).<br />

5. Insofern Teilnehmer im Laufe der Zeit Talente und MÇglichkeiten eigenstÄndiger<br />

wirtschaftlicher TÄtigkeit entwickeln, ist dies durch entsprechende Formen abzugrenzen:<br />

ganz oder teilweise wirtschaftliche SelbstÄndigkeit, bzw. berufliche Anstellungen<br />

oder Minijobs. Verrechnung dabei erzielter Einnahmen gemÄÉ geltender<br />

SGB2-Richtlinien.<br />

Begleitforschung<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Um das Experiment Åber unmittelbare Umfeldeffekte hinaus gesellschaftlich<br />

relevant zu machen, wird es durch einen Forschungsprozess teilnehmender<br />

Beobachtung begleitet. Dazu gehÇren folgende Forschungsmethoden:wÇchentlich<br />

dokumentierte Selbstreflexion der Teilnehmer Åber ihre eigenen<br />

Motivationen, WiderstÄnde, TÄtigkeiten, Erfolge etc. (als Aufgabe im<br />

Rahmen eines halben „1€-Jobs“);<br />

RegelmÄáige Tiefeninterviews durch Begleitforscher;<br />

JÄhrliche Zwischen- und Gesamtauswertung der Ergebnisse durch externe<br />

Forscher;<br />

Die Begleitforschung wird organisiert durch das Institut fÅr SozialÇkologie<br />

Hochkirch in Kooperation mit anderen Wissenschaftlern.<br />

Autor: PD Dr. Maik Hosang, Institut fÅr integrierte SozialÇkologie; Pommritz,<br />

Mail: maik@hosang.com , www.lebensgut.de


Die Kraft der Vision<br />

von Prof. Dr. Margrit Kennedy<br />

Nach den vielen guten BeitrÄgen, die mich in den letzten Monaten erreichten, habe ich<br />

mich gefragt, was ich zur Vorbereitung des Symposiums beitragen kÇnnte und sah,<br />

dass es vielleicht nÅtzlich wÄre, meine Hoffnungen, die ich mit dem Treffen verknÅpfe<br />

genauer zu formulieren. Dabei sind mir die folgenden zwei Aspekte wichtig geworden:<br />

1. Die Konkretisierung der Visionen, die wir haben, und das Herausfinden inwieweit<br />

sie sich überschneiden oder ähneln.<br />

2. Die deutliche Unterscheidung zweier Wege, die der Umsetzung dieser Visionen<br />

dienen können.<br />

Über die Kraft von Visionen<br />

Seit Jahren erlebe ich immer wieder wie schnell sich meine Visionen realisieren. Das<br />

Bild einer Permakultur im Gegensatz zur modernen Landwirtschaft, wie ich es 1982<br />

gezeichnet habe und welches nach der Ausstellung im Rahmen der Internationalen<br />

Bauausstellung 1984 heute in Eingang unseres Hauses hÄngt, entspricht in so vieler<br />

Hinsicht dem, was vor unserer HaustÅr im Lebensgarten Steyerberg seit 1985 tatsÄchlich<br />

entstanden ist, dass ich immer wieder verblÅfft bin.<br />

Heute sehe ich, dass es weder die Selbstversorgung ist, wie ich sie mir vor 25 Jahren<br />

vorgestellt habe, noch die „moderne“ Landwirtschaft mit ihrem Ressourcenverschleiá<br />

sondern etwas, was dazwischen angesiedelt ist, eine kleinrÄumigere Çkologische Landwirtschaft.<br />

Das habe ich – auch weil es schwieriger darzustellen ist - noch nicht gezeichnet<br />

aber mehrfach beschrieben.<br />

Die Erfahrung mit der zuerst anvisierten GrÇáenordnung war auch ein Grund, warum<br />

ich von den Tauschringen - wie ich sie zweimal hier Steyerberg in den 90er Jahren (mit<br />

nur temporÄrem Erfolg) initiiert habe - 2002 zu dem Konzept der RegionalwÄhrungen<br />

Åbergegangen bin. Die Region ist fÅr mich als GrÇáenordnung fÅr ein komplementÄres<br />

Geldsystem stimmiger, denn wir brauchen – wenn es ums liebe Geld geht – eine gewisse<br />

Professionalisierung, und die ist erst ab einer bestimmten GrÇáe mÇglich. (Wo<br />

nun die Ober- und Untergrenzen fÅr eine optimale GrÇáenordnung genau liegen, ist mir<br />

bisher allerdings noch nicht klar.)<br />

Kaum hatte ich das Konzept der auf Gutscheinen basierten RegionalwÄhrung 2002 -<br />

auf der letzten unserer insgesamt vierzehn jÄhrlichen Veranstaltungen zum Thema<br />

„Geldreform“ hier in Steyerberg - zum ersten Mal erwÄhnt, kam Christian Gelleri auf<br />

mich zu und sagte: „Das machen wir.“ Innerhalb eines Jahres entstand nicht nur das<br />

zweite frÅhe Modell (das erste gab es schon in Bremen – wie sich spÄter herausstellte)<br />

sondern es kam bereits - ein Jahr spÄter im September 2003 - das erste Netzwerktreffen<br />

mit 24 interessierten Initiator/Innen zustande. Und heute – nach 5 Jahren – gibt es<br />

22 Initiativen, die schon eine eigene WÄhrung herausgegeben haben, etwa 30 weitere,<br />

die das planen und den Regiogeld- Verband, der die gemeinsamen Treffen, den Informationsaustausch<br />

und die Auáendarstellung organisiert. Ich kÇnnte hier noch andere<br />

Erfahrungen mit dem - manchmal fast zu schnellen - Eintreffen von Visionen schildern,<br />

und wÄre deshalb froh, wenn wir uns gegenseitig unsere Visionen mitteilen wÅrden,<br />

weil ich glaube, dass ein Traum, den viele trÄumen, eine groáe Kraft entwickelt, wahr<br />

zu werden.


Die Kraft der Vision<br />

von Prof. Dr. Margrit Kennedy<br />

Zu den Bestandteilen meiner Gesamt-Vision gehÇren natÅrlich:<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

komplementÄre RegionalwÄhrungenverbunden mit einer Re-Regionalisierung<br />

der Wasserversorgung und all dem, was wir zum Überleben brauchen<br />

ein bedingungsloses Grundeinkommen<br />

die neue Arbeit, die wir wirklich, wirklich wollen<br />

eine neue politische Struktur, die das SubsidiaritÄtsprinzip endlich praktikable<br />

anwendbar macht<br />

die FÇrderung von unterschiedlich strukturierten <strong>Gemeinschaften</strong><br />

religiÇse Überzeugungen, die sich nicht einbilden, die einzig richtigen zu sein<br />

ein achtsamer Umgang mit einander und dem Planeten, auf dem wir unsere<br />

Heimat haben.<br />

und viele andere Aspekte, die aufzufÅhren hier zu weit fÅhrt. Eigentlich - meine ich -<br />

muss alles neu gedacht und umgebaut werden: unsere Erziehung, unsere Gesundheits-<br />

und Altersvorsorge, Architektur und StÄdtebau usw. usf.<br />

Vieles, von dem, was Heide GÇttner-Abendroth in den frÅhen Matriarchaten entdeckt<br />

hat, gehÇrt zu meiner Gesamt-Vision. Wesentlich scheint mir, dass wir uns die Erfahrungen<br />

mit der Umsetzung unserer Visionen mitteilen, und zwei grundsÄtzlich verschiedene<br />

und doch einander ergÄnzende Wege zu ihrer Realisierung besprechen.<br />

Wege zur Realisierung<br />

Der erste Weg baut auf Experimenten und Forschung, auf Daten und Fakten und<br />

Vergleichen auf. Es ist der Weg der langsamen und beharrlichen VerÄnderung in kleinen<br />

Schritten. Das was ich und viele andere seit Åber 25 Jahren mit unseren Arbeiten<br />

in Richtung Çkologisches Planen und Bauen oder Geld– und Bodenreform machen,<br />

ist wichtig und richtig – gar keine Frage. Doch es gibt einen zweiten Weg, der mir bisher<br />

weniger deutlich war.<br />

Das ist der Weg der plÇtzlichen und schnellen VerÄnderung durch unerwartete Krisen.<br />

In dieser Hinsicht habe ich von den neo-konservativen Gruppen und Politikern in<br />

den USA gelernt. Hier denkt man langfristig, handelt aber erst dann, wenn die „Zeit<br />

reif“ ist. Die tausend Seiten umfassende Notstandsgesetzgebung - zum Beispiel - lag<br />

4 Jahre lang in der Schublade. Eine Woche nach den 9/11 Ereignissen wurde sie der<br />

Regierung vorgelegt beraten und verabschiedet.<br />

Liberale Gruppen und Politiker hingegen forschen hÄufig Åber fÅr sie relevante Themen<br />

und verÇffentlichen diese - wenn die Forschungsergebnisse vorliegen - egal ob<br />

„die Zeit reif ist“ oder nicht.<br />

Es wÄre mir deshalb wichtig, wenn wir uns darÅber verstÄndigen kÇnnten, ob und in<br />

wieweit wir die vorhersehbaren Krisen „nutzen“ wollen, um unsere – zumeist radikalen<br />

- Ziele leichter umzusetzen. Dass wir in einer Krisenzeit leben, darin dÅrften wir<br />

Åbereinstimmen. Welche Antworten wir auf Naturkatastrophen, auf WÄhrungszusammenbrÅche,<br />

auf Seuchen, auf Lebensmittel- und Wasserknappheit haben, das kÇnnte<br />

eine interessante Diskussion sein.


Die Kraft der Vision<br />

von Prof. Dr. Margrit Kennedy<br />

Man stelle sich vor, nach den Verwüstungen durch den Hurricane Katharina, hätte<br />

es in den USA ein ausgearbeitetes Konzept für den Wiederaufbau einer nachhaltigen<br />

Stadt gegeben, welches die Klimaaspekte in vorbildlicher Weise erfüllt hätte,<br />

und von ganz verschiedenen Gruppen unterstützt worden wäre... Sicher gibt es alle<br />

Bestandteile eines solchen Konzepts in den Schubladen von NGOs, Universitäten<br />

und Forschungseinrichtungen. Doch sie waren nicht auf ein solches Ereignis vorbereitet.<br />

Vielleicht können wir aus solchen verpassten Chancen auch lernen.<br />

Autorin: Prof. Margit Kennedy; E-Mail: margrit@monneta.org<br />

Exposé für das Symposion des <strong>Forum</strong>s für <strong>Integrierte</strong><br />

<strong>Gesellschaft</strong><br />

von Gandalf Lipinski<br />

Wir teilen sowohl das Erleben der gegenwärtigen Desintegration wie den Wunsch,<br />

konkrete Alternativen zu entwickeln. Wir finden es richtig und wichtig, die bereits<br />

vorhandene praktische Erfahrung im Aufbau von <strong>Gemeinschaften</strong> und die verschiedenen<br />

konzeptionellen Ansätze kritischer <strong>Gesellschaft</strong>sentwürfe zusammenzuführen.<br />

Allzu oft erleben wir in unserer Vernetzungsarbeit, wie <strong>Gemeinschaften</strong> sehr mit sich<br />

selbst beschäftigt bleiben und die verschiedenen Kräfte, die am Aufbau integraler<br />

Politik und nachhaltiger Demokratiereformen arbeiten, manchmal zu konzeptionellen<br />

Abgehobenheiten neigen.<br />

Dabei mÅssten eigentlich die verschiedenen DemokratiereformansÄtze, Bestrebungen<br />

nach StÄrkung der direkten Demokratie, die Entwicklung regionaler LebensrÄume,<br />

regionaler WirtschaftskreislÄufe und –WÄhrungssysteme, Konzepte der gegliederten<br />

Demokratie und die ErmÇglichung selbstbestimmter und lebensdienlicher Arbeit<br />

durch gesicherte Grundeinkommen in eine Zusammenschau gebracht werden.<br />

Wenn man all diese AnsÄtze konsequent weiterdenkt taucht immer wieder die Frage<br />

nach der Grundeinheit einer nachhaltig-demokratischen und integrierten <strong>Gesellschaft</strong><br />

auf.<br />

Existierende und neu zu begrÅndende <strong>Gemeinschaften</strong> wÄren die natÅrlichen VerbÅndeten<br />

dieser Bewegung und kompetente ZukunftswerkstÄtten fÅr die anstehende<br />

gesellschaftlichen Transformationen.<br />

Mit meinem Thema „àsthetik des Sozialen – Demokratiereform und Gemeinschaft“<br />

versuche ich seit fast zwei Jahren in VortrÄgen und Workshops bei dynamik5, Holon


Exposé für das Symposion des <strong>Forum</strong>s für <strong>Integrierte</strong><br />

<strong>Gesellschaft</strong><br />

von Gandalf Lipinski<br />

und den „Violetten“ in Richtung dieser Zusammenschau zu wirken. Dabei stoÉe ich immer<br />

wieder auf zwei PhÄnomene:<br />

<br />

<br />

genussvoll gepflegte Vorurteile einander gegenÅber (z.B. zwischen historisch-politisch<br />

und eher „wissenschaftlich“ bis „links“ orientierten einerseits<br />

und ganzheitlich-spirituell und eher Erfahrungs- und am menschlichen Miteinander<br />

orientierten andererseits) und<br />

eine zum Teil naive bis erschreckende Ahnungslosigkeit, was die historischen<br />

Tiefendimensionen unserer gegenwÄrtigen <strong>Gesellschaft</strong>sstrukturen<br />

angeht. Gerade in Deutschland, wo auf eine beispiellos vitale, ganzheitliche<br />

und vielfÄltige Lebensreformbewegung vor ca 100 Jahren immerhin der<br />

Nationalsozialismus folgte, kann man sich die eigentlich nicht mehr leisten.<br />

Ein Geschichtsbewusstsein, welches Åber die KlÄrung des eigenen VerhÄltnisses zu Papa<br />

und Mama hinausreicht, scheint mir unverzichtbar. Beispiel : der radikale Feminismus<br />

Åbersetzte „Patriarchat“ platt und falsch mit Herrschaft der MÄnner Åber die Frauen,<br />

was es den etablierten Meinungsmachern recht leicht machte, die AnwÅrfe an sich<br />

abperlen zu lassen. Wenn wir es aber in seiner historische RealitÄt begreifen, wÅrden<br />

wir es als „Herrschaft (des einen) Åber..“ begreifen und im Gegenzug die mutterrechtlichen<br />

Kulturen nicht einfach als eine Art umgekehrtes Patriarchat sondern als Gemeinschaftskultur<br />

schlechthin erkennen kÇnnen.<br />

Und wenn wir die Essenzen der Zeit „Vor dem Patriarchat“ zum Beispiel mit denen a-<br />

narchistischer Traditionen oder auch der Lebensreformbewegung in Zusammenhang<br />

bringen, wÅrde das unser VerstÄndnis fÅr die wirkliche Bedeutung von <strong>Gemeinschaften</strong><br />

im Zusammenhang einer nachhaltig demokratischen Gesamtgesellschaft erheblich befruchten.<br />

In diesem Sinne bringe(n) ich (wir) mich (uns) seit einiger Zeit ein in: unser eigenes<br />

Projekt: Modellsiedlung SOMMERLAND – wie wir wirklich leben wollen; die BeitrÄge<br />

unter der Rubrik HOLON in KursKontakte (siehe besonders Nr. 151-155); Tagungen<br />

und Konferenzen in Zusammenarbeit mit dynamik5, dem Netzwerk Holon und der Partei<br />

„die Violetten“ (Exposã meines letzten Vortrags liegt bei). Aktuell bereiten wir gemeinsam<br />

mit den genannten Organisationen zum Zwecke der Synergie unseren großen<br />

Kongress Integrale Politik vom 03. bis 10.08.2008 in Vorarlberg vor, zu dem wir<br />

das <strong>Forum</strong> für eine integrierte <strong>Gesellschaft</strong> hiermit nochmals ganz herzlich einladen.<br />

(Vor-Einladung liegt bei).<br />

Schaffung ganzheitlicher Erfahrungsräume: Unser eigenes Konvergenz-Labor (Flyer<br />

liegt bei), Seminare Körpertheater und Rituelles Spiel, Systemorientierte Theatertherapie<br />

im Rahmen der Deutschen <strong>Gesellschaft</strong> für Theatertherapie<br />

Autor: Gandalf Lipinski, Konvergenz-<strong>Gesellschaft</strong> für ganzheitliche Wahrnehmung, Bewusstseinsentwicklung<br />

und Tiefenökologie e.V. , 32699 Extertal in St.Arbogast, Vorarlberg,<br />

Tel+Fax: 0043 (0) 5262 99 55 30


Anregung für das Symposion: "<strong>Gemeinschaften</strong> zwischen<br />

Grundeinkommen und Regionalpolitik als Impulsgeber für eine<br />

integrierte <strong>Gesellschaft</strong>" von Wolfram Nolte<br />

Wenn man das VerstÄndnis einer integrierten <strong>Gesellschaft</strong> – wie Kai Ehlers sie definiert<br />

zugrunde legt, dann ist das eine <strong>Gesellschaft</strong>, in der die Existenz eines jeden Menschen<br />

gesichert ist, in der jeder Mensch sich in einer selbst gewÄhlten Gemeinschaft<br />

geborgen fÅhlt, in der der einzelne seine Talente frei entfalten und betÄtigen kann, in<br />

der das in Jahrtausenden gemeinsam geschaffene Kapital auch gemeinsam genutzt<br />

wird. Integriert sind dann die verschiedenen bis gegensÄtzlichen Interessen der Vielen<br />

durch die Befriedigung der BedÅrfnisse eines Jeden nach Sicherheit, ZugehÇrigkeit,<br />

Selbstverwirklichung und Sinn. Folgen wir dieser inspirierenden Vision, so stellt sich die<br />

Frage: Was macht <strong>Gemeinschaften</strong> zu Impulsgebern fÅr eine solche <strong>Gesellschaft</strong>, haben<br />

sie gar eine besondere Kompetenz fÅr einen solchen Diskurs?<br />

Wie die NGOés nehmen sich auch die <strong>Gemeinschaften</strong> der verschiedensten Themen<br />

an, fÅr die nach neuen zukunftsfÄhigen LÇsungen gesucht werden muss. WÄhrend die<br />

jeweiligen NGOés sich auf eines oder wenige Themen focussieren und fÅr diese auf der<br />

regionalen, nationalen oder globalen Ebene nach LÇsungen suchen, haben es <strong>Gemeinschaften</strong><br />

mit der ganzen Bandbreite der Themen im Alltag zu tun. Sie ergÄnzen also die<br />

Arbeit der Åbrigen NGOés um die existentielle Dimension und geben deren Konzepten<br />

den notwendigen Erfahrungsbezug. Ihre im Alltag erprobte Erfahrung gibt ihnen eine<br />

besondere Kompetenz fÅr den gesellschaftlichen Diskurs.<br />

<strong>Gemeinschaften</strong> haben eine besondere Bedeutung als Experimente für eine zukunftsfähige<br />

Wirtschafts- und Arbeitsweise<br />

In den meisten <strong>Gemeinschaften</strong> wird versucht, so Çkologisch wie mÇglich zu produzieren<br />

und zu konsumieren. Die Arbeitsweise ist weniger stressig und fremdbestimmt als<br />

in den gesellschaftlichen Arbeitsprozessen. In funktionierenden <strong>Gemeinschaften</strong> ist es<br />

selbstverstÄndlich, dass niemand um seine Existenz fÅrchten muss. Es gibt so etwas<br />

wie eine Grundsicherung durch die SolidaritÄt der Gemeinschaft. DarÅber hinaus gibt<br />

es in einigen <strong>Gemeinschaften</strong> eine gemeinsame âkonomie (Einkommen und/oder VermÇgen<br />

umfassend) nach dem Motto:" jeder nach seinen FÄhigkeiten – jedem nach seinen<br />

BedÅrfnissen" (z.B. Kommune Niederkaufungen, Club99 im âkodorf sieben Linden).<br />

Dazwischen gibt es die verschiedensten Formen einer solidarischen PrivatÇkonomie.wesentlich<br />

und nachhaltig bestimmt (I-Damanhur). Leider ist festzustellen, dass<br />

diese potentiellen Impulse weder von den <strong>Gemeinschaften</strong> noch von NGOés oder staatlichen<br />

Institutionen in ihrer gesellschaftlichen Bedeutung angemessen wahrgenommen<br />

werden.<br />

Wie können diese Impulse bekannt und wirksam werden?<br />

Die Darstellung in Presse, Fernsehen, Rundfunk krankt immer noch unter dem Klischee<br />

der liebenswÅrdigen aber spinnerten Aussteigerprojekte. Die publizistische<br />

Selbstdarstellung kÇnnte durch gemeinsame Projekte verbessert werden: BÅcher, Filme,<br />

Tourneen, Festivals, Kulturveranstaltungen, die aufzeigen, dass diese Projekte<br />

sich in der Rio-Nachfolge als zukunftsfÄhige Alternativen zur <strong>Gesellschaft</strong> verstehen.<br />

Dabei gilt es, sich intensiv mit den Vorurteilen des Kollektivismus und der InselmentalitÄt<br />

auseinanderzusetzen (s. Studie ZukunftsfÄhiges Deutschland).<br />

Informationen und Argumente allein werden nicht reichen. Es wird notwendig sein,<br />

den Menschen Anschauung und Erfahrung zu bieten durch Tage der offenen TÅr,


Anregung für das Symposion: "<strong>Gemeinschaften</strong> zwischen<br />

Grundeinkommen und Regionalpolitik als Impulsgeber für eine<br />

integrierte <strong>Gesellschaft</strong>" von Wolfram Nolte<br />

Gelegenheiten des Mitlebens- und Mitarbeitens. <strong>Gemeinschaften</strong> sollten in Zukunft stärker<br />

als bisher die Aufgaben von Lebensschulen übernehmen und die Qualifikationen für<br />

den Aufbau ähnlicher sozial-ökologischer Lebensformen vermitteln - wie z.B. die Durchführung<br />

des EDE-Kurses (Ecovillage Design Education) mit TeilnehmerInnen aus vielen<br />

Ländern in diesem Jahr in Sieben Linden und im Zegg.<br />

Zusammenarbeit der akademischen und lebenspraktischen Gemeinschaftsforschung,<br />

um die gelebten Antworten mit den relevanten gesellschaftlichen Fragestellungen<br />

zu verbinden, den Transfer ins Große zu ermöglichen, denn es geht ja nicht einfach<br />

um Vervielfachung der Projekte, sondern darum, aus den vielen Projekten den paradigmatischen<br />

Anteil für die Lösung der großen Probleme herauszuarbeiten.<br />

Die Zusammenarbeit mit den NGOås sollte seit den Versuchen in den 90er Jahren<br />

(Frieden mit der Erde, N.E.P.A.L.) wieder aufgenommen werden. Angesichts der Folgen<br />

des Klimawandels hat sich die Einsicht bei vielen verstÄrkt, dass eine Effizienzrevolution<br />

durch eine Suffizienzrevolution ("einfach gut leben") ergÄnzt werden muss, die "ohne<br />

Not" nur dann Erfolg haben wird, wenn der soziale und kulturelle Gewinn den materiellen<br />

Verzicht leicht macht.<br />

Die Diskussion um das Grundeinkommen als materielles Sicherheitskonzept sollte stÄrker<br />

eingebettet werden in Konzepte einer verÄnderten Wirtschafts- und Arbeitweise (z.B. H.-<br />

P. Studer: "MaÉwirtschaft der LebensfÅlle", s. kurskontakte.de) und unterlegt werden mit<br />

den entsprechenden Erfahrungen aus <strong>Gemeinschaften</strong>. Auch die kulturelle und politische<br />

Komponente sollte deutlich und offensiv herausgestellt werden ("Die Angst muss von der<br />

Erde verschwinden", Gorbatschow). Angesichts von Ñl-Peak und Klimawandel sollten die<br />

<strong>Gemeinschaften</strong> sich stÄrker auf die regionale Vernetzung und Kooperation konzentrieren.<br />

(s. die Artikel von John Croft und Jonathan Dawson in eurotopia,<br />

www.kurskontakte.de). Hilfreich wÄre hier sicherlich ein verstÄrkter Austausch der <strong>Gemeinschaften</strong><br />

untereinander Åber die unterschiedlichen Erfahrungen, um besser mit den<br />

Schwierigkeiten vor Ort fertig zu werden.<br />

Neue Aufgabe fÅr die Sozialpolitik: weg von der Verwaltung von Armut – hin zur FÇrderung<br />

des Aufbaus kleiner sozialer Netze, die sich selbst verwalten. Verbindung des<br />

Grundeinkommens mit der Motivierung und beratenden UnterstÅtzung zur Integration in<br />

bestehende oder den Aufbau neuer sozialer Netze. Zu diesen zÄhlen auch die informellen<br />

Netze wie Nachbarschaften, Freundeskreise, alternative Szenen, Kiez etc. Traditionelle<br />

soziale Beziehungsformen wie Familie, Arbeits-Teams etc. sollten durch Stärkung der<br />

Kommunikations- und Kooperationsfähigkeiten der Mitglieder mit gemeinschaftlicher E-<br />

nergie "aufgeladen" werden. Dazu sind kompetente Beratungsteams auch aus den <strong>Gemeinschaften</strong><br />

zu engagieren.<br />

Last but not least geht es um eine (r)evolutionäre Perspektive: um die Emergenz<br />

eines gesellschaftlichen Gemeinschaftsfeldes: die Transzendenz des Ego-Bewusstseins<br />

zu gemeinschaftlichem Denken, Fühlen und Handeln bis hin zu einer ganz neuen Stufe<br />

gemeinschaftlicher Kompetenz (Kollektive Intelligenz, Gaia-Bewusstsein, integraler Geist<br />

einer integrierten <strong>Gesellschaft</strong>). Aber das ist ein eigenes Thema.<br />

Autor: Wolfram Nolte (eurotopia-Redaktion, Ñkodorf Sieben Linden) Ñkodorf Siebenlinden,<br />

web: www.eurotopia.de; eMail: eurotopia.wn@siebenlinden.de


Globale Dörfer!<br />

von Franz Nahrada<br />

Es gibt viele die glauben, die TragfÄhigkeit unseres Planeten sei erschÇpft und die<br />

Menschen seien einfach zu viele. In der Tat hat es den Anschein, als sei die Grenze<br />

erreicht, an der weltweit genug sauberes Wasser, reine Luft, nahrhafte Lebensmittel<br />

und genÅgend Lebensraum fÅr alle zur VerfÅgung stehen. Die globale ErwÄrmung<br />

kompliziert eine ohnehin schon zum Zerreiáen angespannte Situation, in der Gewalt<br />

und Kriege um Ressourcen zum Normalzustand zu werden drohen und sich reiche Eliten<br />

immer rascher von der massenhaft sich in Armutssituationen hineinbewegenden<br />

Mehrheit der Menschen entfernen.<br />

Die urbane Kultur der Industriegesellschaft wird zunehmend durchsetzt von Ghettos,<br />

die dritte Welt ist Åberall. WÄhrenddessen wird weiter in stÄndig steigendem Umfang<br />

Reichtum produziert, der alle Charakteristika von Luxus und Verschwendung trÄgt,<br />

aber auch Reichtum, der ÜberlebensfÄhigkeit vortÄuscht. Die gewaltigen KrÄfte der<br />

Industrie und die Logistik der planetaren Arbeitsmaschine kÇnnen das Elend der vielen<br />

hundert Millionen nicht nur nicht verhindern, sie verstÄrken es vielmehr durch ihren<br />

Ressourcenhunger und ihre fatale Entwertung der menschlichen Arbeitskraft ins Unermessliche.<br />

Der Versuch, Åber ein Grundeinkommen diese Situation zu mildern trÄgt<br />

alle ZÅge einer milden Schizophrenie: die erzwungene UntÄtigkeit des einen Teils<br />

Menschheit soll durch eine gelingende Ausbeutung des anderen Teils kompensiert<br />

werden. Doch genau diese Ausbeutung ist prekÄr; Kapital ist teuer; der Weltmarkt ein<br />

Schlachtfeld; Ballast muss stÄndig abgeworfen werden.<br />

Das ist die eine Seite. Nur sie zu sehen ist fatal, das wissen wir alle. Mein Ansatz ist,<br />

radikal auf die andere Seite hinzuweisen. Toffler nannte es die "Dritte Welle" oder das<br />

"Prosumenten-Zeitalter", McLuhan sprach vom radikalen Gegensatz zwischen dem<br />

zentralisierenden Industriekonzept und dem dezentralisierenden Automationskonzept.<br />

Unser Alltag ist eigentlich voller Dinge, die uns in die Lage versetzen, selber zu tun,<br />

wofÅr frÅher eine spezialisierte Funktion notwendig war. Dezentralisierte Produktion ist<br />

keine ferne Utopie mehr wie Maos Volkskommunen, sondern tagtÄgliche RealitÄt.<br />

WÅrde sie entkoppelt vom Imperativ einer Produktionsschlacht und dem Kampf um<br />

den geringsten Kostpreis, wÄre sie eingebettet in einen wirklichen Lebenskreislauf –<br />

wir wÄren frei von den MÅhen, Plagen und Sorgen sowohl des Vorindustriellen als<br />

auch des Industriellen Zeitalters !! Die Energie und Materie auf diesem Planeten reicht<br />

dafÅr bei weitem aus, wenn wir aufhÇren, uns bei der Erde wie das Kind an der Brust<br />

einer Milchmammi aufzufÅhren und stattdessen mit der Natur gemeinsam an der Reproduktion<br />

ihrer Gaben arbeiten.<br />

Die Aufgabe ist nicht leicht: sie anzufangen vor allem nicht. Ein immenses Geschick,<br />

RÄume und Ressourcen gegen ihre wirtschaftliche Vernutzung zu sichern, Menschen<br />

zu bilden und Wissen Åber die komplexen KreislÄufe umzusetzen in eine andere, sanfte<br />

Technik, die jener der Pflanzen Ähnelt, die beim Assimilieren der Photonen Berechnungen<br />

anstellen, die einem Quantencomputer Ähneln. Das alles im Rahmen und unter<br />

der Bedingung einer galoppierenden planetaren Krise wie oben beschrieben; keine<br />

zweihundert Jahre Zeit, sondern maximal zwanzig; das kÇnnen isolierte, lokale <strong>Gemeinschaften</strong><br />

fÅr sich alleine genommen keineswegs schaffen. Deswegen die Rede<br />

von Globalen DÇrfern. Wir mÅssen uns diese gewaltige Aufgabe teilen, uns spezialisieren,<br />

unsere Wissensfortschritte einander mitteilen, unsere AnsprÅche fokussieren. Das<br />

Ziel das wir uns stecken ist nicht mehr und nicht weniger als alles was wir gebrauchen


Globale DÖrfer!<br />

von Franz Nahrada<br />

in einem Kreislauf der Wertsteigerung und Wiederverwendung zu bringen, statt AbfÄllen<br />

NÄhrstoffe hervorzubringen, unsere HÄuser zu Kraftwerken und Sauerstoffgeneratoren<br />

zu machen, und in unser lokales Leben SchÇnheit und Abenteuer zu bringen.<br />

Konkret? Jede Gemeinschaft sollte Åber ein Lernzentrum, einen Zugangs- und Lernort<br />

verfÅgen, sollte forschen, frei mitteilen, umsetzen. Jeder Ort, an dem wir uns zu<br />

gemeinschaftlichem Leben entschlieáen, sollte eingebettet werden in globale Netzwerke<br />

der Kooperation und des Austausches von Wissen. Fernes Ziel ist es, in jeder<br />

der autonomen Regionen dieses Planeten ein zufrieden stellendes Leben mit den<br />

vorhandenen Gaben der Natur zu fÅhren und gemeinsam die Verantwortung zu Å-<br />

bernehmen dass dies mÇglich wird. Wie gesagt, keine leichte Aufgabe.. Anfangen<br />

sollten wir damit hier und heute, und es gibt fÅr diesen Wissensaustausch einige<br />

sehr effektive Technologien. Davon mÇchte ich auf der Veranstaltung mehr erzÄhlen.<br />

Autor: Franz Nahrada, Forschungslaboratorium GIVE, Wien, Moderator der<br />

Dorfwiki-Internetplattform Tel.: 0043 1 278 7801, f.nahrada@reflex.at , http://<br />

www.dorfwiki.org/wiki.cgi;<br />

Eine kurze Vorstellung von Longo Mai – Wir Åber uns<br />

von Mathias Weidman, Claudia Rachlor<br />

Es ist nicht mÇglich, die dreiáigjÄhrige Geschichte von zunÄchst 20, dann 50, dann<br />

100 und schlieálich 200 Menschen, ihrer Kinder und aller AktivitÄten in kurzen Worten<br />

zu schildern. Wir mÇchten Ihnen hier einige Anhaltspunkte geben und hoffen,<br />

dass Sie sich ein wenig in unsere Utopie einfÅhlen kÇnnen.<br />

Die GrÅnder von Longo maè nahmen aktiv teil an der Revolte in den Jahren um<br />

1968. Sie erlebten die Methoden ihrer Kriminalisierung, die EinfÅhrung der Drogen<br />

zur EinschlÄferung, die Angebote fÅr die Willigen zur Integration. Wir machten uns<br />

Gedanken Åber die sogenannte Wirtschaftskrise am Anfang der siebziger Jahre, die<br />

Verlagerung ganzer Industriezweige in die armen LÄnder, die Modernisierung der<br />

<strong>Gesellschaft</strong>. Wir sahen darin ein stÄndig wachsendes Heer von Arbeitslosen, die<br />

AufrÅstung Europas fÅr weltweite militÄrische Interventionen, revoltierte Jugendliche<br />

und AuslÄnder in der Rolle von SÅndenbÇcken fÅr den Abbau sozialer und demokratischer<br />

Rechte, - eine Vision, die damals nicht viele mit uns teilten. Der Aufruf der<br />

„68-er“ zu Selbstverwaltung in allen Bereichen setzte sich nur in wenigen von<br />

Schlieáung bedrohten Betrieben durch, und so machten wir uns auf den Weg, unsere<br />

Ideen von Selbstbestimmung, SolidaritÄt und freier MeinungsÄuáerung zu verwirklichen.<br />

Wir wÄhlten dafÅr die schon stark entvÇlkerten Berg- und Randgebiete<br />

Europas.


Eine kurze Vorstellung von Longo Mai – Wir Åber uns<br />

von Mathias Weidman, Claudia Rachlor<br />

Der occitanische Gruá „Longo maè“ – es mÇge lange dauern – kam hinzu, als wir provenzalischen<br />

Boden unter den FÅáen hatten. Wir grÅndeten unsere erste europÄische<br />

Kooperative auf einem brachliegenden HÅgel in SÅdfrankreich im Jahr 1973.<br />

Damals wie heute werden Kleinbauern in Europa im Namen des Fortschritts von vollmechanisierten<br />

Agrarbetrieben verdrÄngt, auf anderen Kontinenten verursacht dieser<br />

Prozeá eine regelrechte Landflucht, die nicht selten mit Waffengewalt erzwungen<br />

wird. Der Boden verliert seine Bedeutung als Lebensgrundlage und wird zum Spekulationsobjekt,<br />

wie alle anderen Rohstoffe. Jahrhunderte alte Erfahrungen verschwinden.<br />

Es ist nicht einfach, wieder Zugang zum Boden zu gewinnen und einen anderen Umgang<br />

mit dem Wasser, dem Saatgut, der Vielfalt von Pflanzen und Tieren zu lernen,<br />

Fertigkeiten bei der Verarbeitung, Konservierung und Lagerung der Produkte wieder<br />

zu erlangen und eigene Kriterien bei der Nutzung von Energie und Technologie zu<br />

entwickeln. All das bildet unsere eigentliche Lebensgrundlage, die sich mit jeder Erfahrung<br />

verÄndert und stÄndig neu angestrebt werden muá.<br />

Eng verbunden damit ist das gemeinschaftliche Leben. Jeder bringt seine BedÅrfnisse<br />

und WÅnsche mit, aber im Gegensatz zu dem immer stÄrker werdenden Individualismus<br />

in der <strong>Gesellschaft</strong>, suchen wir nach einem Zusammenleben, das einen Freiraum<br />

schafft fÅr Gastfreundschaft, SolidaritÄt und selbstgewÄhlte Auseinandersetzungen<br />

mit der <strong>Gesellschaft</strong>.<br />

Heute bestehen von den zahlreichen begonnenen Projekten neun Kooperativen, wovon<br />

die meisten in Frankreich liegen, jeweils eine in Deutschland, der Schweiz, âsterreich<br />

und der Ukraine. Land, GebÄude und Produktionsmittel sind unser gemeinsamer<br />

Besitz. Um dies auch fÅr zukÅnftige Generationen zu sichern, wurde die Stiftung<br />

„EuropÄischer Landfonds“ mit Sitz in der Schweiz gegrÅndet.<br />

Zwischen den Kooperativen besteht ein reger persÇnlicher Austausch, dazu kommen<br />

sogenannte „interkooperative“ Treffen. Der Umgang mit Minderheiten in der <strong>Gesellschaft</strong><br />

hat uns gelehrt, ohne Abstimmungen zu leben. Im Vordergrund steht die<br />

Selbstversorgung; sie wird durch Austausch von Produkten zwischen den Kooperativen<br />

oder im Tausch mit befreundeten Projekten ergÄnzt. ÜberschÅsse werden in der<br />

Umgebung oder im Freundeskreis von Longo maè als fertige Produkte direkt vermarktet<br />

oder getauscht. Dazu kommt die Nutzung lokaler Energiequellen und der Bau von<br />

HÄusern mit den natÅrlich vorhandenen Baustoffen. Es gibt keine Lohnarbeit und jede<br />

Gruppe hat eine gemeinsame Kasse. Wichtig ist nicht die kurzfristige RentabilitÄt einer<br />

TÄtigkeit nach den Kriterien des Marktes, sondern ihr Sinn innerhalb unserer AktivitÄten.<br />

Übersteigen Investitionen oder Vorhaben die KrÄfte einer Kooperative, so stehen<br />

sie zur Diskussion, und wir suchen gemeinsam nach FinanzierungsmÇglichkeiten<br />

oder anderen LÇsungen. Eine Finanzierung durch Banken lehnen wir in der Regel ab<br />

und suchen vielmehr einen breiten RÅckhalt unter Freunden fÅr jedes Vorhaben.<br />

Zu den bewusst unwirtschaftlichen AktivitÄten gehÇren die zahlreichen Reisen zwischen<br />

den Kooperativen, der Empfang von Jugendlichen, die stÄndige Aus- und Wei-


Eine kurze Vorstellung von Longo Mai – Wir Åber uns<br />

von Mathias Weidman, Claudia Rachlor<br />

terbildung und natÅrlich alle Formen der SolidaritÄt. Longo maè hat seit seiner GrÅndung<br />

zahlreiche gesellschaftliche Initiativen mit anderen lanciert; die bekanntesten sind die<br />

EuropÄische FÇderaêtion Freier Radios, das EuropÄische Komitee zur Verteidigung von<br />

FlÅchtlingen und Gastarbeitern und das EuropÄische BÅrgerforum.<br />

Longo maè dauert und das ist in der heutigen Zeit keine SelbstverstÄndlichkeit. Ob es<br />

weitere dreiáig Jahre bestehen wird, hÄngt nicht nur von uns ab. Die Jugendlichen, die<br />

zu uns kommen, mÅssen selbst ihre Lehrjahre und ihr Zusammenleben bestimmen, sich<br />

mit den Erfahrungen der älteren auseinandersetzen und umgekehrt. Longo maè ist nicht<br />

ein fÅr alle Mal erfunden worden, sondern bleibt das gemeinsame Projekt von Menschen<br />

unterschiedlicher Herkunft, Generationen und Kulturen, aus dem immer wieder neue Initiativen<br />

entstehen. Longo maè kann aber auch nicht auáerhalb der gesellschaftlichen<br />

Entwicklung bestehen. Unsere Zukunft ist verbunden mit all denjenigen, die sich der Vereinzelung<br />

der Menschen, der Vermarktung der Natur und des Zusammenlebens verweigern.<br />

AutorInnen: Mathias Weidmann (Sale); Claudia Rachor - ulenkrug@t-online.de<br />

Gemeinschaft & bedingungsloses Grundeinkommen<br />

Von Karl-Heinz Meyer<br />

Nach der Einladung von Kai Ehlers, einen Text zu diesem Thema zu schreiben, fiel mir<br />

wochenlang wenig ein fÅr die Verbindung der beiden Begriffe Gemeinschaft & Grundeinkommen,<br />

zumal ich auch zwischen den beiden sozialen Bewegungen (der Gemeinschaftsscene<br />

und denjenigen die sich mit der Diskussion ums Grundeinkommen befassen)<br />

wenig BerÅhrungspunkte sah.<br />

Dann kam mir das Stichwort „Gemeinsame Åkonomie“ in einigen <strong>Gemeinschaften</strong>.<br />

Dort gibt es also bereits das Grundeinkommen oder zumindest die Versorgung mit allem<br />

Lebensnotwendigen und meist auch etwas mehr. Bedingungslos ist es meist nicht, da<br />

sich die Gemeinschaftsmitglieder ja auch an Arbeitszeiten, Arbeitsinhalte etc. halten<br />

mÅssen. Die wÉnschenswerte Entkoppelung von Arbeit und Einkommen ist also<br />

auch in den meisten <strong>Gemeinschaften</strong> noch nicht verwirklicht. Aber da die <strong>Gemeinschaften</strong><br />

kleiner sind als der Staat, kÇnnen individuelle BedÅrfnisse z.B. nach Umfang und Art<br />

der Arbeit eher vorgebracht und berÅcksichtigt werden. Siehe dazu das Kapitel<br />

„Sinnvolle GrÑÖe von <strong>Gemeinschaften</strong>/ Staaten“ in meinem Buch „Zukunftswerkstatt<br />

Gemeinschaftsprojekte“.


Gemeinschaft & bedingungsloses Grundeinkommen<br />

Von Karl-Heinz Meyer<br />

Eine gemeinsame Aufgabe bei der Realisierung des bedingungslosen Grundeinkommens<br />

sowohl in der <strong>Gesellschaft</strong> als auch in den <strong>Gemeinschaften</strong> sehe ich darin, stÄndig<br />

fÅr ein Gleichgewicht zwischen den beiden Polen Individuum und Gemeinschaft/<strong>Gesellschaft</strong><br />

zu sorgen:<br />

<br />

<br />

Der einzelne Mensch braucht Freiheit & EntfaltungsmÇglichkeiten und hat<br />

die Pflicht zur Selbstverantwortung.<br />

Gemeinschaft/Staat dient der Sicherheit und Versorgung der Mitglieder,<br />

u.a.derjenigen die nicht selbst fÅr sich sorgen kÇnnen. DafÅr braucht die<br />

Gemeinschaft/der Staat ein Minimum an Regeln und Abgaben der Einzelnen.<br />

Dieses Gleichgewicht ist gut zu vergleichen mit Kommunismus und Kapitalismus, die<br />

beide einen positiven Kern in sich haben: SozialfÅrsorge im Kommunismus sowie individuelle<br />

EntfaltungsmÇglichkeiten im Kapitalismus. Aber in den real existierenden kommunistischen/<br />

kapitalistischen Staaten ist der jeweils andere Pol zu sehr eingeschrÄnkt,<br />

so dass das System dem Leben nicht mehr gerecht wird:<br />

<br />

<br />

im Kommunismus: durch Schlagseite zugunsten des Staates werden individuelle<br />

EntfaltungsbedÅrfnisse unterdrÅckt.<br />

im Kapitalismus: Durch Schlagseite zugunsten des Ego wird das fÅreinander<br />

da sein immer mehr eingeschrÄnkt.<br />

In beiden Systemen muss entweder auf ein neues Gleichgewicht hingearbeitet werden<br />

oder es kommt zu Krieg oder Revolution.<br />

Gleichgewicht Individuum – Gemeinschaft in heutigen <strong>Gemeinschaften</strong><br />

Eine MÇglichkeit dieses Gleichgewicht zu erreichen, ist die Wahl der passenden<br />

Rechtsformen in den <strong>Gemeinschaften</strong>. Sehr gut beschrieben ist dies in dem Buch<br />

„Alternativen zu Mietwohnung und Eigenheim“*, geschrieben von einem Rechtsanwalt<br />

und einem Finanzexperten der GLS Gemeinschaftsbank:<br />

Das GemeinschaftsgrundstÅck sollte der Gemeinschaft gehÇren (oder einer gemeinnÅtzigen<br />

Stiftung die mit den Zielen der Gemeinschaft Åbereinstimmt) und die Gemeinschaft<br />

vergibt Erbbaurechte an die BewohnerInnen und Betriebe der Gemeinschaft.<br />

Vorteil fÅr die Gemeinschaft: Sie kann einen Rahmen festlegen (z.B. baubiologische<br />

Bauweise, keine rechtsextremen AktivitÄten auf dem GelÄnde, Gewinnabgabe an die<br />

Gemeinschaft...) und bestimmen, wer Nachfolger des Erbbaurechtsnehmers wird. Dadurch<br />

kann auch verhindert werden, dass gemeinschaftlich geschaffene Wertsteigerungen<br />

beim Ausstieg Einzelner privat abgeschÇpft werden.


Gemeinschaft & bedingungsloses Grundeinkommen<br />

Von Karl-Heinz Meyer<br />

Vorteil fÅr einzelne Bewohner/Betriebe: Im oben erwÄhnten Rahmen kÇnnen Sie mit<br />

ihrem Haus/Wohnung/BetriebsstÄtte genauso frei verfÅgen wie mit Eigentum.<br />

Mich interessiert von euch LeserInnen, welche anderen Konstruktionen (nicht nur<br />

rechtliche) ihr kennt, um das beschriebene Gleichgewicht zu erreichen – sowohl in<br />

<strong>Gemeinschaften</strong> als auch auf Staatsebene. Leider kann ich aus terminlichen GrÅnden<br />

nicht am Kongress teilnehmen, wÅrde mich deshalb Åber schriftliche / telefonische<br />

Feedbacks oder Besuche freuen.<br />

Autor: Karl-Heinz Meyer, âkodorf Institut; seit 1980 Beratung bei Gemeinschaftssuche/-grÅndung*<br />

Dipl.-Ing. Karl-Heinz Dieter Meyer, Alpenblickstr.12;<br />

www.gemeinschaften.de Fax 07764-933388<br />

Lebens(t)raumgemeinschaft Jahnishausen:<br />

“<strong>Gemeinschaften</strong> zwischen Grundeinkommen und<br />

Regionalentwicklung als Impulsgeber fÅr eine integrierte<br />

Wenn einer alleine träumt, ist es nur ein Traum. Wenn alle zusammen träumen, ist<br />

es der Beginn einer neuen Wirklichkeit.<br />

Helder Camara<br />

Dieses Motto unserer Gemeinschaft drÅckt unseren Wunsch, unser Bestreben, unser<br />

Ziel aus: wir wollen an einer neuen Wirklichkeit in einer integrierten <strong>Gesellschaft</strong><br />

mitwirken.<br />

Ein paar Informationen zu unserer Gemeinschaft:<br />

Sieben Frauen Åber 50 ersteigerten 2001 das ehemalige Rittergut Jahnishausen. Sie<br />

grÅndeten sofort eine Genossenschaft, die nun die EigentÅmerin der Liegenschaft<br />

ist. Aktuell sind 30 Erwachsene und 4 Kinder zwischen 6 Monaten und 72 Jahren am<br />

Platz. Das GelÄnde ist 3,5 ha groá, es bietet Raum fÅr ca. 70 Leute. Bisher ist die<br />

Energieversorgung, die Entsorgung und vom vorhandenen GebÄudebestand ein Teil<br />

nach aktuellem Çkologischem Standard saniert, der groáenteils denkmalgeschÅtzte<br />

Rest der Bauten wartet noch darauf. Der Garten wird biologisch bearbeitet.<br />

Wie sehen wir uns in Bezug auf das Grundeinkommen?<br />

Das Grundeinkommen kÇnnte eine groáe Hilfe fÅr uns sein! Einige von uns haben<br />

mit ihrer (bescheidenen) Altersrente etwas BGE-Ähnliches und kÇnnen sich dementsprechend<br />

frei an allen ‚Prozessen‘ beteiligen. Uns umgibt viel Arbeit, viele Aufga-


Lebens(t)raumgemeinschaft Jahnishausen:<br />

“<strong>Gemeinschaften</strong> zwischen Grundeinkommen und Regionalentwicklung<br />

als Impulsgeber fÅr eine integrierte <strong>Gesellschaft</strong>”<br />

ben, denen wir uns gerne zuwenden wollenen, und oft reicht uns das Geld nicht!<br />

SelbstverstÄndlich haben und brauchen wir Kredit, selbstverstÄndlich wollen wir ihn tilgen<br />

und mÅssen wir ihn verzinsen. Die GLS-Bank ist unsere Hausbank, so dass uns<br />

zugute kommt, dass viele Sparer dieser Bank mit geringer oder gar keiner Verzinsung<br />

einverstanden sind, und wir daher auch geringere Zinskosten tragen. Das BGE kÇnnte<br />

uns eine sicher(er)e Grundlage geben und uns erleichtern zu arbeiten.<br />

GrundsÄtzliche Anmerkungen zur Finanzierung oder zum organisatorischen Aufwand<br />

des BGE: Es gibt durchgerechnete Varianten (Katholischer Arbeitnehmer Bund KAB<br />

z.B. (http://www.kirche-im-bistum-aachen.de/kiba/dcms/traeger/0/kab-dioezesanverband-aachen/Kampagnen/index1.html).<br />

In den Staaten des “alten Europa” mit ihren<br />

entwickelten Verwaltungsstrukturen und Melde- und Bankwesen ist die DurchfÅhrung<br />

ohne Probleme mÇglich. Steuern fÅr die Nutzung der Naturressourcen (Ähnlich z.B. der<br />

MineralÇlsteuer), aber mit direkter AusschÅttung des Aufkommens an die BÅrgerInnen<br />

kÇnnten einen Beitrag zur Finanzierung des BGE leisten und gleichzeitig Ressourcenschutz<br />

vorantreiben. Die wirklich massiven Hindernisse fÅr ein BGE sehen wir momentan<br />

in einem noch weitverbreiteten (unklaren) Denken des “Leistungsbegriffs” und in<br />

einem “zerstÇrerischen” Menschenbild. Unsere Praxis setzt an beidem an, um es weiter<br />

zu entwickeln.<br />

Wie sehen wir uns in Bezug zur Regionalentwicklung?<br />

Wir sind ein Novum, ein Kristallisationskern – mit groáem Potential, aber noch im Anfang!<br />

D.h. wir werden noch mit Vorbehalt betrachtet, wir sind noch nicht integriert. Unser<br />

Lebensstil wird (noch) als exotisch, z.T. als luxuriÇs, z.T. als Spielwiese, z.T. als<br />

prekÄr betrachtet. Die Çkologische Ausrichtung unseres Platzes ist selbstverstÄndlich<br />

auch Teil einer angestrebten Regionalentwicklung durch dezentrale nachhaltige Energie-<br />

und Lebensmittelversorgung sowie handwerkliche Arbeiten aus eigenen KrÄften<br />

und aus der Region. Ein “anderes Arbeiten” Åben wir bereits mit “1-€-KrÄften” durch die<br />

Vermittlung der Stadt Riesa. Es zeigt deutlich die ZwiespÄltigkeit der aktuellen Situation:<br />

einerseits Druck, EinschÅchterung, Lohnsenkungsmechanismen; andererseits die<br />

MÇglichkeit zu Arbeit zum beiderseitigen und allgemeinen Nutzen: Die Arbeit hat Sinn:<br />

sie dient der Bewahrung von erhaltenswertem Bestand und der Ressourcenschonung,<br />

sie ermÇglicht eine Erfahrung von QualitÄt, die fÅr beide Seiten (Gemeinschaft und 1-€-<br />

Leute) neu und sehr schÇn ist.<br />

Sind wir Impulsgeber für eine integrierte <strong>Gesellschaft</strong>?<br />

Ganz sicher – nur haben wir manchmal das GefÅhl, dass unsere KrÄfte hin und wieder<br />

nicht reichen fÅr das, was wir alles wollen: Wir streben die Integration von jung und alt,<br />

von Frauen und MÄnnern, von Ost und West an. Gerade das “Abenteuer Alter” bis zum<br />

Tod bewusst in unser Leben mit einzubeziehen, ist auch fÅr uns selbst noch neu.<br />

Gleichzeitig versuchen wir das Ziel bereits durch Kontakte zu den traditionellen Institutionen<br />

anzugehen. Wir sind davon Åberzeugt, dass wir da ein ganz wichtiges gesellschaftliches<br />

Feld bearbeiten. Wir nehmen uns extra Zeit fÅr “Gemeinschaftsbildung” –<br />

und eigentlich muss jetzt jemand kochen und das Dach reparieren und sich um die Kinder<br />

kÅmmern, der Konsens ist noch immer nicht gefunden und der Umgang von Person<br />

A mit B und der von C mit sich selbst ist fÅr D und E schwer ertrÄglich, die alte Rechnung(!)<br />

ist nicht aufzufinden, das Kompostklo will geleert werden, die Planung fÅr den


Lebens(t)raumgemeinschaft Jahnishausen:<br />

“<strong>Gemeinschaften</strong> zwischen Grundeinkommen und Regionalentwicklung<br />

als Impulsgeber fÅr eine integrierte <strong>Gesellschaft</strong>”<br />

neuen Bauabschnitt ruft – und jetzt ist auch noch jemand krank geworden! Und unsere<br />

Auáenkontakte und Auáenwirkung wollen wir doch auch pflegen. Wir hoffen und wÅnschen,<br />

dass wir durch das Symposium zur Auáenwirkung beitragen und fÅr unsere eigene<br />

Entwicklung – individuell und als Gemeinschaft – etwas gewinnen kÇnnen.<br />

Die nordamerikanische <strong>Gesellschaft</strong> ist mÇglicherweise schon nÄher dem Ende ihrer<br />

AutorInnen: Alwine Schreiber-Martens; www.ltgj.de; Alwine.Schreiber-<br />

Martens@INWO.de<br />

Urban Agriculture und community gardening als eine Eine-<br />

Welt-Bewegung<br />

von Elisabeth Meyer-Renschhausen<br />

Geschichte als von auáen sichtbar ist. Wenn man sich zu Fuá oder per Rad durch die<br />

innerstÄdtischen Ghettos und Slums begibt, sieht man ein verblÅffendes Ausmaá von<br />

Zerfall, Armut und Elend. Armut ist harte RealitÄt fÅr bald ein Drittel der amerikanischen<br />

BevÇlkerung. 10 % der Amerikaner leiden laut Statistik sogar Hunger. Weder die Bundesregierung<br />

noch die Kommune machen Anstalten, greifende Konzepte zur BekÄmpfung<br />

der wachsenden Not der Geringverdienenden zu installieren.<br />

Gleichzeitig aber fÅhrt diese Krise zu erstaunlichen Paradoxien. Inmitten von verkommenen<br />

Stadtteilen entstehen seit der 90er Jahre in verstÄrktem Maáe neue, ?grÅne?<br />

Nachbarschafts- und Selbsthilfebewegungen, die deshalb erfolgreich sind, weil sie sozusagen<br />

von ganz unten wieder anfangen. Sozial-Abenteurer, in New York gerne<br />

„artists“ and „activists“ genannt, bestellen zusammen mit Ghetto-Kids aus den Slums,<br />

in der Mehrheit farbige Jugendliche oder Migrantenkinder, innerstÄdtische Brachen mit<br />

GemÅse. Dazu grÅnden sie lokale GemÅsemÄrkte fÅr die mit Frischem unterversorgte<br />

ArmutsbevÇlkerung.<br />

Über ihr Tun entdecken sich sowohl die „activists“ als auch die Ghetto-Kids plÇtzlich als<br />

Teil einer weltweiten Umweltschutzbewegung und es macht sie stolz, auf ihre Art und<br />

Weise zum Erhalt der Einen Welt beitragen zu kÇnnen. Dank Community gardening<br />

und Subsistenzlandwirtschaft in der Stadt kommen so viele Jugendliche benachteiligter<br />

Minderheiten mental und meistens dann auch praktisch zum ersten Mal in ihrem Leben<br />

aus den Ghettos heraus. Die ewige Krise wird als Chance begriffen. Es kann wohl angenommen<br />

werden, dass diese neue Gartenbewegung, dieses neue Engagement fÅr<br />

Subsistenz und Urban Agriculture, Klimaschutz kombiniert mit frischem GemÅse fÅr die<br />

Obdachlosen, mehr zur Wiederherstellung des Friedens in den InnenstÄdten beitrÄgt,<br />

als zahlreiche andere PrÄventionsprogramme. Hierzulande wird erlebt diese urban agriculture<br />

und community gardening Bewegung als Engagement fÅr interkulturelle GÄrten<br />

einen neuen Aufschwung. In den "schrumpfenden" StÄdten des Ostens einschlieálich<br />

Ostberlins entstehen immer mehr solcher internationaler GÄrten und auch dort kommen<br />

viele der Mitarbeitenden so aus Arbeitslosenisolation und Perspektivlosigkeit heraus.<br />

Die Notwendigkeit, sie zu verteidigen gegen Administrationen die mit BÅrgerengagement<br />

noch nicht viel anfangen kÇnnen, politisiert diese Bewegung hier Ähnlich wie bisher<br />

in den USA.<br />

Autorin: Elisabeth Meyer-Renschhausen ist freischaffende Journalistin und Privatdozentin<br />

an der Freien UniversitÄt Berlin www.urbanacker.net


Gedanken zu <strong>Gemeinschaften</strong> Grundeinkommen Impulsgeber<br />

integrierte <strong>Gesellschaft</strong><br />

von Hermann Prigann<br />

<strong>Gemeinschaften</strong>..<br />

die Erscheinungsformen von <strong>Gemeinschaften</strong> in unserer europäischen . Geschichte und<br />

nur diese sind für mich bei der Themenstellung relevant, sind vielfältig. Ihre Lebens und<br />

Produktionsformen jeweils geprägt vom historischen Umfeld. Oft als Alternative gedacht,<br />

als in der Gesamtgesellschaft existierender Freiraum, meistens Solidargemeinschaften<br />

mit ideologischem bis religiösen Hintergrund. Der Impulsgeber zur Gründung der meisten<br />

dieser <strong>Gemeinschaften</strong> war und ist augenscheinlich ein UNWOHLSEIN mit und in<br />

den realen Verhältnissen und oft der Versuch ein neues gemeinschaftliches MEN-<br />

SCHENBILD zu entwickeln.<br />

Ihr Schicksal ist bisher das Scheitern. Die Idee jedoch wird sich immer wieder an den<br />

bleibenden WIDERSPRUECHEN neu zu realisieren versuchen.<br />

...Prinzip Hoffnung…<br />

Ist es der zur innovativen Kreativität treibende Widerspruch zwischen den immer existierenden<br />

nonkonformen Minderheiten und der konformen Mehrheit...Gesetz der Evolution,<br />

unser Überlebensgesetz...<br />

Wieweit ist Verständigung möglich zwischen Menschen die Lebenslust in und durch kritische<br />

Hinterfragung erfahren und denen, die solches Unterfangen als Bedrohung ihres<br />

Status Quo erleben.<br />

Warum verschwanden die solidarischen und humanistischen Grundprinzipien z.B. der<br />

frühchristlichen <strong>Gemeinschaften</strong>, als das Christentum zur Staatsreligion wurde.<br />

Wie ist die innere Dynamik von idealen Ideen von Minderheiten erdacht wenn sie denn<br />

das gesamte Raster gesellschaftlicher Wechselwirkungen erfassen?<br />

Oder Sinn der Impulsgeber für BESSERE VERHAELTNISSE ist die Integration dieser<br />

Ideen und praktischen Versuche in die Mühlen der VERWERTBARKEIT der gesellschaftlichen<br />

Widersprüche...es gibt nur OFFENE WEGE.<br />

Woher kommt der Impuls die WELT...MUTTER ERDE...die MENSCHEN retten zu wollen,<br />

oder gar zu müssen....?<br />

Ist es der immerwährende Versuch in Gemeinschaft gegen die Ohnmacht, des ins Leben<br />

Geworfenseins, anzugehen.<br />

Grundeinkommen.<br />

Was geschieht wenn das Geld zum Spielgeld wird? Wie wird der Wert von Arbeit an o-<br />

der für eine Sache verändert, wenn Geld zwei Ebenen von Wertigkeit bekommt?<br />

Welche Einstellungen des Einzelnen über seine Existenz in der Gruppe gemeint alle Dimensionen<br />

dieser Form des Zusammenlebens bis zur Nation Volk etc. müssen vorausgesetzt-erworben<br />

werden, damit bei einem RECHT auf Grundeinkommen - Alimentation<br />

- die Möglichkeit von Weiterbildung und Engagement nicht zu Ungunsten billigen Konsums<br />

und letaler bis psychischer Abhängigkeit enden.<br />

Was zeigt sich im sozio-kulturellen Verhalten, von heute schon alimentierter Gruppen.<br />

Impulsgeber sollte sein.. Sender und Empfänger in Einem Setzt voraus, dass Impulsgeber<br />

auch und zuerst die Widersprüche in der materiellen Welt selbst erfahren und durchschaut<br />

hat. Wer will das von sich behaupten?


Gedanken zu <strong>Gemeinschaften</strong> Grundeinkommen Impulsgeber<br />

integrierte <strong>Gesellschaft</strong><br />

von Hermann Prigann<br />

Ergo, Impulsgeber ist ein Versuchstierchen in <strong>Gesellschaft</strong> mit anderen Versuchstierchen<br />

und impulsiv bis explosiv wird versucht POSITIVE Impulse ins gesellschaftliche<br />

Umfeld abzusenden. Entscheidend ist wohl welche Fragen fÅhrten zu welchen LÇsungsvorschlÄgen<br />

Beides - Fragen, wie L.-vorschlÄge kÇnnen wir als Erkenntnis- oder<br />

Glaubensimpulse charakterisieren - erleben. Ergo, was hat der Impulsgeber Åber seine<br />

EmpfÄnger fÅr Erkenntnisse Oder anders - ist eine sinnvolle Analyse der aktuellen Situation<br />

der Zivilgesellschaft mÇglich.<br />

<strong>Integrierte</strong> <strong>Gesellschaft</strong>. In was integriert?<br />

Wer integriert was - wie, in welche <strong>Gesellschaft</strong>. Was ist auáerhalb einer solchen <strong>Gesellschaft</strong>?<br />

INTEGRIERT - alle Teile eines gedachten Ganzen fÅgen sich zusammen.<br />

Daher klare Kontur - eine Sinn-Ordnung scheinbar erreicht.<br />

DESINTEGRIERT - viele Teile eines noch nicht gedachten Ganzen bewegen sich eher<br />

chaotisch. Daher keine Kontur - jedoch Strukturen in Bewegung - keine Mitte - ein geordnetes<br />

Ende nicht abzusehen.<br />

Meine Wahrnehmung meiner selbst im miteinander mit den Vielen um mich herum und<br />

deren Verhalten untereinander und mir zugewandt...zeitweilig, ergibt die Erkenntnis von<br />

PrÄgungen menschlichen Seins in und durch seine Geschichte, die eine evolutionÄre<br />

innere BegrÅndung hat.<br />

Die GrÅndung unseres Seins liegt im WIDERSPRUCH zum VORGEFUNDENEM.<br />

Widerspruch erzeugt Reibung, kommt zur Hinterfragung - zum Zweifel -- hier sind viele<br />

mÇgliche Richtungen sich zu entscheiden - man kann den Spuren der PrÄgung folgen<br />

und die Zweifel bleiben im Schatten der Erkenntnis -- oder die NEUGIER, die positive,<br />

aktive Seite wird gewÄhlt und der eigene WEG wird gesucht - mit anderen, oder allein<br />

und kooperativ, oder solo etc.<br />

Dann das PhÄnomen der DUMMHEIT, das sich dem Neuen, dem Anderen, dem Fremden<br />

verweigert - durch glauben an Gewissheit des Eigenen durch Ausgrenzung des<br />

Anderen. Die prozentuale Verteilung unserer Spezie auf diese variationsreichen WahlmÇglichkeiten<br />

des gesellschaftlichen Seins tendiert in Masse zur Dummheit, einer Erscheinung<br />

von VerdrÄngungsmethoden von ANGST - Angst vor sich selbst ... Auf diesem<br />

Humus gedeihen seither Religionen und Ideologien... so grÅndet sich immer wieder<br />

das WIR.<br />

Der neue Mensch - eine bessere Welt muss her —sodom und gomorra — hiroshima -<br />

nagasaki menschenrechte im krieg irak afganistan and so on...never ending story.<br />

Wir leben in einem madhouse insofern die Einsichten gegen die Handlungen stehen,<br />

die wir umsetzen - ja wir.<br />

Autor: Herman Prigann, Barcelona


<strong>Gemeinschaften</strong> müssen und könnten Impulsgeber werden<br />

von Werner Rätz,<br />

1. GrundsÄtzlich besteht eine Spannung, wenn nicht sogar ein Widerspruch, zwischen<br />

„Gemeinschaft“ und „<strong>Gesellschaft</strong>“. <strong>Gemeinschaften</strong> sind per Definitionem rÄumlich und<br />

personell begrenzt, Individuen oder Gruppen sind dort freiwillig, sie finden sich auf<br />

Grund spezieller, besonderer Interessen. <strong>Gesellschaft</strong>en sind umfassend, man ist dort<br />

Mitglied, ohne danach gefragt worden zu sein, noch so widerstreitende oder Åbereinstimmende<br />

Interessen und BedÅrfnisse sind kein Kriterium fÅr die ZugehÇrigkeit.<br />

2. Es gibt keinerlei Grund fÅr eine Kritik an der begrenzten Reichweite von <strong>Gemeinschaften</strong>,<br />

im Gegenteil, vieles ist so viel besser oder vielleicht manches auch nur so zu<br />

organisieren. Aber es gib auch keinerlei Grund fÅr eine Ablehnung von<br />

(Zwangs)<strong>Gesellschaft</strong>en oder ihr Ersetzen durch <strong>Gemeinschaften</strong>. Erst die Herstellung<br />

von umfassender <strong>Gesellschaft</strong>lichkeit hat die Menschen von der „Idiotie des Dorflebens“<br />

und der Despotie der Gruppe befreit. Dies war und ist ein zentraler kultureller<br />

und emanzipatorischer Fortschritt, hinter den nichts zurÅck gehen darf und kann. Die<br />

Ausdehnung von <strong>Gesellschaft</strong> auf die globale Ebene ist die Vollendung dieses Prozesses<br />

und unbedingt zu begrÅáen. Regionale, weltanschauliche, kulturelle EinschrÄnkungen<br />

dieses Prozesses wÅrden bestimmte BedÅrfnisse zu „falschen“ und andere zu<br />

„richtigen“ erklÄren und somit Freiheitsdimensionen abschneiden.<br />

3. Die heute real stattfindende Globalisierung folgt allerdings einer Logik und wird durch<br />

Entscheidungen geprÄgt, die ein einzelnes Interesse zentral setzen (auch wenn sie<br />

gleichzeitig viele andere mit umfasst), nÄmlich das an der ungehinderten Verwertung<br />

des Kapitals. Da diese Verwertung nur mÇglich ist, wenn Waren (Dienstleistungen) produziert<br />

und auf dem Markt erfolgreich verkauft werden, ist das zentrale Element einer<br />

solchen Vergesellschaftung der Verkauf der eigenen Arbeitskraft. Aus dieser Arbeitsvergesellschaftung<br />

auszusteigen ist dringend erforderlich, wenn <strong>Gesellschaft</strong> aus der<br />

bewussten und freiwilligen Zustimmung der in ihr Lebenden entstehen soll.<br />

4. Die Wege zu solchem Ausstieg werden und mÅssen vielfÄltig und partiell auch widersprÅchlich<br />

sein. Erkennbar sind aber drei Elemente heute in der Diskussion, die dazu<br />

Entscheidendes beitragen kÇnnen:<br />

<br />

<br />

<br />

Radikale ArbeitszeitverkÅrzung und Arbeitsumverteilung wÅrde viele an der<br />

durch die steigende ProduktivitÄt gewonnen Zeit beteiligen, die nicht von<br />

kapitalistischer Lohnarbeit geprÄgt ist.<br />

Ein bedingungsloses Grundeinkommen wÅrde jeder und jedem Einzelnen<br />

die MÇglichkeit geben, selbst zu entscheiden, inwieweit er oder sie sich auf<br />

diese Art der TÄtigkeit Åberhaupt einlassen mÇchte.<br />

Wenn es gelÄnge, einen Teil der eigenen Reproduktion ganz aus dem<br />

Kreislauf von Lohnarbeit, Warenproduktion und Markt zu lÇsen, wÅrde die<br />

Freiheit, nein zu sagen, noch einmal verstÄrkt.<br />

5. An genau diesem Punkt kÇnnen und mÅssten <strong>Gemeinschaften</strong> eine entscheidende


<strong>Gemeinschaften</strong> müssen und könnten Impulsgeber werden<br />

von Werner Rätz,<br />

Funktion fÅr die Herstellung einer neuen <strong>Gesellschaft</strong>lichkeit haben. Sie kÇnnten zeigen,<br />

dass und wie Wege solcher produktiver Alternativen mÇglich sind. Dazu mÅssten sie zumindest<br />

teilweise ihre Begrenztheit und SpezialitÄt auf umfassende Vergesellschaftungsprozesse<br />

hin Çffnen. Das wird nicht immer mÇglich sein und muss es auch nicht; aber<br />

dort, wo <strong>Gemeinschaften</strong> nach wie vor nur die vÇllig berechtigten subjektiven BedÅrfnisse<br />

ihrer Mitglieder gestalten, dÅrfte ihre Rolle als Impulsgeber fÅr die gesamte <strong>Gesellschaft</strong><br />

sehr beschrÄnkt sein.<br />

Autor: Werner Ràtz, werner.raetz@t-online.de; attac AG Genug fÉr Alle<br />

Ohne Kunst ist Dreigliederung (Grundeinkommen) nichts!<br />

von Rainer Rappmann<br />

“Nun reagiere ich doch noch. da mich der Text von Frederike von Dall éArmi im Herzen<br />

anspricht. Endlich jemand, der es klar ausspricht: Grundeinkommen (Dreigliederung) ohne<br />

Kunst ist nichts und Kunst ohne Dreigliederung (Grundeinkommen) ist nichts. Was<br />

heiát das?<br />

Wir kÇnnen nicht Konzepte (etwa Dreigliederung) fÅr andere Mitmenschen machen, ohne<br />

uns darin zu Åben, uns existentiell selbst zu verÄndern. Sonst wirken wir unglaubwÅrdig.<br />

In den 70er Jahren hieá das Stichwort: Aktion & Mediation. Die beiden Seiten gehÇren<br />

zusammen wie die zwei Seiten einer Medallie Aber auch das wissen schon alle; nur<br />

dass der/die ein oder andere jew. mehr dazu oder mehr dazu neigt. Neu und wichtig finde<br />

ich nur, dass all diese StrÇmungen sich begegnen, sich miteinander austauschen,<br />

sich befruchten und voneinander lernen…<br />

Das geschieht nun offenbar (ansatzweise?) in Eurem Kongress. Ich begrÅáe das und<br />

wÅnsche eine produktiven Verlauf …<br />

Um das noch anzufÅgen: Ich selbst habe mich in den letzten Jahrzehnten insbesondere<br />

um den Ansatz und den Weg von Joseph Beuys bemÅht. Es ist ein Archiv entstanden,<br />

BÅcher wurden publiziert, es fanden Symposien statt und nun, neuerdings, leben die<br />

"Studientage Soziale Skulptur" wieder sehr erfolgreich auf. Es sind - wie gesagt - Ü-<br />

bungstage, fÅr jeden Einzelnen und fÅr die Gruppe. Ihr seid alle recht herzlich eingeladen,<br />

zu der nÄchsten, zu einem der nÄchsten Studientage zu uns nach Achberg zu kommen<br />

(vgl.http://www.fiu-verlag.com/fiu.php?navId=50 und http://www.fiuverlag.com/fiu.php?navId=28).<br />

Und vergesst das Tanzen nicht (vgl. Frederike von Dall éArmi und die Bilder anbei); denn<br />

schlieálich wollen wir doch "die VerhÄltnisse zum Tanzen bringen", oder?<br />

Alles Gute! WÅnscht Rainer Rappmann.<br />

Autor: Rainer Rappmann; www.fiu-verlag.com


Auf dem Weg in eine Andere Welt<br />

von Jochen Schilk<br />

Leider leider kann ich hier nicht, wie einige andere vor mir, mit einem fertigen Konzept,<br />

einer Projektidee oder einem blitzgescheiten Beitrag zum Thema Grundeinkommen<br />

aufwarten. Stattdessen mÇchte ich mit einigen SÄtzen veranschaulichen, aus<br />

welchen wesentlichen Facetten bzw. Mosaiksteinchen sich meine Weltsicht zusammensetzt<br />

und ich mÇchte kurz darstellen, warum ich glaube, dass einige dieser Steinchen<br />

relevant sind fÅr unser Thema "<strong>Gemeinschaften</strong> zwischen Grundeinkommen<br />

und Regionalentwicklung als Impulsgeber fÅr eine integrierte <strong>Gesellschaft</strong>"– Eine Ü-<br />

berschrift, die fÅr mein Empfinden die Frage nach einer vÇllig neuen (ganz alten?)<br />

<strong>Gesellschaft</strong>sform aufwirft.<br />

Mit 33 Jahren dÅrfte ich zu den jÅngeren Teilnehmern des Symposions gehÇren. Seit<br />

knapp zehn Jahren lebe ich in der Lebensgemeinschaft Klein Jasedow im sehr lÄndlichen<br />

Ostvorpommern. Zuvor hatte ich in meiner Heimatstadt MÅnchen einige Semester<br />

VÇlkerkunde und Politik studiert, weil ich mir erhoffte, in der Ethnologie Ideen zu<br />

finden, wie eine – quasi „natÅrliche“– Sozialform auszusehen hat, die den Gegebenheiten<br />

auf dem Planeten und den BedÅrfnissen des Menschen entspricht. Bereits als<br />

Jugendlicher hatte ich Bekanntschaft gemacht mit den diesbezÅglichen Vorstellungen<br />

der anarchistischen Bewegung. Insbesondere faszinierte mich der utopische Aspekt<br />

in Horst Stowassers „Freiheit Pur – Idee, Geschichte und Zukunft der Anarchie“, das<br />

1995 bei Eichborn herauskam. Wichtig zu erwÄhnen ist hierbei, dass Anarchisten<br />

sich schon seit 150 Jahren Gedanken Åber die praktische Umsetzung einer nicht hierarchischen<br />

<strong>Gesellschaft</strong> machen, die u.a. die Prinzipien und Herausforderungen<br />

<br />

<br />

<br />

<br />

Gegenseitige Hilfe,<br />

weitgehende Subsistenzwirtschaft,<br />

kleinteilige Gliederung (in freiwillig zu bildenden) basisdemokratischen<br />

<strong>Gemeinschaften</strong>/Kommunen/Genossenschaften sowie<br />

einer kostenlosen Grundversorgung bzw. einer geldlos funktionierenden<br />

âkonomie verwirklicht.<br />

Vermutlich nicht ohne Grund hat Kai Ehlers dem VorgÄngerbuch zum<br />

„Grundeinkommen fÅr Alle“, der „Erotik des Informellen“, ein Kapitel Åber den russischen<br />

Anarchisten Peter Kropotkin vorangestellt (In dem Buch schreibt Kai Åber die<br />

Überlebensstrategie der post-sowjetischen <strong>Gesellschaft</strong>: freiwillige Re-Organisation<br />

in <strong>Gemeinschaften</strong> sowie allgemeine RÅckbesinnung auf die Subsistenzwirtschaft.)<br />

In der Lebensgemeinschaft Klein Jasedow hatte ich ab 2001 Gelegenheit, in der Redaktion<br />

der von der Gruppe herausgegebenen Zeitschrift KursKontakte/eurotopia mitzuarbeiten,<br />

die sich der Frage widmet, „wie wir heute und morgen leben“ wollen. Dabei<br />

stehen positive LÇsungen im Vordergrund wie z.B.: Regionalisierung, Organisation<br />

in <strong>Gemeinschaften</strong>, Grundeinkommen, alternative Gesundheitsversorgung, Geldreform,<br />

Subsistenzwirtschaft, Dreigliederung des sozialen Organismus (nach R. Steiner),<br />

Demokratie-StÄrkung, Anarchismus, Permakultur, Neue Arbeit (nach F. Bergmann),<br />

Integration der verschiedenen sozialen Bewegungen u.v.a.m. Als ein wichtiges<br />

Thema der Zeitschrift hat sich in den vergangenen Jahren auáerdem die Verbrei-


Auf dem Weg in eine Andere Welt<br />

von Jochen Schilk<br />

tung und Diskussion der Ergebnisse der Modernen Matriarchatsforschung herauskristallisiert.<br />

Die Matriarchatsforschung behauptet mit guten Argumenten, dass die Menschen<br />

bis vor etwa 4-6000 Jahren Åberall auf der Erde in friedlichen (!), herrschaftsfrei-egalitÄren<br />

(!), in der Regel geldlos funktionierenden (!) matrilinearen Clanstrukturen<br />

zusammenlebten. Erst etwa ab 4000 v.u.Z. ist der Übergang zu einer patriarchalen<br />

Weltkultur zu beobachten, mit ihren Hauptmerkmalen Staatenbildung/Zentralismus,<br />

Herrschaft des Menschen Åber Menschen (und die gesamte Natur),<br />

Systematische Ausbeutung von Menschen, Tieren, Pflanzen und Mineralien,<br />

KriegsfÅhrung (!), EinfÅhrung von Geld als Herrschaftsmittel, unkontrolliertes Wachstum.<br />

Durch die Bekanntschaft mit der von Heide Göttner-Abendroth begrÅndeten Modernen<br />

Matriarchatsforschung hatte ich nun gefunden, was ich wÄhrend des Studiums<br />

der etablierten Ethnologie meist vergeblich gesucht hatte: Die Beantwortung meiner<br />

Frage nach einer funktionierenden Sozialform, die sich im jahrtausendelangen Experimentieren<br />

bewÄhrt hat und dem menschlichen Wesen entspricht. Zum GlÅck fÅr die<br />

Forschung gibt es noch auf fast allen Kontinenten VÇlker, die (zum Teil bei durchaus<br />

modernem Lebensstil) ihre matriarchale Sozialordnung und Kultur bis heute beibehalten<br />

konnten. Ich glaube, dass es beim Nachdenken Åber eine neue Kultur der FÅlle<br />

und Gemeinschaft unumgÄnglich ist, die Ergebnisse der Modernen Matriarchatsforschung<br />

einzubeziehen (und ich freue mich, dass bei unserem Symposium mit Heide<br />

GÇttner-Abendroth, Claudia Werlhof und Veronika Bennholt-Thomsen einige der namhaftesten<br />

Forscherinnen dieser Disziplin anwesend sein werden!). Ebenso kÇnnte es<br />

von Nutzen sein, sich bei diesem Unterfangen in der Schatzkammer der anarchistischen<br />

Ideen und Erfahrungen umzusehen. Aus diesem Grund habe ich neben meiner<br />

Arbeit fÅr die KursKontakte vor zwei Jahren mit www.Mama-Anarchija.net eine Website<br />

fÅr „eine neue herrschaftsfreie Kultur“ erÇffnet, die – nicht ohne Erfolg! – versucht,<br />

die Bewegungen der Anarchisten und der „revolutionÄren“ Matriarchatsforschung miteinander<br />

bekannt zu machen. Neben EinfÅhrungstexten zum Matriarchat findet sich<br />

dort auch eine Onlineversion des oben erwÄhnten Buches „Freiheit Pur“, die in den<br />

vergangenen beiden Jahren bereits Åber 50 000 Mal runtergeladen wurde.<br />

Inwiefern sich Details der angesprochenen Dinge in unser Symposium einbringen lassen,<br />

vermag ich noch nicht zu sagen. Ich mÇchte jedoch auf jeden Fall Eure inspirierenden<br />

Impulse aufnehmen, um zukÅnftig weiter in der KursKontakte Åber den in Niederkaufungen<br />

bearbeiteten Themenkomplex berichten zu kÇnnen.<br />

Auf das Zusammenkommen im Februar freut sich<br />

Autor: Jochen Schilk, Lebensgemeinschaft Klein-Jasedow; js@humantouch.de


Grundeinkommen als Gemeinschaftsbildungs-Element<br />

von Arfst Wagner<br />

ZunÄchst einmal klingt es wenig plausibel: Das Grundeinkommen wird individuell und<br />

ohne BedarfsprÅfung ausgezahlt. Da fragen viele: wer wird denn dann noch arbeiten?<br />

Das Desaster ist aber gerade, dass Menschen in der Lage sind, diese Frage zu stellen.<br />

Sie meinen offenbar, dass Mensch fÅr Geld arbeiten wÅrde. Davon sind heute<br />

wohl fast alle auf dieser Welt Åberzeugt, auch bei uns in Deutschland. Es mag ja so<br />

sein, dass vielen egal sein mag, WAS und WIE sie arbeiten, Hauptsache, sie bekommen<br />

dafÅr anstÄndig bezahlt. Es wird ja auch von „Existenzminimum gesprochen“, z.<br />

B. immer wieder von Franz MÅntefering, aber was ist das fÅr ein Existenzbegriff? Dabei<br />

mag Franz MÅntefering durchaus ehrenwerte Absichten haben. Das Existenzminimum<br />

des Menschen ist nicht nur materieller Natur, es hÄngt auch davon ab, ob er sich<br />

MÇglichkeiten zur Kommunikation mit anderen Menschen erworben hat, ob er gelernt<br />

hat, mit seinem GefÅhlsleben klar zu kommen. Ist sein Organismus dem Menschen so<br />

fremd, dass er den Rest seines Lebens unter dieser BÅrde seines Unwissens keuchen<br />

wird? Ist sein Stoffwechsel von miserabler ErnÄhrung und nervÇsen Spannungen gepeinigt,<br />

sein Traumleben Çd und leer, liegt seine Phantasie danieder? Ist sein soziales<br />

Gewissen unter Egoismus begraben? Kann er Tanzen, Atmen, Malen? Kann er sich<br />

entspannen? Wird er mit Angst, Aggression und Neid fertig? Hat er AusdrucksmÇglichkeiten<br />

fÅr Vertrauen und ZÄrtlichkeit?<br />

Wenn Mensch nicht weiá, wer er ist, und nicht weiá, dass er es nicht weiá? Ist das<br />

nicht auch ein gewaltiger Makel seiner Existenzgrundlage?<br />

Wenn all das nichts mit Existenzgrundlage zu tun hat, sondern sich dieses nur durch<br />

einen kleinen Grundbetrag definiert, dann sollten wir zugeben, dass diese Existenzgrundlage<br />

nichts mit Gesundheit, Bildung und GlÅck zu tun hat, sondern nur mit seiner<br />

Verwertbarkeit auf dem Arbeitsmarkt.<br />

Wenn es denn bald ein bedingungsloses armutsfestes Grundeinkommen geben wird,<br />

kÇnnen all diese Fragen von einer ganz anderen Seite angegangen, bearbeitet werden.<br />

Mensch kÇnnte die wirklich grundlegenden Dinge wieder ins Zentrum seines Lebens<br />

stellen. Das wird allerdings erst einmal wieder gelernt werden mÅssen, denn die<br />

Welt steht diesbezÅglich seit lÄngerem auf dem Kopf.<br />

Nehmen wir beispielsweise noch einen anderen Begriff: die VollbeschÄftigung. Der a-<br />

merikanische Geschichtsprofessor und Soziologe Theodore Roszak fragte bereits im<br />

Jahr 1978 in seinem Buch „Person / Planet. The Creative Disintegration of Industrial<br />

Society“:<br />

„Wenn ich hÇre, wie Politiker und Gewerkschaften darÅber reden `den Menschen Arbeit<br />

zu geben é, frage ich mich, ob ihnen klar ist, wie erbÄrmlich wenig damit erreicht<br />

wÄre. Was bedeutet `VollbeschÄftigungé fÅr Menschen wie meinen Vater, deren tÄgliche<br />

Arbeit nur DemÅtigung und QuÄlerei ist? GenÅgt es immer noch, einfach nur zu<br />

zÄhlen, wie viele Menschen Arbeit haben – ohne danach zu fragen, ob sie auf ihre Arbeit<br />

auch stolz sein kÇnnen? Wann werden wir wohl anfangen, nicht mehr nur quantitativ<br />

nach den BeschÄftigungsverhÄltnissen zu fragen, sondern auch qualitativ? Anders<br />

gefragt, wann werden wir anfangen, Menschen nicht mehr als statistische Einheiten<br />

zu betrachten, sondern als Personen?“ (S. 192)


Grundeinkommen als Gemeinschaftsbildungs-Element<br />

von Arfst Wagner<br />

Eigentlich ist das Zeitalter des Individualismus bzw. der EgoitÄt lÄngst vorbei. Doch<br />

funktioniert unsere Arbeitswelt immer noch nach dessen Grundregeln: „Jeder ist seines<br />

eigenen GlÅckes Schmied“. Dabei ist das eigentliche Sozialmotto, wenn eine Gemeinschaft<br />

/ <strong>Gesellschaft</strong> funktionieren soll, genau umgekehrt zu formulieren: Jeder / Jede<br />

ist des GlÅckes Schmied aller anderen.<br />

Und hier liegt die Bedeutung des bedingungslosen armutsfesten Grundeinkommens:<br />

sie ist ein Baustein zu einer neuen Auffassung gesellschaftlichen Lebens. Indem der /<br />

die Einzelne aus der falschen Angst befreit wird, ausschlieálich einer lohnabhÄngigen<br />

fremdbestimmten Arbeit nachgehen zu mÅssen, bekommt er / sie wieder die MÇglichkeit,<br />

sich die Motive fÅr den Inhalt der Arbeit, und damit die Verantwortung fÅr den eigenen<br />

Arbeitsprozess, sich selbst zu geben und ihnen zu folgen. Bisher wurde vielen von<br />

uns das Ergebnis der Arbeit und die Verantwortung fÅr die Arbeit abgekauft. Mit etwas,<br />

was man „Gehalt“ nennt. Zumindest die materielle Grundsicherung wird durch das<br />

Grundeinkommen jedem / jeder Einzelnen von allen anderen zur VerfÅgung gestellt.<br />

Und durch sinnvolle Arbeit, gleich, ob Lohnarbeit oder eine andere, gibt Mensch etwas<br />

davon wieder zurÅck. Auf diese Weise bekommt die Arbeit durch das Grundeinkommen<br />

wieder ihren Sinn, ihre WÅrde, ihre Bedeutung zurÅck. Die verschiedensten Formen<br />

der Arbeit sind auch heute noch so, dass erkennbar ist: sie werden fÅr andere Menschen<br />

geleistet. Die Entscheidung fÅr das Grundeinkommen ist eine Entscheidung fÅr<br />

den Menschen als soziales Wesen und gegen den Menschen als verwertbares Objekt.<br />

Der / die Einzelne wird durch das bedingungslose armutsfeste Grundeinkommen ein<br />

StÅck Freiheit erhalten. Und <strong>Gemeinschaften</strong> kÇnnen nur dann frei sein, wenn sie aus<br />

befreiten Individuen besteht. Und frei wird der Mensch nur durch Bildung, durch Kultur.<br />

Der Mensch ist in seinem Wesen ein Kulturwesen. Und nur zum Teil ein Naturwesen.<br />

Das Kulturwesen sollte die Oberhand behalten, wenn die Menschen eine Zukunft haben<br />

sollen. Und Kultur wird von Mensch zu Mensch geschaffen.<br />

Ein eigenes Erlebnis am Schluss: Am Ende meiner inzwischen zahlreichen Veranstaltungen<br />

zum Grundeinkommen habe ich mir angewÇhnt, die Anwesenden zu fragen:<br />

„Wer von Ihnen glaubt, viele andere Menschen wÅrden nicht mehr arbeiten, wenn es<br />

ein bedingungsloses Grundeinkommen gÄbe?“ Es melden sich ungefÄhr die HÄlfte der<br />

Anwesenden. Zweite Frage: „Wer von Ihnen wÅrde nicht mehr arbeiten, wenn es ein<br />

bedingungsloses Grundeinkommen gÄbe?“ Ergebnis: es meldet sich – keiner.<br />

Roszak nennt Arbeit in seinem oben genannten Buch deshalb „die hÇchste Form des<br />

Yoga“. Sie muss, so Papst Johannes Paul VI. in seiner frÅhen Enzyklika „Laborem E-<br />

xercens“, deshalb „personalen Charakter“ haben, weil dieser „personale Charakter“<br />

dem Wesen der Arbeit innewohnt. Und Åber diese Definition der Arbeit hinaus wissen<br />

eigentlich alle: Arbeit ist das einzige Mittel, um <strong>Gesellschaft</strong> zu gestalten, um fÅr andere<br />

da sein zu kÇnnen und um sich einbringen zu kÇnnen. Deshalb wÅrden auf Dauer die<br />

allermeisten Menschen auch arbeiten, selbst wenn die Arbeit nicht mehr mit dem Lohn<br />

zusammenhÄngen wÅrde.<br />

Autor: Arfst Wagner<br />

http://www.arfst-wagner.de


Respekt und würdevollen Umgang stärken<br />

von Iris Sulz, Hamburg<br />

Der Rose Duft gleicht dem des Apfels.<br />

Ihre BlÅte gleicht seiner Frucht<br />

ums Kernenhaus.<br />

Das Kernenhaus ihrem Kelch.<br />

So Rose ganz Rose werde<br />

und Apfel ganz Apfel.<br />

So werde Mensch ganz Mensch!<br />

Durch die Geburt meines Sohnes vor Åber 20 Jahren fÅhlte ich das groÉe Wunder<br />

und die Verantwortung, Mensch zu werden. Eine tiefe Verbindung zu einem<br />

Wesen, dass aus mir hervorgegangen und doch ist er er selbst: Diese tiefe Verbindung<br />

meinerseits in der vÇlligen Annahme des Anderen und andererseits das<br />

Vertrauen des Anderen zu mir.<br />

ErfÅllt von dieser Erfahrung fragte ich mich: „Wie kann es dazu kommen, dass<br />

ein Mensch keine Ehrfurcht, keinen Respekt fÅr den anderen Menschen empfindet,<br />

bis dahin, dass er den anderen Menschen tÇtet?“<br />

Ich fragte mich konkret: „Was kann ich tun, um das Feindbild Mensch abzubauen<br />

und statt dessen den Respekt und wÅrdevollen Umgang mit einander zu fÇrdern?“<br />

Mit 24 Jahren wollte ich am liebsten die ganze Welt verÄndern. Doch dies Vorhaben<br />

war zu groÉ. Und so fing ich in meiner nÄchsten Umgebung an. Ich lebte<br />

ja damals in der DDR. Ich trat dem ‚Bund der Wehrdienst-Total-Verweigerer’ als<br />

Sympathisantin bei und begegnete Freunden, die auch nach anderen Lebensvisionen<br />

suchten. Es bildete sich eine gemeinsame Kraft. Diese Kraft war einer<br />

der Teile, die im Sommer 1989 den Verein „Neues <strong>Forum</strong>“ grÅndete. Es hatten<br />

sich Menschen zusammen gefunden. die sich als Gestalter ihres Lebens empfanden<br />

und nicht einfach gelebt werden wollten, - Menschen, die fragten: „Wo bin<br />

ich selbst verantwortlich und wo bin ich der Gemeinschaft/<strong>Gesellschaft</strong> gegen-<br />

Åber verantwortlich?“ Es entstanden Arbeitskreise zu den verschiedensten Bereichen,<br />

die im sogenannten `Runden Tisch’ mÅndeten.<br />

Und dann kam das Geld... – WÄhrungsunion!<br />

Das Geld, das so schwer wog, dass es das gerade entstehende „PflÄnzlein<br />

Selbstverantwortlichkeit“ erdrÅckte. Mir wurde klar, dass viele meiner Mitmenschen<br />

diesen Wandlungs-Prozess, der nun kam, nicht bewusst vollzogen, nicht<br />

aus eigener Erkenntniskraft ihre Entscheidungen trafen, sondern aus einem Ab-


Respekt und würdevollen Umgang stärken<br />

von Iris Sulz, Hamburg<br />

sicherungsbedÅrfnis und aus Angst vor einem erneuten <strong>Gesellschaft</strong>sexperiment.<br />

Es fehlte die gelebte Kompetenz einer Gemeinschaftsstruktur, die auf<br />

Selbstverantwortlichkeit aufbaute. Wir konnten nur auf Visionen hindeuten,<br />

doch diese interessierten 90 % der Mitmenschen nicht. Sie suchten das Anfassbare,<br />

Greifbare.<br />

Wo steht das Interesse heute?<br />

Ganz interessant ist, dass es wieder eine Geldfrage ist, die Menschen in Beziehung<br />

treten lÄsst – oder auch nicht. Die Chance, Bewusstsein zu schaffen, ist<br />

gegeben. Wird sie diesmal erkannt und ergriffen, - oder wieder verschlafen?<br />

Wem dient das Grundeinkommen und wozu?<br />

Dient es dem Erhalt dessen, was ist – wie vor 18 Jahren das Geld der WÄhrungsunion?<br />

Dient es dem Konsumenten und Verbrauchern in uns?<br />

Oder wird es einer Zukunftskraft dienen (z.B. Entwicklung der FÄhigkeiten eines<br />

jeden)?<br />

Ist es gewollt, um den jeweiligen Menschen bei seiner Selbstwerdung zu unterstÅtzen?<br />

Wird es zur BrÅcke oder zur KrÅcke in dieser Wirtschaft der áberflutung?<br />

Ich arbeite als HeilpÄdagogin mit Kindern, die ganz individuelle Bedingungen<br />

brauchen, um ihre FÄhigkeiten und ihr Selbst einbringen zu kÇnnen. Es ist fÅr<br />

mich ein Geschenk erleben zu dÅrfen, dass die Kinder, die als nicht integrierbar<br />

galten, durchaus integrierbar sind, wenn eine authentische Wesensbegegnung<br />

stattfindet.<br />

Drei Fragen stellen sich mir zum Thema „In einer integrierten <strong>Gesellschaft</strong>“:<br />

Wie bin ich mir und wie der Gemeinschaft verantwortlich?<br />

Wie findet lebendige Beziehung statt (ein áberwinden der Ichbezogenheit auf<br />

Inselniveau)?<br />

Wie kann ich authentisch sein und authentisch handeln?<br />

Ich freue mich sehr auf die Begegnungschancen wÄhrend des Symposiums und<br />

bin gespannt auf die Kraft dieser Chance. Auch Rose und Apfel brauchen die<br />

KrÄfte, um zu reifen, um ganz zu werden.<br />

Autorin: Iris Sulz, Hamburg


Arbeitsbegriff und Einkommen<br />

von Frank H. Wilhelmi<br />

1. Arbeit und Einkommen<br />

Warum erhalte ich fÅr das, was ich heute schreibe kein Einkommen? Antwort: Weil<br />

durch diese Arbeit der herrschende Wirtschafts-, Arbeits- und Einkommensbegriff nicht<br />

bedient wird. Der alte Arbeitsbegriff ist der Begriff der Erwerbsarbeit und dieser Arbeitsbegriff<br />

ist das Resultat einer spezifischen Form der Rechts- bzw. Eigentumsordnung.<br />

Diese sieht vor, dass Unternehmen Eigentum der Unternehmer sind. Die Zahlung eines<br />

Einkommens ist an die Bedingung geknÅpft, dass der Arbeitnehmer dem Unternehmer<br />

seine Leistung zu einem marktÅblichen Preis anbietet und der Unternehmer dieses Angebot<br />

annimmt. Tut er dies nicht, bleibt der „Nichtunternehmer“ arbeitslos und erhÄlt<br />

auch kein Einkommen, sondern eine Ersatzleistung des Staates, die dieser aus den Sozialabgaben/Steuereinnahmen<br />

finanziert.<br />

2. Lösungsansatz bedingungsloses Grundeinkommen<br />

Bevor man ein bedingungsloses Grundeinkommen einfÅhrt, sollten wir darÅber nachdenken,<br />

ob mit dieser Maánahme etwas Entscheidendes gewonnen ist, wenn das System<br />

im Übrigen so bleibt wie es ist. Die Frage, die sich mir stellt, ist die Folgende: Ist der<br />

Kapitalismus das Endstadium der Idee des Wirtschaftens - gibt es eine postkapitalistische<br />

<strong>Gesellschaft</strong> oder reicht es aus, gewisse MissstÄnde abzustellen – wie beispielsweise<br />

die Arbeitslosigkeit und andere Zwangsmechanismen. Reicht es aus die Zahlung<br />

von Arbeitslosengeld an Bedingungen zu knÅpfen oder die Lohnnebenkosten zu senken?<br />

Ist es das Ziel den Kapitalismus zu optimieren oder ihn zu Åberwinden? Ich glaube<br />

die Arbeitslosigkeit ist kein Betriebsunfall der Marktwirtschaft, sondern die kapitalistische<br />

Marktwirtschaft und die VerknÅpfung von Arbeit und Einkommen stehen in einem Zielkonflikt,<br />

der zu einer generellen Fehlsteuerung des Motivs menschlichen TÄtigwerdens<br />

gefÅhrt hat. Dies hat tief greifende Konsequenzen, die an die Wurzel unseres Menschenbildes,<br />

der WÅrde unseres Daseins reichen. Nur wenn die Menschen an dieser Kernfrage<br />

angesprochen und an ihrer Beantwortung tatsÄchlich politisch beteiligt sind, werden<br />

wir ihrer Bedeutung gerecht.<br />

Aus diesem Grund bin ich skeptisch, mich der Lobpreisung eines bedingungslosen<br />

Grundeinkommens als PatentlÇsung fÅr die Krise des Kapitalismus anzuschlieáen (wenn<br />

das behauptet oder damit das Hauptproblem isoliert werden soll). Mit seiner Propagierung<br />

erwecken seine Protagonisten allzu voreilig den Eindruck, damit sei die Frage der<br />

Bestimmung menschlichen TÄtigsein bereits beantwortet. Dies halte ich fÅr zu kurz gegriffen,<br />

ja es besteht die Gefahr, dass eine solche Maánahme mÇglicherweise sogar<br />

System stabilisierend wirkt und eine grundsÄtzliche Debatte verhindert bzw. verzÇgert!<br />

Ich glaube und erlebe, dass die meisten Menschen arbeiten mÇchten (wobei ich glaube,<br />

das es auch ein Recht auf Faulheit gibt), allerdings nicht unter den gegenwÄrtigem Bedingungen,<br />

sondern erst dann, wenn sie selbst Teil der Fragestellung werden d.h., die<br />

Bedingungen der Arbeit und die Form ihrer Arbeitsinitiativen wirklich mitbestimmen kÇnnen.<br />

Deshalb bedarf es der KlÄrung der Ziele des Wirtschaftens und der Bedingungen,<br />

unter denen Menschen bereit und in der Lage sind produktiv zu sein (intrinsisch – aus<br />

der Liebe zur Sache). Erst dann wenn der Arbeitsbegriff generell zur Diskussion gestellt<br />

und abgestimmt wird, kann auch die Frage des Einkommens befriedigend beantwortet<br />

werden. Unser Symposium ist (wird hoffentlich!) auch ohne ein bedingungsloses Grundeinkommen<br />

zustande gekommen. Insofern ist der Beweis erbracht, dass von seiner Rea-


Arbeitsbegriff und Einkommen<br />

von Frank H. Wilhelmi<br />

lisierung nicht alle sinnvollen BemÅhungen neue Ideen Åber einen neuen Arbeits- Wirtschafts-<br />

und Geldbegriff zu entwickeln abhÄngig sind.<br />

3. Ein neuer Arbeitsbegriff und eine neue Geldordnung<br />

In dem Forschungsprojekt „GestaltungsansÄtze eines neuen Arbeitsbegriffes“ (im Auftrag<br />

der GLS Treuhand e.V.) hat sich das Unternehmen Wirtschaft und Kunst – erweitert<br />

in den letzten 2 Jahren mit neuen ArbeitszusammenhÄngen, Einkommensordnungen<br />

und Unternehmensformen befasst. GrundsÄtzlich glauben wir, dass sich im Umfeld<br />

der traditionellen Unternehmen neue, selbst bestimmte Arbeitsinitiativen grÅnden<br />

sollten, in denen auch die Frage des Einkommens neu und bestimmt werden kann.<br />

Dabei sollte bereits bei der GrÅndung solcher Unternehmen die Frage nach einer lebenslangen<br />

Einkommensgarantie erÇrtert werden. Sie sollte nicht als Aufgabe des<br />

Staates angesehen und wegdelegiert werden, sondern konkret in den Unternehmen<br />

bearbeitet und gelÇst werden, wobei der Staat dann ggf. auf eine Besteuerung verzichten<br />

muss, wenn die vormals staatlichen Aufgaben in Selbstbestimmung und Selbstverantwortung<br />

gelÇst werden. Solange der Kapitalbegriff nicht vom falschen Geld- und<br />

Eigentumsbegriff befreit ist, wÄre die EinfÅhrung eines Grundeinkommens fÅr Alle<br />

nichts anderes als die Widerherstellung der durch die Arbeitsteilung verloren gegangenen<br />

Selbstversorgung, jedoch mit den Mitteln des entwickelten Finanzkapitalismus. Es<br />

kÇnnte leicht der Eindruck entstehen, damit wÄre dem Menschen das Grundrecht auf<br />

menschenwÅrdige Existenz wiedergegeben und die existentielle Grundversorgung als<br />

anerkanntes Menschenrecht garantiert. Es wÄre eine trÅgerische Gewissheit, denn sie<br />

wÄre von einem Staat garantiert, der fÅr die Umsetzung dieses Rechtes weiterhin auf<br />

den SÄulen des Finanz-Kapitalismus (der Ursache des Problems) stehen wÅrde. 4.<br />

WiderstÄnde gegen ein bedingungsloses Grundeinkommen<br />

Was steht der EinfÅhrung eines bedingungslosen Grundeinkommens entgegen? Wir<br />

sind uns bewusst, dass der EinfÅhrung eines bedingungslosen Grundeinkommens<br />

massive Kapitalinteressen und andere Lobbyisten entgegenstehen, die tief verwurzelt<br />

sind in den politischen Parteien und die an allen Schaltstellen des Systems sitzen, um<br />

genau dieses Grundeinkommen zu verhindern und zwar deshalb, weil man sich dar-<br />

Åber im klaren ist, dass der „Lohn- oder Existenzdruck“ fÅr die Unternehmen als Disziplinierungsmittel<br />

der Unterwerfung der abhÄngigen BeschÄftigten unter deren Organisationsmacht<br />

wegfallen wÅrde. Sie mÅssten dann andere Ziele finden, unter denen<br />

es Menschen sinnvoll erscheint in ihren Organisationen zu arbeiten (wenn das beabsichtigt<br />

ist, kÇnnte es heilsam wirken!?). Auch die Gewerkschaften fÅrchten um ihren<br />

Einfluss.<br />

5. Was hält die Wirtschaft zusammen? Geld versus Sozialität<br />

Voraussetzung fÅr einen selbst bestimmten, neuen Gestaltungsansatz fÅr Arbeits- und<br />

Versorgungsgemeinschaften wÄre das Erkennen einer gemeinsamen Bestimmung<br />

menschlichen Daseins und die schÇpferische Gestaltung einer ihr entsprechenden<br />

Form. Dies ist die Aufgabe aller Menschen!!! Parallel mÅsste der Staat sich immer<br />

mehr aus der konkreten Ausgestaltung des Wirtschaftsgeschehens zurÅckziehen<br />

(direkte Demokratie).


Arbeitsbegriff und Einkommen<br />

von Frank H. Wilhelmi<br />

6. Ansätze einer neuen Geld- und Wirtschaftsordnung<br />

GestaltungsansÄtze eines zukÅnftigen Arbeitsbegriffes und die Frage des Einkommens<br />

verbinden sich an dem Gelenk des Geldbegriffes. Der Geldbegriff berÅhrt die Aufgabenstellung<br />

wie Menschen mit unterschiedlichen Arbeitsimpulsen bzw. FÄhigkeiten, die<br />

unterschiedliche Erzeugnisse herstellen, die Ergebnisse dieses gemeinsamen Wirtschaftens<br />

miteinander austauschen und sich gegenseitig mit den ErtrÄgen versorgen<br />

kÇnnen. Auf der Seite der Produktion geht es um die Kreditierung von unternehmerischen<br />

Initiativen, die nur dann umgesetzt werden kÇnnen, wenn die Gemeinschaft ein<br />

Bankenwesen bereitstellt, das diese Unternehmen mit LiquiditÄt versorgt. Die Kredite<br />

sind Voraussetzung, damit die Unternehmen Einkommen an ihre Mitarbeiter bezahlen<br />

kÇnnen. Diese Einkommen berechtigen die Mitarbeiter (im Falle des bedingungslosen<br />

Grundeinkommens – alle Menschen) zum Bezug von GÅtern, die gemeinsam hergestellt<br />

wurden.<br />

Die Ur-Form des bedingungslosen Grundeinkommens findet man in der Landwirtschaft.<br />

Im Dottenfelder Hof (biologisch-dynamischer Landbau, Bad Vilbel), einem der Unternehmen,<br />

das Gegenstand des erwÄhnten Forschungsprojektes war, stoáen wir auf diese<br />

Form des Ur-Kredites. In der Landwirtschaft ist die Natur der Kredit des SchÇpfers<br />

an den Menschen, mit deren nachhaltiger Bewirtschaftung er sich versorgen kann. Es<br />

ergibt sich ein Bild fÅr das bedingungslose Grundeinkommen als Voraussetzung fÅr<br />

jede weitere vom Menschen erarbeitete Kapitalbildung. Die zweite Form der Kreditierung<br />

ist die Ausbildung von FÄhigkeiten in der Bearbeitung der Natur und deren Umgestaltung<br />

in eine Kultur. Wenn der Mensch hierbei Erkenntnis und Wissen bildet, das<br />

ihn zu einer neuen Form (Technik, know how) befÄhigt, in der er einen Vorgang, einen<br />

Prozess oder ein Arbeitergebnis quantitativ oder qualitativ verbessert, nennt man die<br />

Potentiale, die dabei ausgebildet werden Kapital. Ich erreiche in der nÄchsten Stufe ein<br />

besseres Ergebnis – einen Gewinn im Hinblick auf die QualitÄt des Daseins aller Menschen.<br />

Kapital = VolksvermÇgen.<br />

Autor: Frank H. Wilhelmi,


Faircommuny<br />

Versuch einer Integration verschiedener Ansätze<br />

von Theophil Wonneberger<br />

Ort orientiert, nicht an Kapital- oder sonstigen Fremdinteressen. Der pragmatischste<br />

Ansatz ist der der Kommune, als Form des unmittelbaren Zusammenlebens oder als<br />

abstraktere Gemeinschaft zum Schutz der Mitglieder, wie etwa in Genossenschaften<br />

organisiert.<br />

Auf dem Weg zu einer (mÇglicherweise utopischen) geldlosen <strong>Gesellschaft</strong>, in der jeder<br />

nimmt, was er will, und gibt, was er kann, sind Modelle einer „Marktwirtschaft ohne<br />

Kapitalismus“ durchaus akzeptabel und weiterfÅhrend. Das Ziel sind immer die Freiheit<br />

der TÄtigkeit (statt Arbeitszwang), die Abschaffung der Ausbeutung durch leistungslose<br />

private Gewinne oder die AbschÇpfung von Monopolrenten sowie eine krisenfreie<br />

und Ressourcen schonende âkonomie.<br />

Die Entwicklung von substaatlichen Modellen ist kein Selbstzweck. Es geht nicht in<br />

erster Linie um eine StÄrkung (Wiederfindung) der eigenen regionalen IdentitÄt. Vielmehr<br />

bietet ein Åberschaubarer Rahmen fÅr Menschen und Wirtschaft etliche Vorteile.<br />

Er dient der Transparenz der KreislÄufe und der Demokratisierung von Entscheidungen.<br />

Beipiel ist hier die Raiffeisen-Genossenschaft.<br />

Auáerdem ist ein bottom-up-Ansatz m.E. besser geeignet, grÇáere VerÄnderungen<br />

herbei zu fÅhren, als beispielsweise eine Weltrevolution. Eine Vereinigung mit eigenen<br />

Regeln kann einen Schutzraum im bestehenden System bieten und Alternativen praktisch<br />

erproben, ohne ihre KrÄfte in groáen KÄmpfen zu vergeuden. Die Devise lautet<br />

also AushÇhlung des Kapitalismus statt Frontalangriff.<br />

Die Institution der Kommune kann dazu genutzt werden, private Gewinne zu minimieren<br />

und gemeinschaftlich erwirtschaftete ÜberschÅsse (Renten) gleichmÄáig an alle<br />

Mitglieder zu verteilen. Auf diese Weise ist auch die Auszahlung eines regionalen<br />

Grundeinkommens denkbar. Ein viel versprechender Ansatz dazu ist der „Venture<br />

Communism“ von Dmytri Kleiner.<br />

Finanzierung<br />

Geht man einmal von der Annahme einer Volkswirtschaft wie der unsrigen aus und<br />

betrachtet die aktuellen bundesdeutschen Zahlen, so wird sichtbar, dass auch die Finanzierung<br />

einer Kommune durchaus mÇglich ist.<br />

Legt man z.B. das Grundeinkommens-Modell der KAB zugrunde, das auf einer Mischfinanzierung<br />

basiert und ausreichend hoch ist, und erweitert es durch die stÄrkere Besteuerung<br />

von Kapitalgewinnen, die EinfÅhrung einer Ressourcensteuer (INWO), die<br />

Vergemeinschaftung des Bodens und eine Geldreform, wÄre ein existenzsicherndes<br />

Grundeinkommen durchaus finanzierbar.<br />

Diese Rechnung beinhaltet natÅrlich viele unbekannte Variablen und mÇglicherweise<br />

einige Fehlannahmen. Dennoch vermittelt sie den Grundgedanken: Es ist genug fÅr<br />

alle da, wir mÅssen es nur anders verteilen.<br />

Autor: Theophil Wonneberger, geb. 1977 in Berlin, Student der Psychologie, Mitglied<br />

bei INWO, Attac und Netzwerk Grundeinkommen, MitgrÅnder von Regio Berlin<br />

e.V.; Kontakt: tw@regio-berlin.de


Vom Bau eines “Rettungsbootes“ zur Befreiung von der Konsumgesellschaft<br />

Gespräch zwischen Iris Kunze und Maik Hosang<br />

Der folgende Text zeichnet einen Dialog zwischen der Nachhaltigkeitsforscherin<br />

Iris Kunze und dem Sozialökologen Maik Hosang über die Idee und Praxis des<br />

LebensGut Pommritz nach.<br />

Iris Kunze: Das „LebensGut Pommritz“ entstand, um im alltÇglichen miteinander Leben<br />

Antworten auf gesellschaftliche Probleme zu suchen und umzusetzen. Damit gehÉrt es<br />

in das Spektrum „intentionaler Gemeinschaftsprojekte“, die mit sozialen und Ékologischen<br />

Lebenspraktiken experimentieren. Diese werden zunehmend von Wissenschaft<br />

und Politik in ihrem Innovationswert fÑr sozial kooperative Organisationsstrukturen oder<br />

Partizipation in der Planung entdeckt. Das Lebensgut grÑndet auf die SozialÉkologie<br />

des Philosophen und einstigen ostdeutschen Dissidenten Rudolf Bahro. Kannst Du zunÇchst<br />

etwas zu Bahros Ansatz und dem Entstehungskontext des Lebensguts sagen?<br />

Maik Hosang: Um die Entstehung und Praxis des LebensGuts zu verstehen, muss einiges<br />

zu Bahros sozialÇkologischem Denkansatz gesagt werden. „Macht etwas aus<br />

Pommritz!“, mit diesen Worten verabschiedete er sich Ende November 1997 von mir.<br />

Es war unser letztes GesprÄch; er wusste, dass er bald seiner LeukÄmie erliegen wÅrde.<br />

Zuvor sagte er, dass der praktische Versuch wichtiger sein kÇnne als KÄmpfe zur<br />

WeiterfÅhrung des Instituts fÅr SozialÇkologie an der Berliner Humboldt-UniversitÄt.<br />

Bahros grÇátes Novum bestand darin, âkologie nicht nur inter- und transdisziplinÄr zu<br />

betrachten, sondern das forschende Subjekt selbst kritisch reflexiv einzubeziehen<br />

(Bahro 1991). Trotz groáen Interesses von Studenten und âffentlichkeit – die Vorlesungen<br />

besuchten zeitweise um die 1000 Menschen – wurde diese akademische Innovation<br />

im Zuge der Verwestlichung ostdeutscher UniversitÄten wieder abgebaut: der<br />

wissenschaftliche Ansatz sei nicht nachvollziehbar. Ob die damals Urteilenden damit<br />

mehr Åber ihre eigene Angepasstheit als Åber Bahros Forschungsansatz feststellten,<br />

mÇge die Zukunft entscheiden.<br />

Bahro gewann jedoch den damaligen sÄchsischen MinisterprÄsidenten Kurt Biedenkopf<br />

dafÅr, ein praktisches Experiment zu unterstÅtzen. Dieser sorgte mit einigen seiner Vertrauten<br />

dafÅr, dass ein ehemaliges sÄchsisches Forschungsgut bereitgestellt wurde.<br />

Das quer zu den traditionell getrennten Belangen von Umwelt, Wirtschaft, Wissenschaft<br />

und Kultur liegende Vorhaben passte jedoch in keine administrative Schublade. Daher<br />

kam es nie dazu, dass die GebÄude saniert und angemessen ausgestattet wurden.<br />

Doch der Impuls von Denker und Politiker erzeugte zumindest genug Freiraum, um es<br />

zwischen all den etablierten Teilinteressen der Gegenwart nicht ersticken zu lassen.<br />

Iris Kunze: WÇre das Lebensgut vom Land Sachsen stÇrker unterstÑtzt worden, hÇtte<br />

es sich vielleicht ganz anders entwickelt. Wie habt ihr auf die Situation reagiert?<br />

Maik Hosang: In diesem ungewÇhnlichen Freiraum fanden sich Menschen, denen die<br />

Chance und das Abenteuer einer politisch legitimierten und wissenschaftlich begrÅndeten<br />

sozialÇkologischen Utopie wichtiger schienen, als all die damit verbundenen persÇnlichen<br />

Unsicherheiten. So entstand eine paradoxe Situation: Einerseits ein von<br />

hÇchster Stelle des Freistaats Sachsen zur VerfÅgung gestelltes riesiges lÄndliches Gut<br />

mit der anspruchsvollen Aufgabe, neue Formen der Zukunftsforschung praktisch zu<br />

entwickeln. Andererseits keinerlei materielle und personelle Ausstattung; die eigentlich<br />

versprochene Sanierung des um 1900 weltberÅhmten, wÄhrend der DDR-Zeit jedoch<br />

heruntergekommenen Gutes scheiterte am UnverstÄndnis der BÅrokraten.


Vom Bau eines “Rettungsbootes“ zur Befreiung von der Konsumgesellschaft<br />

Gespräch zwischen Iris Kunze und Maik Hosang<br />

Iris Kunze: Die Bahrosche Kritik an der entfremdeten Konsumgesellschaft hat einen deutlichen<br />

Bezug zu den Themen Ökologie und Nachhaltigkeit. Wie hÇngen die Ökologie der Natur<br />

und die „innere Ökologie“ der Menschen zusammen und was bedeutet das fÑr das Miteinander<br />

Leben?<br />

Maik Hosang: KÅrzlich beim GesprÄch mit einer Mitarbeiterin der sozial-Çkologischen Forschungsorganisation<br />

im BMBF staunte ich Åber deren Bemerkung: „Vielleicht braucht die<br />

Nachhaltigkeitsforschung, statt immer wieder ErnÄhrungs- oder Technikumstellungsprojekte<br />

zu fÇrdern, auch eine neue Art von GlÅcksforschung“.<br />

So ungewÇhnlich dieser Gedanke ist, so deutlich kann man nur sagen: ja, das braucht es<br />

dringend. Bereits in Bahros „Versuch Åber Grundlagen Çkologischer Politik“ von 1987 findet<br />

sich ein zentrales Kapitel „Imperativ des GlÅcks“, und darin denkwÅrdige SÄtze wie: „Nur<br />

glÅcklich kÇnnen wir ‛richtig‚ sein. Bloá ‛pflichtgemÄá‚ werden wir nur Eingriffe finden, mit<br />

denen wir doch wieder die Harmonie der Welt stÇren ...“ (Bahro 1987, S. 311).<br />

Und studiert man z.B. die in Richard Layards „Die glÅckliche <strong>Gesellschaft</strong>. Kurswechsel in<br />

Politik und Wirtschaft“ (2005) zusammengetragenen empirischen Ergebnisse, so wird deutlich,<br />

wie stark der Çkologisch verheerende Konsumstil auch eine Kompensation dafÅr ist,<br />

dass die Status-, Konkurrenz- und MobilitÄts(un)kultur moderner <strong>Gesellschaft</strong>en elementare<br />

menschliche BedÅrfnisse nach sozialer Einbindung, Geborgenheit und Wahrhaftigkeit frustrieren.<br />

Bahros sozialÇkologischer Forschungsansatz zielte darauf, diesen Zusammenhang zwischen<br />

Äuáerer Natur und menschlicher Natur, bzw. zwischen Umweltkrise und Inweltkrise<br />

versteh- und verÄnderbar zu machen. AnknÅpfend an Max Webers Erkenntnisse Åber „Die<br />

protestantische Ethik und der Geist des Kapitalismus“ oder an Johan Galtungs Hinweise auf<br />

gesellschaftliche Tiefenkulturen versuchte er begreiflich zu machen, welche historischen<br />

TiefenprÄgungen menschlicher Psyche trotz allen Çkologischen Wissens entsprechende<br />

VerÄnderungen verhindern. Leider fehlten ihm die ForschungskapazitÄten, dies nÄher zu<br />

untersuchen. Doch zusammen mit anderen Wissenschaftlern konnten wir kÅrzlich nachweisen,<br />

wie sehr sich seine Vermutungen durch Erkenntnisse der neueren psychologischen<br />

und sozialwissenschaftlichen Forschung begrÅnden lassen (Hosang u.a. 2005 und 2006).<br />

Iris Kunze : Warum wollte Bahro ein Lebensgut, also eine Gemeinschaft grÑnden? Warum<br />

haben ein Forschungsinstitut, eine Ökologiebewegung oder einfach Handlungsempfehlungen<br />

fÑr Einzelpersonen seiner Ansicht nach nicht ausgereicht? Offensichtlich liegt etwas<br />

Besonderes in einer gemeinschaftlich organisierten Wohnform, das die Umsetzung von<br />

Bahros Idee des „heilsamen Miteinanders“ erst ermÉglicht. Welche Bereiche sollten in diesem<br />

gemeinschaftlichen Experimentierprojekt miteinbezogen sein, was kann „individuell“<br />

sein?<br />

Mai Hosang: Bahro sah, in Anlehnung an Hegel, die Wissenschaft auch als „moderne Kirche“,<br />

als Institution, die trotz ihrer freiheitlichen und kritischen Diskursregeln von subtilen<br />

Tabus und Statusstrukturen durchzogen ist, welche verhindern, dass bestimmte Themen<br />

zur Sprache kommen. Deshalb sein Ansatz, die WeltzerstÇrung verursachende SubjektivitÄt<br />

selbst in die wissenschaftliche Reflexion einzubeziehen. Das zielte letztlich auf eine scientific<br />

community im besten Sinne des Wortes, in der Menschen nicht nur mit einem Teil ihrer<br />

rationalen KapazitÄten, sondern auch als essende, wohnende, liebende, fÅhlende Wesen<br />

beteiligt sind. Das war an einer UniversitÄt – also gerade einem Hort des abgespaltenen,<br />

unglÅcklichen Bewusstseins –, nur sehr bedingt zu realisieren. Daher der Versuch, das UniversitÄtsinstitut<br />

fÅr SozialÇkologie durch eine sozialÇkologische Praxis zu ergÄnzen.


Vom Bau eines “Rettungsbootes“ zur Befreiung von der Konsumgesellschaft<br />

Gespräch zwischen Iris Kunze und Maik Hosang<br />

Iris Kunze: Zwischenfrage: Warum dann überhaupt ein universitäres Institut und nicht<br />

gleich ein Gemeinschaftsprojekt?<br />

Maik Hosankg: Bahro hatte selbst bereits zuvor mit praktischen Alternativen experimentiert.<br />

Er hatte nicht nur den einstigen Kommune-Arbeitskreis der GrÅnen mitgegrÅndet,<br />

sondern auch in konkreten Projekten wie z.B. der Lernwerkstatt Niederstadtfeld<br />

gelebt. Daher war ihm klar, dass damit oft auch ein RÅckfall in zu sehr mit sich<br />

selbst beschÄftigte Strukturen verbunden ist. Kritische Reflexion im universalistischen<br />

Sinn ist das beste Pendant um das zu verhindern und so wirklich mit ähnlichdenkenden<br />

„ins Offene zu kommen“ – wie sein Lieblingsdichter HÇlderlin dies nannte.<br />

Iris Kunze : Wie sieht das Leben im Lebensgut nun konkret aus? Inwieweit haben die<br />

Mitglieder sich mit dem Bahro-Ansatz auseinander gesetzt?<br />

Maik Hosang: Dieser Ansatz einer Integration von Wissenschaft und ganzheitlicher<br />

Lebenspraxis war und ist fÅr viele auf den ersten Blick kaum zu fassen. Obwohl die<br />

meisten, die damals das Lebensgut mit begannen, von Bahro gelesen oder gehÇrt hatten,<br />

hatte sich doch kaum einer wirklich in seinen integralen Denkansatz vertieft. Je<br />

nachdem was die eigenen Vorlieben waren, deutete man ihn als BefÅrworter von SubsistenzkreislÄufen<br />

und Çkologischem Landbau, von kommunitÄren Strukturen, selbstbefreienden<br />

Gruppentherapien oder offenen spirituellen Suchprozessen. Erst eine<br />

ganze Reihe von Konflikten zwischen diesen TeilverstÄndnissen fÅhrte dazu, sich<br />

mehr und mehr der Integration dieser Aspekte und damit auch einer kritischen, zum<br />

Teil wissenschaftlichen Reflexion des eigenen Tuns im Çkologischen, wirtschaftlichen,<br />

politischen und kulturellen Gesamtzusammenhang zu nÄhern. Deshalb wurde vor einigen<br />

Jahren auch das Institut fÅr SozialÇkologie, welches an der Humboldt-UniversitÄt<br />

unwillkommen war, in diesem lebendigeren Rahmen als freies Institut fÅr integrierte<br />

SozialÇkologie neu gegrÅndet. âkologischer Landbau und GebÄudesanierung, sowie<br />

vielfÄltige soziale und kulturelle Praxis bedeuten eine Menge tÄglicher Arbeiten, in die<br />

sich jeder im Rahmen seiner FÄhigkeiten einbringt. Aber wer Lust und Talent dazu hat,<br />

betreibt eben auch Wissenschaft, nicht lokal begrenzt, sondern vernetzt mit in Ähnlich<br />

integraler Richtung Forschenden weltweit.<br />

Iris Kunze: Bitte etwas konkreter. Kannst Du kurz vorstellen, welche Unternehmen<br />

und Projekte das Lebensgut aufgebaut hat? Für ein zukunftsfähiges Projekt wesentlich<br />

ist natürlich auch die Frage, ob ihr Euch selbst versorgen könnt. Das heißt, ob ihr Formen<br />

der direkten geldlosen Selbstversorgung praktiziert oder Arbeitsstellen geschaffen<br />

habt und ob ein Austausch mit der Region besteht und diese vom Lebensgut profitiert.<br />

Maik Hosang: Neben einer teilweise recht weitgehenden internen Selbstversorgung<br />

mit Lebensmitteln, Baustoffen, EnergietrÄgern, Heilweisen, Kinderbetreuung etc. entstanden<br />

zwei nach auáen hin attraktive Unternehmen. Zum einen die âkolandbau<br />

Pommritz GbR, die mit 70 ha Land, Åber 100 Milchziegen und KÅhen, KÄserei und BÄckerei<br />

nicht nur der vielseitigste âkolandbaubetrieb Ostsachsens ist, sondern deren<br />

Produkte auch in vorderen RangplÄtzen der deutschen Feinschmeckerzeitschrift auftauchen.<br />

Zum anderen die Lernwerkstatt fÅr Philosophie und Ethik, eine in ihrer Art<br />

einzigartige philosophische Erlebniswelt, in der zentrale Ideen der bedeutendsten Denker<br />

der Weltgeschichte – von Thales und Sokrates bis Nietzsche, Darwin und Husserl


Vom Bau eines “Rettungsbootes“ zur Befreiung von der Konsumgesellschaft<br />

Gespräch zwischen Iris Kunze und Maik Hosang<br />

– in Form interaktiver Kunstwerke nachvollziehbar sind. Daneben gibt es SelbstÄndige<br />

in verschiedensten Bereichen, vom Bioladen bis zum Dozenten.<br />

Die Verbindung von lokaler bzw. regionaler Selbstversorgung bei GrundbedarfsgÅtern<br />

mit globaler Arbeitsteilung bei komplexen technischen GÅtern ist ein Aspekt des<br />

integralen Çkologischen Denkansatzes, den wir von Bahro Åbernahmen. Wie weit er<br />

das realisiert, entscheidet jedoch jeder auf seine Weise. So haben sich in direkter<br />

Umgebung der Friedensgarten und in ihm Menschen angesiedelt, die von lokalen<br />

Produkten leben und auch auf Geld weitgehend verzichten, stattdessen auf das einander<br />

Schenken setzen.<br />

Iris Kunze: Findet bei Euch eine interne Geldumverteilung oder eine soziale Staffelung<br />

des Mitgliedsbeitrags fÑr Wohnen und Infrastruktur statt? Ein solches gemeinschaftliches<br />

Sozial- und GÑtersystem, das in eine <strong>Gesellschaft</strong> von Ungleichheiten<br />

eingebettet ist, wÇre ein wirklicher Schritt zur FÉrderung der sozialen Dimension der<br />

Nachhaltigkeit. Wenn dies eine StÇrke intentionaler <strong>Gemeinschaften</strong> werden soll,<br />

scheint es auch wichtig, Methoden der KonfliktbewÇltigung bereitzustellen und eine<br />

Kultur der Kooperation, Verantwortung und RÑcksicht fÑr die GemeinschaftsgÑter<br />

aufzubauen, damit das Vorurteil der „verwahrlosten linken Hippiekommune“ keine<br />

BestÇtigung findet. Wie ist die Erfahrung im LebensGut dazu?<br />

Maik Hosang: „Verwahrloste Hippiekommunen“ taugen gut als Schreckgespenst und<br />

lassen vergessen, dass Menschen die lÄngste Zeit ihrer Geschichte recht gut, geordnet<br />

und „nachhaltig“ in gemeinschaftlichen Strukturen gelebt haben. Es gibt aber kein<br />

zurÅck dahin, die Individualisierungen und Universalisierungen der Moderne kÇnnen<br />

nicht in isolierte kleine <strong>Gemeinschaften</strong> zurÅckgehen. Vielmehr geht es darum, welche<br />

gemeinschaftlichen QualitÄten modern integriert werden kÇnnen. Wie kann mehr<br />

soziale Geborgenheit und wahrhaftige Kommunikation, auch mehr ZÄrtlichkeit in Wirtschaft<br />

und <strong>Gesellschaft</strong> dazu beitragen, kompensatorischen Konsum ÅberflÅssig zu<br />

machen? Etwas in dieser Hinsicht ist unser „tÄtiges Grundeinkommen“. Jeder von<br />

seinen physischen und psychischen Voraussetzungen dazu fÄhige Mensch mÇchte<br />

etwas Sinnvolles tun und dies auch ohne Sorge um sein tÄgliches Brot tun kÇnnen.<br />

Deshalb ermutigen wir jeden dazu, seine besonderen Talente zu erkennen und diese<br />

zum Nutzen aller zu entwickeln und auszuÅben. Einige arbeiten auáerhalb in einem<br />

normalen Job, viele sind im Rahmen des Gutes selbst tÄtig. Die Organisation all dieser<br />

Arbeit ist ein Gesamtkunstwerk, in dem finanzielle, technische, menschliche und<br />

ideelle Aspekte auf neue und individuell oft ganz besondere Weise integriert sind. So<br />

ist hier keiner arbeitslos, sondern jeder dazu FÄhige in fÅr andere nÅtzlicher Weise<br />

tÄtig. Im Rahmen des rechtlich mÇglichen – Lohn, Erziehungsgeld, ALGII, 1€-Jobs –<br />

wird dann Åber einen konkreten Wirtschaftsbetrieb oder Åber den gemeinnÅtzigen<br />

Verein das nÇtige Grundeinkommen fÅr jeden gewÄhrleistet. Damit dies mÇglich ist,<br />

braucht es gemeinschaftliche Netzwerke, die zwischen privaten Individuum oder<br />

Kleinfamilien und unpersÇnlichem Staat vermitteln. Eine menschliche Heimat, die<br />

auch im Falle einer Familienkrise bleibt und den einzelnen ermÇglicht, Werte wie erweitertes<br />

MitgefÅhl, SolidaritÄt und Aufrichtigkeit zu praktizieren. Dies ist nicht einfach<br />

fÅr moderne Stadtneurotiker. Auch hier gab es einige Krisen, bis sich ein inzwischen<br />

Åberwiegend gut anfÅhlendes Gemeinwesen entwickelte. Man ist sich WeggefÄhrte,


Vom Bau eines “Rettungsbootes“ zur Befreiung von der Konsumgesellschaft<br />

Gespräch zwischen Iris Kunze und Maik Hosang<br />

auch bei verschiedenen Ansichten in manchen Dingen; es gibt langjÄhrige Freundschaften,<br />

auch LiebesverhÄltnisse jenseits der dennoch existenten Kleinfamilien. Auch Ältere<br />

Menschen sind hier sinnvoll eingebunden, und Kinder haben neben Mutter und Vater<br />

vielseitige BezÅge zu anderen Personen. Dennoch: Konflikte gehÇren zur Entwicklung,<br />

und am besten lernt man noch immer aus gemachten Fehlern.<br />

Iris Kunze: Wenn das LebensGut als ein Ort des Experimentierens gegrÑndet wurde,<br />

was sind Eure „Forschungsergebnisse aus der Alltagspraxis“, um sozialÉkologische und<br />

zukunftsfÇhige Lebensweise umsetzen zu kÉnnen? In welchen Bereichen habt ihr wesentliche<br />

Erfahrungen gesammelt und Erfolge im Vergleich zum gesellschaftlichen Umfeld<br />

erzielt?<br />

Maik Hosang: Heute, ca. zehn Jahre nach den praktischen AnfÄngen – 1993 zogen erste<br />

„Neusiedler“ ins Gut, doch erst 1998 wurde ihr Verein „Neue Lebensformen“ EigentÅmer<br />

grÇáerer Gutsbereiche – sind die riesigen GebÄude erst teilweise saniert. Den derzeit<br />

ca. 50 mehr oder weniger aktiv beitragenden Frauen, MÄnnern und Kindern aller Altersklassen<br />

und Berufe gelang ein in vieler Hinsicht unorthodoxer Lebensstil, der im Vergleich<br />

zum deutschen Durchschnitt deutlich weniger Ressourcen verbraucht und dennoch<br />

in vieler Hinsicht eine hÇhere LebensqualitÄt aufweist. Ein nicht beabsichtigtes,<br />

doch angesichts der deutschen Gesamtsituation interessantes Ergebnis ist die Geburtenrate<br />

von 2,3 je Frau. Sie deutet darauf hin, dass die modernen <strong>Gesellschaft</strong>en inhÄrente<br />

Entwertung und damit ZerstÇrung von Äuáerer Natur und menschlicher Natur in<br />

einem unmittelbaren Zusammenhang stehen.<br />

Iris Kunze: Bahro sprach davon, Ékologische <strong>Gemeinschaften</strong> als „Rettungsboote“ fÑr<br />

die nicht ÑberlebensfÇhige Megamaschine zu bauen. Bei diesen Worten schimmert das<br />

Konstrukt der „untergehenden Welt“ durch, das gern von gesellschaftsfrustrierten und<br />

sektiererischen AnsÇtzen genutzt wird, und die als „romantische Gegenvergemeinschaftung“<br />

bezeichnet werden (Strang 1990). Daraus kann leicht eine Weltretterideologie entstehen,<br />

die auf paranoider <strong>Gesellschaft</strong>skritik grÑndet. Worin besteht die „Rettung“ - und<br />

wovon genau soll gerettet werden?<br />

Maik Hosang: „Über den Bau von Rettungsbooten“, so lautete der Titel eines 1991 von<br />

einer Tageszeitung verÇffentlichten GesprÄchs mit Rudolf Bahro. Was ist damit gemeint<br />

und was nicht? Sicher kann man verschiedener Meinung sein Åber die durch Ressourcenvernutzung<br />

und Klimawandel entstehenden Bedrohungen moderner <strong>Gesellschaft</strong>en.<br />

Doch angesichts einiger offensichtlicher ZustÄnde der Gegenwart – das Aussterben vieler<br />

Tier- und Pflanzenarten, die fÅr gebildete Menschen unertrÄgliche Differenz von<br />

Reichtum und Armut auf der Erde u.a. – lohnt es sich, Åber menschliche WÅrde rettende<br />

Alternativen nachzudenken. Doch wie kommt man dahin? Neues in Natur- wie Kulturgeschichte<br />

entsteht fast nie inmitten dominanter Strukturen bisheriger Art – deren Selbstschutzfunktionen<br />

verhindern das. Sie entstehen eher in Nischen oder RÄndern des Bisherigen.<br />

Die meisten Mutationen misslingen im Spiel der Evolution, doch in dieser oder<br />

jener Hinsicht erfolgreiche entwickeln im Fall instabiler Altsysteme oft weiterbringend<br />

Neues. Solche Nischenexperimente zu unterstÅtzen und miteinander zu vernetzen, gilt<br />

als aussichtsreichste Methodik fÅr nachhaltige Emergenzen. Der Sinn kleinstruktureller<br />

sozialÇkologischer Innovationen besteht also nicht primÄr darin, in Erwartung steigender


Vom Bau eines “Rettungsbootes“ zur Befreiung von der Konsumgesellschaft<br />

Gespräch zwischen Iris Kunze und Maik Hosang<br />

Meeresspiegel sich selbst zu retten, sondern Möglichkeiten vorbeugender gesellschaftlicher<br />

Transformationen zu entdecken und auch für andere fruchtbar zu machen. Daher<br />

verkündet das LebensGut weder eine für alle gültige Heilsbotschaft, noch isoliert es sich.<br />

Man engagiert sich in regionalen und überregionalen Netzwerken auch mit Andersdenkenden,<br />

ob mit klassischen Unternehmern oder bei Attac.<br />

Iris Kunze: Könntest du abschließend kurz noch etwas dazu sagen, welche Empfehlungen<br />

für nachhaltigkeitsorientierte Wissenschaft und Politik sich aus euren Erfahrungen<br />

ableiten lassen?<br />

Maik Hosang: Der Politik wäre ein Auge dafür zu wünschen, die Menschen und Initiativen,<br />

die über materialistische Wachstumsideologien und Konsumismus hinaus denken<br />

und fühlen, als Chance für die Zukunft zu sehen und zu unterstützen.<br />

Literaturhinweise<br />

Bahro, R.: Logik der Rettung. Ein Versuch Éber die Grundlagen Åkologischer Politik, Stuttgart und<br />

Wien 1987.<br />

Bahro, R.: Konzeption eines Instituts fÉr SozialÅkologie an der Humboldt-UniversitÄt zu Berlin, in:<br />

Bahro, R: RÉckkehr. Die In-Weltkrise als Ursache der Umweltkrise, Berlin und Stuttgart 1991.<br />

Grundmann, M., Kunze I. u.a.: Soziale <strong>Gemeinschaften</strong>. Experimentierfelder fÉr kollektive Lebensformen,<br />

MÉnster 2006.<br />

Hosang, M., Markert, B., Fraenzle, S.: Die emotionale Matrix. Grundlagen fÉr gesellschaftlichen<br />

Wandel und nachhaltige Innovation, MÉnchen 2005.<br />

Hosang, M., Seifert, K. ( Hg. ) : Integration. Natur-Kultur-Mensch. SozialÅkologische Innovationen<br />

fÉr zukunftsfÄhige Lebensweisen, MÉnchen 2006.<br />

Strang, H.: Gemischte VerhÄltnisse. Anzeichen einer Balance von „ Gemeinschaft “ und<br />

„ G esellschaft “ , in: SchlÉter, C., Clausen, L. ( Hg. ) : Renaissance der Gemeinschaft? Stabile<br />

Theorie und neue Theoreme, Berlin 1990.<br />

Mehr zum Lebensgut Pommritz siehe unter: www.lebensgut.de; Text fÉr das das Symposion<br />

„ G emeinschaften zwischen Grundeinkommen und Regionalentwicklung als Impulsgeber fÉr eine<br />

integrierte <strong>Gesellschaft</strong>. “

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!