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Manuel Andrack Avec Plaisir 2012

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Wandern in den Ardennen<br />

<strong>Manuel</strong> <strong>Andrack</strong> genießt den Blick<br />

auf die Ourthe am Hérou-Felsen.<br />

»Damals in<br />

den Ardennen«<br />

Dieser Ausruf des Opas im Bademantel aus der Klimbim-<br />

Familie klingt mir immer noch im Ohr. Denn ich wandere<br />

in den Ardennen, erstmals. Es ist schon komisch, dass<br />

die Ardennen mir absolut neu als Wanderregion sind,<br />

liegt diese wallonische Landschaft weiß Gott nicht hinter<br />

dem Mond, sondern im Herzen Europas: Zwei Stunden<br />

22<br />

<strong>Avec</strong> <strong>Plaisir</strong> | Wallonie<br />

vom Rheinland, zwei Stunden vom Saarland entfernt.<br />

Ein Reisebericht vom Wanderexperten<br />

<strong>Manuel</strong> <strong>Andrack</strong><br />

© Natalie Glatter, www.wandermagazin.de


Brüssels beste Fritten-Buden<br />

»Mein Wanderherz<br />

schlägt höher ... um<br />

uns präsentiert sich<br />

ein Naturschauspiel<br />

der Extraklasse.«<br />

Geografisch gesehen sind<br />

die Ardennen eine Art Verlängerung<br />

des Rheinischen<br />

Schiefergebirges (und damit<br />

der Eifel) nach Westen.<br />

Wenn man nicht die Gegend<br />

um Bitburg und Prüm<br />

als »Westeifel« bezeichnen<br />

würde, könnte man mit Fug<br />

und Recht auch die Ardennen<br />

Westeifel nennen. Aber<br />

das mit der Westeifel hören<br />

die Belgier gar nicht gerne.<br />

Denn die Ardennen sind die<br />

Ardennen. Punktum.<br />

I<br />

ch sitze bei einem Tee mit Eric in einem gemütlichen Landhotel von Nadrin<br />

am Kamin. Gleich wird es losgehen mit unserer Ardennen-Wanderung.<br />

Mit unserer ersten Wanderung muss man sagen, denn Eric hat geplant,<br />

mir ein ganzes Kaleidoskop von wallonischen Wanderregionen zu präsentieren.<br />

Eric ist für die nächsten Tage mein Belgien-Guide. Er kennt sich<br />

sehr gut aus, denn er ist – Belgier. Geboren in Brüssel, aufgewachsen in<br />

Wuppertal. Eric ist sowas wie ein Royalist (ob er das wirklich ernst meint?), vor allem<br />

aber ist er ein Outdoor-Verrückter.<br />

Der Tee ist ausgetrunken, es geht los, die Ourthe ist unser Ziel. Ourthe, schon dieser<br />

Name fasziniert mich, ich habe nie von diesem Fluss gehört, aber die Ourthe schlängelt<br />

sich durch die Landschaft, als hätte ein Gartendesigner den Flusslauf kreiert. Mein<br />

Wanderherz schlägt höher, denn der Pfad schlängelt sich wild durch und über unglaubliche<br />

Felsen. Schiefer- und Quarzithärtlinge sind das, erklärt mir Eric, sie haben<br />

sich in Jahrmillionen aufgefaltet, aufgerichtet, hochgestapelt. Die Geologie hat ganze<br />

Arbeit geleistet, um uns ein Naturschauspiel der Extraklasse zu präsentieren. Zum<br />

kleinen Picknick hat Eric stilecht eine Flasche Trappistenbier mitgebracht. Belgien<br />

und das Bier, das ist eine spezielle Geschichte, dazu später mehr.<br />

Beschwingt durch die wunderschöne Landschaft und das Trappistenbier lassen<br />

wir unsere erste kleine Wanderung ausklingen, indem wir vom Gratweg<br />

hinunter zur Ourthe gehen und uns am Ufer von dem träge dahin fließenden<br />

Fluss verzaubern lassen. Gemütlich, langsam, so scheint der ganze Landstrich<br />

zu sein, auch die Menschen, die in den Ardennen wohnen. Vielleicht ist »träge«<br />

zu negativ, sagen wir mal, alle sind sehr entspannt...<br />

© Natalie Glatter, www.wandermagazin.de<br />

© Natalie Glatter, www.wandermagazin.de<br />

© Natalie Glatter, www.wandermagazin.de<br />

<strong>Avec</strong> <strong>Plaisir</strong> | Wallonie 23


Wandern in den Ardennen<br />

Verschnaufpause auf der<br />

Wandertour bei Achouffe<br />

»Ohne Übertreibung einer<br />

der drei besten Talwege,<br />

die ich je gewandert bin.«<br />

© Natalie Glatter, www.wandermagazin.de<br />

… der erste Ortswechsel<br />

W<br />

© Natalie Glatter, www.wandermagazin.de<br />

enige Kilometer von Nadrin entfernt<br />

liegt Achouffe, ein Ardennen-Ort mit<br />

einer kleinen Brauerei. An dieser Brauerei<br />

beginnt ein sehr feiner Rundwanderweg:<br />

Sechs Kilometer, die es in sich<br />

haben!<br />

Zunächst geht es los in einem Tal, das sich immer mehr verengt.<br />

»Promenade de la vallée des fées« heißt unser Wanderweg, wir<br />

promenieren also in den Tälern der Feen. Sagengestalten sind in<br />

den Ardennen hoch im Kurs: Feen, Werwölfe, Zwerge. Dann<br />

gehen wir über eine Brücke, später bergan hoch durch üppigen<br />

Ginster. Im Frühjahr ist der Ginster quietschgelb. Kurze Zeit<br />

später erleben wir eine völlig andere Landschaft, es geht in einen<br />

düsteren Fichtenwald, einen richtigen Hänsel-und-Gretel-Wald.<br />

In diesem Wald steigen wir talwärts durch Hohlwege ins nächste<br />

(Feen-)Tal. Im Prinzip führt dieses Tal wieder zurück zum<br />

Ausgangspunkt in Achouffe, aber man ist (Gott sei Dank) noch<br />

lange nicht am Ziel. Denn der Weg ist nun mal das Ziel.<br />

Einen derart bombastisch naturnahen<br />

Wanderpfad habe ich<br />

selten erlebt. Ohne Übertreibung<br />

einer der drei besten Talwege, die<br />

ich je gewandert bin. An einem<br />

virilen Bach geht es entlang, wir<br />

laufen über Wurzeln, Felsen,<br />

feuchte und wacklige Stege. Es<br />

gibt auch kurze Kletterpassagen,<br />

aber Seile und Ketten sind<br />

weitestgehend unbekannt. Aber<br />

richtig gefährlich ist das alles<br />

nicht, das Schlimmste, das passieren<br />

könnte, sind ein paar feuchte<br />

Socken. Wir sehen viele Biberdämme,<br />

einige Baumstümpfe am<br />

Wegesrand<br />

weisen die<br />

typischen<br />

Biber-Knabber-<br />

Spuren auf. Ich bin ein wenig traurig, als wir<br />

wieder in Achouffe ankommen, das war wirklich ein Wanderweg,<br />

den ich direkt noch einmal gehen würde.<br />

»Promenade de la vallée des fées« heißt unser Weg,<br />

wir promenieren also in den Tälern der Feen.<br />

Aber große Trübsal blasen wir keineswegs, weil die Brasserie<br />

lockt, die das im Ort gebraute Bier ausschenkt: Das Chouffe Bier,<br />

eine von hunderten regionalen Bierspezialitäten Belgiens. Ich<br />

versuche alle Sorten der Brauerei zu verkosten. Denn ich liebe<br />

belgisches Bier, jawohl! Und das sagt ein ehemaliger Botschafter<br />

des deutschen Biers. Manche Bier-Puristen mögen nun aufheulen,<br />

und zitieren das deutsche Reinheitsgebot, das in Belgien angeblich<br />

nicht beachtet wird. Oder die Bier-Puristen kommen mit dem<br />

alten Witz: »Wenn du 1.000 Jahre alt werden willst, solltest du<br />

belgisches Bier trinken, denn das Bier in Belgien hat ein Haltbarkeitsdatum<br />

bis 3016.«<br />

Alles Unsinn, Konservierungsstoffe haben auch im belgischen Bier<br />

nichts zu suchen. Aber man ist eben etwas experimentierfreudiger:<br />

Ich trinke zum Beispiel das Houblon, gebraut mit drei verschiedenen<br />

Hopfensorten. In Deutschland werden dagegen nur zwei<br />

Prozent aller Hopfenarten ausgeschöpft. Ergebnis: Fast alle Biere<br />

schmecken ähnlich. Nicht so in Belgien. Ganz anders als das<br />

Houblon mundet das blonde Chouffe, ein sauberes achtprozentiges<br />

Bier. Eric erzählt, dass er immer wie ein Schaf guckt, wenn er<br />

zu viel davon kostet. Der Stoff schmeckt, genauso wie das braune<br />

Chouffe, einfach göttlich, zum Niederknien, süffig, austariert in<br />

den Bitterstoffen, die haben es echt drauf, die Belgier.<br />

© WBT - Emmanuel Mathez


Wandern in den Ardennen<br />

© WBT - Eva Claushues<br />

Die Burg von Bouillon an der Semois,<br />

unweit von Corbion<br />

… der zweite Ortswechsel<br />

Am nächsten Morgen. Wir sind in den äußersten Süden Belgiens<br />

gefahren, nach Corbion nahe der französischen Grenze.<br />

Wir gehen an natursteingemauerten Häusern vorbei hinaus<br />

aus dem Ort. Im Wald erreichen wir nach wenigen Minuten<br />

den Predigtstuhl, einen Aussichtspunkt oberhalb der Semois.<br />

Die Semois ist die große Schwester der Ourthe, genauso<br />

abenteuerlich trickreich verschlungen. Und wer predigte am<br />

Predigtstuhl? Peter der Eremit war es, der dort oben zu den<br />

Truppen des Gottfried von Bouillon predigte. Das ist Geschichte<br />

pur mitten in den Ardennen. Denn kurz vor Beginn<br />

unserer Wanderung hatte ich mir mit dem königstreuen<br />

Eric die Burg von Bouillon angeschaut, die liegt auch an der<br />

Semois, unweit von Corbion. In dieser Burg residierte einst<br />

Gottfried von Bouillon, der erste Kreuzfahrer der Weltgeschichte.<br />

Inzwischen wandern Eric und ich bergab zur Semois<br />

hinunter.<br />

Wir könnten nun auch im Tal bleiben,<br />

aber uns lockt ein genialer Aufstieg zu<br />

den Crêtes de Frahan.<br />

»Crêtes« bedeutet Felsgrat. Idyllisch schlängelt sich der<br />

schmale Pfad durch die faszinierende Felsenlandschaft. Wir<br />

rasten an einigen Steinüberresten, die zu einer kleineren Burg<br />

gehörten. Im 21. Jahrhundert kann man in der Gegend von<br />

Corbion jede Menge Natur genießen, vor einigen hundert<br />

Jahren war dort burgentechnisch die Hölle los. Wir wandern<br />

auf einem Bergsporn, zu beiden Seiten unter uns fließt die Semois.<br />

In Frahan gehen wir über eine Fußgängerbrücke auf die<br />

andere Flussseite, und dann geht es wieder Richtung Corbion.<br />

Eric zeigt mir eine alte Tabak-Trocken-Scheune. Vom Tabak<br />

und vom Schiefer hat die Region gelebt, bis die Amerikaner<br />

mit ihren Zigaretten kamen. Camel und Lucky Strikes killed<br />

den Tabakanbau der Ardennen.<br />

Mehr<br />

Informationen:<br />

Der Artikel erscheint noch ausführlicher in der Ausgabe<br />

164 (Mai/Juni <strong>2012</strong>) der Zeitschrift Wandermagazin,<br />

erhältlich im Zeitschriftenhandel.<br />

www.wandermagazin.de<br />

Alle im Artikel beschriebenen Wanderungen und<br />

insgesamt 24 Wandertouren in den Ardennen<br />

finden Sie im Pocket-Guide, herausgegeben vom<br />

Wandermagazin in Zusammenarbeit mit Belgien<br />

Tourismus. Zu bestellen bei Belgien Tourismus.<br />

www.belgien-tourismus.de<br />

Wanderreise in die Wallonie buchen:<br />

Zwölf Tage Belgien mit Wikinger-Reisen: Per pedes<br />

entdeckt man unter anderem die waldreichen<br />

Hügel und unendliche Fluss-Schleifen in den<br />

Ardennen. Mehr Infos auf<br />

www.wikinger-reisen.de<br />

Weitere Publikationen:<br />

Die schönsten Wanderungen Ost belgiens.<br />

Herausgegeben vom Verkehrsamt der<br />

Ostkantone. www.eastbelgium.com<br />

Rother Wanderführer »Ardennen – Hohes<br />

Venn«. Mit 50 Wandertouren in den belgischen<br />

Ardennen. Im Buchhandel erhältlich.<br />

www.rother.de<br />

24 WANDERTOUREN<br />

IN SÜDBELGIEN<br />

Nun, nach den wallonischen Wanderabenteuern steht uns<br />

sowieso nicht der Sinn nach einem Glimmstengel, sondern wir<br />

sind bereit für ein gutes Essen und einen exzellenten Wein.<br />

Dafür machen wir einen dritten Ortswechsel und fahren zur<br />

Auberge du Sabotier nach Awenne bei Saint Hubert. Wir<br />

genießen ein großartiges Menü bei Luc Dewalque, dem Chef<br />

des Hauses, trinken dazu die formidablen Weine aus seinem<br />

Weinkeller und denken an die vergangenen Wanderabenteuer<br />

in den Ardennen, wie an einen schönen Traum. Damals in den<br />

Ardennen eben…<br />

Belgische Ardennen<br />

Ein Pockeguide der<br />

Zeitschrift Wandermagazin<br />

WANDERN IN DER WALLONIE<br />

Belgien Tourismus<br />

Wallonie • Brüssel<br />

© Natalie Glatter, www.wandermagazin.de<br />

<strong>Avec</strong> <strong>Plaisir</strong> | Wallonie 25

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