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<strong>Leseclick</strong><br />
Wenn sie stören und sich blöd benehmen, ist das ihr Fehler und nicht<br />
jener der Schule.<br />
Klar, sie stören mehr und treiben Unfug. Doch wir müssen uns auch fragen,<br />
warum. Viele Jungen sind durch die aktuellen schulischen Kommunikations- und<br />
Disziplinierungsmethoden überfordert. Wenn Buben in einer Gruppe<br />
zusammenkommen, muss man anders vorgehen, damit Ruhe einkehrt, als bei<br />
Mädchen. Das sehen wir hier am Institut (siehe auch Box) immer wieder. Bei<br />
Mädchen ist es wichtig, erst Kontakt aufzunehmen, zu reden, sich anzunähern.<br />
Bei Buben geht das nicht. Buben wollen, wenn sie in eine Gruppe kommen,<br />
wissen: Wie sind die Hierarchien, wer hat was zu sagen, wer ist der Stärkste, wer<br />
der Zweitstärkste? Das muss bereinigt werden und führt anfänglich zu intensiven<br />
Provokationen. Erst wenn dies bereinigt ist, kann man mit Jungen arbeiten. Das<br />
Problem ist, dass an den Schulen anders vorgegangen wird. Ein weiteres Problem<br />
ist, dass die Hauptinteressen der Jungen –Autos, Fussball, Gewalt –wenig<br />
schulisch genutzt werden. Früher bestand das Fach Geschichte zum Beispiel<br />
praktisch nur aus Schlachten, was sehr einseitig war. Heute schlägt das Pendel<br />
stark auf die andere Seite aus. Kriege, Kämpfe und Katastrophen, dramatische<br />
Ereignisse generell, interessieren Buben sehr. Doch all dies kommt im Unterricht<br />
kaum mehr vor. Schade, denn es wäre eine Möglichkeit zu erreichen, dass<br />
Jungen lieber lernen.<br />
Das war bei uns in der Schule tatsächlich so: Die Weltkriege faszinierten<br />
die Buben wahnsinnig, uns Mädchen überhaupt nicht.<br />
Mädchen empfinden die Auseinandersetzung mit Gewalt als gestört und unnötig.<br />
Jungen werden hellwach: das Bombardement von Dresden, die Invasion in der<br />
Normandie! Über die Auseinandersetzung mit solch grässlichen Themen lernen<br />
sie sich und die Welt kennen. Heute stehen an der Schule soziale Kompetenzen<br />
im Vordergrund. Das ist natürlich auch wichtig. Doch die Art und Weise, wie<br />
Buben und Mädchen sprechen, ist unterschiedlich. Buben benützen weniger eine<br />
Beziehungssprache als eine Berichtssprache. Beziehungssprache findet auf einer<br />
persönlichen Ebene statt. Buben sprechen lieber in einer nüchternen<br />
Berichtssprache, bei der Fakten im Vordergrund stehen.<br />
Man hört oft, auch Buben müssten lernen, ihre Gefühle auszudrücken.<br />
Natürlich müssen sie das, doch sie drücken ihre Gefühle anders aus. Das tun sie<br />
oft, wenn sie über Sachen reden: Fussball, Technisches. Doch in der Schule<br />
herrscht heute das Dogma, dass auch Jungen lernen müssten, in der<br />
Beziehungssprache auszudrücken: «Du hast mich verletzt.» Jungen reden auf<br />
eine andere Art über Gefühle. Sie erklären einem das beste Automodell, prahlen<br />
oder erzählen Witze. Ich hatte einen Jungen in der Gruppe, der sich nicht<br />
öffnete. Ich sah dann, dass er im Portemonnaie das Foto eines Autos mit sich<br />
trug. Ich fragte ihn: «Was ist das für ein Auto?» So begann er zu sprechen. Wir<br />
unterhielten uns über Autos, nicht über Gefühle.<br />
Jungen aus Ex-Jugoslawien treten oft machohaft auf: mit Gelfrisur,<br />
muskelbetonenden Shirts und einer Sprache, die feminismuserprobten<br />
www.elternmitwirkung.ch 28.05.06<br />
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