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Mai 2006 · Nummer 22 Aufbruchstimmung »Leipzig ist anders«

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H1<br />

H1 Medien-Messe: Gut 2.400 Journal<strong>ist</strong>en begleiteten den Start ins Branchen-Jahr<br />

H1<br />

<strong>Mai</strong> <strong>2006</strong> <strong>·</strong> <strong>Nummer</strong> <strong>22</strong><br />

Leipziger<br />

Bücherbrief<br />

H2<br />

H1 Heiße Bücher, coole Parties: Im UT Connewitz und dutzenden anderen Clubs der Messestadt gehen die Lichter erst gegen Morgen aus H2 Das Herz eines<br />

Boxers: Leipzigs Lokalmatador Clemens Meyer sorgt für volle Säle H3 Kulturarbeit: Das Auswärtige Amt unterstützt die Auslandsprojekte der Messe<br />

Halle 2 auf Schritt und Tritt zu beobachten. Eine bunte, für manch<br />

Erwachsenen fremde Welt. Zugleich ein Plädoyer für Lust am Experiment,<br />

spielerischen Umgang mit neuen, ungewohnten Veranstaltungs-Formaten.<br />

Das zahlt sich aus: Das Segment, längst eine tragende<br />

Säule des von Gewinnen nicht eben verwöhnten Buchmarkts,<br />

boomt. Jugendliche in den phantasisch-schrillen Kostümen ihrer Lieblings-Comicfiguren<br />

sorgten für Farbtupfer in der Welt der Schlipsund<br />

Anzugträger. Rund 50 Verlage aus Europa und Fernost erwiesen<br />

sich mit ihren Mangas erneut als Publikumsmagnet. Das junge Publikum<br />

feierte »Simpsons«-Zeichner Bill Morrison oder die japanischen<br />

Mangakünstlerinnen Arina Tanemura und Kaori Yuci wie Popstars,<br />

drängte sich unter dröhnend hämmernden Lautsprechern im Anime-<br />

Kino oder im »Dojinshi«-Markt.<br />

Laute Bücher, stille Worte: »Es wäre besser, Du singst<br />

wie Pavarotti«, schlug der italienische Star-Autor Stefano Benni<br />

lachend seinem Verleger Klaus Wagenbach vor, als die Lesung durch<br />

dröhnende Popmusik von der benachbarten Leseinsel überlagert<br />

wurde. Als Publikums- und Autorenmesse, als Plattform für den<br />

hautengen Kontakt zum Leser, <strong>ist</strong> Leipzig mediales Großereignis und<br />

Teil der Eventkultur rund um’s Buch. Doch lautes Trommeln und<br />

H3<br />

leise Töne müssen sich nicht widersprechen – die Mischung macht’s.<br />

Die Leipziger Buchmesse hat sich einmal mehr als ideale Kommunikations-<br />

und Kontaktbörse für all jene erwiesen, die sich mit dem<br />

Transport der Literatur zum Publikum beschäftigen: Buchhändler<br />

und Verleger, Kritiker, Agenten, Übersetzer, Lektoren, Hersteller und<br />

Vertriebsleute. Hochkarätige Veranstaltungen wie die Symposien der<br />

Deutschen Literaturkonferenz oder des Arbeitskreises für Jugendliteratur<br />

(AKJ) haben Tradition; die Verleihung des BuchMarkt-Awards<br />

oder des Alfred-Kerr-Preises, die Ausstellung der »Schönsten Bücher<br />

aus aller Welt« helfen, die Netzwerke der Profis enger zu knüpfen.<br />

Foren wie das Focus-Hörbuchcafé oder das neugestaltete Fachbesucherzentrum<br />

sind Orte lebendigen Austauschs über Menschen und<br />

Märkte, Medien und Management. Die sprichwörtliche Leipziger<br />

Leichtigkeit läßt Branchen-Kommunikation ohne das Diktat des Terminkalenders<br />

zu. Wer genug diskutiert hat über Volltextsuche, Übersetzervergütungen<br />

und die Rabattpolitik der Barsortimente – für den<br />

hält Leipzig an hunderten Orten Entdeckungen bereit. Entdeckungen<br />

in der Literatur – und im Leben. Wie heißt es doch so schön in<br />

Nicholas Shakespeares Roman »In dieser einen Nacht«, der hier<br />

noch zu Vorwende-Zeiten spielt: »In Leipzig waren die Frauen hübscher,<br />

die Männer größer. Und man konnte das Essen schmecken.«<br />

<strong>»Leipzig</strong> <strong>ist</strong> <strong>anders«</strong><br />

Die Buchmesse <strong>2006</strong> im Spiegel der Presse<br />

Nach dem vorsichtigen Abtasten beim Start vor 15 Jahren hat Leipzig<br />

sein Profil als Kommunikations- und Wohltu-Messe gefunden. Wer<br />

nach Leipzig fährt, weiß, was ihn erwartet. Das <strong>ist</strong> gut so, und daran<br />

sollte sich in Zukunft nichts ändern.<br />

Buchreport<br />

Leipzig <strong>ist</strong> anders … hier (wird) in jedem Jahr aufs neue die ganze<br />

Welt der Literatur abgebildet, die kleine wie die große. Die ganze<br />

Literatur der Welt, so hat man den Eindruck, re<strong>ist</strong> an, und viele,<br />

viele Leser kommen.<br />

Volker Weidermann, Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung<br />

Osteuropa ... spielt in Leipzig immer schon eine entscheidende Rolle.<br />

Die naturgemäß etwas abgenudelte Phrase von der Drehscheibe<br />

zwischen West und Ost war in Leipzig immer schon mit Leben gefüllt.<br />

Ijoma Mangold, Süddeutsche Zeitung<br />

Die Leipziger Buchmesse bietet Gelegenheit, einmal nicht die Vox<br />

populi, sondern die Literaten politisch zu Wort kommen zu lassen.<br />

Joachim Günthner, Neue Zürcher Zeitung<br />

Leipzig braucht im Grunde kein Getöse, weil es sich der Aufmerksamkeit<br />

und Offenheit des Literaturbetriebs in jedem Fall sicher sein<br />

kann. Mögen in Köln Stars auftreten – in Leipzig werden sie entdeckt.<br />

Chr<strong>ist</strong>oph Schröder, Frankfurter Rundschau<br />

Die Leipziger Lesenacht in der Moritzbastei … hat sich als zentrale<br />

Kundgebung deutscher Jungschreiber etabliert.<br />

Daniel-Dylan Böhmer, Spiegel Online<br />

Leipzig <strong>ist</strong> anders … Man sieht hier mehr Menschen unter dreißig als<br />

wahrscheinlich irgendwo sonst in Deutschland. In jedem Falle aber<br />

als sonst auf deutschen Literaturveranstaltungen. In Leipzig kann<br />

man tatsächlich das Gefühl haben, dass die gute alte Kulturtechnik<br />

des Lesens und der Beschäftigung mit dem geschriebenen Wort lebt,<br />

ja geradezu floriert.<br />

Tilman Krause, Die Welt<br />

Sie <strong>ist</strong> die kleine Schwester der Frankfurter Buchmesse – und sie <strong>ist</strong><br />

quirliger, bunter. Eben jünger.<br />

Jobst-Ulrich Brand, Focus<br />

Herausgeber<br />

Leipziger Messe GmbH<br />

Postfach 10 07 20, 04007 Leipzig<br />

I www.leipziger-buchmesse.de<br />

Projektteam Leipziger Buchmesse<br />

Direktor: Oliver Zille<br />

g +49(0)341.6788241 k +49(0)341.6788242<br />

i info@leipziger-buchmesse.de<br />

Leipzig weiß, was die Zukunft des Lesens braucht: Alternative<br />

Veranstaltungsformen, hautnahe Begegnung, Themen, die das<br />

Lebensgefühl der jungen Leute betreffen.<br />

Lothar Schmidt-Mühlisch, Bonner General-Anzeiger<br />

Während die Herren Großautoren auf der Buchmesse ihre Stirnen<br />

sorgenvoll falten über den Zustand dieses Landes, macht sich der<br />

Nachwuchs dieses Landes vier Tage lang ein witziges, temperamentvolles,<br />

fantastisches Vergnügen.<br />

Karin Großmann, Sächsische Zeitung<br />

Etabliert haben sich … die Stars des Vorjahres, die jungen, anspruchsvollen<br />

deutschsprachigen Kleinverlage … Es zeichnet sich ab,<br />

dass hier nicht nur eine kurze Modeerscheinung einen pompösen<br />

Auftritt hatte.<br />

Chr<strong>ist</strong>oph Schröder, Frankfurter Rundschau<br />

Man wünscht sich überhaupt, dass die Messe in Leipzig mit ihrer<br />

sprichwörtlich guten Atmosphäre immer Raum bewahren wird für<br />

das nicht so glanzvolle, nicht so laute, nicht kommerziell schon<br />

durchgesetzte, für all das, was sich nicht zum literarischen Oktoberfest-Spektakel<br />

eignet.<br />

Chr<strong>ist</strong>ian Esch, Berliner Zeitung<br />

Es <strong>ist</strong> nicht nur ein Werbeslogan, dass <strong>»Leipzig</strong> liest« – die Stadt lebt<br />

tatsächlich mit der Literatur.<br />

Michal Hvorecky, Berliner Zeitung<br />

Der emotionale Faktor spielt heute eine wichtige, womöglich sogar<br />

die entscheidende Rolle im Buchmarketing. Er entfaltet seine Wirkung<br />

… auch an den Ständen, wo man sich Zeit nimmt für Gespräche<br />

mit den Literaturvermittlern, den Feuilleton<strong>ist</strong>en und Kritikern –<br />

und den Buchhändlern. Die Möglichkeit, Kontakte zu knüpfen, mag<br />

eine qualitative Größe, ein immaterieller Wert sein – auf Zeit läßt er<br />

sich me<strong>ist</strong>ens sogar durch Zahlen belegen.<br />

Sybille Fuhrmann, Börsenblatt<br />

Noch mehr Schüler in Leipzig, die hübscheren Frauen sowieso.<br />

Gerrit Bartels, taz<br />

Die nächsten Leipziger Buchmessen<br />

<strong>22</strong>.–25.03.2007, 13.–16.03.2008, 12.–15.03.2009<br />

Redaktion: Susanne Heusler<br />

g +49(0)341.6788184 k +49(0)341.6788182<br />

i s.heusler@leipziger-buchmesse.de<br />

Liebe Leserinnen und Leser,<br />

einmal mehr hat die Messe bewiesen, welch ungebrochene<br />

Faszination von Büchern ausgeht. Mit Blick auf den Ansturm<br />

von 126 000 Besuchern darf man sogar vermuten, dass die<br />

magische Anziehungskraft des geschriebenen Worts weiter wächst.<br />

Das <strong>ist</strong> ein wichtiges, Mut machendes Signal für unsere Branche –<br />

und gibt positive Marktimpulse für das laufende Bücherjahr.<br />

Leipzig <strong>2006</strong> – das war, mehr noch als bisher, eine sichtbar junge,<br />

eine Entdecker-Buchmesse: Mit Projekten wie der »Langen Leipziger<br />

Lesenacht« oder der Leseinsel junger Independents haben wir neue,<br />

spannende Verlage und viel versprechende Autoren ins Rampenlicht<br />

gerückt. Ein Kreativ-Potenzial, das schon in wenigen Jahren das literarische<br />

Leben entscheidend mitprägen wird. Doch die Zukunft des<br />

Lesens hat viele Facetten. Den Markt nicht nur abzubilden, sondern<br />

vorausschauend in neue Themenfelder zu investieren – dieser Aufgabe<br />

wird sich die Leipziger Buchmesse auch künftig stellen. Die<br />

wachsende gesellschaftliche Bedeutung unseres Kernsegments »Kinder<br />

– Jugend – Bildung«, die Etablierung des Hörbuch-Schwerpunkts<br />

der Messe als nach wie vor wichtigster Branchen-Treff im deutschsprachigen<br />

Raum und der Dialog mit den osteuropäischen Literaturen<br />

zeigen, dass wir auf dem richtigen Weg sind.<br />

Wieder hat ein enthusiastisches Publikum das Lesefest <strong>»Leipzig</strong> liest«<br />

zu neuen Höhen getragen und die gesamte Stadt in eine riesige<br />

Bühne für Literatur verwandelt. Die deutlich gestiegene Zahl angere<strong>ist</strong>er<br />

Buchhändler, deren Gros erstmals nicht aus dem Osten, sondern<br />

aus dem Westen kam, macht indes deutlich, dass Leipzig nicht<br />

nur rauschendes Bücherfest <strong>ist</strong>: Rund um die Glashalle läßt sich<br />

auch effektiv arbeiten. Das soll so bleiben. Wir werden alles dafür<br />

tun, dass Sie, die Branchen-Profis, auch bei wachsenden Publikumsströmen<br />

genügend Raum für Fachkommunikation und Begegnung<br />

haben.<br />

Mit diesem »Bücherbrief« wollen wir Ihnen noch einmal Highlights<br />

und leisere Momente aus den zurückliegenden vier Märztagen vor<br />

Augen führen. Die gute Stimmung, die von Leipzig ausgeht, <strong>ist</strong> wichtig.<br />

Ich wünsche Ihnen von Herzen, dass sich Kontakte und Anregungen<br />

aus vier tollen Tagen übers Jahr in konkretes Geschäft verwandeln.<br />

Ihr Oliver Zille<br />

Direktor der Leipziger Buchmesse<br />

www.leipziger-buchmesse.de<br />

<strong>Aufbruchstimmung</strong><br />

Die Leipziger Buchmesse <strong>2006</strong> auf einen Blick<br />

p 2 162 Aussteller (+10 %) aus 36 Ländern auf 53 000 qm<br />

p 126 000 Besucher auf dem neuen Messegelände (+17 %),<br />

davon 6 899 Buchhändler und ca. 26 100 sonstige Fachbesucher<br />

p 1 800 Veranstaltungen und 1 500 Mitwirkende im Rahmen des<br />

größten europäischen Lesefest <strong>»Leipzig</strong> liest« in über 50 Veranstaltungsforen<br />

und im Kongresszentrum der Leipziger Messe<br />

sowie an 250 Spielstätten in der Stadt Leipzig<br />

p 2 400 akkreditierte Journal<strong>ist</strong>en<br />

Fachbesucherstruktur<br />

Anreiseweg<br />

der Besucher<br />

Altersstruktur<br />

der Besucher<br />

Fachbesucher 33.000<br />

über 200 km<br />

bis 200 km<br />

bis 100 km<br />

aus Leipzig<br />

Besucherstat<strong>ist</strong>ik <strong>2006</strong> (vgl. gegenüber 2005)<br />

davon Buchhändler 6.899 (+12,6%)<br />

Gesamtbesucherzahl 126.000 (+17%)<br />

23,2%<br />

27,4%<br />

29,6%<br />

19,8%<br />

bis 16 Jahre<br />

12,8%<br />

16 bis 20 Jahre<br />

37,7%<br />

21 bis 40 Jahre<br />

33,8%<br />

41 bis 60 Jahre<br />

12,6%<br />

über 60 Jahre 3,0%


H2<br />

H1<br />

H1<br />

H1 H2 H3<br />

H2<br />

H3<br />

H3<br />

H 1 Glückliche Gewinner: Ilija Trojanow, Ragni Maria Geschwend und Franz Schuh, frisch gekürte Träger des Preises der Leipziger Buchmesse H 2 Fantastisches Vergnügen:<br />

Junge Messebesucher in den Kostümen ihrer Comic-Helden H 3 Stars zum Anfassen: US-Kult-Autor Bret Easton Ellis auf dem Blauen Sofa<br />

H1 Entertainer im Bann der Buchstaben: Schauspiel-Star Heiner Lauterbach und Pop-Barde Heinz Rudolf Kunze H2 Kreativität entdecken: Die Schule der Phantasie<br />

unterm Dach der Glashalle H3 Die Stadt als Bühne: Leipzig las fast überall – auch im Ausstellungszentrum des Kroch-Hochhauses<br />

H1 Brückenbauer: Juri Andruchowytsch, Träger des Leipziger Buchpreises zur europäischen Verständigung, eröffnet das Café Europa H2 Publikumsliebling: Die israelische<br />

Autorin Zeruya Shalev erobert die Herzen der Leipziger im Sturm H3 Russen-Disko: Wladimir und Olga Kaminer lassen es in der Moritzbastei krachen<br />

Die Leipziger Leichtigkeit<br />

Die junge deutschsprachige Literatur präsentierte sich<br />

auf der Leipziger Buchmesse so vital wie lange nicht,<br />

eine nach mageren Jahren Morgenluft witternde Branche<br />

zeigte sich gut aufgelegt. Beste Voraussetzungen<br />

für ein ausgelassenes, viertägiges Fest der Bücher.<br />

Café Europa: Schneeregen im März, der Winter hatte Leipzig<br />

im Griff. Dass dennoch eine der schönsten Buchmesse-Eröffnungen<br />

seit langen zu erleben war, festlich, poetisch und politisch zugleich,<br />

war Ingo Schulze und Juri Andruchowytsch zu danken. Schulze war<br />

der ideale Laudator für seinen Freund, der mit dem <strong>»Leipzig</strong>er Buchpreis<br />

zur Europäischen Verständigung« ausgezeichnet wurde. Schulzes<br />

imaginierte Reise in die Heimat seines Compagnons und Andruchowytschs<br />

als Dankrede verkleidete Philippika wider die EU-<br />

Abschottungspolitik hoben den Abend weit über die üblichen<br />

Eröffnungs-Rituale. Standing ovations im Gewandhaus. Andruchowytsch,<br />

der in den kommenden Tagen von Podium zu Podium eilte,<br />

im Halbstundentakt Interviews gab und nebenbei noch eine Anthologie<br />

mit ukrainischer Lyrik unter dem schönen Titel »Vorwärts, ihr<br />

Kampfschildkröten!« vorstellte, war einer der Stars der Messe. Dass<br />

seine Autoren-Kollegen aus dem Ländern Mittel- und Osteuropas,<br />

darunter mit Bora Cosic, Dzevad Karahasan und Slawenka Drakulic<br />

gleich drei frühere Pre<strong>ist</strong>räger, diesmal so zahlreich wie selten in<br />

Leipzig Flagge zeigten, <strong>ist</strong> auch Ergebnis der kontinuierlichen Netzwerkarbeit<br />

der Messe: Der ge<strong>ist</strong>ige Ost-West-Transfer gibt ihr Kontur<br />

und intellektuelle Strahlkraft. Ob im »Café Europa«, traditionell<br />

Bühne für das Autorenspecial der Messe, oder dem »Forum kleine<br />

Sprachen, große Literaturen«: Vielstimmigkeit war Programm. Immer<br />

konturenreicher treten die ehemals hinterm eisernen Vorhang vergessenen<br />

Länder mit ihren Eigenheiten ins Bewußtsein. Der Blick nach<br />

Osten: Vielleicht war er noch nie so spannend wie heute. Der Messe<br />

bescherte er einige der interessantesten, überraschendsten Momente.<br />

Hoffnungszeichen: 126 000 Besucher kamen nach Leipzig,<br />

17 Prozent mehr als im letzten Jahr. Ein neuer Rekord. Am Messesamstag<br />

wurden die Hallen regelrecht gestürmt: Mehr als 50 000<br />

Besucher, schoben sich durch die Drehkreuze. Doch wichtiger als<br />

Rekordzahlen sind die Signale, die von Leipzig ausgehen: Hier<br />

brummt nicht nur die Eventmaschine rund um’s Buch – Inhalte und<br />

Entdeckungen, die Begegnung mit Autorinnen und Autoren sind<br />

nach wie vor wichtiger als schrille Inszenierungen.<br />

»Am Anfang war das Wort, nicht die Zahl« – das wußte schon der<br />

Vollblutverleger Kurt Wolff. Einmal mehr hat sich bewiesen, dass<br />

von Büchern eine ungebrochene Faszination ausgeht. Die Messebuchhändler,<br />

erstmals mit Filialen in allen vier Hallen vertreten, freuten<br />

sich abermals über gestiegene Umsätze. Das hübsche Trio der Tagesbestseller<br />

am Sonntag: Heiner Lauterbach, Daniel Kehlmann und die<br />

Erinnerungen des in Ehren ergrauten Pink-Floyd-Drummers Nick<br />

Mason. Trotz kalter Temperaturen und Schneeregen also Frühlingsgefühle<br />

und gute Stimmung rund um die Glashalle. Die in den letzten<br />

Jahren arg gebeutelte Branche zeigte sich im ohnehin stets entspannten<br />

Leipzig gut aufgelegt, ja fröhlich. Auf einem Markt, der wie<br />

kein zweiter von Stimmungen, Prognosen, der selffulfilling prophety<br />

seiner »Pferdeflüsterer« lebt, ein Mut machendes Zeichen.<br />

Bücher im Rampenlicht: Autoren, Verleger, Großkritiker –<br />

keiner wollte fehlen, als am Messedonnerstag unter der weitgespannten<br />

Kuppel der Glashalle zum zweiten Mal der »Preis der Leipziger<br />

Buchmesse« vergeben wurde. Ein Preis, der sich nicht mehr<br />

rechtfertigen muß und bereits jetzt zu den wichtigsten in Deutschland<br />

zählt. Spannend blieb es bis zuletzt: Mit der Wahl von Ilija Trojanows<br />

so opulenten wie klugen Abenteuerroman »Der Weltensammler«,<br />

Franz Schuhs Essayband »Schwere Vorwürfe, schmutzige<br />

Wäsche« und Ragni Maria Gschwends kongenialer Übersetzung von<br />

Antonio Morescos Roman »Aufbrüche« war die Jury unter ihrem<br />

Vorsitzenden Martin Lüdke dem Motto von Karl Kraus gefolgt: »In<br />

zweifelhaften Fällen entscheide man sich für das Richtige.« Nicht<br />

nur die fünf Nominierten der Belletr<strong>ist</strong>ik-Sparte des Preises vermitteln<br />

einen lebhaften Eindruck von der Formenvielfalt und Themen-<br />

Bandbreite der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur in diesem<br />

Frühjahr. Mit Autoren wie Ilija Trojanow oder Feridun Zaimoglu hat<br />

sie ihre Fenster zur Welt weit geöffnet – und bege<strong>ist</strong>ert Kritik, Buchhandel<br />

und Lesepublikum in seltener Eintracht.<br />

Stars von morgen: Im vorab als Geheimtipp gehandelten,<br />

beim »Preis der Leipziger Buchmesse« leer ausgegangenen Leipziger<br />

Lokalmatador Clemens Meyer schlägt das Herz eines Boxers. Der<br />

womöglich einzige nahezu ganzkörpertätowierte Schriftsteller<br />

Deutschlands nahm die Niederlage sportlich. Seine überfüllten Auftritte<br />

bei der Langen Leipziger Lesenacht (L3) und anderntags im<br />

»Laden für Nichts« sind schon jetzt Messe-Legende. Ähnlich wie die<br />

Lesenacht in der Moritzbastei selbst: Gleich 40 junge und ganz junge<br />

Autoren – von DLL-Absolventen wie Kr<strong>ist</strong>of Magnusson und Juli Zeh<br />

bis zu Katharina Hacker oder Bachmann-Pre<strong>ist</strong>räger Jan Peter Bremer<br />

– präsentierten sich einem bege<strong>ist</strong>erten Publikum. Viele von denen,<br />

die den Lesungen in der »MB«, in Clubs mit so seltsamen Namen<br />

wie »Cortex«, »Weezie«, »Nato«, »Freitagsbar« oder »Horns Erben«<br />

gebannt folgten, oft dichtgedrängt stehend wie bei einem Rockkonzert,<br />

und anschließend in den Morgen tanzten, sind keine passionierten<br />

Buchkäufer. Noch nicht? Während in den Feuilletons über<br />

richtiges Leben und Lesen debattiert wird, lassen die Leipziger Nächte<br />

die Grenzen zwischen beidem vergessen.<br />

Mekka für Independents: Seit die Kurt-Wolff-Stiftung ihren<br />

deutschlandweit einzigartigen Verlegerpreis in die Welt brachte,<br />

muss Katharina Wagenbach-Wolff eine Art Pre<strong>ist</strong>rägerin der Herzen<br />

gewesen sein. Nun, im sechsten Jahr, war es wirklich soweit. Ihre<br />

Friedenauer Presse, der, wie Laudator Michael Krüger meinte,<br />

eigentlich ein »Nobelpreis für Buchkultur« gebühre, erhielt den Kurt-<br />

Wolff-Preis <strong>2006</strong>. In der landläufigen Branchenrhetorik nennt man<br />

kleine Häuser wie die Friedenauer Presse oder die mit dem Anerkennungspreis<br />

ausgezeichneten Kookbooks der Daniela Seel<br />

»Nischenverlage«. Katharina Wagenbach-Wolff erscheint die architektonische<br />

Bedeutung des Wortes »Nische« wesentlich passender:<br />

»Eine kleine Erweiterung des Raumes.« Das nahmen die Davids der<br />

Branche in Leipzig wörtlich – sie sind es, die der Messe Zuwächse<br />

bei der Zahl der Einzelaussteller bescherten. Mit 774 stieg sie um<br />

satte 10 Prozent – so viel wie in 16 Nachwende-Messejahren nicht.<br />

Die Leseinsel junger Verlage, um die sich erstmals 11 Independentverlage<br />

gemeinsam präsentierten, war an allen vier Messetagen<br />

dicht umlagert, die geführten Rundgängen über die kleine Agora<br />

hoffnungslos ausgebucht. Inzwischen denken die beteiligten Verlage<br />

darüber nach, ob man thematische Führungen, die für Buchhändler,<br />

Journal<strong>ist</strong>en und interessiertes Publikum Schneisen ins Messedickicht<br />

schlagen, nicht gezielt ausbauen sollte.<br />

Junges Standbein: Kein Zweifel, Themen wie Bildung, Integration<br />

oder Leseförderung stehen zur Zeit weit oben auf der gesellschaftspolitischen<br />

Agenda. Früh hat Leipzig das Segment »Kinder –<br />

Jugend – Bildung« als Kernthema der Messe aufs Schild gehoben<br />

und konsequent ausgebaut. Ein Viertel der gesamten Messefläche<br />

gehörte in diesem Jahr den Buchkäufern von morgen. Wie sowohl<br />

Kinder- und Jugendbuchverlage als auch Bildungsanbieter auf Tuchfühlung<br />

mit der heiß umworbenen jungen Zielgruppe gehen können,<br />

wie »Bildung« und »Buch« intelligent zu verknüpfen sind, war in

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