Taktische Grundprinzipien der 5:1-Abwehr - fhetworks
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Technik/Taktik<br />
<strong>Abwehr</strong>systeme<br />
Flexibles <strong>Abwehr</strong>spiel am Beispiel<br />
<strong>der</strong> deutschen 5:1-<strong>Abwehr</strong><br />
Die WM 2005 bestätigt einen schon länger zu beobachtenden Trend: Nur noch wenige<br />
Mannschaften spielen 60 Minuten lang erfolgreich ausschließlich eine <strong>Abwehr</strong>formation.<br />
In diesem Beitrag erläutern wir die taktischen <strong>Grundprinzipien</strong> <strong>der</strong> als Alternative zur 6:0-<br />
Basisabwehr im WM-Turnier gespielten 5:1-<strong>Abwehr</strong>.<br />
Ein Beitrag von Bundestrainer Heiner Brand und Martin Heuberger (DHB-Trainer)<br />
Alle Fotos: Dietrich Späte<br />
Die Grundlage unseres <strong>Abwehr</strong>spiels<br />
bleibt auch nach dem Umbruch <strong>der</strong><br />
Männer-Nationalmannschaft die 6:0-<br />
<strong>Abwehr</strong> (siehe dazu ht 9+10/2004).<br />
Diese <strong>Abwehr</strong> ist nicht grundsätzlich<br />
defensiv. Je nach Stärken des<br />
Gegners wird auch in dieser <strong>Abwehr</strong> -<br />
formation flexibel und aktiv-offensiv –<br />
z. B. auf den Außenpositionen – verteidigt.<br />
Im WM-Turnier in Tunesien haben viele<br />
Mannschaften je nach Spielverlauf und<br />
3-D-Grafik: Wechsel von <strong>der</strong> 5:1-<strong>Abwehr</strong> in eine 5:0+1-<strong>Abwehr</strong> als Antwort auf einen<br />
Übergang zum 2:4-Angriff<br />
Spielstand – zusätzlich zu ihrer jeweiligen<br />
Basisabwehrformation (meist 6:0<br />
o<strong>der</strong> 5:1) – gezielt auch alternative, in<br />
<strong>der</strong> Regel offensiver ausgerich tete <strong>Abwehr</strong>formationen<br />
(5:1, 5:0+1, 4:0+2<br />
usw.) eingesetzt.<br />
Heute ist es durchaus notwendig, das<br />
schnelle variable Angriffsspiel im Verlauf<br />
eines Spiels frühzeitig mit dem<br />
Wechsel von einer defensiven zu einer<br />
offensiv ausgerichteten <strong>Abwehr</strong>formation<br />
zu stören.
TECHNIK/TAKTIK<br />
handballtraining<br />
3/05<br />
5<br />
Offensive Wirkung gegen einen<br />
2:4-Angriff beibehalten<br />
Grundidee <strong>der</strong> deutschen Spielweise <strong>der</strong><br />
5:1-<strong>Abwehr</strong> ist es, auch nach Übergängen<br />
des Gegners zu einem 2:4-Angriff grund -<br />
sätzlich offensiv zu agieren, die Aktionsräume<br />
speziell <strong>der</strong> beiden Rück raum -<br />
spieler einzuengen und so das gesamte<br />
taktische Angriffsspiel bereits im Ansatz<br />
entscheidend zu stören.<br />
Flexible <strong>Abwehr</strong>strategien im WM-Vorrundenspiel (Deutschland – Serbien-Montenegro 24:25)<br />
1. 6:0-<strong>Abwehr</strong><br />
Ausgangspunkt unseres <strong>Abwehr</strong>spiels ist die 6:0-<strong>Abwehr</strong>,<br />
die in den Grundbewegungen <strong>der</strong> schwedischen<br />
Spielweise ähnelt. Grundlage ist eine sehr gute Absprache<br />
speziell zwischen Halb- und Innenverteidigern mit<br />
permanentem Übergeben/Übernehmen. Je nach Situation<br />
wird aber auch aktiv- offensiv verteidigt, speziell auf<br />
den Halb- und Außenabwehrpositionen (siehe Bild).<br />
Torwurf RL gegen den 2er-Defensivblock von HR und IR.<br />
HL agiert in dieser Situation in offensiver Querstellung im<br />
Raum des RM, AL ist ebenfalls halboffensiv eingerückt.<br />
2. 5:1-<strong>Abwehr</strong><br />
Serbien-Montenegro setzte einfache gruppentaktische<br />
Mittel (Sperren, Kreuzen von RM) ein, spielte diese aber<br />
schnell und präzise. Speziell die Absprache zwischen HL/<br />
HR und IL/IR klappte bei Sperren des KM und schellen<br />
Würfen von RL/RR nicht gut. In <strong>der</strong> 5:1-<strong>Abwehr</strong> sollte v. a.<br />
<strong>der</strong> VM das schnelle Passspiel mit dynamischen Stoßbewegungen<br />
und Rückstoßaktionen (Rückpässe) stören.<br />
Sehr offensive 5:1 gegen schnelle, torgefährliche Rück -<br />
raumspieler. HL nimmt kurzfristig eine offensive Querstellung<br />
gegen RR ein und unterbricht so das Passspiel<br />
im Rückraum.<br />
3. 5:0+1-/4:0+2-<strong>Abwehr</strong><br />
Phasenweise wurde gegen den in <strong>der</strong> 2. Halbzeit sehr torgefährlichen<br />
RL-Spieler eine 5:0+1-<strong>Abwehr</strong> (siehe Bild)<br />
eingesetzt. In <strong>der</strong> Endphase (5-Tore-Rückstand) wurde<br />
auf eine 4:0+2-<strong>Abwehr</strong> gewechselt. Serbien-Montenegros<br />
Angriffsspieler konnten nicht mehr flexibel darauf<br />
reagieren, und die beabsichtigten Ballgewinne und Gegenstöße<br />
führten gegen Spielende noch zum Ausgleich.<br />
5:0+1-<strong>Abwehr</strong> gegen RL bei Ballbesitz von RR. Es wird<br />
keine reine Manndeckung gespielt, <strong>der</strong> offensive<br />
<strong>Abwehr</strong> spieler agiert im Tiefenraum flexibel.
6<br />
Technik/Taktik<br />
<strong>Abwehr</strong>systeme<br />
<strong>Taktische</strong> <strong>Grundprinzipien</strong> <strong>der</strong> 5:1-<strong>Abwehr</strong><br />
1: Ballorientierte Grundspielweise – Außenverteidiger greifen Pässe im Rückraum an<br />
Wie in <strong>der</strong> 6:0-<strong>Abwehr</strong> ist auch die grundsätzliche Spielweise<br />
<strong>der</strong> 5:1-<strong>Abwehr</strong> ballorientiert: Der Hinten-Mitte verschiebt<br />
stets in Ballrichtung, Außen- und Halbverteidiger auf <strong>der</strong> ballfernen<br />
Seite rücken ebenfalls nach innen ein. Beson<strong>der</strong>s gegen<br />
Mannschaften wie Kroatien, die über ein sehr gutes gruppentaktisches<br />
Zusammenspiel zwischen RM und Kreisspieler<br />
verfügen, müssen die Spieler im <strong>Abwehr</strong>zentrum verdichten<br />
und die Räume für mögliche Kreisanspiele zustellen (siehe<br />
Bild 3).<br />
Außenverteidiger<br />
Aufgrund <strong>der</strong> grundsätzlich ballorientierten Grundausrichtung<br />
agieren speziell die Außenverteidiger oft in einer 1 gegen 2-Situation:<br />
Sie lassen ihren gegnerischen Außenspieler optisch<br />
‘freistehen’, um nach innen gegen Parallelstoß-Aktionen <strong>der</strong><br />
Halb angreifer RL/RR auszuhelfen. Je nach Situation kann <strong>der</strong><br />
Außenverteidiger dabei sogar die Pässe im Rückraum angreifen<br />
(siehe Bild 4).<br />
<br />
1 2<br />
2: Gegen einen 3:3-Angriff : Die Kooperation zwischen HM und HL/HR<br />
1 2<br />
Variante 2: Übergeben/Übernehmen<br />
Die Bildreihe zeigt einen Sperrversuch des KM im Zusammenspiel<br />
mit RR. HM schiebt den KM hier nach vorn aus<br />
<strong>der</strong> Sperre (Bild 1), während HL defensiv zurücksinkt und<br />
den Raum für eine Absetzbewegung des KM versperrt<br />
(Bild 2).<br />
HM muss hier zunächst versuchen, RR möglichst aktiv zu<br />
attackieren, um einen Wurf zu unterbinden. Kommt er zu<br />
spät, muss er versuchen, den Torwurf zu blocken.<br />
VM kann in dieser Situation (Bild 2) den Raum nach innen<br />
optisch zustellen. Gegen spielstarke RM-Spieler wie Balic<br />
agiert er aber eher offensiver.<br />
<br />
1
handballtraining 3/05<br />
7<br />
„Durchbruch des RM zur Gegenseite – eine Chance für den<br />
Außenverteidiger, Pässe auf die Halbposition anzugreifen“<br />
Foto: Schupfner/HochZwei<br />
Überläuft RM im Spiel 1 gegen 1 den VM (Bil<strong>der</strong> 1 bis 3), darf HR nicht in <strong>der</strong> offensiven Querstellung<br />
(Bild 2) stehen bleiben, son<strong>der</strong>n muss bewusst defensiv zurücksinken, um ein stabiles <strong>Abwehr</strong>zentrum<br />
zu gewährleisten (Bild 3).<br />
HM agiert hier defensiv (Bild 3): So wird <strong>der</strong> Raum für das Kreisanspiel nicht geöffnet, einen Schlagwurf<br />
von RM-Spieler Balic kann er ggf. defensiv blocken.<br />
Mit dem Verschieben von HR nach innen wird quasi <strong>der</strong> Parallelstoß-Pass zu RL provoziert. Agiert RL<br />
in einer breiten Ausgangsstellung, kann <strong>der</strong> Außenverteidiger, wie hier Florian Kehrmann (Bild 4),<br />
diesen Pass sogar abfangen.<br />
3 4<br />
Variante 1: kein Übergeben/Übernehmen<br />
3<br />
<br />
Ein Grundproblem je<strong>der</strong> <strong>Abwehr</strong> ist das Sperren/Absetzen<br />
zwischen RL/RR und dem Kreisspieler.<br />
Gegen Mannschaften mit einem sehr guten kooperativen<br />
Spiel über den Kreis entstehen beim Übergeben/Übernehmen<br />
recht häufig Probleme zwischen den<br />
Halbverteidigern und dem Hinten-Mitte <strong>der</strong> 5:1-<strong>Abwehr</strong>.<br />
Hier bietet es sich an, dass <strong>der</strong> Halbverteidiger beim<br />
Sperransatz des KM (Bild 1) offensiv nach vorn aus <strong>der</strong><br />
Sperre heraus agiert (Bild 2) und den Rückraumspieler<br />
im Folgenden aktiv bekämpft (Bild 3).<br />
„Gegen schnelle Rückraum schützen ohne<br />
Übergeben spielen“<br />
2<br />
„Die Kroaten verfügen mit Vori<br />
über einen <strong>der</strong> besten<br />
Kreisspieler auf internationaler<br />
Ebene. RL-Angreifer Lackovic ist<br />
zudem sehr schnell. Deshalb<br />
haben wir gegen Sperren versucht,<br />
ohne Übergeben zu spielen.<br />
Konkret: Halbverteidiger<br />
Christian Zeitz musste offensiv<br />
nach vorn aus <strong>der</strong> Sperre<br />
herauslaufen. “
8<br />
Technik/Taktik<br />
<strong>Abwehr</strong>systeme<br />
<strong>Taktische</strong> <strong>Grundprinzipien</strong> <strong>der</strong> 5:1-<strong>Abwehr</strong><br />
3: Gegen einen 2:4-Angriff: flexible Spielweisen des offensiven Verteidigers – 5:0+1-<strong>Abwehr</strong><br />
Grundprinzip: bewegliche Spielweise des VM<br />
im Tiefenraum<br />
In den Bil<strong>der</strong>n 1 bis 3 übergibt VM den RM an den Halbverteidiger<br />
HL und agiert dann sofort wie<strong>der</strong> offensiv gegen<br />
RR. KM bietet sich zum Anspiel an <strong>der</strong> 9m-Linie an (Bild<br />
4) und passt im Folgenden zum nach innen laufenden RL<br />
(Bild 5). HM muss jetzt RL offensiv übernehmen (Bil<strong>der</strong> 6<br />
und 7).<br />
VM schiebt in dieser Situation etwas zurück (Bild 7), um<br />
den offenen Raum auf <strong>der</strong> linken Seite <strong>der</strong> <strong>Abwehr</strong> für den<br />
Angriff zuzustellen.<br />
<br />
1<br />
4 5<br />
4. Spielvariante gegen wurfstarke Rückraumspieler – phasenweise 4:0+2-<strong>Abwehr</strong><br />
„Gegen wurfstarke Halbspieler die Offensivwirkung <strong>der</strong> <strong>Abwehr</strong> nach Übergängen noch verstärken.“<br />
Einige Mannschaften behalten ihre 5:1-<strong>Abwehr</strong> bei<br />
Übergängen des Gegners nicht bei und wechseln in<br />
eine 6:0-<strong>Abwehr</strong>. Damit geben sie jedoch die<br />
grundsätzliche taktische Zielsetzung, ein schnelles<br />
Angriffsspiel bereits im Ansatz zu stören, nahezu<br />
auf.<br />
Agiert <strong>der</strong> VM stattdessen offensiv im Raum einer<br />
<strong>der</strong> beiden Rückraumspieler, wird nicht nur weiterhin<br />
das Angriffsspiel frühzeitig gestört, son<strong>der</strong>n<br />
ballbesitzende Rück raumspieler werden oft zu 1 gegen<br />
1-Aktionen o<strong>der</strong> Torwürfen gegen einen massiven<br />
Innenblock gezwungen.<br />
Eine 4:0+2-<strong>Abwehr</strong> stellt natürlich aufgrund <strong>der</strong><br />
großen Tiefenräume ein hohes Risiko dar, kann aber<br />
bei flexibler Spielweise durchaus zu Ballgewinnen<br />
und Gegenstößen führen. Bewegliche, offensive<br />
Verteidiger mit gutem Gefühl für die Spielsituation<br />
sind hier unerläss liche Voraussetzung.<br />
1 2
handballtraining 3/05<br />
9<br />
2 3<br />
6 7<br />
Grundprinzip: keine reine Manndeckung<br />
Nach dem Übergang agiert VM im Raum des RR (Bild 1),<br />
während HR den torgefährlichen RL-Spieler ebenfalls sehr weit<br />
im Tiefenraum offensiv bekämpft (Bil<strong>der</strong> 2 und 3). Diese Variante<br />
ist insbeson<strong>der</strong>e gegen wurfgewaltige Rückraumspieler<br />
praktikabel.<br />
Dabei wird keine reine Manndeckung gespielt, die offensiven<br />
Verteidiger agieren flexibel im Tiefenraum o<strong>der</strong> helfen in<br />
bestimmten Situationen nach hinten durch schnelles Zurücksinken<br />
aus, um z. B. offene Durchbruchsräume zu verschließen.<br />
<strong>Taktische</strong> Überraschungseffekte<br />
In den Bil<strong>der</strong>n 3 und 4 löst sich VM aus seinem Aktionsraum,<br />
um überraschend den Pass von RL zum sich lösenden KM zu<br />
stören. Bei dieser Spielweise ist ein ausgeprägtes antizi -<br />
patives <strong>Abwehr</strong>verhalten <strong>der</strong> offensiven Abwerspieler von<br />
beson<strong>der</strong>er Bedeutung; antizipativ heißt aber nicht speku -<br />
lativ!<br />
Vorne-Mitte kommt jedoch zu spät (Bild 4) und kann den<br />
Angriff im Folgenden nur noch durch ein Foulspiel unter -<br />
brechen.<br />
3 4
10<br />
Technik/Taktik<br />
<strong>Abwehr</strong>systeme<br />
<strong>Taktische</strong> <strong>Grundprinzipien</strong> <strong>der</strong> 5:1-<strong>Abwehr</strong><br />
Zusammenfassung/Gegenüberstellung: Vorteile und Risiken offensiver Spielvarianten aus einer 5:1-<br />
5:0+1 <strong>Abwehr</strong><br />
Der Wechsel von einer 5:1- in eine<br />
5:0+1-<strong>Abwehr</strong> erfolgt – je nach Ausgangspunkt<br />
des Übergangs (von RM,<br />
RL/RR, LA/RA) nach folgenden taktischen<br />
<strong>Grundprinzipien</strong>:<br />
1. Übergang des RM nach Pass zu RL:<br />
Der Vorne-Mitte verschiebt sich zur<br />
Gegenseite in Richtung RR!<br />
2. Übergänge von <strong>der</strong> Außen- o<strong>der</strong> Halbposition:<br />
Der Vorne-Mitte geht mit<br />
dem RM mit!<br />
Grundsätzlich soll mit dieser Spielweise<br />
<strong>der</strong> ballbesitzende Rückraumspieler<br />
isoliert werden.<br />
Die übrigen fünf defensiver agierenden<br />
Verteidiger müssen ebenfalls umschalten<br />
und nach den <strong>Grundprinzipien</strong> einer<br />
6:0-<strong>Abwehr</strong> agieren: Im <strong>Abwehr</strong>zentrum<br />
muss bei Sperren entsprechend mit<br />
Übergeben/Übernehmen verteidigt<br />
wer den.<br />
Gefahrenzonen<br />
In <strong>der</strong> Grafik oben ist v. a. <strong>der</strong> große Raum zur Wurfarmgegenseite des offensiv<br />
gedeckten RL zu erkennen. Hier muss HR ggf. aushelfen.<br />
In <strong>der</strong> Grafik unten wird <strong>der</strong> lange Laufweg des ballfernen Rückraumspielers<br />
ohne Ball deutlich. Hier muss HM in <strong>der</strong> Regel offensiv übernehmen.<br />
Vorteile<br />
Angriffsspiel im 2:4 stören<br />
Torgefährliche Angreifer<br />
‘ausschalten’<br />
Einfache Absprachen in <strong>der</strong><br />
defensiven 5er-<strong>Abwehr</strong>reihe<br />
Massiver <strong>Abwehr</strong>innenblock<br />
Risiken<br />
Größere Aktionsräume<br />
Größere Räume für Klein -<br />
gruppenspiel RL/RR mit Kreisspieler<br />
Trainingsbeispiele zur Schulung offensiver Spielvarianten gegen einen 2:4-Angriff<br />
4 gegen 3<br />
(Grundbewegungen) <br />
Die Rückraumspieler sollen sich<br />
solange zupassen, bis ein Kreisspieler<br />
angespielt werden kann.<br />
Geschult werden v. a. Beinarbeit<br />
und Regelbewegungen des HM.<br />
Dabei muss er das Angreiferverhalten<br />
(Pass, Anspiel o<strong>der</strong> Wurf)<br />
beobachten und sein Lauf -<br />
verhalten davon abhängig machen.<br />
4 gegen 4 (5:0+1) <br />
Der Angriff spielt als Auftakt einen<br />
Übergang und anschließend im<br />
2:4-Angriff weiter: Kleingruppenspiel<br />
(2 gegen 2) auf <strong>der</strong> linken<br />
und auf <strong>der</strong> rechten Seite. Der VM<br />
gleicht in Richtung einer Halb -<br />
position aus und spielt dort offensiv<br />
(5:0+1-Prinzip)
handballtraining 3/05<br />
11<br />
<strong>Abwehr</strong> nach Übergängen<br />
Gefahrenzonen<br />
Die Grafiken oben und unten zeigen die typischen Spielmöglichkeiten des<br />
Angriffs:Der Kreisspieler bietet sich zum Doppelpass an, RL/RR laufen sich<br />
ohne Ball in den sehr großen Tiefenräumen frei. Die Grafik unten verdeutlicht<br />
diese Gefahrenzonen speziell in <strong>der</strong> Nahwurfzone sehr gut.<br />
4:0+2-<strong>Abwehr</strong><br />
Bei einem Übergang verschiebt sich <strong>der</strong><br />
VM auf die Halbposition im Rückraum,<br />
wäh rend <strong>der</strong> ballferne Halbverteidiger<br />
nun ebenfalls offensiv gegen den zweiten<br />
Rückraumspieler agiert.<br />
Diese beiden offensiv agierenden Verteidiger<br />
haben die Aufgabe, den Ak -<br />
tionsraum <strong>der</strong> Rückraumspieler einzuengen.<br />
Natürlich stellt dieser Wechsel in eine<br />
noch offensivere <strong>Abwehr</strong>variante ein<br />
hohes Risiko dar. Gegen wurfstarke,<br />
aber etwas unbeweglichere Rückraumspieler<br />
kann diese Variante aber<br />
durchaus erfolg reich sein. Recht häufig<br />
wird <strong>der</strong> Angriff dann unterbrochen und<br />
die angreifende Mannschaft wechselt<br />
wie<strong>der</strong> in die 3:3-Ausgangsformation<br />
zurück.<br />
Die <strong>Abwehr</strong> hat ihr Ziel erreicht!<br />
Vorteile<br />
Aktionsräume von RL/RR<br />
einengen<br />
Angriffsspiel stören, schlechte<br />
Pässe provozieren und diese<br />
abfangen<br />
Risikovariante bei Rückstand<br />
Risiken<br />
Spiel ohne Ball in den Tiefen -<br />
räumen<br />
Sehr große offene Aktionsräume<br />
Gute Chancen für spielstarke<br />
Kreisspieler<br />
2-2 2-2<br />
4 gegen 4 (4:0+2) <br />
Nach einer Auftaktpassfolge (mit<br />
Anspielern) leitet ein Kreisspieler<br />
mit seiner Ball annahme auf Höhe<br />
<strong>der</strong> 9m-Linie das gruppentaktische<br />
Angriffsspiel gegen eine<br />
4:0+2-Konstellation im Bereich<br />
<strong>der</strong> Innenverteidigung ein. Dabei<br />
müssen RL/RR v. a. versuchen,<br />
sich ohne Ball freizulaufen. Bei allen<br />
Grundspielen sollte <strong>der</strong> Aktionsraum<br />
zur Erleichterung für die<br />
<strong>Abwehr</strong> seitlich begrenzt sein.
12<br />
Interview<br />
Bundestrainer Heiner Brand zu den Entwicklungstendenzen <strong>der</strong> WM 2005,<br />
zur Spielphilosophie in <strong>Abwehr</strong> und Angriff sowie zu Konsequenzen für die<br />
Nachwuchsschulung im DHB und den Vereinen.<br />
„Unforced errors im <strong>Abwehr</strong>spiel<br />
vermeiden!“<br />
HT: Im WM-Turnier in Tunesien haben<br />
nur noch wenige Mannschaften 60 Minuten<br />
lang ausschließlich an einer <strong>Abwehr</strong>formation<br />
festgehalten.<br />
Wie schätzen Sie diese Entwicklung im<br />
<strong>Abwehr</strong>spiel ein?<br />
Brand: Viele Mannschaften sind wie wir<br />
im Neuaufbau und verfügen speziell in<br />
<strong>der</strong> <strong>Abwehr</strong> nicht mehr über so eingespielte<br />
Formationen. Die Entscheidung<br />
für eine offensivere o<strong>der</strong> defensivere<br />
Variante ist von den Spieler tyen abhängig.<br />
Mit Petersen, Zerbe und Schwarzer<br />
hatten wir eine sehr stabile 6:0-<strong>Abwehr</strong>.<br />
Also gab es keinen Grund, die Formation<br />
zu än<strong>der</strong>n.<br />
Die jetzige Situation sehe ich auch als<br />
Chance, nachrückende jüngere Spieler<br />
zu formen. Stehen Spieler wie Yves<br />
Grafenhorst, die sehr gut auf <strong>der</strong> Vorne-<br />
Mitte-Position spielen können, zur Verfügung,<br />
fällt die Entscheidung für eine<br />
offensivere Spielvariante leichter.<br />
HT: Sie haben in einigen Spielen – gegen<br />
Olympiasieger Kroatien das ganze Spiel<br />
lang – 5:1 spielen lassen. Wie beurteilen<br />
Sie das Ergebnis?<br />
Brand: Mit Yves Grafenhorst, Christian<br />
Zeitz o<strong>der</strong> Frank von Behren haben wir<br />
Spieler mit einer sehr guten Beinarbeit<br />
– eine wichtige Voraussetzung für eine<br />
5:1-<strong>Abwehr</strong>. Gegen Kroatien hat diese<br />
<strong>Abwehr</strong> durchaus schon sehr gut funktioniert,<br />
so dass wir sogar mehr hätten<br />
Wann wird die Ausgangsformation im Spiel geän<strong>der</strong>t?<br />
Strategische Ziele<br />
Ziele und Wirkungen<br />
1<br />
2<br />
3<br />
<strong>Taktische</strong>r Überraschungseffekt<br />
Rhythmuswechsel<br />
Erfolgsphase durchbrechen<br />
<br />
<br />
<br />
„Anpassungszeit“ des Gegners zur<br />
Ballgewinnung nutzen<br />
Spielfluss des Gegners<br />
(Spiel mit Auslösehandlungen)<br />
stören/unterbinden<br />
Aktionsräume von Spielern/<br />
Haupttorschützen einengen<br />
Neue 1-gegen1-Konstellationen v. a.<br />
auf offensiven Positionen schaffen<br />
4<br />
Rückstand aufholen<br />
5<br />
Erfolgreiche Spieler ausschalten<br />
Foto: Dietrich Späte
handballtraining 3/05<br />
13<br />
erreichen können. Gefehlt hat uns in einigen<br />
Situationen die taktische Disziplin:<br />
Wenn ein Verteidiger gegen seinen<br />
Gegenspieler an sich gut positioniert ist<br />
und nicht unter Druck steht, dürfen keine<br />
unnötigen Fehler – im Tennis nennt<br />
man sie unforced errors – gemacht werden,<br />
die z. B. zu Zeitstrafen führen. Oft<br />
sind das individuelle Fehler und keine,<br />
die im <strong>Abwehr</strong>system begründet sind.<br />
HT: Die deutsche Mannschaft hat aber<br />
auch — in einigen Spielen sogar mehrfach<br />
– die <strong>Abwehr</strong>formation geän<strong>der</strong>t.<br />
Was waren Ihre hauptsächlichen taktischen<br />
Überlegungen?<br />
Brand: Die Frage, ob ich eine <strong>Abwehr</strong>formation<br />
än<strong>der</strong>e o<strong>der</strong> nicht ist grundsätzlich<br />
abhängig von Gegner und Spielstand.<br />
Kommt man mit dem Gegner<br />
nicht klar – egal ob in individuellen<br />
Aktionen o<strong>der</strong> dem Kleingruppenspiel,<br />
ist <strong>der</strong> Versuch, dessen Angriffsspiel<br />
frühzeitig z. B. mit einer offensiveren<br />
5:0+1- o<strong>der</strong> 4:0+2-<strong>Abwehr</strong> zu stören<br />
eine taktische Variante.<br />
HT: Welche Eindrücke haben Sie im WM-<br />
Turnier zum Tempo- und Angriffsspiel<br />
gewonnen?<br />
Brand: Insgesamt hat das Tempospiel<br />
sich auf hohem Niveau stabilisiert,<br />
jedoch ohne größere Überraschungsmomente,<br />
wie es vor einiger Zeit <strong>der</strong><br />
schnelle Anwurf war.<br />
Auslösehandlungen im Angriff sind wie<strong>der</strong><br />
weit verbreitet, entscheidend aber<br />
ist letztlich die Qualität des individuellen<br />
und gruppentaktischen Angriffsspiels<br />
in den Folgehandlungen.<br />
HT: Mit dem Spiel über den Kreis ist die<br />
Position des Kreisspielers in den letzten<br />
Jahren immer wichtiger geworden.<br />
Wie schätzen Sie diese Entwicklung<br />
ein?<br />
Brand: Keine Frage, mit einem nur<br />
durchschnittlichen Kreisspieler kann<br />
man heute nicht mehr oben mitspielen.<br />
Dabei darf man die Effektivität des<br />
Kreisspielers aber nicht nur an seinen<br />
Toren messen. Wichtiger noch sind seine<br />
vorbereitenden Handlungen wie beispielsweise<br />
Sperren, aber auch Aktionen,<br />
die zu einem Siebenmeter o<strong>der</strong> einer<br />
Hinausstellung gegnerischer<br />
Spieler füh ren. Allerdings haben wir bei<br />
den Sperren <strong>der</strong>zeit ein Problem, was<br />
die Beurteilung dieser durch die<br />
Schiedsrichter betrifft.<br />
HT: In <strong>der</strong> Tat bekommen die Schiedsrichter<br />
die Aktionen am Kreis im Moment<br />
kaum in den Griff. Welche Probleme<br />
sehen Sie speziell bei <strong>der</strong> Beurteilung<br />
von Sperren?<br />
Brand: Früher waren Sperren eher passive<br />
Handlungen: Der Angreifer steht im<br />
richtigen Moment in <strong>der</strong> Sperre, <strong>der</strong> Verteidiger<br />
ist überrascht und läuft gegen<br />
ihn. In den letzten Jahren haben sich<br />
hier viele regelwidrige Verhaltensweisen<br />
wie das Abdrücken aus <strong>der</strong> Sperre<br />
entwickelt – das konnten wir auch wie<strong>der</strong><br />
bei <strong>der</strong> WM beobachten.<br />
Falsche Sperren, die nicht geahndet<br />
werden, erschweren das ballorientierte<br />
<strong>Abwehr</strong>spiel erheblich.