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Kosmische Hintergrundstrahlung<br />
CMB<br />
Proseminar theoretische Astroteilchenphysik<br />
von: Anna Heise<br />
1 Historische Einführung<br />
Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts gab es verschiedene Theorien über die Entstehung<br />
unseres Universums. Die Verfechter des Big-Bang-Modells postulierten eine<br />
gleichmäßig verteilte Strahlung bei niedrigen Energien, die heute als Relikt des Urknalls<br />
nachweisbar sein sollte. George Gamow und seine Mitarbeiter veröffentlichten<br />
1943 entsprechende Berechnungen. Unabhängig davon stellte auch Peebles einige<br />
Jahre später Berechnungen an. Die experimentelle Entdeckung der kosmischen Hintergrundstrahlung<br />
gelang 1964 zufällig: Die Radioastronomen Penzias und Wilson<br />
nahmen eine Hornantenne in Betrieb, die zum Empfang von Signalen eines Kommunikationssatelliten<br />
gebaut worden war. Nachdem alle Störsignale durch Eichung<br />
der Antenne beseitigt worden waren, stellten Penzias und Wilson immer noch ein<br />
starkes Rauschen fest. Dieses Rauschen war unabhängig von der Ausrichtung der<br />
Antenne und ließ sich durch keinerlei Maßnahmen beheben. Tatsächlich handelte<br />
es sich um die theoretisch vorhergesagte kosmische Hintergrundstrahlung. 1978 erhielten<br />
Penzias und Wilson den Nobelpreis.<br />
2 Die kosmische Hintergrundstrahlung<br />
als schwarzer Strahler<br />
Jeder Körper über dem absoluten Nullpunkt sendet thermische Strahlung aus. Befindet<br />
sich der Körper im thermodynamischen Gleichgewicht, kann man dieses Rauschen<br />
in eine Temperatur übersetzen. Dabei vergleicht man das Strahlungsspektrum mit<br />
dem Planck-Spektrum:<br />
I(ν)dν = 2hν3<br />
c 2 1<br />
exp( hν<br />
k B T<br />
− 1)dν<br />
(1)<br />
I(ν) ist die frequenzabhängige Intensität, T die Temperatur. Das Planck-Spektrum<br />
beschreibt einen Schwarzen Strahler; das Spektrum der kosmischen Hintergrundstrahlung<br />
ist das beste Schwarz-Körper-Spektrum, das jemals gemessen wurde.<br />
3 Entstehung<br />
Im frühen Universum entstanden Materie und Antimaterie. Diese zerstrahlten zu<br />
Photonen, nur ein kleinster Anteil Materie bleibt in Form von Baryonen und freien<br />
Elektronen erhalten. So kommt es zu einem riesigen Verhältniss von Photonen zu<br />
Baryonen. Die Photonen streuen an den freien Elektronen und haben so eine geringe<br />
freie Weglänge. Das Universum kühlt sich immer weiter ab, bis es zur Rekombination<br />
kommt: Die freien Elektronen werden von Baryonen gebunden und stehen so nicht<br />
mehr als Stoßpartner für die Photonen zur Verfügung. Man spricht davon, dass<br />
das Universum für Photonen durchlässig wird. Dies geschah etwa 380.000 Jahre<br />
1
nach dem Urknall; das Universum hatte zu dieser Zeit eine Temperatur von 3000<br />
Kelvin. Die Temperatur der Photonen nahm proportional mit der Ausdehnung des<br />
Universums ab, heute messen wir eine Temperatur von 2,725 Kelvin. Dies ist die<br />
kosmische Hintergrundstrahlung.<br />
3.1 Thomson-Querschnitt<br />
Die Thomson-Streuung beschreibt den Prozess des Stoßens zwischen Photonen und<br />
freien Elektronen. Es gilt:<br />
σ T ∝ 1 m 2 (2)<br />
Dabei ist σ T der Thomson-Querschnitt und m die Masse des geladenen Stoßpartners<br />
des Photons. Dieser Prozess macht das Universum für Photonen undurchlässig.<br />
Werden die freien Elektronen durch Baryonen zu neutraler Materie gebunden, wird<br />
der Wechselwirkungsquerschnitt so klein, dass eine ungestörte Ausbreitung der Photonen<br />
möglich ist. Die Photonen entkoppeln von der Materie.<br />
4 Anisotropie<br />
In der isotropen Hintergrundstrahlung gibt es kleine Temperatur-Schwankungen.<br />
Diese Schwankungen werden als Anisotropie bezeichnet und entstehen durch verschiedene<br />
Effekte; aus ihnen kann man wichtige Erkentnisse für die Kosmologie<br />
ziehen. Man unterscheidet dabei zwischen Anisotropien, die im frühen Universum<br />
entstanden sind (primäre Anisotropien) und solchen, die durch Effekte nach<br />
der Entkopplung entstehen (sekundäre Anisotropien). Neben Ballon-Experimenten<br />
liefern Satelliten-Missionen die besten Ergebnisse bei der Vermessung der kosmischen<br />
Hintergrundstrahlung und ihren Fluktuationen. 1989 wurde der Satellit COBE<br />
gestartet, der erstmals den ganzen Himmel kartierte. Seit 2001 liefert der Satellit<br />
WMAP durch höhere Winkelauflösung bessere Ergebnisse. Anfang 2011 werden die<br />
Ergebnisse des dritten Satelliten Planck mit noch besserer Auflöung erwartet.<br />
4.1 Mathematische Beschreibung<br />
der kosmischen Hintergrundstrahlung<br />
Möchte man die Temperaturfluktuationen mathematisch beschreiben, hat man es<br />
mit einem sphärischen, symmetrischen Problem zu tun. Deshalb entwickelt man die<br />
Temperstur T nach Kugelflächenfunktionen Y lm<br />
T (Θ, Φ) =<br />
∞∑<br />
l∑<br />
l=0 m=−l<br />
a lm Y lm (Θ, Φ) (3)<br />
Trägt man die Temperaturabweichung in eine bestimmte Richtung (△T ) 2 gegen die<br />
Ordnung der Multipolentwicklung l auf, so erhält man das Leistungsspektrum.<br />
2
4.2 Sunyaev-Zeldovich-Effekt<br />
Schwankungen in der Hintergrundstrahlung lassen sich durch einen ”inversen Comptoneffekt”<br />
beschreiben. Photonen können auf ihrem Weg duch das Universum in<br />
Galaxienhaufen mit heißen Gasen und folglich freien Elektronen geraten. Diese<br />
wechselwirken nun mit den Photonen über den Thomson-Querschnitt, allerdings<br />
nehmen nun die Photonen Energie auf, die die Elektronen abgeben. So kommt es<br />
zu Fluktuationen, die ihre Ursache nicht im frühen Universum haben.<br />
4.3 Silk-Dämpfung<br />
Die Silk-Dämpfung verhindert die gravitative Verklummpung der Baryonen vor der<br />
Rekombination. Ansammlungen wurden von den Photonen zerschlagen.<br />
Werfen wir einen Blick auf das heutige Universum: Wir sehen Sterne, Planeten,<br />
Galaxien und dazwischen Nichts. Heute gibt es also große Unterschiede in der<br />
Dichte unseres Universums. Vor der Rekombination kann Materie, die elektromagnetisch<br />
wechselwirkt aber keine Dichtefluktuationen ausgebildet haben, da die Silk-<br />
Dämpfung deren Bildung verhindert hat. Die Lösung bietet Dunkle Materie. Diese<br />
Dunkle Materie wechselwirkt nicht elektromagnetisch und konnte so Gravitationspotentiale<br />
ausbilden. Nach der Rekombination lagert sich die baryonische Materie an<br />
diese Potentiale an und verstärken die Dichtefluktuation.<br />
4.3.1 Zeitliche Entwicklung von Gravitationspotentialen<br />
Wie ist es möglich, dass aus den winzigen Dichtefluktuationen, die wir in der kosmischen<br />
Hintergrundstrahlung sehen, unsere heutigen Dichteschwankungen entstehen?<br />
Wir nehmen an, wir befinden uns in einem expandierenden Universum und betrachten<br />
einen Ort, an dem die Dichte etwas größer ist, als im Mittel. Diese höhere<br />
Dichte erzeugt ein Gravitationsfeld, das ebenfalls etwas größer ist, als im Mittel.<br />
3
Diese Gravitation bewirkt, dass das dichtere Gebiet langsamer expandiert, als das<br />
übrige Universum. Die Dichte nimmt in diesem Gebiet also langsamer ab, als in<br />
anderen Gebieten mittlerer Dichte. Die Dichtefluktuation in diesem Gebiet wächst<br />
also weiter an. Wir finden, dass sich Dichtefluktuationen selbst verstärken!<br />
4.4 Sachs-Wolfe-Effekt<br />
Es ist möglich, dass Photonen in die Potentialtöpfe stürzen. Bei einem Eintritt<br />
gewinnen sie Energie und erscheinen blau-verschoben. Entfliehen sie dem Potentialtopf,<br />
müssen sie Energie aufwenden, sie werden rot-verschoben. Ist der Potentialtopf<br />
unveränderlich heben sich die Rot- und Blauverschiebung gerade auf: Das Photon<br />
gewinnt die Energie, die es auch aufwenden muss um dem Potential zu entfliehen.<br />
4.5 Integrierter Sachs-Wolfe-Effekt<br />
Hierbei handelt es sich um eine sekundäre Anisotropie. Im Laufe der Zeit dehnt<br />
sich unser Universum immer weiter aus. Das hat Einfluss auf die Gravitationspotentiale,<br />
die Photonen der kosmischen Hintergrundstrahlung überwinden müssen<br />
(Sachs-Wolfe-Effekt). Wir nehmen an, ein Photon fällt in ein Gravitationspotential,<br />
das eine gewisse Höhe hat. Dehnt sich das Universum nun aus, nimmt diese Höhe<br />
ab. Entflieht das Photon also dem Potential, muss es weniger Energie aufwenden,<br />
als es zu Beginn gewonnen hat! Diesen Effekt bezeichnet man als Integrierten Sachs-<br />
Wolfe-Effekt.<br />
Dieser Effekt ist natürlich nur beobachtbar, wenn man das Gravitationspotential<br />
als zeitabhängig annimmt. Nicht in allen kosmologischen Modellen ist das so: Das<br />
Einstein-DeSitter-Modell (EdS-Modell) führt zu einem Potential, das nicht von der<br />
Zeit abhängt. Da aber der Integrierte Sachs-Wolfe-Effekt tatsächlich durch die<br />
Temperatur-Fluktuationen beobachtet worden ist, kann man das EdS-Universum<br />
als Modell ausschließen.<br />
Durch Vermessung der Temperatur-Anisotropie der kosmischen Hintergrundstrahlung<br />
kann man kosmologische Modelle falsifizieren!<br />
4.6 Akustische Schwingungen<br />
Zwischen der Phase der Inflation und der Rekombination konnten sich Schwingungen<br />
ausbilden. Garvitaionspotentiale (Dunkle Materie) komprimierten das Baryonen-<br />
Leptonen-Photonen Gas, die Photonen (Strahlungsdruck) wirken dem entgegen und<br />
treiben Baryonen und Leptonen wieder auseinander. So kommt es zu Dichteschwankungen<br />
der Baryonen und Leptonen in der Zeit. Diese Schwingungen werden im Leistungsspektrum<br />
als ausgeprägte Maxima deutlich. Diese sind eine Überlagerung aus<br />
einer Grundschwingung (halbe Wellenlänge) und Oberschwingungen (ganzzahlige<br />
Vielfache der Grund-Wellenlänge). Wird die Wellenlänge einer Schwingung kleiner,<br />
als die mittlere freie Weglänge der Photonen, können sich keine Schwingungen<br />
mehr ausbilden. So ergibt sich eine Grenze der akustischen Schwingungen für<br />
kleine Skalen. Die obere Grenze ist durch die maximale Wellenlänge gegeben: Sie<br />
entspricht der Schwingung von einer maximalen Verdichtung zu einer minimalen<br />
Verdichtung.<br />
4
5 Kosmologische Parameter<br />
Das Leistungsspektrum der kosmischen Hintergrundstrahlung hängt stark von den<br />
kosmologischen Parametern ab, die unser Universum charakterisieren. Gelingt es,<br />
die Strahlung exakt zu vermessen, kann man so Rückschlüsse auf den Aufbau und<br />
die Struktur des Universums ziehen.<br />
5.1 Dichteparamter und Krümmung des Universums<br />
Aus der Lage des ersten Maximums der akustischen Schwingungen bei 1 Grad<br />
ergibt sich die Flachheit des Universums. In einem geschlossenen Universum würde<br />
man einen größeren Winkel, in einem offenen Universum einen kleineren Winkel<br />
beobachten.<br />
Man kann aus der relativen Höhe des ersten Peaks der akustischen Schwingungen<br />
auf die Gesamtenergie des Universums schließen.<br />
Aus dem zweiten Peak kann man die Baryonen-Dichte in unserem Universum schließen.<br />
Aus dem dritten Peak erhält man zunächt Aufschluss über die Strahlungsdichte und<br />
kann dann Rückschlüsse auf die Dunkle Materie ziehen.<br />
5.2 Das Universum in Zahlen<br />
Aus der kosmischen Hintergrundstrahlung lassen sich die wichtigsten kosmologischen<br />
Parameter bestimmen:<br />
Bezeichnung Parameter Wert Fehler<br />
Hubble-Parameter h 0.72 0.03<br />
Massen-Dichte Ω m ∗ h 2 0.133 0.006<br />
Baryonen-Dichte Ω b ∗ h 2 0.0227 0.0006<br />
Vakuum-Energie-Dichte Ω Λ 0.74 0.03<br />
(aus: Physicle-Data-Booklet)<br />
6 Zusammenfassung<br />
Die isotrope kosmische Hintergrundstrahlung bestätigt das Urknall-Modell. Die Vermessung<br />
der Anisotropie liefert Erkenntnisse über Prozesse im frühen Universum.<br />
Wir sind in der Lage viele kosmologische Parameter zu bestimmen. Die Ergebnisse<br />
bestätigen kosmologische Modelle und schließen andere aus. Erst durch die<br />
Entdeckung und Vermessung der kosmischen Hintergrundstrahlung haben wir eine<br />
Vorstellung von der frühen Entwicklung unseres Universums. Nur so können wir<br />
besser verstehen, warum wir heute in einem so grandiosen Universum leben.<br />
7 Literatur<br />
• Peter Schneider:<br />
Einführung in die Extragalaktische Astronomie und Kosmologie<br />
• Steven Weinberg: Die ersten drei Minuten<br />
• Lars Bergström und Ariel Goobar: Cosmology and Particle Astrophysics<br />
• Steven Weinberg: Cosmology<br />
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