Gleichförmige und gleichmässig beschleunigte Bewegung 1 ...
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<strong>Gleichförmige</strong> <strong>und</strong> <strong>gleichmässig</strong> <strong>beschleunigte</strong> <strong>Bewegung</strong><br />
1 Galilei's Überlegungen zu den Fallgesetzen<br />
1.1 Alle Körper fallen gleich schnell<br />
Zu Galilei's Zeit war die von Arisoteles stammende Ansicht verbreitet, dass ein Körper um so<br />
schneller fallen müsse, je mehr Masse er hat. Aristoteles argumentierte so: Der natürliche Ort<br />
eines Körpers, z.B. eines Steins, sei der Boden. Daher sei der Stein, wenn er aufgehoben wird,<br />
bestrebt, diesen natürlichen Ort wieder einzunehmen. Je grösser die Masse des Körpers, desto<br />
stärker auch dieses Bestreben, <strong>und</strong> desto grösser die Fallgeschwindigkeit.<br />
Galilei fragte nun danach, was passiert, wenn man einen grossen <strong>und</strong> einen kleinen Stein<br />
zusammenbindet. Einerseits muss gemäss Aristoteles der kleinere Stein den grossen bremsen,<br />
da er ja langsamer fällt. Andererseits bilden der grosse <strong>und</strong> der kleine Stein zusammen einen<br />
Körper mit noch mehr Masse. Also müsste der ganze Körper noch schneller fallen als der<br />
grosse Stein allein. Aus diesem Widerspruch schloss Galilei, dass alle Körper gleich schnell<br />
fallen. Dass eine Vogelfeder langsamer fällt als ein Stein, erklärte er mit dem Luftwiderstand.<br />
1.2 Die Fallstrecke ist proportional zum Quadrat der Fallzeit<br />
Galilei untersuchte gedanklich, ob es möglich sei, dass die Geschwindigkeit eines fallenden<br />
Körpers proportional zur Zeit zunimmt. Er überlegte sich: Wenn man einen Körper aus der<br />
Ruhe eine Sek<strong>und</strong>e fallen lässt, erreicht er eine Geschwindigkeit v. Lässt man ihn zwei<br />
Sek<strong>und</strong>en fallen, dann erreicht er die Geschwindigkeit 2v, vorausgesetzt eben, Zeit <strong>und</strong><br />
Geschwindigkeit sind proportional. Im ersten Fall ist die mittlere Geschwindigkeit des<br />
1<br />
Körpers v 1 = v,<br />
denn die anfängliche Geschwindigkeit ist null, die Geschwindigkeit am<br />
2<br />
Schluss dagegen v. Im zweiten Fall ist die mittlere Geschwindigkeit v 2 = v,<br />
denn die<br />
anfängliche Geschwindigkeit ist null, die Geschwindigkeit am Schluss dagegen 2v.<br />
Wie gross sind nun die Fallstrecken? Im ersten Fall ist die mittlere Geschwindigkeit<br />
1<br />
1<br />
v 1 = v,<br />
die Fallzeit ist 1s. Das Produkt ist eine bestimmte Strecke ∆s 1 = v ⋅1s.<br />
Im zweiten<br />
2<br />
2<br />
Fall ist die mittlere Geschwindigkeit v 2 = v,<br />
also doppelt so gross wie im ersten Fall. Aber<br />
auch die Fallzeit ist doppelt so gross, nämlich 2s. Dadurch wird das Produkt sogar viermal so<br />
gross: ∆s<br />
= v ⋅ s = 4 ⋅ ∆ .<br />
2 2 s1<br />
Auf diese Art kann man eine ganze Tabelle aufstellen:<br />
Fallzeit 1s 2s 3s 4s 5s ...<br />
Geschwindigkeit am Schluss v 2v 3v 4v 5v ...<br />
mittlere Geschwindigkeit 0.5⋅ v 1⋅ v 1.5⋅ v 2⋅ v 2.5⋅ v ...<br />
Fallstrecke<br />
0.5⋅ v⋅1s 1⋅ v⋅2s 1.5⋅ v⋅3s 2⋅ v⋅4s 2.5⋅ v⋅5s ...<br />
= 1⋅∆s 1 = 4⋅∆s 1 = 9⋅∆s 1 = 16⋅∆s 1 = 25⋅∆s 1
Die Annahme, dass Geschwindigkeit <strong>und</strong> Fallzeit proportional sind, führt also auf folgendes<br />
Gesetz für die Fallstrecke:<br />
Wenn ein fallender Körper in einer Sek<strong>und</strong>e die Strecke ∆s 1 zurücklegt, dann legt er in<br />
n Sek<strong>und</strong>en die Strecke n 2 ⋅∆s 1 zurück.<br />
Galilei hat nur selten wirklich frei fallende Körper untersucht. Statt dessen hat er Experimente<br />
auf einer schiefen Kugelbahn ("Fallrinne") durchgeführt:<br />
Auf dieser Rinne hat er an verschiedenen Stellen Kerben angebracht, an denen die herabrollende<br />
Kugel ein Geräusch erzeugt. Diese Kerben hat er in den Abständen 1⋅∆s 1 , 4⋅∆s 1 ,<br />
9⋅∆s 1 , 16⋅∆s 1 , 25⋅∆s 1 usw. vom oberen Ende angebracht. Wenn die ursprüngliche Annahme,<br />
dass Geschwindigkeit <strong>und</strong> Fallzeit proportional sind, stimmt, dann braucht eine Kugel, die bis<br />
zur ersten Kerbe 1s rollt, 2s bis zur 2. Kerbe, 3s bis zur 3. Kerbe usw. Die Geräusche sind<br />
daher in gleichen Zeitabständen zu hören.<br />
Die Experimente haben die Annahme bestätigt. Auf diese Art ist es Galilei gelungen, zu<br />
zeigen, dass die Geschwindigkeit eines fallenden Körpers proportional zur Fallzeit ist, <strong>und</strong><br />
gleichzeitig konnte er zeigen, dass die Fallstrecke proportional zum Quadrat der Fallzeit ist.<br />
2 Messung der Proportionalitätskonstante des freien Falls<br />
Das Fallgesetz lässt sich mathematisch so formulieren: Wenn ∆t die Fallzeit eines Körpers in<br />
Sek<strong>und</strong>en ist, <strong>und</strong> ∆s die Fallstrecke, dann ist<br />
∆s = k (∆t) 2<br />
k ist die Proportionalitätskonstante zwischen Fallstrecke <strong>und</strong> dem Quadrat der Fallzeit. (Wenn<br />
Sie für ∆t 1s einsetzen, bekommen Sie ∆s = k, wenn Sie für ∆t 2s einsetzen, bekommen Sie ∆s<br />
= 4k, wenn Sie für ∆t 3s einsetzen, bekommen Sie ∆s = 9k usw. Das ist also nichts neues.)<br />
Um zu wissen, wie weit nun ein Körper in 1s (oder welcher Zeit auch immer) wirklich fällt,<br />
müssen wir k bestimmen. Dazu messen wir die Fallzeit eines Körpers, der 1m tief fällt. Die<br />
Messungen ergeben:<br />
∆t<br />
∆s<br />
1m<br />
k = =<br />
2 2<br />
( ∆t)<br />
( ∆t)<br />
Der Mittelwert für k, der sich aus diesen Messungen ergibt, ist __________, ger<strong>und</strong>et ______.
3 Die Beschleunigung <strong>und</strong> die Konstante k<br />
3.1 Was ist eine sinnvolle Definition der Beschleunigung?<br />
Wir benutzen den Begriff Geschwindigkeit im Alltag, um damit auszudrücken, dass sich<br />
etwas bewegt. Um in einer Zahl auszudrücken, wie "geschwind" sich etwas bewegt, geben wir<br />
an, wie man Geschwindigkeiten misst: Man misst die Strecke, die ein Körper zurücklegt,<br />
sowie die Zeit, die er dazu benötigt. Der Quotient "Strecke durch Zeit" ist die<br />
Geschwindigkeit 1 . Der Begriff Geschwindigkeit baut also auf den Begriffen Zeit <strong>und</strong> Strecke<br />
auf, die ihrerseits definiert werden müssen. Wie man Zeit <strong>und</strong> Strecke definiert, ist eine<br />
andere Geschichte, die später erklärt wird.<br />
Ob diese Messvorschrift für die Geschwindigkeit gut gewählt ist, entscheidet sich daran, ob<br />
die <strong>Bewegung</strong> eines Körpers mit konstanter Geschwindigkeit etwas einfaches ist. Die<br />
alltägliche Erfahrung zeigt, dass Gegenstände, die in ihrer <strong>Bewegung</strong> sich selbst überlassen<br />
werden, sich nicht mit konstanter Geschwindigkeit bewegen, sondern abgebremst werden.<br />
Beobachtet man aber Gegenstände, die bei ihrer <strong>Bewegung</strong> sehr wenig Reibung verspüren<br />
(z.B. eine Puckscheibe auf Eis oder ein Wagen auf einer Luftkissenbahn), dann sieht man,<br />
dass diese <strong>Bewegung</strong>en zumindest annähernd mit konstanter Geschwindigkeit ablaufen, <strong>und</strong><br />
man erkennt, dass die <strong>Bewegung</strong> mit konstanter Geschwindigkeit offenbar einen Idealzustand<br />
darstellt, der allerdings auf der Erde (zumindest für "greifbare" Gegenstände) aufgr<strong>und</strong> von<br />
Reibung nirgends in Perfektion vorkommt.<br />
Den Begriff Beschleunigung benutzt man im Alltag, um damit auszudrücken, dass die<br />
Geschwindigkeit eines Körpers zunimmt. Wiederum möchte man in einer Zahl ausdrücken,<br />
wie stark 2 etwas beschleunigt wird, <strong>und</strong> wiederum möchte man, dass eine <strong>Bewegung</strong> mit<br />
konstanter Beschleunigung etwas einfaches darstellt.<br />
Galilei's Annahme, dass die Geschwindigkeit eines fallenden Körpers jede Sek<strong>und</strong>e um gleich<br />
viel zunimmt, führte auf das richtige Fallgesetz. Das konnte Galilei an der Fallrinne selbst<br />
überprüfen, <strong>und</strong> auch mit Fallschnüren lässt sich diese Annahme bestätigen. Da die<br />
Fallbewegung sicher eine der einfachsten <strong>beschleunigte</strong>n <strong>Bewegung</strong>en ist, ist es wünschenswert,<br />
die Beschleunigung so zu definieren, dass sie für die Fallbewegung konstant ist. Das<br />
erreicht man durch folgende Definition:<br />
Beschleunigung =<br />
Geschwindigkeitsänderung<br />
dafür benötigte Zeit<br />
Als Gleichung:<br />
a =<br />
∆v<br />
∆t<br />
Da man die Beschleunigung erhält, indem man die Geschwindigkeit (Einheit s<br />
m ) durch die<br />
Zeit (Einheit s) teilt, hat die Beschleunigung die Einheit<br />
1 Genauer gesagt: Die mittlere Geschwindigkeit während der Messzeit.<br />
2 Da es ohnehin Mühe macht, Geschwindigkeit <strong>und</strong> Beschleunigung immer sauber auseinander zu halten, sollte<br />
man die Situation nicht noch dadurch verwirren, dass man Dinge sagt wie: "Körper A wird schneller beschleunigt<br />
als Köper B." Sicherer ist es, zu sagen, Köper A werde stärker beschleunigt als Körper B.
m<br />
m<br />
[ a]<br />
=<br />
s<br />
=<br />
s 2<br />
s<br />
Das Symbol a steht für das englische Wort für Beschleunigung, acceleration.<br />
Warum ist jetzt mit dieser Definition die Beschleunigung eines fallenden Körpers konstant?<br />
Das liegt daran, dass ∆v die Geschwindigkeitsänderung ist <strong>und</strong> ∆t die dafür benötigte Zeit. Da<br />
ein frei fallender Körper jede Sek<strong>und</strong>e um gleich viel schneller wird, ist die Geschwindigkeitsänderung<br />
(nicht die Geschwindigkeit selbst) innerhalb jeder Sek<strong>und</strong>e gleich.<br />
Obwohl es weniger auffällt als bei der <strong>Bewegung</strong> mit konstanter Geschwindigkeit, ist auch<br />
die <strong>Bewegung</strong> mit konstanter Beschleunigung ein Idealfall, der auf der Erde nur annähernd<br />
vorkommt. Dafür gibt es mehrere Gründe. Die wichtigsten sind:<br />
1. Der Luftwiderstand bremst fallende Körper (mit Abstand der wichtigste Gr<strong>und</strong>)<br />
2. Die Erdanziehungskraft ist um so stärker, je näher ein Körper sich an der Erdoberfläche<br />
befindet (Das ist erst für Fallstrecken von einigen 100 km Länge von Bedeutung).<br />
3.2 Das Fallgesetz, formuliert mit der Beschleunigung a<br />
Ein Körper, der aus der Ruhe fallen gelassen wird, <strong>und</strong> dabei mit der Beschleunigung a immer<br />
schneller wird, hat nach einer Sek<strong>und</strong>e die Geschwindigkeit v 1 = a ⋅ 1s. Seine mittlere<br />
Geschwindigkeit bis zu diesem Zeitpunkt war halb so gross, denn der Körper hatte ja die<br />
1<br />
Anfangsgeschwindigkeit 0. Also ist die mittlere Geschwindigkeit v 1 = a ⋅1s<br />
. Der<br />
2<br />
zurückgelegte Weg ist das Produkt aus der mittleren Geschwindigkeit <strong>und</strong> der Fallzeit, also<br />
1 1 2<br />
∆s 1 = v1<br />
⋅1s<br />
= a ⋅1s<br />
⋅1s<br />
= a ⋅ (1s) . Es lässt sich wieder eine Tabelle erstellen:<br />
2 2<br />
Fallzeit 1s 2s 3s 4s 5s ...<br />
Geschwindigkeit am Schluss a ⋅ 1s a ⋅ 2s a ⋅ 3s a ⋅ 4s a ⋅ 5s ...<br />
mittlere Geschwindigkeit<br />
Fallstrecke<br />
1 1 1 1 1 a ⋅ 1s a ⋅ 2s a ⋅ 3s a ⋅ 4s a ⋅ 5s<br />
...<br />
2<br />
2<br />
2<br />
2<br />
2<br />
v ⋅1s<br />
v ⋅1s<br />
v ⋅1s<br />
v ⋅1s<br />
v ⋅1s<br />
...<br />
1<br />
1 2<br />
= a ⋅ (1s) =<br />
2<br />
2<br />
1<br />
2<br />
2<br />
a ⋅ (2s)<br />
3<br />
4<br />
1 2<br />
= a ⋅ (3s) =<br />
2<br />
1 2<br />
a ⋅ (4s)<br />
2<br />
5<br />
1 2<br />
= a ⋅ (5s)<br />
2<br />
Als Fallgesetz lässt sich daraus die Formel<br />
1 2<br />
∆s<br />
= a ⋅ ( ∆t)<br />
2<br />
ableiten. Vergleichen wir das mit der früher gef<strong>und</strong>enen Formel ∆s = k (∆t) 2 : Offenbar ist<br />
1 k = a , also die halbe Beschleunigung. Ob man mit k oder mit a rechnet, ist rein<br />
2<br />
mathematisch gesehen egal. In der Praxis wird aber nur a verwendet. Das liegt daran, dass die<br />
∆v<br />
1 ∆v<br />
Beziehung a = sehr wichtig ist, <strong>und</strong> die Alternative, k = , unschön wäre.<br />
∆t<br />
2 ∆t
4 Graphische Darstellung von <strong>Bewegung</strong>en<br />
4.1 Weg-Zeit-Diagramm : s(t)<br />
Bei jeder <strong>Bewegung</strong> hängt der Aufenthaltsort s eines Körpers von der Zeit t ab. Diese<br />
Abhängigkeit ist nicht allein dem Zufall überlassen, sondern bis zu einem gewissen Grade<br />
vorhersagbar. Dieser Grad an Vorhersagbarkeit ist sehr unterschiedlich: Beispielsweise lässt<br />
sich die Laufbahn des Mondes über Jahrtausende hinweg vorhersagen (das gilt auch für<br />
Mond- <strong>und</strong> Sonnenfinsternisse), die Laufbahn eines Gewitters ist etwa eine halbe St<strong>und</strong>e<br />
voraussagbar, wo <strong>und</strong> wann der Blitz einschlägt, kann man dagegen kaum eine Sek<strong>und</strong>e vor<br />
dem Ereignis wissen.<br />
Bis Anfang des 20. Jahrh<strong>und</strong>erts hat sich die Physik fast ausschliesslich mit vorhersagbaren<br />
<strong>Bewegung</strong>en <strong>und</strong> Phänomenen beschäftigt. Man war sogar der Ansicht, dass jede <strong>Bewegung</strong><br />
<strong>und</strong> jedes Phänomen prinzipiell vorhersagbar wäre, wenn man nur genügend über seine<br />
Vergangenheit wüsste. Heute wissen wir, dass die vorhersagbaren <strong>Bewegung</strong>en <strong>und</strong><br />
Phänomene nur einen Bruchteil dessen ausmachen, was in der Natur möglich ist, dass sich<br />
aber die Natur vielfach selbst so organisiert, dass ihr Verhalten vorhersagbar wird. Mit den<br />
Grenzen der Vorhersagbarkeit befassen sich die Quantentheorie <strong>und</strong> die Chaosforschung.<br />
In der Schulphysik stehen vorhersagbare <strong>Bewegung</strong>en eindeutig im Vordergr<strong>und</strong>. Die<br />
<strong>Bewegung</strong> mit konstanter Geschwindigkeit (sog. gleichförmige <strong>Bewegung</strong>) <strong>und</strong> die<br />
<strong>Bewegung</strong> mit konstanter Beschleunigung (sog. <strong>gleichmässig</strong> <strong>beschleunigte</strong> <strong>Bewegung</strong>) sind<br />
Bespiele vorhersagbarer <strong>Bewegung</strong>en. Andere Beispiele sind die Kreisbewegung, die<br />
Pendelbewegung <strong>und</strong> die Planetenbewegung.<br />
Bei vorhersagbaren <strong>Bewegung</strong>en eines Körpers kann man jedem Zeitpunkt t eindeutig einen<br />
Ort s zuordnen: Es existiert eine Vorschrift, die angibt, wo der Körper zur Zeit t sein wird.<br />
Eine solche Vorschrift heisst in der Mathematik Funktion, <strong>und</strong> man sagt daher: Der Ort s ist<br />
eine Funktion der Zeit t, <strong>und</strong> das wiederum schreibt man so: s = s (t). Ausgesprochen wird es:<br />
"s gleich s von t". Die Funktion s (t) heisst auch<br />
Ortsfunktion.<br />
Welches ist nun die Vorschrift, mit der man aus<br />
einer Zeit t den zugehörigen Ort s berechnen<br />
kann? Das hängt davon ab, um welche Art von<br />
<strong>Bewegung</strong> es sich handelt. Bei der <strong>Bewegung</strong><br />
mit konstanter Geschwindigkeit v (gleichförmige<br />
<strong>Bewegung</strong>) ist es die Funktion<br />
s (t) = v ⋅ t<br />
(gesprochen: s von t gleich v mal t). Dieser Zusammenhang stimmt allerdings nur, wenn sich<br />
der Körper zur Zeit 0 am Ort 0 befindet.<br />
Für die <strong>Bewegung</strong> mit konstanter Beschleunigung (<strong>gleichmässig</strong> <strong>beschleunigte</strong> <strong>Bewegung</strong>)<br />
beschreibt folgende Funktion den Zusammenhang zwischen Ort <strong>und</strong> Zeit:<br />
s (t) = 2<br />
1 a ⋅ t<br />
2<br />
Dieses s<br />
steht für den<br />
Ort s.<br />
Dieses s steht für die<br />
Vorschrift, wie der Ort<br />
aus der Zeit<br />
auszurechnen ist.<br />
Beide (Ort <strong>und</strong><br />
Vorschrift) werden mit<br />
s bezeichnet. s (t), also<br />
s von t bedeutet: Die<br />
Vorschrift s<br />
angewendet auf die<br />
Zeit t.
Auch dieser Zusammenhang gilt nur, wenn sich der Körper zur Zeit 0 am Ort 0 befindet, <strong>und</strong><br />
noch dazu nur dann, wenn er anfänglich die Geschwindigkeit 0 hat.<br />
Die graphische Darstellung einer Ortsfunktion – man nennt sie auch das s-t-Diagramm –<br />
erhält man, indem man sich t <strong>und</strong> s als Koordinaten eines Punktes P(t / s) denkt <strong>und</strong> alle so<br />
erhaltenen Punkte in ein Koordinatensystem einträgt. Mit ein wenig Übung lässt sich in vielen<br />
Fällen der Funktionsgleichung s = s (t) ansehen, wie die Ortsfunktion verläuft; in anderen<br />
Fällen ist es nützlich, eine Wertetabelle<br />
t<br />
s = s (t)<br />
zu erstellen <strong>und</strong> die Wertepaare punktweise in das Koordinatensystem zu übertragen, um das<br />
s-t-Diagramm zu zeichnen.<br />
Beispiel 1<br />
Zur <strong>Bewegung</strong> mit der konstanten Geschwindigkeit 20 m/s gehört die Ortsfunktion<br />
s (t) = 20 m/s ⋅ t<br />
Die Wertetabelle sieht so aus:<br />
t [s] 0 1 2 3 4 5<br />
s = 20 m/s ⋅ t [m] 0 20 40 60 80 100<br />
Die Einheit schreibt man<br />
in eckigen Klammern.<br />
Das zugehörige s-t-Diagramm ist<br />
140<br />
s [m]<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />
t [s]<br />
Das s-t-Diagramm einer gleichförmigen <strong>Bewegung</strong> (<strong>Bewegung</strong> mit konstanter Geschwindigkeit)<br />
ist immer einer Gerade. Es wäre daher im obigen Beispiel nicht nötig gewesen, eine
Wertetabelle mit sechs Einträgen zu erstellen, sondern es hätte neben dem Punkt (0s/0m) ein<br />
weitere Punkt genügt.<br />
Aus dem s-t-Diagramm einer gleichförmigen <strong>Bewegung</strong> lässt sich die Geschwindigkeit<br />
problemlos ablesen: Man wählt zwei Punkte, bestimmt deren räumlichen Abstand ∆s <strong>und</strong> den<br />
∆s<br />
zeitlichen Abstand ∆t <strong>und</strong> bildet den Quotienten v = .<br />
∆t<br />
Beispiel 2<br />
s [m]<br />
Im nebenstehenden s-t-Diagramm ist ∆s = 40 m<br />
<strong>und</strong> ∆t = 4 s, daher ist die Geschwindigkeit v = 10<br />
m/s. Anstelle der Punkte (4s/40m) <strong>und</strong> (8s/80m)<br />
hätte man auch beliebige andere Punkte wählen<br />
können. Die Methode funktioniert auch dann,<br />
wenn die Gerade nicht durch den Nullpunkt<br />
(0s/0m) geht.<br />
140<br />
120<br />
100<br />
80<br />
60<br />
40<br />
20<br />
∆t<br />
∆s<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />
t [s]<br />
Beispiel 3<br />
Zur <strong>Bewegung</strong> mit konstanter Beschleunigung a = 10 m/s (das ist der ungefähre Wert<br />
für den freien Fall auf der Erde) gehört die Ortsfunktion<br />
Die Wertetabelle sieht so aus:<br />
1 m<br />
s(<br />
t)<br />
= ⋅10<br />
⋅ t<br />
2<br />
2 s<br />
2<br />
t [s] 0 0.25 0.5 1 2 3<br />
1 m<br />
s(<br />
t)<br />
⋅10<br />
⋅ t<br />
2<br />
2 s<br />
2<br />
= [m] 0 0.3125 1.25 5 20 45<br />
Das zugehörige s-t-Diagramm ist<br />
s [m]<br />
45<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
1<br />
2 3<br />
t [s]
Für kompliziertere <strong>Bewegung</strong>en ist es nicht immer zweckmässig, die Ortsfunktion in Form<br />
einer Formel anzugeben. Statt dessen kann man sich auf eine Beschreibung beschränken.<br />
Beispiel 4<br />
Fahrplan eines Zugs:<br />
Ort km an ab<br />
Basel SBB 0 13:53<br />
Liestal 14 14:02 14:03<br />
Sissach 20 14:09 14:10<br />
Olten 38 14:23<br />
Zugehöriges Diagramm:<br />
km<br />
40<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
0<br />
13:50 13:55 14:00 14:05 14:10 14:15 14:20 14:25<br />
Zeit<br />
Die Geschwindigkeiten lassen sich wieder durch die Wahl einzelner Punkte ablesen. Beispiel:<br />
Zwischen Sissach <strong>und</strong> Olten ist ∆s = 18 km <strong>und</strong> ∆t = 14 min = 0.233 h, somit v = 77 km/h.<br />
4.2 Geschwindigkeits-Zeit-Diagramm: v(t)<br />
Ebenso wie der Ort, hängt auch die Geschwindigkeit eines Körpers von der Zeit ab. Neben<br />
der Ortsfunktion s (t) existiert daher auch eine Vorschrift v(t), welche jedem Zeitpunkt t eine<br />
Geschwindigkeit v zuordnet. Diese Vorschrift heisst Geschwindigkeitsfunktion.<br />
Bei der graphischen Darstellung der Geschwindigkeitsfunktion geht man genau gleich vor wie<br />
bei der Ortsfunktion. Für die gleichförmige <strong>und</strong> die <strong>gleichmässig</strong> <strong>beschleunigte</strong> <strong>Bewegung</strong><br />
nimmt die Geschwindigkeitsfunktion folgende Formen an:
• v(t) = v 0 für die gleichförmige <strong>Bewegung</strong><br />
• v(t) = a ⋅ t für die <strong>gleichmässig</strong> <strong>beschleunigte</strong> <strong>Bewegung</strong>.<br />
v 0 ist das Symbol für die anfängliche Geschwindigkeit, die im Fall der gleichförmigen<br />
<strong>Bewegung</strong> immer beibehalten wird. Genau genommen hängt bei der gleichförmigen<br />
<strong>Bewegung</strong> die Geschwindigkeit gar nicht von der Zeit ab.<br />
Die Formel v(t) = a ⋅ t für die <strong>gleichmässig</strong> <strong>beschleunigte</strong> <strong>Bewegung</strong> ist nur gültig, wenn die<br />
Anfangsgeschwindigkeit 0 ist.<br />
Aus dem v-t-Diagramm der <strong>gleichmässig</strong> <strong>beschleunigte</strong>n <strong>Bewegung</strong> lässt sich die<br />
Beschleunigung ablesen, <strong>und</strong> zwar ebenso, wie man im s-t-Diagramm die Geschwindigkeit<br />
abliest: Man wählt zwei Punkte, bestimmt deren Geschwindigkeitsdifferenz ∆v <strong>und</strong> den<br />
∆v<br />
zeitlichen Abstand ∆t <strong>und</strong> bildet den Quotienten a = .<br />
∆t<br />
Beispiel<br />
v [m/s]<br />
Im nebenstehenden v-t-Diagramm ist<br />
∆v = 20 m/s <strong>und</strong> ∆t = 4 s, daher ist die<br />
Beschleunigung a = 5 m/s 2 . An Stelle<br />
der Punkte (4s / 20m/s) <strong>und</strong><br />
(8s / 40m/s) hätte man auch beliebige<br />
andere Punkte wählen können. Die<br />
Methode funktioniert auch dann, wenn<br />
die Gerade nicht durch den Nullpunkt<br />
(0s/0m/s) geht.<br />
70<br />
60<br />
50<br />
40<br />
30<br />
20<br />
10<br />
∆t<br />
∆v<br />
1 2 3 4 5 6 7 8 9 10<br />
t [s]<br />
Das v-t-Diagramm ist aber vor allem dann ausserordentlich nützlich, wenn man bei<br />
komplizierteren <strong>Bewegung</strong>en die insgesamt zurückgelegte Wegstrecke berechnen will.<br />
Beispiel<br />
Das nebenstehende v-t-Diagramm zeigt den<br />
Überholvorgang eines Autos: Während der<br />
ersten 8 Sek<strong>und</strong>en beschleunigt der Wagen<br />
von 20 m/s auf 30 m/s, fährt dann während 8<br />
Sek<strong>und</strong>en mit 30 m/s <strong>und</strong> bremst innerhalb<br />
von 2 Sek<strong>und</strong>en wieder auf 20 m/s ab. Der<br />
insgesamt zurückgelegte Weg ist so gross wie<br />
der Inhalt der Fläche, der durch die Kurve <strong>und</strong><br />
die Zeitachse begrenzt wird.<br />
v [m/s]<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20<br />
t [s]<br />
Woher kommt das? Während der ersten 8 Sek<strong>und</strong>en beträgt die mittlere Geschwindigkeit<br />
25 m/s, der zurückgelegte Weg ist also 25 m/s ⋅ 8s = 200 m. Die Fläche bis dorthin<br />
ist ein Trapez mit der mittleren Höhe 25 m/s <strong>und</strong> der Breite 8s, also ebenfalls mit<br />
Flächeninhalt 200 m. Im darauffolgenden Abschnitt mit konstanter Geschwindigkeit ist<br />
die zurückgelegte Strecke 30 m/s ⋅ 8s = 240 m. So gross ist auch das zugehörige<br />
Rechteck, dessen Seitenlängen 30 m/s <strong>und</strong> 8s betragen. Während der letzten 2 Sek<strong>und</strong>en
ist die mittlere Geschwindigkeit 25 m/s, was eine Wegstrecke von 25 m/s ⋅ 2s = 50 m<br />
ergibt. So gross ist auch das Trapez mit mittlerer Höhe 25 m/s <strong>und</strong> 2s Breite.<br />
Gewöhnungsbedürftig ist die Vorstellung, die Länge einer Seite könne die Einheit m/s<br />
oder s haben, bzw., die Fläche die Einheit m. Der Gr<strong>und</strong> für diese Merkwürdigkeit liegt<br />
darin, dass auch die Achsen nicht mit Längen, sondern eben mit Zeit <strong>und</strong><br />
Geschwindigkeit angeschrieben sind. Mass gebend sind auch nicht die Längen, die sie<br />
am Diagramm mit einem Lineal ablesen könnten (diese würden ja davon abhängen, wie<br />
gross das Diagramm dargestellt wird), sondern die Skalierungen, die Sie an den Achsen<br />
ablesen können.<br />
4.3 Beschleunigungs-Zeit-Diagramm: a(t)<br />
Bei der gleichförmigen <strong>Bewegung</strong> ist die Geschwindigkeit konstant, daher ist die<br />
Beschleunigung null. Das bedeutet a(t) = 0, d.h. a hängt eigentlich gar nicht von der Zeit ab.<br />
Bei der <strong>gleichmässig</strong> <strong>beschleunigte</strong>n <strong>Bewegung</strong> ist die Beschleunigung konstant, daher ist a(t)<br />
= a, wieder hängt a gar nicht von der Zeit ab. Das a-t-Diagramm ist eine horizontale Gerade.<br />
Beispiel<br />
a-t-Diagramm einer <strong>gleichmässig</strong><br />
<strong>beschleunigte</strong>n <strong>Bewegung</strong> mit der<br />
Beschleunigung 20 m/s 2 . Das ganze<br />
sieht ziemlich langweilig aus.<br />
a [m/s 2 ]<br />
t [s]<br />
35<br />
30<br />
25<br />
20<br />
15<br />
10<br />
5<br />
2 4 6 8 10 12 14 16 18 20<br />
5 Negative Geschwindigkeiten<br />
Wo immer möglich, sollte man das Auftreten von negativen Geschwindigkeiten vermeiden.<br />
Ob man eine Geschwindigkeit positiv oder negativ wählt, ist nämlich reine Geschmackssache.<br />
Es gibt allerdings einen Fall, in dem man nicht um negative Geschwindigkeiten herumkommt.<br />
Das ist der Fall eines Objektes, das seine <strong>Bewegung</strong>srichtung ändert.<br />
Beispiel<br />
v [m/s]<br />
20<br />
15<br />
Ein Ball wird mit 20 m/s vom Boden aus nach oben geworfen.<br />
Die Erdbeschleunigung von 10 m/s 2 reduziert 3 die Geschwindigkeit<br />
jede Sek<strong>und</strong>e um 10 m/s. Nach 2 s ist der Ball vollständig abgebremst<br />
<strong>und</strong> fällt von da an in umgekehrter Richtung zurück zur<br />
Erde. 2 weitere Sek<strong>und</strong>en später trifft er wieder am Boden auf.<br />
10<br />
5<br />
0<br />
-5<br />
-10<br />
-15<br />
-20<br />
1 2 3 4<br />
5<br />
t [s]<br />
3 Streng genommen müsste man hier für die Erdbeschleunigung –10m/s 2 setzen.