Original oder Kopie - Architektursprache
Original oder Kopie - Architektursprache
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<strong>Original</strong> <strong>oder</strong> <strong>Kopie</strong><br />
Haus Helwig in Schwalmstadt-Treysa<br />
Rainer Schützeichel: Was haben Sie vorgefunden<br />
als Sie das Haus Helwig, das seit 1995 leer<br />
stand, im Jahr 2001 kauften?<br />
Manfred Balg: Zunächst hatte ich nur durch den<br />
Bezirkskonservator von dem Haus gehört. Ich<br />
habe es dann einmal nach der Arbeit abends aufgesucht<br />
und war erschrocken: Ein verwunschenes<br />
Haus, zugewachsen, mit Brombeerhecken umsäumt<br />
– es war schon sehr marode in seiner ganzen<br />
Substanz. Von anderen Kaufinteressenten hörte<br />
ich dann, dass sie nicht den Mut und die Fachkenntnis<br />
aufgebracht hatten, das Objekt zu erwerben<br />
und zu sanieren. Beim ersten Besichtigungstermin<br />
fand ich viele Wasserschäden vor,<br />
das Parkett war aufgequollen, das Dach undicht,<br />
die Wände feucht. Ich musste mich erst einmal<br />
herantasten, um die Substanz überhaupt bewerten<br />
zu können und mich dann zu entschließen, das<br />
Haus von einer Erbengemeinschaft zu erwerben.<br />
Sep Ruf, Haus Helwig, Schwalmstadt-Treysa,<br />
1955-1958<br />
Daniel Hubert: Was war der Grund dafür, dass<br />
das Haus zwischen 1995 und 2001 nicht bewohnt<br />
wurde?<br />
Manfred Balg: Das Haus war im Besitz einer Erbengemeinschaft<br />
dreier Schwestern, die verstreut<br />
in Deutschland wohnen und heute eigene Häuser<br />
besitzen. Es war eben nicht der Bedarf da für<br />
dieses Gebäude. Sie haben sich dann schweren<br />
Herzens dazu entschieden, es zu veräußern, was<br />
aber daran scheiterte, dass nie der richtige<br />
Käufer gefunden werden konnte. Sie wussten,<br />
dass es ein herausragender Architekt war, der<br />
das Gebäude für ihre Eltern gebaut hat und<br />
wollten daher einen Käufer, der sich mit dem<br />
Haus identifiziert. Es war für die Familie immer<br />
ein Dreh- und Angelpunkt und sie wollten es<br />
nicht an einen Investor verkaufen, der dann Appartements<br />
<strong>oder</strong> ähnliches auf dem großen Grundstück<br />
realisiert. Es gab bereits erste Abstimmungen<br />
mit dem städtischen Bauamt, um den Bau<br />
von Apartmenthäusern zu ermöglichen. Entwicklungspläne<br />
waren schon vorhanden, die Umsetzung<br />
jedoch glücklicherweise noch nicht erfolgt, insofern<br />
ist das Haus erhalten geblieben.<br />
<strong>Architektursprache</strong> Rainer Schützeichel
Daniel Hubert: Man kann es also durchaus auch<br />
den Geschwistern zugute halten, dass sie ein<br />
Interesse am Erhalt des Gebäudes hatten und der<br />
Profit nicht so sehr im Vordergrund stand?<br />
Manfred Balg: Sicherlich, auch, es kamen mehrere<br />
glückliche Fügungen zusammen: Einmal, dass ich<br />
das Haus für mich entdeckt habe. Dann, dass<br />
es zum damaligen Zeitpunkt noch in seinem ursprünglichen<br />
Zustand erhalten war – und dass es<br />
noch in adäquater Weise zu sanieren war, weil<br />
es doch schon schwere Schäden aufwies.<br />
Rainer Schützeichel: Wie lange haben die Hauptbauarbeiten<br />
gedauert?<br />
Manfred Balg: Gut ein Jahr, das ist vom Zeitaufwand<br />
auch vergleichbar mit dem Neubau eines<br />
Einfamilienhauses. Das wesentliche war, dass<br />
vor dem Winter das Dach wieder neu abgedichtet<br />
war und die Heizungsanlage funktionierte, da<br />
konnte dann nicht mehr viel schief gehen. Die<br />
anderen Arbeiten, wie Verglasung und Malerarbeiten,<br />
sind im Sommer durchgeführt worden.<br />
Die alte Heizungsanlage wurde gegen eine neue<br />
ausgetauscht, doch die Heizkörper selbst habe<br />
ich belassen und neu lackiert, da die Radiatoren<br />
und das Leitungsnetz noch in Ordnung waren. Bei<br />
der Dachsanierung war das Ganze schon ein wenig<br />
schwieriger: Die gesamten Dachaufbauten mussten<br />
auf einer Fläche von immerhin 330 Quadratmetern<br />
abgetragen werden. Es gab überall Risse, aber<br />
glücklicherweise handelte es sich um ein Betondach,<br />
bei dem die Stabilität noch gegeben war.<br />
Bei einer Holzkonstruktion wäre das nicht der<br />
Fall gewesen. Das Dach genügte aber nicht mehr<br />
den heutigen Wärmedämmansprüchen, also wurde<br />
es bis auf den Gefälleestrich abgetragen. Die<br />
Substanz darunter war noch in Ordnung, aber<br />
teilweise musste doch noch eine Betonsanierung<br />
durchgeführt werden. Anschließend wurde das Dach<br />
mit bituminösen Dachbahnen wieder aufgebaut und<br />
mit einer ausreichenden Dämmung versehen.<br />
Rainer Schützeichel: Die Sanierungsmaßnahmen<br />
wurden nach heutigen technischen Standards<br />
durchgeführt. Haben Sie auch auf <strong>Original</strong>pläne<br />
zurückgreifen können?<br />
<strong>Architektursprache</strong> Rainer Schützeichel
Manfred Balg: Glücklicherweise habe ich Pausen<br />
der <strong>Original</strong>pläne beim Kauf von den Eigentümern<br />
bekommen. Sie waren immer wieder hilfreich, beispielsweise<br />
um beim Dach zu sehen, wie der Aufbau<br />
im Schnitt aussieht und wo die Tragkonstruktion<br />
war – es kamen ja auch neue Lasten dazu. Denn es<br />
war mein Anspruch, zusätzlich zu den heutigen<br />
Anforderungen an die Dachdämmung noch ein Extensivdach<br />
aufzubringen, um das Mikroklima zu verbessern.<br />
Das wurde von der Denkmalpflege erstmal<br />
nicht gerne gesehen, aber da man das „Grasdach“<br />
kaum sieht, konnte ich die Maßnahme mit gestalterischen<br />
Argumenten vertreten. In den Jahren<br />
zuvor gab es mangelhafte Dachsanierungsansätze,<br />
wobei man eigentlich nur Flicken aufgebracht<br />
hatte. Wenn irgendwo ein Loch war, wurde das<br />
mit einem Stückchen Teerpappe abgedichtet <strong>oder</strong><br />
mit Teer ausgegossen. Das hatte den Effekt, dass<br />
die Dachrinne zugegossen war und das Wasser dann<br />
über die Attika gelaufen ist.<br />
Rainer Schützeichel: Ist das vielleicht ein<br />
Grund dafür, dass die Architektur dieser Zeit<br />
teilweise verpönt ist? Weil ihre Bautechnik<br />
einfach nicht funktioniert hat?<br />
Manfred Balg: Es ist auf jeden Fall eine Frage<br />
der Bautechnik, aber auch der Ausführung. Wenn<br />
man die Materialien richtig versteht und richtig<br />
anwendet, ist ein Flachdach kein Problem.<br />
Allerdings habe ich erst nach längerer Suche<br />
einen Dachdecker finden können, der seit 30 Jahren<br />
Erfahrungen mit der Ausführung von Flachdächern<br />
hat und mir keine Komplettpakete großer Firmen<br />
anbot. Es hat einem förmlich Spaß gemacht, ihm<br />
bei der Arbeit zuzusehen – dann ist man auch<br />
davon überzeugt, unabhängig davon, dass einem<br />
20 Jahre Garantie gegeben werden. Aber natürlich<br />
hat ein Gebäude mit einem Flachdach auch<br />
eine <strong>Architektursprache</strong>, mit der eine Haltung<br />
transportiert wird.<br />
Daniel Hubert: Das Flachdach hat im Bewusstsein<br />
der Gesellschaft noch immer den Ruf, ein störungsanfälliges<br />
Dach zu sein.<br />
Manfred Balg: Das ist richtig. Aber für diese<br />
Form einer „transparenten Architektur“ kommt<br />
<strong>Architektursprache</strong> Rainer Schützeichel
eigentlich nur ein Flachdach in Frage, obwohl<br />
ich genau genommen bei drei Prozent Dachneigung<br />
ein flach geneigtes Dach habe. Doch das ist dadurch<br />
sehr geschickt kaschiert, dass die Aufkantung<br />
der integrierten Holzrolladenkästen<br />
außen ist und das Wasser nach innen zum Atrium<br />
läuft. Ich hatte am Anfang überlegt, ob ich die<br />
umlaufende Auskragung noch mit Blechen versehe<br />
– aber als ich es zeichnete, bin ich davon abgekommen.<br />
Die Filigranität des Entwurfs wäre<br />
verloren gegangen.<br />
Rainer Schützeichel: Wie war die Abstimmung mit<br />
der Denkmalpflege: Konnten sie gestalterische<br />
Veränderungen durchführen, so dass die <strong>Original</strong>substanz<br />
nicht mehr in ihrem ursprünglichen Erscheinungsbild<br />
wahrnehmbar blieb, <strong>oder</strong> hatten<br />
Sie strenge Reglements von Seiten der Denkmalpflege?<br />
Manfred Balg: Die Abstimmungen mit der Denkmalpflege<br />
waren immer konstruktiv, und es waren<br />
Detailfragen wie die der Farbfassung und der<br />
konstruktiven Elemente zu klären. Durch ein<br />
Förderprogramm gab es auch einen Zuschuss für<br />
die Verglasung. Doch um KfW-Kredite erhalten<br />
zu können, musste ich die Anforderungen der<br />
Energieeinsparverordnung erfüllen. Es wurde<br />
immer anerkannt, dass ich bei jedem Element<br />
versucht habe, die Substanz zu erhalten <strong>oder</strong><br />
wieder herzustellen. Insofern war die Arbeit<br />
mit der Denkmalpflege anregend und konstruktiv.<br />
Das ging soweit, dass die Denkmalpflege Hessen<br />
eine Sitzung in meinem Haus abgehalten hat und<br />
alle sehr froh waren, dass ein Haus aus den<br />
fünfziger Jahren in der Schwalm erhalten werden<br />
konnte.<br />
Daniel Hubert: Seit wann steht das Gebäude denn<br />
unter Denkmalschutz?<br />
Manfred Balg: Das Haus wurde 2001 auf meine Initiative<br />
hin unter Denkmalschutz gestellt. Es<br />
gab eine Begehung vom Landesamt für Denkmalpflege<br />
und der Bau wurde eindeutig als Denkmal<br />
eingestuft; Hessen hat ein Denkmalrecht, das<br />
aus sich heraus wirkt, das heißt es gibt eine<br />
Denkmaltopographie, wo unter Denkmalschutz ste-<br />
<strong>Architektursprache</strong> Rainer Schützeichel
hende Gebäude dokumentiert sind, aber nicht im<br />
Sinne einer „Denkmalliste“ aufgeführt werden.<br />
Rainer Schützeichel: Haben Sie auch versucht,<br />
originalgetreue Materialien wiederzufinden? Haben<br />
Sie den Versuch gemacht, die Materialien<br />
dort, wo es möglich war, in gleichwertiger <strong>oder</strong><br />
höherer Qualität einzubauen?<br />
Manfred Balg: Ja. Von der Tapete habe ich beispielsweise<br />
noch kleine Reste unter Fußbodenleisten<br />
<strong>oder</strong> Schalterabdeckungen gefunden, und<br />
anhand dieser Muster habe ich recherchiert, was<br />
für eine Tapete es gewesen sein könnte. Ansonsten<br />
bin ich sehr zurückhaltend vorgegangen und<br />
habe versucht, die <strong>Architektursprache</strong> zu stärken<br />
und durch die Farbgebung zu unterstreichen. Ich<br />
habe die Fußbodenbeläge wieder in den alten<br />
Farben hergestellt, Linoleum neu verlegt, Parkett<br />
und Natursteinböden aufgearbeitet – eigentlich<br />
sogar in besserem Zustand, als sie im<br />
<strong>Original</strong> waren, da sie komplett abgeschliffen<br />
wurden. Ich hatte überdies das Glück, dass der<br />
ehemalige Bauleiter sein Privathaus nebenan gebaut<br />
hat und jetzt noch dort wohnt. Er stand<br />
mir immer wieder mit Rat und Tat zur Seite.<br />
Daniel Hubert: Können Sie einen Überblick geben,<br />
welche Teile nicht erhalten werden konnten, was<br />
erneuert werden musste?<br />
Manfred Balg: Ich habe festgestellt, dass die<br />
Substanz grundsätzlich bei allen Elementen sehr<br />
gut war und dass mit hochwertigen Materialien<br />
gebaut wurde. Das, was nicht erhalten wurde,<br />
bezieht sich im Wesentlichen auf technische<br />
Ausstattungsdetails: Es gab ein eigenes Telefonnetz<br />
im Haus, das konnte ich nicht erhalten und<br />
brauche ich auch nicht. Am Berg wurde damals<br />
noch eine Druckerhöhungsanlage <strong>oder</strong> ein Warmwasserboiler<br />
für den Sommerbetrieb installiert.<br />
Dies ist heute nicht mehr notwendig und konnte<br />
zurückgebaut werden. Aber von den architektonischen<br />
Elementen bis hin zu den Einbauschränken<br />
konnte eigentlich alles erhalten werden.<br />
Bei den Fenstern habe ich keine neuen Profile<br />
eingebaut, da sie heute in dieser Filigranität<br />
überhaupt nicht mehr auf dem Markt vorhanden<br />
<strong>Architektursprache</strong> Rainer Schützeichel
sind, sondern ich habe mich dazu entschlossen,<br />
nur die Gläser auszutauschen, die damals übrigens<br />
bereits als Doppelverglasung ausgeführt<br />
waren.<br />
Rainer Schützeichel: Kann man zusammenfassend<br />
sagen, dass von Ihnen vorgenommene Veränderungen<br />
nie sichtbar sind?<br />
Manfred Balg: Es gab keine Ergänzungen, sondern<br />
nur eine Stärkung der Bausubstanz: der Elemente,<br />
der <strong>Architektursprache</strong>. Die Sanierung folgte<br />
immer dem Anspruch, alles wieder so funktionstüchtig<br />
herzustellen, wie es damals war. Erst<br />
vor kurzem habe ich noch einen Gürtler – die<br />
heutige Bezeichnung lautet Metallbildner – ausfindig<br />
gemacht und er hat mir den Briefkasten<br />
aus Messing wieder hergestellt.<br />
Rainer Schützeichel: Auf Ihrer Homepage ist zu<br />
lesen, dass der zum Haus gehörende Park starke<br />
Veränderungen erlebt hat. Gemeinsam mit den<br />
Landschaftsarchitekten Prof. Riehl haben Sie<br />
den Park auf die ursprüngliche Konzeption zurückgeführt:<br />
Welche Veränderungen haben in der<br />
Zwischenzeit stattgefunden und wie konnte man<br />
sie wieder rückgängig machen?<br />
Manfred Balg: Die Veränderungen waren natürlicher<br />
Art. Die Bäume wuchsen, die Stauden waren<br />
nicht mehr vorhanden. Hier kam das Glück hinzu,<br />
dass ich zum einen noch Planrudimente des<br />
Gartenarchitekten Hermann Mattern, zum anderen<br />
noch einen alten Lieferschein über die Pflanzen<br />
von den Eigentümern hatte. Die Arbeit bestand<br />
nun darin, die Ziffern den Pflanzen zuzuordnen,<br />
die Planung zu vervollständigen und entsprechend<br />
die Kulturen zu benennen. Hermann Mattern<br />
war ein ausgezeichneter Landschaftsarchitekt,<br />
der viel mit Stauden gearbeitet hat. Dieses Element<br />
der Stauden fehlt bis heute - die Planung<br />
besteht, aber die Umsetzung habe ich im ersten<br />
Teilschritt der Sanierung der Einfassung und der<br />
Treppenanlagen im Garten sowie dem Rückschnitt<br />
der vorhandenen Sträuchern nachgestellt.<br />
Rainer Schützeichel: Gehen wir noch einmal zurück<br />
ins Haus: Konnten Sie noch originales Mo-<br />
<strong>Architektursprache</strong> Rainer Schützeichel
iliar im Haus finden? Gab es noch Möbel, <strong>oder</strong><br />
haben Sie Möbel rekonstruiert?<br />
Manfred Balg: Das Objekt zeichnet aus, dass es<br />
vom Architekten ganzheitlich betrachtet wurde.<br />
Offensichtlich hatte Sep Ruf auch eine gute<br />
Innenarchitektin für das Objekt engagiert, die<br />
Möbel, Lampen, Stühle und Betten für das Haus<br />
zeichnete und entwarf. Ich habe keine Möbel<br />
mehr im Haus vorgefunden. Aber wesentliche<br />
Teile, die Einbaumöbel, waren noch vorhanden.<br />
Das, was ich habe nachbauen lassen, ist zum<br />
Beispiel eine Eckbank aus sehr einfachen Materialien,<br />
gebogenen, polierten Messingstangen<br />
mit einer an die Wand geschraubten Platte mit<br />
Ahornfurnier als ein wesentliches Element im<br />
Esszimmer.<br />
Daniel Hubert: Erweist sich das Haus auch als<br />
lebenswert und bezieht es seinen Reiz nicht nur<br />
aus der Tatsache, dass es sich dabei um ein<br />
Architekturdenkmal handelt? Besteht es auch im<br />
Alltag?<br />
Manfred Balg: Natürlich, unbedingt! Man lebt in<br />
dem Gebäude, es wird genutzt. Es ist kein Museum,<br />
sondern ein Raum, in dem man sich wohlfühlt<br />
und in den unterschiedlichsten Stimmungen mit<br />
den Jahreszeiten. Freunde kommen zu Besuch, und<br />
ich erlebe es immer wieder, dass Kinder liebend<br />
gerne Nachlaufen spielen, weil sie immer<br />
im Kreis laufen können und Abkürzungen finden,<br />
den direkten Weg nehmen, durch die Küche <strong>oder</strong><br />
durchs Schlafzimmer. Am Anfang stellt sich das<br />
Haus als ein recht großes Gebäude dar, aber<br />
wenn man darin wohnt, relativiert sich das und<br />
es wird heimelig, im positiven Sinne. Man hat<br />
klar zugeordnete Räume mit verschiedenen Perspektiven.<br />
Die Küche ist nach Osten orientiert,<br />
das Esszimmer nach Osten und Süden, jeder Raum<br />
hat seine eigene Atmosphäre.<br />
Auch in den Jahreszeiten gibt es Unterschiede.<br />
Das Dach hat einen Überstand von 1,20<br />
Metern. Durch die Hanglage ergibt sich, dass<br />
die Sonne im Winter so tief steht, dass sie<br />
bis vorne in den nordwärts gelegenen Eingangsbereich<br />
scheint: also durch das ganze Gebäude,<br />
das immerhin 15 Meter tief ist. Im Sommer da-<br />
<strong>Architektursprache</strong> Rainer Schützeichel
gegen scheint die Sonne bis gerade an die Kante<br />
der Glasfassade. Das Gebäude ist strahlend hell<br />
im Winter. Tagsüber hat man die Sonne im Süden<br />
auf der Hauptfassade und abends indirektes<br />
Licht durch das Atrium. Das macht die besondere<br />
Atmosphäre des Atriumhauses aus. Man hat einen<br />
introvertierten Raum, der zugleich Außenraum<br />
ist. Man kann die Schiebetüren aufmachen und<br />
das Atrium mit dem Wohnzimmer verbinden. Das<br />
gibt eine mediterrane Atmosphäre – und das in<br />
der Schwalm.<br />
Rainer Schützeichel: Würden Sie sagen, dass man<br />
sehr viel Idealismus braucht, um sich so ein<br />
Haus zuzulegen? Oder ist es durchaus lohnenswert,<br />
das Denkmal in der Art zu sanieren, wie<br />
Sie es getan haben?<br />
Manfred Balg: Man braucht auf jeden Fall Idealismus.<br />
Und man braucht Ausdauer, aber vor allen<br />
Dingen Fachkenntnis, um eine solche Sanierung<br />
auch sachgerecht durchzuführen. Es ist auf jeden<br />
Fall lohnenswert gewesen, gar keine Frage.<br />
Es gab immer wieder Punkte, wo man an die Grenzen<br />
kommt und schauen muss, was machbar ist.<br />
Aber im Großen und Ganzen hielt sich das ganze<br />
Vorhaben im Rahmen, war realisierbar und es<br />
war sehr schön zu sehen, wie das Haus wiederersteht.<br />
Daniel Hubert: Wir danken Ihnen für dieses Gespräch,<br />
Herr Balg.<br />
Dieser Text ist erstmals erschienen<br />
in: Bund Deutscher<br />
Architekten (Hrsg.), der architekt<br />
5/08, Rufs Vermächtnis,<br />
Berlin 2008, S. 52-57.<br />
<strong>Architektursprache</strong> Rainer Schützeichel