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Vergleich der Bodenvibrationen für vier verschiedene XFEL ... - Desy

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<strong>Vergleich</strong> <strong>der</strong> <strong>Bodenvibrationen</strong> <strong>für</strong> <strong>vier</strong> <strong>verschiedene</strong><br />

<strong>XFEL</strong>-Trassen<br />

1. Einleitung<br />

Heiko Ehrlichmann, DESY<br />

Juli 2003<br />

Am Deutschen Elektronensynchrotron DESY in Hamburg wird zur Zeit ein neues<br />

Beschleunigerprojekt geplant. Es handelt sich hierbei um einen supraleitenden, etwa 2<br />

km langen Linearbeschleuniger <strong>für</strong> Elektronen mit anschließenden Undulatorstrecken zur<br />

Röntgenlichterzeugung (<strong>XFEL</strong>).<br />

Um die bestehende Infrastruktur des aktuellen DESY-Geländes nutzen zu können und um<br />

Kombinationsoptionen mit existierenden Teilchenbeschleunigern offen zu halten, soll die<br />

neue Anlage möglichst eine Verbindung zum DESY-Gelände haben. Nach<br />

Berücksichtigung <strong>der</strong> existierenden Bebauung in <strong>der</strong> DESY-Umgebung stehen grob drei<br />

Trassenvarianten zur Wahl (Abbildungen 1 bis 3).<br />

Ursprünglich war dieses Projekt ein Teil des geplanten Linearcolli<strong>der</strong>s TESLA, bei dem<br />

hochenergetische Elektronen und Positronen, beschleunigt in etwa 15 km langen,<br />

supraleitenden Linearbeschleunigern, zur Kollision gebracht werden sollten. Das zentrale<br />

Experimentiergelände dieser Anlage sollte wegen <strong>der</strong> Anbindung des Linearcolli<strong>der</strong>s an<br />

DESY etwa 17 km entfernt von DESY in Ellerhoop errichtet werden. Neben den drei<br />

Trassenvarianten bei DESY besteht weiterhin die Option dieser ursprünglichen<br />

Trassenvariante in Ellerhoop (Abbildung 4).<br />

Die Anfor<strong>der</strong>ungen an die Licht- und Teilchenstrahlstabilität sind so hoch, dass auch<br />

<strong>Bodenvibrationen</strong> als mögliche Störursache betrachtet und bei <strong>der</strong> Wahl des Standortes<br />

dieser Anlage berücksichtigt werden müssen. Um einen schnellen Überblick über die<br />

Bodenvibrationsverhältnisse an allen <strong>vier</strong> potentiellen Standorten zu erhalten, wurden mit<br />

einem mobilen Geophon-Meßsystem an mehreren Punkten entlang <strong>der</strong> <strong>vier</strong> Trassen die<br />

lokalen <strong>Bodenvibrationen</strong> vermessen.<br />

2. Durchführung <strong>der</strong> Messungen<br />

Das Geophonmeßsystem SMK-1 <strong>der</strong> Firma KEBE, welches <strong>für</strong> die Untersuchungen<br />

verwendet wurde, besteht aus zwei vertikal messenden SM-6 Geophonen (induktiven<br />

Schwingungsaufnehmern) <strong>der</strong> Firma SENSOR und zwei Messverstärkern <strong>der</strong> Firma<br />

KEBE. Die Datennahme erfolgte mit einem 16bit-USB-Vielkanal-ADC an einem<br />

Notebook. Es wurden an je<strong>der</strong> Position jeweils 30 Datensätze über sechs Sekunden mit<br />

einer Samplingrate von 500Hz aufgenommen.<br />

An allen Meßorten wurden beide Geophone entwe<strong>der</strong> auf dem Asphalt einer Straße, dem<br />

Fußweg daneben o<strong>der</strong>, wenn nicht an<strong>der</strong>s möglich, auf <strong>der</strong> Fahrspur eines Feldweges<br />

positioniert. Die Spannungsversorgung erfolgte immer über die Batterie eines Kfz.<br />

Alle Messungen erfolgten tagsüber an einem normalen Wochentag, so dass <strong>der</strong> durch<br />

„cultural noise“ verursachte Vibrationsanteil grob vergleichbar sein sollte. Neben diesen<br />

Schwingungsanteilen, verursacht durch Anregungen in großer Entfernung, wurden


natürlich auch Schwingungsanteile aufgezeichnet, die durch temporäre, lokale<br />

Anregungen wie dem Straßenverkehr vor Ort o<strong>der</strong> laufende Geräte erzeugt wurden.<br />

Zur Datenauswertung wurden auf Basis einer jeden 6s-Messung die spektrale<br />

Leistungsdichte <strong>der</strong> Bewegung berechnet und <strong>für</strong> jeden Meßort dann über alle 30<br />

Datensätze gemittelt. Als <strong>für</strong> einen Meßortvergleich geeignete Größe wurde aus <strong>der</strong><br />

gemittelten spektralen Leistungsdichte jeweils <strong>der</strong> Mittelwert (root of mean square, rms)<br />

<strong>der</strong> Bewegungsamplitude <strong>für</strong> den Frequenzbereich oberhalb von 3Hz ermittelt. (Im<br />

Frequenzbereich unterhalb von 1-3Hz kann näherungsweise von im Rahmen <strong>der</strong><br />

relevanten Distanzen kohärenten, den Strahlbetrieb nicht störenden Schwingungen<br />

ausgegangen werden. Weiterhin ist <strong>der</strong> sinnvolle Meßbereich von Geophonen auf den<br />

Frequenzbereich größer 3Hz limitiert.)<br />

Das hier verwendete Meßsystem wurde auf dem DESY-Gelände im direkten <strong>Vergleich</strong><br />

zu zwei (kalibrierten) Breitbandseismometern vom Typ GÜRALP CMG-3T betrieben.<br />

Im gemeinsamen Messbereich zwischen 3Hz und 20Hz stimmten die jeweiligen<br />

spektralen Leistungsdichten sehr gut überein. Weiterhin wurde das Geophonmeßsystem<br />

an <strong>der</strong> seismischen Warte in Moxa (Universität Jena), einem extrem<br />

bodenbewegungsarmen Ort, getestet. Der rms-Wert <strong>der</strong> Bewegung oberhalb von 3Hz lag<br />

bei etwa 0.8nm. Im <strong>Vergleich</strong> zu den zeitgleichen Daten des dortigen<br />

Stationsseismometers zeigten sich jedoch im gemeinsamen Frequenzbereich zwischen<br />

3Hz und 10Hz deutliche Abweichungen in <strong>der</strong> gemessenen Amplitude; bei <strong>der</strong>artig<br />

geringen Schwingungsamplituden werden mit dem verwendeten Geophonmeßsystem die<br />

Bodenvibrationsamplituden überschätzt. Der Einsatzbereich dieses Systems ist demnach<br />

zu sehr geringen Schwingungsamplituden hin begrenzt.<br />

3. Ergebnisse<br />

Die Ergebnisse, geordnet jeweils von <strong>der</strong> Teilchenquelle hin zur Experimentierhalle,<br />

sind in den folgenden Tabellen zusammengestellt:<br />

Stellingentrasse<br />

Messort rms-Wert(nm) Beson<strong>der</strong>heiten<br />

Hamburger Stadtentwässerung 820<br />

Altes Klärwerk 510<br />

Müllverbrennungsanlage 1010 starke Anregung bei 10.6Hz, 540nm<br />

Ottensener Straße 330<br />

HERA Halle Ost 300<br />

August-Kirch-Straße 220<br />

Stadionstraße 160<br />

im Volkspark 190<br />

Luruper Chaussee 150<br />

PETRA Halle Nordost 110 10nm Anteil durch 50Hz<br />

Halle 3 170 80nm Anteil durch 50Hz<br />

PETRA Halle West 70 15nm Anteil durch 50Hz


Schenefeldtrassetrasse<br />

Messort rms-Wert(nm) Beson<strong>der</strong>heiten<br />

Flottbeker Drift 125 60nm Anteil durch 50Hz+60Hz<br />

Blomkamp 85<br />

Lupinenweg/Flurstraße 75<br />

Kornblumenweg 65<br />

Grubenstieg/Rugenbarg 105<br />

Brandstücken 90<br />

Achtern Born 50<br />

Katerwohrd 35<br />

Am Osdorfer Born 30<br />

Holzkoppel 40<br />

Halstenbektrasse<br />

Messort rms-Wert(nm) Beson<strong>der</strong>heiten<br />

Flottbeker Drift 75 30nm Anteil durch 50Hz+25Hz<br />

Achtern Styg 85<br />

Grandkuhlenweg 180<br />

Böttcherkamp 90 Linie bei 9.3Hz (??), 10nm<br />

Flurstraße 95 Linie bei 9.3Hz (??), 35nm (!!)<br />

Luckmoor 85<br />

Luruper Chaussee 295<br />

Trebelstraße 45<br />

Swatten Weg 75<br />

Friedrich-Ebert-Allee 65<br />

Bogenstraße 45<br />

Ahornweg 50<br />

Heideweg 55<br />

Holstenstraße 55 20nm Anteil durch 100Hz (??)<br />

Ellerhooptrasse<br />

Messort rms-Wert(nm) Beson<strong>der</strong>heiten<br />

Borstel Hohenrade 80<br />

Borstel Hohenrade Nord 55<br />

Kummerfeld 50<br />

Kummerfeld Nord 100 Waldrand, Störung durch Wind?<br />

Ellerhoop 45<br />

In den Abbildungen <strong>der</strong> Trassen sind neben dem Trassenverlauf (in rot) auch die Orte (in<br />

grün) eingezeichnet, an denen die Messungen durchgeführt wurden.


4. Diskussion<br />

Die entlang <strong>der</strong> Stellingentrasse genommenen Messdaten zeigen deutlich den massiven<br />

Einfluss <strong>der</strong> Autobahn A7 sowie <strong>der</strong> Bahnlinie in Stellingen. Mit zunehmen<strong>der</strong><br />

Entfernung nehmen die messbaren Schwingungsamplituden ab, wobei lokaler<br />

Straßenverkehr an <strong>der</strong> Ottensener Straße und <strong>der</strong> Schnackenburgsallee berücksichtigt<br />

werden muss. Während <strong>der</strong> Messung in <strong>der</strong> Nähe <strong>der</strong> Müllverbrennungsanlage lief bei<br />

einem in <strong>der</strong> Nähe befindlichen Abfallverwertungsbetrieb eine deutlich hörbare, schwere<br />

Maschine (Schred<strong>der</strong>?), die vermutlich zu dem dort sehr hohen Mittelwert geführt hat.<br />

An den Messorten auf dem DESY-Gelände waren in allen Fällen „hochfrequente“<br />

Störlinien zu beobachten, wobei die 50Hz-Linie jeweils einen nicht unwesentlichen<br />

Anteil zum Gesamtmittelwert beitrug.<br />

Auch im <strong>Vergleich</strong> <strong>der</strong> Messdaten, aufgenommen entlang <strong>der</strong> Schenefeldtrasse, ist ein<br />

klares Abnehmen des Mittelwertes mit wachsen<strong>der</strong> Entfernung zum DESY-Gelände und<br />

damit zum Stadtzentrum mit allen potententiellen Anregern zu erkennen. Die<br />

Unterschiede in den Mittelwerten sind bei dieser Trasse im Wesentlichen durch die<br />

Unterschiede in den lokalen Straßenverkehrsverhältnissen zu erklären.<br />

Die Tendenz <strong>der</strong> abnehmenden Mittelwerte bei zunehmen<strong>der</strong> Entfernung zur Hamburger<br />

Innenstadt ist auch entlang <strong>der</strong> Halstenbektrasse zu verzeichnen. Allerdings dominieren<br />

hier, wie auch bei <strong>der</strong> Schenefeldtrasse, die Unterschiede im lokalen Straßenverkehr. Am<br />

Grandkuhlenweg, in <strong>der</strong> Nähe des Rugenbargs, und an <strong>der</strong> Luruper Chausse sind daher<br />

die höchsten Mittelwerte zu messen. An den Messorten Böttcherkamp und Flurstraße war<br />

jeweils eine klare, zeitlich konstante Anregung bei etwa 9.3Hz zu messen, <strong>der</strong>en Ursache<br />

nicht geklärt werden konnte. Ebenso wurde die Messung in <strong>der</strong> Holstenstraße in<br />

Halstenbek <strong>für</strong> etwa eine halbe Minute durch eine extreme Störung bei 100Hz<br />

beeinflusst.<br />

Das durch die Summe aller weit entfernten Anregungen bestimmte „Grundlevel“ <strong>der</strong><br />

<strong>Bodenvibrationen</strong> entlang <strong>der</strong> Ellerhooptrasse ist etwa vergleichbar groß wie das<br />

Grundlevel am Ende <strong>der</strong> Schenefeld- o<strong>der</strong> <strong>der</strong> Halstenbektrasse. In Borstel-Hohenrade<br />

führte die Nähe des Messortes zur Durchgangsstraße zwischen Pinneberg und Quickborn<br />

zu einer typischen Signalüberhöhung im Frequenzbereich von 7Hz bis 30Hz und damit<br />

zu einem höheren Mittelwert. Nicht völlig geklärt ist <strong>der</strong> im <strong>Vergleich</strong> sehr hohe<br />

Mittelwert in Kummerfeld-Nord. Der Messort befand sich inmitten landwirtschaftlicher<br />

Nutzfläche ohne die Nähe von Straßenverkehr. Wegen <strong>der</strong> unmittelbaren Nähe zu einem<br />

Wald, dessen Bäume in <strong>der</strong> Lage sind, durch Windanregung lokale Bodenbewegungen zu<br />

erzeugen, und <strong>der</strong> schlechten Ankopplung <strong>der</strong> Geophone an den weichen Boden, ist das<br />

Messergebnis möglicherweise zu erklären.<br />

Während <strong>der</strong> laufenden Messungen lassen sich die Einflüsse lokaler Anregungen gut<br />

identifizieren und zu typischen Überhöhungen in <strong>der</strong> spektralen Leistungsdichte<br />

zuordnen. Fahrende Züge verursachen <strong>Bodenvibrationen</strong> im Frequenzbereich zwischen<br />

1Hz und 10Hz mit Maxima im 3-5Hz-Bereich. Straßenverkehr, speziell LKWs und Busse<br />

verursachen messbare Schwingungen im Frequenzbereich von 7Hz bis 30Hz. Fußgänger<br />

und Radfahrer verursachen Signale im Bereich oberhalb von 30Hz mit ausgeprägten<br />

Spitzen um 200Hz.


Der Frequenzbereich oberhalb von 50Hz trägt in allen Fällen nur unwesentlich zum<br />

Mittelwert bei. Selbst <strong>der</strong> gesamte Frequenzbereich oberhalb von 20Hz trägt nur grob zu<br />

10% zum Mittelwert oberhalb 3Hz bei, so dass auch Meßsysteme mit einem bei hohen<br />

Frequenzen beschränktem Meßbereich verwendet werden könnten.<br />

Alle Messungen stellen nur eine Momentaufnahme, einen „Schnappschuß“ <strong>der</strong> gerade im<br />

Moment <strong>der</strong> Messung am Meßort vorherrschenden Situation mit den lokalen<br />

Randbedingungen dar. Weiterhin wurden die Geophone entprechend den lokalen<br />

Gegebenheiten, also nicht immer mit einer absolut vergleichbaren Ankopplung an den<br />

Boden positioniert. Dies muß bei <strong>der</strong> Beurteilung und Interpretation <strong>der</strong> Meßergebnisse<br />

berücksichtigt werden. Die angegebenen Mittelwerte sind daher sicherlich nicht besser<br />

als auf 20% genau.<br />

Ein zukünftiger Teilchenbeschleuniger würde voraussichtlich in einem Tunnel in einer<br />

Tiefe von 10-20m unterhalb <strong>der</strong> Erdoberfläche installiert. Die hier präsentierten<br />

Vibrationsmessungen wurden an <strong>der</strong> Erdoberfläche durchgeführt. Wie repräsentativ diese<br />

Oberflächenmessungen <strong>für</strong> die Situation in <strong>der</strong> Tiefe sind, ist nicht genau bekannt.<br />

Zur Verbesserung <strong>der</strong> Datenqualität wäre <strong>der</strong> Einsatz von Breitbandseismometern mit<br />

einem Messbereich deutlich niedriger als 0.1Hz sinnvoll. Sie sollten dann an<br />

ausgewählten Positionen mit einer immer vergleichbaren Bodenankopplung (z.B.<br />

Fundament) <strong>für</strong> mehrere Tage aufgestellt werden, um auch die Tag-Nacht- und die<br />

Wochentag-Wochenendvariationen messen und beurteilen zu können.


Abbildung 1: Stellingentrasse (Trassenverlauf in rot, Messpunkte in grün)


Abbildung 2: Schenefeldtrassetrasse (Trassenverlauf in rot, Messpunkte in grün)


Abbildung 3: Halstenbektrasse (Trassenverlauf in rot, Messpunkte in grün)


Abbildung 4: Ellerhooptrasse (Trassenverlauf in rot, Messpunkte in grün)

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