velobizMagazin_02-2012_TotemBikes_klein
velobizMagazin_02-2012_TotemBikes_klein
velobizMagazin_02-2012_TotemBikes_klein
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
THE\/1A II URBANE MOBILITAT<br />
MAtrAZIN<br />
a<br />
ffi<br />
MOBILITAT 3.0 seite 26<br />
Gopenhagentze<br />
lleutsGhland<br />
*.<br />
Das Magazin für Reportagen, lnterviews und Hint"rnrr'inO"
Report // Berliner Szene-Läden<br />
,, /L*<br />
-l<br />
2<br />
Für viele junge<br />
Menschen ist<br />
das Fahrrad<br />
auch ein Ausdruck<br />
von<br />
Persönlichkeit.<br />
-<br />
o<br />
Die<br />
fungen<br />
Wilden<br />
Das Fahrrad erlebt in Großstädten eine<br />
Renaissance. Für viele junge Menschen ist<br />
das Fahrrad zu einem Statussymboi geworden,<br />
mit dem man sich nicht einfach<br />
nur fortbewegt, sondern das auch die<br />
Lebenseinstellung des Besitzers repräsentiert.<br />
In diesem Umfeld sprießt eine neue<br />
Fahrradladen-Kultur: Junge Menschen, die<br />
in klassischen Radläden nicht f,nden, was<br />
sie suchen, eröffnen ihr eigenes Geschäft<br />
mit ihren ganz eigenen Konzepten. Was<br />
machen sie anders und warum? Vier Beriiner<br />
Radläden und ihre Besitzer im Portrait.<br />
Text und Fotos: Claudia Pirsch<br />
t+ äeuuiz.ae MAEAZIN o2ltz
Report // Berliner Szene-Läden<br />
"Markenabhängigkeit zwingt dich<br />
daztt, dem Kunden alles aufzuschwatzen,<br />
was du im Laden hast"<br />
Robert Boede<br />
in entrindeter Baumstamm<br />
dient als Wegweiser. ,Vatti,<br />
11m. und,Budike, 40m" weisen<br />
auf eine gute Nachbarschaftsatmosphäre<br />
hin. "Cikago Bude"<br />
steht aufdem grünen Schild, das<br />
direkt auf die Eingangstür weist.<br />
Mitten im Laden steht ein Montageständer,<br />
davor in gebeugter Haltung<br />
Robert Boede, 34Jahre alt. Er schraubt<br />
an einem Diamant-Rad aus den 1960er<br />
Jahren. Über ihm leuchten vier hellweiße<br />
Neonröhren, angeordnet im<br />
Quadrat und nach außen mit Holz<br />
abgeschirmt. Angezogen wird der Blick<br />
jedoch von dem alten Holzfelgenrad,<br />
das wie ein Heiligenschein über dem<br />
Montageplatz thront. ,Willst Du 'n Tee<br />
oder'n Kaffee?n, ertönt eine Stimme<br />
hinter dem Tresen hervor. Sie gehört<br />
Robert Busch, 31, dem Kompagnon von<br />
Robert Boede.<br />
Rob und Bob, wie sie sich nennen,<br />
betreiben seit zwei Jahren in Berlin die<br />
Cikago Bude in der Ebertystraße 9.<br />
Ihre Spezialität und Leidenschaft: die<br />
Restauration alter, gebrauchter Fahrräder<br />
aller Art. Ganz gleich, ob jemand<br />
ein schnittiges Rennrad aus den 60er<br />
Iahren wieder f,t für lange Ausfahrten<br />
haben will oder ein alltagstaugliches<br />
Stadtrad im Vintage-Sty1e sucht: In der<br />
Cikago Bude wird man fündig.<br />
Das "Atelier für Montage und Finlsh"<br />
- "den Namen haben wir von einem<br />
unserer großen Vorbilder entlehnt",<br />
erklärt Bob - liegt an der Grenze der<br />
zwei Berliner Stadtbezirke Prenzlauer<br />
Berg und Friedrichshain. In einem<br />
typischen Berliner Altbau haben sie<br />
ihren Laden angemietet: ein großer,<br />
durch zwei Schaufenster erhellter Verkaufsraum<br />
zur Straße hin, nach hinten<br />
raus ein schlauchförmiger Raum,<br />
der als zweiter Ausstellungsraum<br />
genutzt wird, Küche, Bad. Und ein Kel-<br />
1er für feurige Bastelarbeiten, etwa die<br />
Reparatur eines gerissenen Stahlschutzbieches.<br />
In einem Keller hatte auch alles<br />
angefangen: Robert "Bob" Boede baute<br />
im Keller seiner Wohnung für Freunde<br />
und Familie Räder um - aus alten und<br />
neuen Teilen, je nach dem was schon<br />
vorhanden oder gewünscht war.<br />
Neben seinem Job in einem Fahrradiaden.<br />
"Den Gedanken, einen eigenen<br />
Radladen aufzumachen, hegte ich<br />
schon lange., sagt Bob. ,,Aber mir<br />
fehlte das organisatorische Talent, das<br />
#emiz.ae uaEAzN o2l1z 15
Report /1 Berliner Szene-Läden<br />
Rob mitbringt." Rob, damals noch mitten<br />
in seinem Geographie-Studium,<br />
war oft mit von der Partie und half<br />
beim Schrauben. Mit der Zeit verfestigte<br />
sich der Gedanke in ihren Köpfen,<br />
die Werkstatt aus dem Keller in oberirdische<br />
Räume zu verlegen. Nach Robs<br />
Studienabschluss machten sie aus<br />
dem Gedankenspiel Realität.<br />
Beiden war von Anfang an klar, dass<br />
sie keinen üblichen Radladen wollten,<br />
in dem "zehn<br />
Damen- und zehn Herren-Trekkingräder,<br />
ein paar City- und<br />
Klappräder und vielleicht noch ein zwei<br />
Mountainbikes stehen. Das ist nicht<br />
der Stil den wir mögen und vertretenn.<br />
Zum einen gibt es davon einfach schon<br />
zu viele. "Zum anderen wollten wir<br />
vermeiden, in irgendwelche Marken-<br />
Abhängigkeiten zu rutschen", so Rob.<br />
Dieser Kreislauf aus Vorordern und<br />
Saisonmodellen, die einen zwingen,<br />
Kredite aufzunehmen, die vorbestellten<br />
Räder den Sommer über unbedingt<br />
zu verkaufen, im Herbst dann die<br />
Reste zu Dumpingpreisen raus zu werfen,<br />
damit man ja das Geld - und den<br />
Platz - drin hat für die neuen Modelle<br />
und die Abbezahlung der Kredite...<br />
"Das alles zwingt dich dazu, dem Kunden<br />
alles aufzuschwatzen, was du im<br />
Laden hast, aber nicht das, was für ihn<br />
das Beste ist.n<br />
ln diesen Teufelskreis wollten sie<br />
nicht geraten, der verderbe letztlich<br />
die Freude an der Arbeit und sorge<br />
dafür, dass man vergisst, worum es<br />
eigentlich geht: Das Fahrrad und den<br />
Spaß, dieses zu fahren. ,Deshalb<br />
machen wir hier lieber das, was auch<br />
uns Spaß macht", sagt Rob. Und das ist<br />
eben das Restaurieren und Umbauen<br />
alter Räder oder der Aufbau eines Neurades<br />
nach Kundenwunsch. Keines<br />
sieht aus wie ein anderes und immer<br />
sind sie nach den Bedürfnissen und<br />
Vorstellungen der Kunden individuell<br />
zusammengestellt.<br />
überall im Laden flnden sich Bücher<br />
zur Radgeschichte: Von "Die Räder der<br />
Siegern über ,,The Golden Age of Handbuilt<br />
Bicycles", "Die Strafgefangenen<br />
der Landstraße« und "Klassiker des<br />
Radsports" bis hin zu den aktuell<br />
erschienen "Bicycle Diarys" von David<br />
Byrne. Eine gewisse Vorliebe für edle<br />
italienische Rennrösser ist deutlich<br />
spürbar, nicht zuletzt durch die Vintage-Trikots<br />
und Rennradmützen im<br />
Laden. L'Eroica ist ein fester Termin im<br />
Kalender der Cikago Bude. "Aber wir<br />
restaurieren nicht nur Räder für solche<br />
Zwecke", erklärt Bob. "Die schlanken<br />
Stahlrahmen aus den 1960er, t97jer<br />
und 1980erlahren eignen sich für fast<br />
jeden Einsatzzweck, man muss eben<br />
die Ausstattung anpassen." Quellen<br />
für das entsprechende Material gibt es<br />
unzählige, manchmal bringen sie die<br />
Räder auch aus italien mit, wenn<br />
ihnen dort etwas Passendes über den<br />
Weg läuft. Aufpassen müsse man<br />
lediglich, dass man nur von vertrauenswürdigen<br />
Leuten Teiie annimmt.<br />
"Deshalb schicken wir auch immer<br />
maI wieder jemanden weg, der uns<br />
nicht eindeutig nachweisen kann, wie<br />
er an den Rahmen oder das Rad<br />
gekommen ist."<br />
Eine Marke im Aufbau: Sbar<br />
Szenenwechsel: Kreuzberg, Forsterstraße<br />
4. Das uralte schmiedeeiserne<br />
Türgitter quietscht und rumpelt und<br />
Stefan Schott, 28, fummelt mit einiger<br />
Geduld und Kraft daran herum, bis es<br />
tut, was es soll - sich öffnen. Dann<br />
endlich steht der gebürtige Bamberger<br />
in seinem <strong>klein</strong>en Showroom. Der<br />
Raum hält, was das quietschende Türgitter<br />
versprochen hat: Die Wände<br />
sind nur zum Teil weiß getüncht, frei<br />
gelassen von frischer Farbe sind einige<br />
Rechtecke und Quadrate, in denen Stefan<br />
Schott seine Produkte wie<br />
Gemälde präsentiert. Die nach hinten<br />
in den Hausflur führende Holztür ist<br />
unlackiert, das Holz unterschiedlich<br />
nachgedunkelt. In die Rückwand ist<br />
ein hoher Rundbogen eingefügt. Zwei<br />
Scheinwerfer strahlen das knallrotschwarze<br />
Fixie über der Hintertür an,<br />
die Assoziation zu einer Apsis iiegt<br />
nahe. Doch hier wird nur einem Gott<br />
gehuldigt: dem puristischen Fahrrad.<br />
Die edlen, minimalistisch ausgestatteten<br />
Fixies und Singlespeed-Räder mit<br />
ihren glatten und scharfen Linien stehen<br />
in starkem Kontrast zu dem rustikalen<br />
Einrichtungsstil, wirken beinahe<br />
deplatziert und ziehen gerade deshalb<br />
die Aufmerksamkeit des Betrachters<br />
aufsich. "8bar" steht aufjedem Teil in<br />
klaren, schnörkellosen Linien.<br />
@8bor<br />
16 äelrltiz.cte MAEAruN <strong>02</strong>112
Report // Berliner Szene-Läden<br />
Rustikales Ambiente,<br />
edle Ware: Das ist das<br />
Konzept von 8bar.<br />
"...dieser wunderbare<br />
Flow, der<br />
einen durch die<br />
Straßen trägt,<br />
beinahe fliegen<br />
lässt. . . "<br />
Stefan Schott,8bar<br />
Stefan Schott hat Projektmanagement<br />
studiert und danach zwei Jahre<br />
lang bei einer Bauflrma a1s Projektentwickler<br />
gearbeitet. Planen und Organisieren<br />
liegt ihm im Blut. "Und ich<br />
wollte immer schon selbstständlg<br />
arbeiten, mein eigener Chef sein und<br />
meine eigenen Projekte realisieren",<br />
sagt er. ,lch habe nur aufdie richtige<br />
Idee gewartet..<br />
Und diese fand ihn vor gut 1.l/z)ahren:<br />
Der leidenschaftliche Radfahrer,<br />
der früher selbst in Auswahlmannschaften<br />
um die Deutsche Meisterschaft<br />
fuhr, schraubte seine Räder am<br />
liebsten selbst, baute sie sich so<br />
zusammen, wie sie ihm gef,elen und<br />
passten. Dann kamen immer mehr<br />
Freunde, die sich ein Rad von ihm<br />
zusammenstellen ließen. "Dabei<br />
merkte ich immer deutlicher, wie<br />
schwierig es ist, aus den verschiedenen<br />
Produkten mit ihren vielen unterschiedlichen<br />
Labels eln Rad zusammenzustellen,<br />
das auch optisch<br />
stimmig war.u Immer öfter störten ihn<br />
die "80<br />
verschiedenen Labels", die<br />
dann p1ötzlich an einem Rad prunkten.<br />
Und dann stand sein Entschluss<br />
fest: Er würde seine eigene Marke kreieren,<br />
mit einem schlichten Logo. Edles<br />
Design gemischt mit minimalem Branding<br />
und exklusiven Farben, das<br />
waren seine Zielvorgaben für sein<br />
eigenes Rad. In die Entwicklung des<br />
Rahmens ließ er sein ganzes Knowhow<br />
aus seiner eigenen sportlichen Karriere<br />
einfließen. ,Warum Fixie? Weil das<br />
die beste Methode ist, sich in der Stadt<br />
fortzubewegen", erklärt Stefan Schott.<br />
"Man kommt in diesen wunderbaren<br />
Flow, der einen durch die Straßen<br />
trägt, beinahe fliegen 1ässt. Am meisten<br />
Spaß macht das bei den Nightrides,<br />
wenn man durch die erleuchteten,<br />
leeren Straßen Berlins kurbeln kann,<br />
ohne von Autofahrern bedrängt zu<br />
werden."<br />
Dass das Fixiefahren derzeit ein<br />
Hype besonders in Großstädten ist,<br />
weiß er nur zu gut und vergleicht es<br />
mit dem Skateboarden, das u.a. in den<br />
frühen 9Oern große Aufmerksamkeit<br />
erfuhr: "Jeder wollte Skateboard fahren<br />
oder lief mit so einem Ding unterm<br />
Arm geklemmt durch dle Stadt. Das<br />
hat sich wieder relativiert, aber es gibt<br />
immer noch jede Menge Leute, die dle<br />
Dinger fahren und immer noch Menschen,<br />
die Skateboards entwickeln und<br />
DeT STADTMEISTER<br />
1984 entwickeLte Hebie<br />
das SteckschutzbLech.<br />
Für die Saison <strong>2012</strong> wur.<br />
de das gesamte Angebot<br />
'in Passform,Optik und<br />
Funktion kompIett aufge,<br />
h,ertet. Das FLaggschiff<br />
der neuen Linie ist der<br />
VIPER STADTMEISTER, deI^<br />
das sport[iche Design de<br />
,,SteckbLechs" mit der<br />
Funktion eines festen<br />
BLeches verbindet und<br />
dabei noch individueLL<br />
LängenversteILbar ist.<br />
hebi e. de
Patrick Laible ist Werkstoffwissenschaftler.<br />
Keine<br />
schlechte Voraussetzungen<br />
für einen Rahmenbauer.<br />
SJ{r+t ':,,<br />
1r';j:;<br />
ffi§ltotr*Bike<br />
»Normale Läden für<br />
Brot und Butter-<br />
Räder gibt es in<br />
Berlin schon genus«<br />
Patrick Laible, <strong>TotemBikes</strong><br />
hrverkaufen.<br />
Ich möchte mit Bbar eine<br />
Marke aufbauen, die auch nach dem<br />
Hype weitergefahren wird, einfach<br />
weil die Qualität und das Knowhow<br />
dahinter stimmen. Das lst keine<br />
Sparte in meinem Portfolio, die nach<br />
zwei Saisons ausgeschöpft ist und<br />
dann wieder verschwindet, sondern<br />
das ist meine Kompetenz. Und die<br />
wird sich durchsetzen, auch über den<br />
Hype hlnaus.. Sein Ziel für dieses Projekt<br />
drückt sich auch in der Zweideutigkelt<br />
seines Markennamens aus: Bbar<br />
Isprich: "achtbar"].<br />
Die Eröffnung für seinen Showroom<br />
feierte Stefan Scholt am 13. Januar diesen<br />
lahres. Geöffnet hat er bisher allerdings<br />
nur sonnabends. "Den<br />
Laden<br />
habe ich hauptsächlich als Anlaufpunkt,<br />
damit ich meinen Kunden die<br />
Produkte live zeigen und sie Probefahren<br />
lassen kann." Als Fahrradhändler<br />
sieht er selbst sich allerdings nicht:<br />
,lch baue Fahrräder und verkaufe sie<br />
bisher nur im Direktvertrieb", erklärt<br />
er. "lch sehe mlch also eher ais Hersteller<br />
und der nächste Schritt wird für<br />
mich sein, eine gute vertriebsstruktur<br />
für melne Räder aufzubauen. Erste<br />
Anfragen von Fahrradläden - auch<br />
über die Grenzen Deutschlands hinaus<br />
- habe ich bereits.u<br />
"selber<br />
bauen., als Konzept:<br />
<strong>TotemBikes</strong><br />
Ein ebenfalls sehrjunger Laden ist<br />
<strong>TotemBikes</strong>. Inhaber Patrick Laibie, 31,<br />
feierte selne Einweihung zwar schon<br />
an Silvester. "Aber<br />
eigentlich war das<br />
mehr noch eine Einzugsparty«, 3391 st<br />
mit einem Grinsen im Geslcht. Regelmäßige<br />
Öffnungszeiten gibt es bisher<br />
nicht. Seine Geschäftsräume hat er in<br />
der Schnellerstraße 54 angemietet, am<br />
Rande Berlins im Stadtteil Schöneweide.<br />
Das Besondere daran: Hier<br />
arbeitet er nicht nur, sondern wohnt<br />
dort auch. Nach vorn raus führen der<br />
Verkaufsraum und ein zweiter Raum,<br />
der als Büro und Besprechungsraum<br />
dient, nach hinten raus liegt der<br />
Wohnbereich.<br />
Noch ist der Verkaufsraum miI seinen<br />
abgezogenen Holzdielen recht leer.<br />
Elne zusätzlich eingezogene Zwischenetage,<br />
die etwa das hintere Drittel<br />
des Raumes einnimmt, bietet Lagerfläche<br />
für die ersten Rahmen, die er zum<br />
Verkauf anbieten wiil. Einige Regalbörde<br />
erstrecken sich an den Wänden,<br />
darin in erster Linie Bücher und Zeitschriften<br />
rund ums Fahrrad und Fahrradkultur.<br />
Hier flnden sich nicht nur<br />
die Radmagazine Rouleur, Privateer<br />
und fahrstil, sondern auch Bücher wie<br />
"Bicycling Science",,iThe Paterek<br />
Manuai" und ,Bicycle Builder's<br />
la äeirlbizte MAEAZIN <strong>02</strong>t12
Report // Berliner Szene-Läden<br />
Bonanzau. Erste Hinweise, welcher Leidenschaft<br />
hier gefrönt wlrd. Über eine<br />
Luke im Boden erreicht man den Keller,<br />
der sich unter den beiden vorderen<br />
Räumen erstreckt und in dem eine<br />
Werkstatt und weitere Lagerflächen<br />
eingerichtet sind.<br />
Studiert hat Patrick Laible Werkstoffwissenschaften.<br />
Nachdem er<br />
seine aktive Ruderkarriere beendet<br />
halte ein Riemen im Verkaufsraum<br />
kündet noch von diesen Zeiten -,<br />
suchte er sich ein neues Hobby: Radfahren.<br />
Er richtete sich in seiner Wohnung<br />
ein Zimmer als Werkstatt ein<br />
und nach und nach wurde der Maschinenpark<br />
immer umfangreicher.<br />
Gemeinsam mit einem Studienkoliegen<br />
verbrachte er Stunden dort. ,Das<br />
erste Eigenbauprojekt war eine Nabe,<br />
die wir aus einem Aluminiumblock<br />
drehten, um damlt am Nachtmounlainbikerennen<br />
Schlaflos im Sattel<br />
teilzunehmen«, erinnert er sich. Das<br />
ist nun fünfeinhalb Jahre her und seit<br />
dem hat sich das Selberbauen zu einer<br />
Passion enlwickelt. Nicht nur eigene<br />
Rahmen hat er geschweißt und ge1ötet,<br />
auch die Soft- und Hardware für<br />
eine Goldsprintanlage und eine Zeitnahme<br />
für Radrennen konstruierre er<br />
selbst. "Besonders bei den Arbeiten an<br />
den Fahrradrahmen stellte ich fest,<br />
wle schwer es ist, an geeignetes Material<br />
für den Rahmenbau zu kommen,<br />
wenn man nicht gleich ganze Container<br />
benötigt", erläutert Patrick Laible<br />
die Geburt seiner Geschäftsidee. Einen<br />
Importeur, der Rohre, Muffen und<br />
Anlötteile von verschiedenen Anbietern<br />
vertreibt, gibt es in Deutschland<br />
nlcht. Über das von ihm gegründete<br />
Rahmenbauforum fand er Gleichgesinnte,<br />
für die er fortan zum Selbstkostenpreis<br />
Gemeinschaftsbestellungen<br />
in Engiand organisierte und<br />
durchführte. Als er dann nach einem<br />
Jahr einmal zusammenstellte, wie viel<br />
Material auf diese Weise durch seine<br />
Hände floss, keimte die idee, das<br />
Ganze aufgrößere Füße zu stellen.<br />
Hinzu kamen die regelmäßigen Anfragen<br />
von Freunden und Bekannten<br />
nach Reparaturen an Rahmen, die sie<br />
gern auch selbst durchführen würden<br />
- nur eben ln seiner Werkstatt. "Nach<br />
und nach entstand das Konzept für<br />
meinen Laden: Zum einen wollte ich<br />
naturlich das Rohmaterial für den<br />
Rahmenbau anbieten, von Rohren aller<br />
Art über Muffen und Anlötteilen, bis<br />
hin zu Loten und Flussmitteln, die für<br />
den Rahmenbau benötigt werden. Und<br />
zwar möglichst von allen Herstellern,<br />
die es auf dem Markt gibt." Schließlich<br />
sei die Rahmenbauszene in Deutsch<br />
land stark am Wachsen. Immer mehr<br />
UND WO PARKT IHR FAHRRAD?<br />
ffi<br />
OUALITAT IN METALL<br />
wsm hat für Sie praktische Fahrradständer und Parksysteme im Sortiment - immer standsicher,<br />
platzsparend und fahrradschonend. lnformieren Sie sich über die Vielfalt der Systeme<br />
G, .-r-rrlg&ffi<br />
,'öffi<br />
il;:*n"J#;<br />
Fahrad-Wandhalter 3730<br />
Hängeparker 3900<br />
Pedalparker<br />
wsm Walter Solbach Metal bau GmbH Postfach 3773 . 51537 Waldbrö] Tel<br />
42291 86-201 Fax<strong>02</strong>291 86-92A1
Report // Berliner Szene-Läden<br />
Der Laden von Goldsprint ist bereits<br />
zwei Jahre nach Eröffnung weit über<br />
die Grenzen Berlins hinaus bekannt.<br />
Rahmenbauer hätten überquellende<br />
Auftragsbücher, die Angebote für Rahmenbaulehrgänge<br />
mehren sich, immer<br />
mehr Menschen wollen ein wirklich<br />
individuelles Fahrrad fur sich. Um dieses<br />
Bedürfnis zu stlllen, baut er derzelt<br />
einen Onlineshop auf, über den die<br />
Rahmenbaumaterialien zu erwerben<br />
seln werden.<br />
"Zum anderen möchte ich denen, die<br />
sich selber ein Rahmen bauen wollen,<br />
aber keine elgene Werkstatt haben,<br />
einen Ort zur Verfügung stellen, an<br />
dem sie genau das tun können.u Deshaib<br />
bietet er seine vollausgestattete<br />
Rahmenbauwerkstatt auch zur Miete<br />
an. In erster Linie richte sich dieses<br />
Angebot an a1l jene, die über Vorkenntnisse<br />
verfügen, also bereits<br />
einen Rahmenbaukurs absolviert<br />
haben. ,Aber auch ohne ausführliche<br />
Vorkenntnlsse kann man zu mir kommen,<br />
dann bauen wlr den Rahmen<br />
eben gemeinsam."<br />
Räder, die nicht den Siegel "handmade"<br />
tragen, w111 Patrick Laible in seinem<br />
Laden ebenfalls anbieten. "Aber<br />
auch dabei spezialisiere ich mich eher<br />
auf Spartenprodukte wie Liegeräder<br />
und Tandems. Normale Läden für Brot<br />
und Butter-Räder gibt es in Berlin<br />
schon genug, in diese Kerbe muss ich<br />
nicht auch noch schlagen."<br />
Maxime Individualaufbau :<br />
Goldsprint<br />
Ahnllch sieht das Aiexander Ingen<br />
dorf, 28, der seit rund zwei Jahren seinen<br />
Laden Goldsprint betreibt. In<br />
gewisser Weise ist er auch ,Geburlshelfer,,<br />
für <strong>TotemBikes</strong>, denn für ihn<br />
hatte Patrick Laible die Goldsprintanlage<br />
entworfen, konstruiert und programmrerL.<br />
"Der Coldsprint ist ein<br />
Event, das es mlr angetan hat", erklärt<br />
Alexander Ingendorf die Namensgebung<br />
selnes Ladens. Deshalb bietet er<br />
dleses auch in regelmäßigen Abständen<br />
an: Zuletzt auf der Berliner Fahrradschau,<br />
wo er mit Dock11 und Subtil<br />
Bikes das "Rock'n'Roller Racing" asf<br />
die Beine stellte.<br />
Seine Karriere als Fahrradhändler<br />
begann für ihn, wie bei so vielen anderen<br />
auch, im elterlichen Keller. Neben<br />
seinem Studium der Geschichte -<br />
Nebenfächer: Politik und BWL arbeitete<br />
er in einem Radladen und bastelte<br />
in seiner Freizeit weiter, um Räder für<br />
sich selbst und für Freunde zu bauen.<br />
20 äe,r,ttizae MAEAZIN <strong>02</strong>112
Report ll Berliner Szene-Läden<br />
"\Michtig ist mir, dass<br />
meine Kunden mit einem<br />
breiten Grinsen meinen<br />
Laden verlasserr«<br />
Alexander lngendorf, Goldsprint<br />
Die fertigen Räder zeigte er auf seinem<br />
Blog ,5inglgsreed Berlin". Auch bei<br />
ihm wurde die Nachfrage irgendwann<br />
so groß, dass er das besser als<br />
Gewerbe neben seinem Studium laufen<br />
lassen wollte. Das war die Geburt<br />
seines Ladens Goldsprint. In der Plesserstraße<br />
3 im Bezirk Treptow zeigte<br />
er anfänglich vor allem seine eigenen<br />
Räder. "Für mehr fehlte anfangs einfach<br />
das Qslfl«, gesteht er. Doch auf<br />
seinem Blog, der mittierweile unter<br />
dem Namen Goldsprint firmiert,<br />
waren ja auch a1l die anderen Räder zu<br />
sehen, die er zusammengestellt hatte.<br />
,Die Resonanz auf meine Aufbauten<br />
war so gut, dass ich mittlerweile meinen<br />
Laden gut fü11en konnte. Das hätte<br />
vor zwei Jahren keiner gedacht." Räder,<br />
die er zusammengestellt hat, fahren<br />
mittlerweile nicht nur kreuz und quer<br />
durch Berlin, sondern auch in München,<br />
Hamburg und anderen Großstädten.<br />
,Viele f,nden mich über meinen<br />
B1og, sind von meinen Aufbauten<br />
begeistert und Mailen mich dann an,<br />
weil sie auch ein Rad von mir wollen."<br />
Meist gibt es ein Erstgespräch im<br />
Laden. "Aber manchmal schicken mir<br />
die Leute auch einfach ihre Maße und<br />
vertrauen mir den Rest an. ,lch hab ja<br />
auf Deinem Blog gesehen, dass Du es<br />
drauf hast', heißt es dann."<br />
So sind seine beiden großzügigen<br />
Verkaufsräume mittlerweile gut<br />
bestückt. Der Schwerpunkt liegt auch<br />
hier auf Fixies, Singlespeeder und ihre<br />
farbenfrohen Komponenten. "Berlin ist<br />
dafür ein dankbares Pflaster", sagt er.<br />
,Aber das heißt nicht, dass ich nicht<br />
auch Räder mit Schaltung oder Schutzblechen<br />
aufbaue." Er selbst fährt sehr<br />
gern Mountainbike und plant, sich<br />
auch in diesem Bereich breiter aufzusteilen.<br />
"Wichtig<br />
ist mir nur, dass<br />
meine Kunden wirklich das bekommen,<br />
was sie wollen und mit einem<br />
breiten Grinsen meinen Laden verlassen..<br />
Individualaufbau heißt seine<br />
Maxime. Ob das nun heißt, ganz puristisch<br />
ohne alles auszukommen, oder<br />
vollgefedert mit Schaltung aus dem<br />
Laden zu rollen: ,Alles geht, aber eben<br />
immer mit der eigenen Note als individuellerAufbau.<br />
Ein Rad von der Stange<br />
wird es hier nicht geben", so Alexander<br />
Ingendorf.<br />
Eine eigene Rahmenlinie, gelabelt<br />
mit Goldsprint, hat er auch aufgelegt.<br />
Mittlerweile gibt es drei verschiedene<br />
Modelle: Einen gemufften und einen<br />
ungemufften Stahlrahmen in verschiedenen<br />
Größen, und ganz neu<br />
auch einen Aluminium-Rahmen, alle<br />
in einer moderaten Bahngeometrie:<br />
,Für Einsteiger ins Fixie-Fahren, denn<br />
besonders in diesem Bereich gibt es<br />
viel Mist auf dem Marktn, erklärt er.<br />
Vom Hobby-Schrauber und Blogger zum<br />
Radladen- und Event-Macher lautet die Kurzfassung<br />
der Vita von Alexander lngendorf.<br />
"lch will deshalb Rahmen anbieten,<br />
die bezahlbar und von sehr guter Qualität<br />
sind."<br />
Seine Detailkompetenz ist das<br />
Pfund, mit dem er wuchert. "Ein<br />
Brot<br />
und Butter Laden kann das gar nicht<br />
leisten. Da muss man in so vielen<br />
Bereichen bewandert sein, dass man<br />
für die Details, die für die Insider<br />
selbstverständlich sind, einfach keinen<br />
Kopf mehr hat.n Sein Produktportfolio<br />
ist so ausgefallen, dass er Konkurrenz<br />
kaum fürchtet. Oftbesorgt er<br />
auch außergewöhnliche Rahmen oder<br />
Komponenten, die es in Deutschland<br />
nicht gibt. Und wenn doch mal einer<br />
mit einem Teil ankommt, dass er<br />
irgendwo billiger erstanden hat, ist das<br />
für ihn auch kein Problem. "Dann sind<br />
die Montagekosten eben höher..." //<br />
Kommentieren Sie<br />
diesen Artikel online:<br />
www.velobiz.de/<br />
arliclel8127<br />
äeuaiz.ae utEAZN <strong>02</strong>/12 21