Geringfügig Beschäftigte, Beitragsnachforderung, Einmalzahlung
Geringfügig Beschäftigte, Beitragsnachforderung, Einmalzahlung
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Stand: Juni 2004<br />
<strong>Geringfügig</strong> <strong>Beschäftigte</strong>:<br />
- <strong>Beitragsnachforderung</strong>en<br />
- <strong>Einmalzahlung</strong><br />
Achtung: Verschärfte Prüfpraxis<br />
Angesichts leerer Kassen sind die Landesversicherungsanstalten (LVA) jetzt verschärft<br />
dazu übergegangen, im Rahmen der Betriebsprüfungen die Sozialversicherungsfreiheit<br />
besonders genau zu kontrollieren: Es wird geprüft, ob die Einnahmegrenze von 400,00<br />
€/Monat auch tatsächlich eingehalten wird.<br />
Wie muss gerechnet werden?<br />
Der geringfügig <strong>Beschäftigte</strong> darf im Monat nicht mehr als 400,00 € verdienen.<br />
Achtung:<br />
Betriebe, die exakt 400,00 € im Monat zahlen, müssen aufpassen: Zu diesen 400,00 € darf<br />
kein zusätzlicher Euro an den Arbeitnehmer fließen. Sobald der Arbeitnehmer eine<br />
weitere Sonderzahlung oder Urlaubsgeld erhält, rutscht er im Jahresdurchschnitt über<br />
die Grenze von 400,00 € im Monat.<br />
Ist auch eine Sonderzahlung / Urlaubsgeld bei der Berechnung zu berücksichtigen, das<br />
dem Arbeitnehmer nicht ausgezahlt wird?<br />
Achtung: Neuregelung ab 01.01.2003:<br />
Bislang galt die Prüfpraxis, dass <strong>Einmalzahlung</strong>en selbst dann als beitragspflichtiges Entgelt<br />
gewertet wurden, wenn auf die Zahlung zwar ein durch allgemeinverbindlich erklärten<br />
Tarifvertrag begründeter Anspruch bestand, die Auszahlung tatsächlich jedoch<br />
nicht erfolgte (-> Entstehungsprinzip).<br />
Ab 01.01.2003 gilt aufgrund einer Neuregelung des § 22 Abs. 1 SGB IV nunmehr das sog.<br />
Zuflussprinzip: Auf einmalig gezahltes Arbeitsentgelt (z. B. Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld)<br />
sind erst dann Sozialversicherungsbeiträge zu leisten, sobald dieses auch tatsächlich<br />
ausgezahlt wurde. Diese Regelung bezieht sich jedoch ausschließlich auf <strong>Einmalzahlung</strong>en<br />
und nicht auf den regelmäßigen monatlichen Vergütungsanspruch.<br />
Behandlung der „Altfälle“ bis zum 31.12.2002:<br />
Der LVA bleibt es unbenommen, bei Betriebsprüfungen Abrechnungszeiträume bis<br />
31.12.2002 das sog. Entstehungsprinzip zur Anwendung zu bringen: Auch wenn Entgeltbestandteile<br />
wie Weihnachtsgeld/Urlaubsgeld auf die der Arbeitnehmer Ansprüche<br />
hätte, nicht ausgezahlt wurden, so sind sie rechnerisch mit zu berücksichtigen. Beachten<br />
Sie daher im folgenden Text die Hinweise zu den „Altfällen“.<br />
/..2
Was sind <strong>Einmalzahlung</strong>en im Sinne des Gesetzes?<br />
2<br />
<strong>Einmalzahlung</strong>en sind Zuwendungen, die dem Arbeitsentgelt zuzurechnen sind und<br />
nicht für die Arbeit in einem einzelnen Abrechnungszeitraum gezahlt werden. Es<br />
handelt sich hierbei z. B. um Bezüge wie Weihnachtsgeld, Urlaubsgeld, Gratifikationen.<br />
Maßgeblich ist, dass sie in größeren Zeitabständen als monatlich gezahlt werden und<br />
gleichzeitig kein laufendes Arbeitsentgelt darstellen. Bei einer Umstellung der <strong>Einmalzahlung</strong><br />
auf eine anteilige monatliche Zahlung verliert die <strong>Einmalzahlung</strong> ihren<br />
Charakter als einmalig gezahltes Arbeitsentgelt und ist somit dem laufenden Arbeitsentgelt<br />
zuzurechnen.<br />
Woraus kann sich der Anspruch eines geringfügig beschäftigten Arbeitnehmers auf eine<br />
Sonderzahlung ergeben?<br />
Aus einem Tarifvertrag, wenn sowohl der Arbeitnehmer als auch der Arbeitgeber<br />
tarifgebunden sind (der AG also Mitglied eines Arbeitgeberverbandes und der AN Mitglied<br />
einer Gewerkschaft ist).<br />
Aus einem Tarifvertrag, wenn der Arbeitgeber mit dem Arbeitnehmer die Geltung<br />
dieses Tarifvertrages im Arbeitsvertrag vereinbart hat.<br />
Aus einem Tarifvertrag, der für allgemeinverbindlich erklärt wurde und in dessen persönliche,<br />
fachliche und räumliche Geltung Arbeitgeber und Arbeitnehmer fallen.<br />
Beispiel:<br />
Ein Friseurmeister zahlt seiner Mitarbeiterin einen Monatslohn von 400,00 €. Das im allgemeinverbindlichen<br />
Tarifvertrag vorgesehene Weihnachtsgeld in Höhe von 20 % zahlt er nicht. Es kommt<br />
zu einer Betriebsprüfung: Was passiert?<br />
1. Altfälle bis 31.12.2002:<br />
Obwohl das Weihnachtsgeld nicht ausgezahlt wird, wird es bei der Berechnung der Entgeltgrenze<br />
mit dazugerechnet, da die Arbeitnehmerin Anspruch darauf hätte (allgemeinverbindlicher<br />
Tarifvertrag!).<br />
Damit wird bei der Prüfung davon ausgegangen, dass die Friseurin im Jahresdurchschnitt nicht<br />
nur 400,00 € im Monat erhält, sondern unter Zurechnung des Weihnachtsgeldes in Höhe von 20 %<br />
(= 80,00 €: 12 Monate = 6,66 € je Monat) somit einen Anspruch auf 406,66 € hätte. Damit liegt sie<br />
über der 325,00 €-Grenze: Der Prüfer könnte somit die Sozialabgaben (Gesamt-Sozialversicherungsbeiträge)<br />
vom Arbeitgeber nachfordern.<br />
2. Neuregelung ab 01.01.2003:<br />
Das Weihnachtsgeld wird bei der Berechnung der Entgeltgrenze nicht berücksichtigt, so dass<br />
das Arbeitsverhältnis sozialversicherungsfrei bleibt.<br />
/..3
Für welchen Zeitraum können die Nachforderungen geltend gemacht werden?<br />
3<br />
Grundsätzlich können die Sozialversicherungsträger die Gesamt-Sozialversicherungsbeiträge<br />
für die zurückliegenden 4 Jahre geltend machen. Werden die Beiträge vorsätzlich<br />
vorenthalten, so verjährt der Anspruch erst nach 30 Jahren.<br />
Bislang war die Prüfpraxis zudem dergestalt, dass die Sozialversicherungsträger selbst<br />
dann für die vergangenen Jahre die Nachzahlung der Beiträge verlangt haben, wenn<br />
die bisherigen Betriebsprüfungen insofern unbeanstandet verliefen, als ausschließlich<br />
die tatsächlich ausgezahlten Entgelte berücksichtigt wurden.<br />
Wie kann sich der Arbeitgeber vor derartigen Nachforderungen schützen?<br />
1.<br />
Wenn es keinen allgemeinverbindlichen Tarifvertrag gibt, kann der Arbeitgeber sich<br />
vom Arbeitnehmer einen Passus unterschreiben lassen, der wie folgt lautet:<br />
„In dem monatlichen Arbeitsentgelt von 400,00 € ist anteilig das tarifliche Urlaubsgeld<br />
und die Sonderzahlung enthalten. Darüber hinaus werden keine Zahlungen geleistet.“<br />
2.<br />
In Bereichen, wo ein allgemeinverbindlicher Lohntarifvertrag existiert (z. B. Mindestlohn im<br />
Bereich Bau, Gebäudereiniger, MTV Friseure) kann der Arbeitgeber lediglich folgendes tun:<br />
Er rechnet zunächst den Anspruch auf Weihnachtsgeld/Urlaubsgeld zusammen. Danach<br />
rechnet er aus, wie viele Stunden er den Arbeitnehmer zu dem festgelegten<br />
Stundenlohn arbeiten lassen kann, damit insgesamt die 400,00 €-Grenze (400,00 € abzgl.<br />
Betrag für Weihnachtsgeld/Urlaubsgeld) nicht überschritten wird.<br />
Beispiel des Friseurmeisters:<br />
Er hätte vorher bei seiner Berechnung des monatlichen Auszahlungsbetrages das Weihnachtsgeld<br />
zumindest fiktiv berücksichtigen müssen:<br />
Beispiel Jahreslohnsumme 2002:<br />
12 x 400,00 € = 4.800,00 € : 12,20 Monatsvergütungen = 393,44 € Auszahlungsbetrag.<br />
Hätte die Friseurin monatlich nur diesen Lohn bekommen, dann wäre die Sozialversicherungsfreiheit<br />
ihres Teilzeitjobs nicht gefährdet gewesen.
4<br />
Achtung Falle:<br />
Mehrere geringfügige Beschäftigungen oder zusätzliche Hauptbeschäftigung:<br />
Alle Beschäftigungen können sozialversicherungspflichtig werden<br />
Beispiel :<br />
Arbeitnehmer X arbeitet bei Arbeitgeber Y 12 Stunden/Woche für 280,00 €/Monat und bei<br />
Arbeitgeber Z 10 Stunden/Woche für 260,00 €/Monat.<br />
Beide Beschäftigungen sind im Jahr 2004 versicherungspflichtig, das monatliche Gesamtarbeitsentgelt<br />
von 540,00 € überschreitet die <strong>Geringfügig</strong>keitsgrenze von 400,00 €.<br />
Die Sozialversicherungspflicht eines geringfügig <strong>Beschäftigte</strong>n kann sich auch daraus<br />
ergeben, dass er mehrere geringfügige Beschäftigungen oder noch zusätzlich eine<br />
Hauptbeschäftigung ausübt. Dies ergibt sich daraus, dass alle Einkünfte zusammenzurechnen<br />
sind. Wird durch die Zusammenrechnung die Entgeltgrenze überschritten,<br />
werden sämtliche Beschäftigungen von der Versicherungspflicht erfasst! Bei Überschreitung<br />
der sogenannten Geringverdienergrenze durch mehrere Beschäftigungen<br />
tragen zwar Arbeitgeber und Arbeitnehmer die Beiträge je zur Hälfte. Der Arbeitgeber<br />
ist aber alleiniger Schuldner der Beiträge. Er hat den vollen Beitrag an die Einzugsstelle<br />
zu zahlen, gleichgültig, ob er ihn allein oder nur zur Hälfte zu zahlen hat und<br />
ob er den zulässigen Lohnabzug vorgenommen hat oder nicht.<br />
Was ist die Folge, wenn der geringfügig <strong>Beschäftigte</strong> eine weitere Nebenbeschäftigung<br />
aufgenommen hat und diese dem Arbeitgeber verschwiegen hat?<br />
In diesem Fall muss der Arbeitgeber die anfallenden Arbeitgeber- und Arbeitnehmeranteile<br />
zur Sozialversicherung nachentrichten. Gegenüber dem Arbeitnehmer hat er<br />
nur einen Schadensersatzanspruch hinsichtlich der Arbeitnehmeranteile, nicht aber bezüglich<br />
der Arbeitgeberanteile!<br />
Daher:<br />
In den Arbeitsvertrag mit geringfügig <strong>Beschäftigte</strong>n sollte unbedingt folgende Klausel<br />
aufgenommen werden:<br />
„Durch meine Unterschrift bestätige ich, dass ich zur Zeit in keinem sonstigen Arbeitsverhältnis<br />
stehe. Vor jeder Aufnahme einer weiteren Beschäftigung werde ich den Arbeitgeber<br />
sofort benachrichtigen. Ich weiß, dass ich mich sonst schadenersatzpflichtig<br />
mache.“<br />
Was passiert, wenn die Landesversicherungsanstalten im Rahmen der Betriebsprüfung<br />
feststellen, dass die Entgeltgrenze überschritten wurde?<br />
In diesen Fällen können die Einzugsstellen – also die Krankenkassen- die Sozialversicherungsbeiträge<br />
für vier Jahre nachfordern! Da der Arbeitgeber den Arbeitnehmeranteil<br />
von den geringfügig <strong>Beschäftigte</strong>n in diesem Falle nur für die vergangenen drei<br />
Monate zurückholen kann, bleibt fast der gesamte Betrag an seinem Betrieb hängen!
5<br />
Was ist zu tun, wenn die aufgrund der Betriebsprüfung erhobene <strong>Beitragsnachforderung</strong><br />
Ihnen zu hoch erscheint? Wie können Sie sich wehren?<br />
Gegen die <strong>Beitragsnachforderung</strong> kann Widerspruch eingelegt werden.<br />
Aber Achtung:<br />
Diesem Widerspruch kommt keine sogenannte „aufschiebende Wirkung“ zu, d. h.: Trotz<br />
eines Widerspruchs ist die Krankenkasse zunächst berechtigt, die Beitragsforderung gegen<br />
den Betrieb durchzusetzen.<br />
Gibt es in diesem Fall eine Möglichkeit, die Zahlung vor der endgültigen Klärung über<br />
die Berechtigung der Nachforderung doch zu vermeiden?<br />
Diese Frage ist insbesondere bei größeren Nachforderungsbeträgen von Bedeutung.<br />
Hier empfiehlt sich ein Verfahren im sogenannten „einstweiligen Rechtsschutz“. Mit<br />
diesem Antrag erreicht man, dass die Krankenkasse den Zahlungsanspruch noch nicht<br />
sofort durchsetzen, d. h. vollziehen kann. Ob ein solcher Antrag Erfolg hat, richtet sich<br />
danach, ob ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Beitragsbescheides bestehen<br />
oder die Vollziehung eine unbillige und nicht durch öffentliche Interessen gebotene<br />
Härte für den Betroffenen darstellt. Um diese Frage beurteilen zu können, ist eine<br />
Einzelfallprüfung erforderlich. Eine unbillige erhebliche Härte kommt insbesondere dann<br />
in Betracht, wenn die sofortige Durchsetzung der Forderung den Betrieb in eine finanzielle<br />
Bedrängnis bringt, weil er nicht / oder nur unter Gefährdung der Existenz und des<br />
Bestands seiner Firma der Zahlungspflicht nachkommen kann. In diesem Fall ist unbedingt<br />
Rechtsrat einzuholen.<br />
Wird durch die - gegebenenfalls zwangsweise durchgesetzte - Zahlung der Nachforderung<br />
die Richtigkeit der Nachforderung anerkannt?<br />
Wenn der Betrieb Widerspruch eingelegt hat: Nein!<br />
Stellt sich im Widerspruchs- oder einem späteren Klageverfahren heraus, dass die<br />
Beitragsforderung zu Unrecht erhoben wurde, sind die dann zu unrecht gezahlten<br />
Beiträge zu erstatten (§ 26 SGB IV). In dem Widerspruch gegen eine Beitragsforderung<br />
ist zugleich auch der Antrag auf Erstattung gezahlter Beiträge zu sehen, so dass dadurch<br />
nicht nur die Verjährung des Erstattungsanspruchs unterbrochen ist, sondern im<br />
Falle der Erstattungspflicht auch der Anspruch mit 4 % ab Folgemonat zu verzinsen ist.<br />
Was kann man tun, wenn der Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz abgelehnt und die<br />
Zwangsvollstreckung droht?<br />
Hier besteht noch die Möglichkeit, bei der Krankenkasse einen Stundungsantrag zu<br />
stellen. Diese sollte jedoch wirklich erst dann gestellt werden, wenn der Antrag auf Aussetzung<br />
der Vollziehung abgelehnt und von der Krankenkasse die Einleitung von Vollstreckungsmaßnahmen<br />
auch tatsächlich angekündigt wurde.<br />
Achtung: Ein Stundungsantrag kann nicht nur bei einem noch anhängigen Widerspruchsverfahren<br />
gestellt werden, sondern auch - und gerade dann -, wenn die<br />
<strong>Beitragsnachforderung</strong> ganz oder teilweise bestandskräftig geworden ist.<br />
Hinweis:<br />
Achtung: Dieses Merkblatt der Unternehmensverbände Handwerk Niedersachsen e.V. ersetzt keine Einzelberatung.<br />
Vor Verwendung sollte Rechtsrat eingeholt werden.