Der schmale Weg - Dr. Lothar Gassmann
Der schmale Weg - Dr. Lothar Gassmann
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Obwohl es in Israel auch Stimmen gab, die sich für eine Entschuldigung gegenüber<br />
der Türkei aussprachen (wie etwa die des Verteidigungsministers Ehud Barak), beschloss<br />
die Regierung in Jerusalem, sich nicht zu entschuldigen, weil eine sorgfältige Analyse der<br />
weiteren Entwicklung in der Region klarmachte, dass eine Entschuldigung nur eine kurzfristige<br />
Beruhigung in den gegenseitigen Beziehungen der einst Verbündeten bringen würde.<br />
Vielmehr würde eine Entschuldigung Israels nur die Kreditwürdigkeit Erdogans und<br />
seiner Partei in den Augen der Islamisten aufwerten – etwas, das ihm in seiner Politik sehr<br />
wichtig ist. Ankara bereitet sich auf die Zeit nach dem «arabischen Frühling» vor, wenn<br />
voraussichtlich die Muslimbruderschaft in Syrien, aber auch in Ägypten, zur starken<br />
Macht aufsteigen wird. Erdogan sieht in den Umwälzungen in der arabischen Welt eine<br />
Chance für die Türkei, um zur regionalen Führungsmacht aufzusteigen, und das sogar auf<br />
Kosten des Iran.<br />
Intern ist es Erdogan schon gelungen, die einstige große Macht der türkischen Armee<br />
zu neutralisieren. Er zwang praktisch die ganze Militärführung zum Rücktritt und ließ<br />
Dutzende andere hohe Offiziere mit fadenscheinigen Umsturzbeschuldigungen inhaftieren.<br />
Gleichzeitig ist er dabei, die Verfassung des Landes zu ändern, um ein präsidentiales<br />
Regierungssystem einzuführen. Dies ist mit dem einstigen säkulären Regierungssystem<br />
nur schlecht zu vereinbaren und würde ihm noch mehr Macht verleihen und helfen, seine<br />
Machtposition zu stärken. Diese Entwicklung in der Türkei führte in Jerusalem zur Erkenntnis,<br />
dass eine Entschuldigung geradezu kontraproduktiv wäre.<br />
Dass Erdogan seine Macht in der Region ausweiten will, ging auch aus seiner Wahlsiegrede<br />
im Juni hervor, als er zum dritten Mal im Amt bestätigt wurde und für seine Partei<br />
AKP einen grossen Wahlsieg erzielte. Seine Regierung ist damit länger an der Macht<br />
als irgendeine Regierung vor ihm in der demokratischen Geschichte der Türkei.<br />
In seiner Siegesrede sagte er: «Wir werden in den regionalen und globalen Angelegenheiten<br />
vermehrt aktiv werden. Und glaubt mir», so erklärte Erdogan der versammelten<br />
Menge, «heute hat Sarajewo ebenso gewonnen wie Istanbul, Beirut ebenso wie Itzmir,<br />
Damaskus ebenso wie Ankara, Ramallah, Nablus, Jenin, ja das ganze Westufer und Jerusalem<br />
ebenso wie Diyarbakir (eine Stadt in der Osttürkei)».<br />
Was sollten diese Anspielungen in der Wahlsiegrede Erdogans bedeuten? Nichts anderes<br />
als, dass er und seine Regierung die Absicht haben, in der ganzen Region ihren Einfluss<br />
vermehrt geltend zu machen – aber offensichtlich besonders in der palästinensischen<br />
Sache, da er deren Orte besonders ausführlich erwähnte. Und die Erwähnung Jerusalems<br />
lässt besonders aufhorchen und ruft in Israel natürlich Besorgnis und ernstes Nachdenken<br />
hervor.<br />
Die immer offener werdende Konfrontation mit der Türkei wird für Israel eine noch<br />
größere Abhängigkeit von den USA bedeuten, die denn auch schon eine offizielle Warnung<br />
an die Adresse der Türkei haben verlauten lassen. Die Tatsache, dass der einst mit<br />
Israel verbündete Staat sich zum Feind wandelt, zeigt uns einmal mehr, wie wahr Gottes<br />
Wort ist, das davon redet, wie alle umliegenden Länder sich gegen Jerusalem wenden<br />
werden (vgl. Sacharja 12-14).<br />
Fredi Winkler ist Leiter des Gästehauses Beth-Schalom, Haifa-Carmel, Israel, und regelmäßiger Autor des<br />
Editorials der Zeitschrift „Nachrichten aus Israel“, hrsg. vom Missionswerk Mitternachtsruf<br />
<strong>Der</strong> <strong>schmale</strong> <strong>Weg</strong> Nr. 4 / 2011 38