Frank Fechner / Axel Wössner Journalistenrecht - Mohr Siebeck ...
Frank Fechner / Axel Wössner Journalistenrecht - Mohr Siebeck ...
Frank Fechner / Axel Wössner Journalistenrecht - Mohr Siebeck ...
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
3. Darf der Chefredakteur Inhalte vorschreiben und Themen ablehnen? 5<br />
des Blattes oder dem Programmauftrag des Senders ab. Im juristischen<br />
Fachjargon spricht man vom sogenannten Tendenzschutz. Je weniger sich<br />
ein Medienunternehmen tendenziell auf eine politische oder weltanschauliche<br />
Grundhaltung festlegt, desto umfassender informiert die Redaktion<br />
ihre Leser, Hörer oder Zuschauer. Wenn z.B. der Redakteur bei einer Zeitung<br />
arbeitet, die sich als „unabhängig und überparteilich“ bezeichnet,<br />
sollte er in der Gestaltung seiner Beiträge und in seinen Kommentierungen<br />
weitgehend frei sein. Dasselbe trifft zu, wenn der Redakteur bei einem<br />
Sender arbeitet, der zur Meinungsvielfalt verpflichtet ist, wie dies für den<br />
öffentlichrechtlichen Rundfunk gilt. Dann müssen die Beiträge der Redakteure<br />
in Hörfunk und Fernsehen möglichst vollständig informieren und<br />
die verschiedenen politischen Meinungen umfassend widerspiegeln.<br />
Grundsätzlich besteht jedoch die Freiheit einer Zeitung wie eines privaten<br />
Rundfunksenders, sich einer bestimmten Tendenz zu verschreiben und<br />
seine Mitarbeiter darauf festzulegen.<br />
Fall<br />
Das Kirchenblatt<br />
Journalist J einer christlich orientierten Zeitung manifestiert in einem Artikel<br />
die Vorzüge einer atheistischen Lebensweise. Sein Chef lehnt den<br />
Druck ab. Der fest angestellte Redakteur J will wissen, ob sein Vorgesetzter<br />
dies darf.<br />
Rechtlich betrachtet darf der Chef entscheiden, ob und wie er ein bearbeitetes<br />
Thema seiner Mitarbeiter veröffentlicht. Da der Beitrag des J<br />
nicht zur Verwirklichung der christlichen Grundhaltung des Blatts beiträgt,<br />
also nicht der Tendenz der Zeitung entspricht, hat der Vorgesetzte des J<br />
gute Argumente für seine ablehnende Haltung.<br />
Tagtäglich kommt es in den Redaktionen zu Auseinandersetzungen über<br />
die Themenauswahl, die Gewichtung von Themen, die Gestaltung einer<br />
Sendung oder des Onlineauftritts. Redakteure sollten ihren Journalisten<br />
ermöglichen, ihre Meinung frei zu äußern. Nur so entsteht eine Atmosphäre<br />
kreativen Arbeitens. Denn wenn Vorgesetzte von ihren Redakteuren<br />
verlangen, dass sie Weisungen widerspruchslos befolgen und eigene Meinungen<br />
und Vorstellungen nur nach Aufforderung äußern, würde dies die<br />
Redaktion lähmen und die Qualität des Produkts mindern. Dennoch unterliegt<br />
der fest angestellte Mitarbeiter einer Redaktion – wie jeder andere<br />
Arbeitnehmer auch – dem Weisungsrecht seines Vorgesetzten, an das er<br />
gebunden ist. Das betrifft auch inhaltliche Vorgaben. 5 Chefs unterliegen<br />
nämlich entgegen einer weitläufigen Meinung keinem Zensurverbot. Dieses<br />
Verbot richtet sich nur an den Staat. 6 Die Grenze zulässiger Weisungen des