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Joseph Freiherr von Eichendorff - "...Und die Welt hebt an zu singen"

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Bevor nun ich <strong>zu</strong>m Schluß komme, möchte ich <strong>an</strong>h<strong>an</strong>d eines letzten Gedichtes das Persönlichkeitsbild<br />

des Dichters noch in einem Punkt klären. Das Lied heißt: HEIMWEH:<br />

Wer in <strong>die</strong> Fremde will w<strong>an</strong>dern,<br />

Der muß mit der Liebsten gehn,<br />

Es jubeln und lassen <strong>die</strong> Andern<br />

Den Fremden alleine stehn.<br />

Was wisset Ihr, dunkele Wipfeln,<br />

Von der alten schönen Zeit?<br />

Ach, <strong>die</strong> Heimat hinter den Gipfeln,<br />

Wie liegt sie <strong>von</strong> hier so weit.<br />

Am liebsten betracht' ich <strong>die</strong> Sterne,<br />

Die schienen, wenn ich ging <strong>zu</strong> ihr,<br />

Die Nachtigall hör ich so gerne,<br />

Sie s<strong>an</strong>g vor der Liebsten Tür.<br />

Der Morgen, das ist meine Freude!<br />

Da steig ich in stiller Stund'<br />

Auf den höchsten Berg in <strong>die</strong> Weite,<br />

Grüß Dich Deutschl<strong>an</strong>d aus Herzensgrund!<br />

Dieses in wehmütiger Stimmung beginnende, jedoch im Jubelton ausklingende Lied<br />

stammt aus dem Taugenichts <strong>von</strong> 1824. Es zeigt uns, daß es eine Dialektik der Sehnsucht<br />

gibt. Wer den Ort seiner Sehnsucht erreicht hat, der sehnt sich oft nach dem Ort<br />

seines Ursprungs <strong>zu</strong>rück. Wir alle haben das oft als Reisende selbst erlebt, und für <strong>Eichendorff</strong><br />

hat der "Weg nach Hause" darüberhinaus eine metaphorische und religiöse Bedeutung.<br />

Mir geht es hier freilich um etwas <strong>an</strong>deres, nämlich um <strong>die</strong> Vokabel "Deutschl<strong>an</strong>d" im lyrischen<br />

Kontext. <strong>Eichendorff</strong> hat in seiner Lyrik <strong>die</strong> Worte "deutsch" bzw. "Deutschl<strong>an</strong>d",<br />

<strong>die</strong> m<strong>an</strong>che vielleicht als Fremdkörper in einem Gedicht empfinden, relativ oft als hohe<br />

Werte bzw. als Kleinode seines Herzens gefeiert. Da haben nun in unserer Zeit Interpreten<br />

gemeint, sie müßten den <strong>von</strong> allen geliebten Dichter vom Vorwurf einer all<strong>zu</strong> großen<br />

Liebe <strong>zu</strong> Deutschl<strong>an</strong>d entlasten. <strong>Und</strong> quasi <strong>zu</strong> seiner Entschuldigung wurde gesagt, <strong>die</strong>se<br />

Deutschl<strong>an</strong>d-Liebe sei nur Ausdruck seines Widerst<strong>an</strong>dsgeistes gegen Napoleon gewesen.<br />

Unser vorliegendes Gedicht stammt allerdings aus dem Jahr 1824, als Napoleon schon<br />

längst unschädlich gemacht worden war.<br />

Ich will meine Meinung kurz <strong>zu</strong>sammenfassen: Wenn <strong>Eichendorff</strong> Deutschl<strong>an</strong>d besingt,<br />

d<strong>an</strong>n meint er ausschließlich <strong>die</strong> Kulturnation der Deutschen, ohne Rücksicht darauf, daß<br />

es damals ein politisches Gebilde Deutschl<strong>an</strong>d gar nicht gab. Aber <strong>von</strong> der Literatur, Philosophie<br />

und Kunst Deutschl<strong>an</strong>ds hatte er eine hohe Meinung und <strong>die</strong> Menschen und<br />

volkstümlichen Überlieferungen seines Vaterl<strong>an</strong>des liebte er, jedenfalls bis <strong>zu</strong>m unmittelbaren<br />

Vormärz. Dagegen hat er sich für eine politische Einigung Deutschl<strong>an</strong>ds, soweit ich<br />

sehe, nie eingesetzt. Von der politischen Befähigung der Deutschen hat er seit jeher nicht<br />

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