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Joseph Freiherr von Eichendorff - "...Und die Welt hebt an zu singen"

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ßerdem wirkte er in seinen Ämtern immer mäßigend gegen jedes konfessionelle Eiferertum<br />

und stellte notfalls auch seine eigene Konfession den staatlichen Erfordernissen hint<strong>an</strong>.<br />

Die preußischen Reformen eines Stein und Hardenberg begrüßte er hoffnungsvoll, obgleich<br />

er dem preußischen Militarismus und Korporalgeist abgeneigt war. Deshalb suchte<br />

er übrigens - wie sein Bruder Wilhelm - nach dem Studium <strong>zu</strong>nächst in österreichische<br />

Dienste <strong>zu</strong> treten. Dem österreichischen Süden gehörte sein Herz, mit ihm fühlte er sich<br />

auch als Schlesier verbunden. Der Ged<strong>an</strong>ke der bürgerlichen Freiheit beseelte ihn zeitlebens.<br />

Trotzdem sah er als alternder Mensch in den Metternichschen Restriktionen das<br />

kleinere Übel <strong>an</strong>gesichts der Tatsache, daß der Liberalismus sich mit dem zerstörerischen<br />

Nationalismus verbündet hatte. Da resignierte er nicht <strong>an</strong>ders als <strong>die</strong> Zeitgenossen Stifter<br />

und Grillparzer.<br />

Hellsichtig forderte er auch ein Umdenken im deutschen Adel. Er sah, daß <strong>die</strong> Religion in<br />

ihm schon längst <strong>zu</strong>r bloßen Etikette verkommen war und daß <strong>die</strong> Zeit seiner Privilegien<br />

<strong>zu</strong> Ende ging. Nur eine vorbildhafte Lebensführung und ein uneigennütziger Dienst <strong>an</strong><br />

Staat und Gesellschaft könne, so glaubte er, dem Adel noch eine Existenzberechtigung<br />

verleihen. Eng damit verbunden sah er <strong>die</strong> notwendige Reform des Berufsbeamtentums,<br />

für welches er Ch<strong>an</strong>cengleichheit, Kollegialität, freimütige Zivilcourage und vor allem das<br />

Leistungsprinzip forderte.<br />

Über allem aber st<strong>an</strong>d ihm der Wert einer positiven Religion, wie er sich ausdrückte, einer<br />

Religion, <strong>die</strong> das Sinnliche in den Dienst der Erhöhung des Menschen stellte und <strong>die</strong><br />

fähig war, ihm Himmel und Erde <strong>zu</strong> verbinden. Darum bekämpfte er auch seit seinen Jugendjahren<br />

Aufklärung und Rationalismus, weil sie nur einer vordergründigen Utilität<br />

<strong>die</strong>nten. So höhnte er über <strong>die</strong> preußische Verwaltung, <strong>die</strong>se halte jeden Wasserfall für<br />

überflüssig, der nicht wenigstens ein Mühlrad <strong>an</strong>treibe. Aber nicht <strong>die</strong> Vernunft als solche<br />

griff er <strong>an</strong>, sondern <strong>die</strong> verabsolutierte Vernunft, <strong>die</strong> den Gefühlskräften und der religiösen<br />

Intuition keinen Wert beimaß. <strong>Und</strong> so war ihm rom<strong>an</strong>tische Poesie vornehmlich <strong>die</strong><br />

vermittelnde Kunst der Theologie.<br />

<strong>Und</strong> so sind wir nun endlich beim Dichter <strong>Eichendorff</strong> <strong>an</strong>gel<strong>an</strong>gt.<br />

Der am 10. 03. 1788 (also vor 210 Jahren) auf Schloß Lubowitz bei Ratibor in Oberschlesien<br />

geborene Dichter hat gewiß im herrlichen väterlichen Schloßpark, hochgelegen<br />

am Westufer der Oder, prägende Eindrücke da<strong>von</strong> erhalten, was sich als "schöne L<strong>an</strong>dschaft"<br />

versteht. Sein später ins Menschliche und Religiöse vertiefte Begriff der Heimat hat<br />

hier seinen bildmäßigen und gefühlshaften Grund. Schon bald wurde ihm L<strong>an</strong>dschaft,<br />

auch <strong>die</strong> geographisch entfernte, <strong>zu</strong>r Heimat seiner Seele, <strong>zu</strong>r Seelenl<strong>an</strong>dschaft. L<strong>an</strong>dschaft<br />

ist für <strong>Eichendorff</strong> Botschafterin tiefer Erkenntnisse. Sein Schauen bedarf freilich keiner<br />

Geheimkunst, keiner mystischen Blicke ins Detail. Denn <strong>die</strong> Aussage der Natur - das ist<br />

<strong>Eichendorff</strong>s Überzeugung - liegt offen vor uns da. Schon der erste Blick befähigt den<br />

schauenden Dichter <strong>zu</strong> frappierend klaren Deutungen, und er weiß sie jedem lauschenden<br />

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