Joseph Freiherr von Eichendorff - "...Und die Welt hebt an zu singen"
Joseph Freiherr von Eichendorff - "...Und die Welt hebt an zu singen"
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Lebe wohl, du schöner Wald!<br />
M<strong>an</strong> hat <strong>Eichendorff</strong> m<strong>an</strong>chmal <strong>die</strong> beschränkte Sp<strong>an</strong>nungsweite seiner Themen vorgeworfen,<br />
<strong>die</strong> fast monom<strong>an</strong>e Fixiertheit <strong>an</strong> immer <strong>die</strong>selbe l<strong>an</strong>dschaftliche Sicht - Garten,<br />
Wald, Fluß, Bergesh<strong>an</strong>g -, <strong>die</strong> primitiv <strong>an</strong>mutende Gleichförmigkeit der Umrisse und Farben,<br />
denen es zwar nicht <strong>an</strong> Gl<strong>an</strong>z, aber <strong>an</strong> Variation, nicht <strong>an</strong> Dichte, aber <strong>an</strong> Nu<strong>an</strong>ce,<br />
nicht <strong>an</strong> Deutlichkeit, aber <strong>an</strong> Übergängen m<strong>an</strong>gele; Wenn wir aber erkennen, daß seine<br />
L<strong>an</strong>dschaftsbilder wieder und wieder <strong>die</strong> Urgegebenheit religiöser Existenz, Suche und<br />
Heimkehr, Verführungsnähe und Erlebnishoffnung, Gottesnähe und Gottesferne spiegeln,<br />
d<strong>an</strong>n k<strong>an</strong>n es nicht überraschen, daß es immer wieder dasselbe P<strong>an</strong>orama ist, dem wir<br />
uns gegenüber finden. Was <strong>Eichendorff</strong> durch <strong>die</strong> Hieroglyphe der L<strong>an</strong>dschaft <strong>zu</strong> vermitteln<br />
suchte, waren <strong>die</strong> Grundwahrheiten, <strong>die</strong> sein Glaubensbekenntnis ausmachten und<br />
seine <strong>Welt</strong>kenntnis, und um das <strong>zu</strong> erreichen, mußte er seinen Szenenbildern spont<strong>an</strong>en<br />
Offenbarungscharakter verleihen und nicht impressionistisches Detail und realistische Individualität.<br />
Da mochte es sich d<strong>an</strong>n beispielsweise bei einer Flußl<strong>an</strong>dschaft um <strong>die</strong> der Oder, der Donau<br />
oder gar der Loire (wie in seiner Novelle "Die Entführung") h<strong>an</strong>deln: immer waren es<br />
Ideall<strong>an</strong>dschaften seiner Seele, eben Seelenl<strong>an</strong>dschaften.<br />
Sein Dialog mit der Natur ist innerhalb der rom<strong>an</strong>tischen Literaturepoche unvergleichlich.<br />
Keines seiner Gedichte legt uns schöner und erhellender <strong>die</strong> Arbeitsweise seines Ingeniums<br />
dar als folgender, <strong>zu</strong> Recht berühmter Vierzeiler, den der Dichter mit dem Wort<br />
"Wünschelrute" betitelt hat:<br />
Schläft ein Lied in allen Dingen,<br />
Die da träumen fort und fort,<br />
<strong>Und</strong> <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>hebt</strong> <strong>an</strong> <strong>zu</strong> singen,<br />
Triffst du nur das Zauberwort.<br />
Klarer k<strong>an</strong>n keine Abh<strong>an</strong>dlung das Unsagbare seines dichterischen Schaffens umschreiben<br />
als <strong>die</strong>ses reine, einfache, knappe Gedicht. Das Zauberwort! <strong>Eichendorff</strong> besaß es, <strong>zu</strong>mindest<br />
in seinen besten Schöpfungen. Das Zauberwort, das <strong>die</strong> <strong>Welt</strong> <strong>zu</strong>m Sprechen, <strong>zu</strong>m<br />
Singen und Klingen bringt, <strong>die</strong>sem Dichter fiel es mühelos <strong>zu</strong>. Wo<strong>zu</strong> <strong>an</strong>dere Dichter viele<br />
Sätze und Wendungen benötigen, ihm genügt da<strong>zu</strong> oft ein einziges, freilich ein goldenes<br />
Wort.<br />
WÜNSCHELRUTE: Rom<strong>an</strong>tische Ästhetik und Geschichtsphilosophie. Die gegenwärtige<br />
<strong>Welt</strong> ist in eine Art somnambulen Schlaf versunken. Nur der Dichter k<strong>an</strong>n mit seinem<br />
Zauberstab <strong>die</strong> geheimnisvollen Melo<strong>die</strong>n wecken, <strong>die</strong> einen Zug<strong>an</strong>g <strong>zu</strong> der verschlossenen<br />
<strong>Welt</strong> eröffnen. Musik und Traum spielen bei <strong>die</strong>sem Erweckungsvorg<strong>an</strong>g eine entscheidende<br />
Rolle. Die Tatsache, daß <strong>Eichendorff</strong> <strong>die</strong>se Zusammenhänge mit so wenigen<br />
Worten auf <strong>die</strong> Formel bringt, macht <strong>die</strong>ses Gedicht <strong>zu</strong> einem Meisterwerk, das <strong>zu</strong> Recht<br />
<strong>zu</strong> den am meisten zitierten Texten der Rom<strong>an</strong>tik gehört.<br />
Ich finde, <strong>Eichendorff</strong> ist derjenige Rom<strong>an</strong>tiker, <strong>zu</strong> dessen Verständnis unsere Schulweis-<br />
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