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Joseph Freiherr von Eichendorff - "...Und die Welt hebt an zu singen"

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der Tiefe, zwischen den Wipfeln herüber oder durchs Fenster herein. Das geht bis <strong>zu</strong>r<br />

formelhaften Erstarrung." - "Heimweh" und "Erinnerung", "Trennung" und "Wiederfinden"<br />

sind <strong>die</strong> Hauptthemen der Melo<strong>die</strong> <strong>Eichendorff</strong>s. Die Wurzeln seiner Formelsprache:<br />

Abschied, Reise, W<strong>an</strong>derung und Gedenken, liegen in den individuellen Trennungserfahrungen<br />

<strong>Eichendorff</strong>s selbst, der Trennung des Menschen <strong>von</strong> der Natur, und in dem Versuch,<br />

das Verlorene ästhetisch wieder<strong>zu</strong>gewinnen.<br />

Bereits vor der Schwelle revolutionärer Umbrüche in Deutschl<strong>an</strong>d beschwört <strong>die</strong>se Sprache<br />

gleichsam seherisch, was kommen wird: den Verlust der Geborgenheit in Heimat, Liebe<br />

und vertrauter Natur. M<strong>an</strong> k<strong>an</strong>n solche Verluste bis in unser Jahrhundert, wo sie gig<strong>an</strong>tische<br />

Ausmaße <strong>an</strong>nehmen, verlängern. Traumatisch wirken im Dichter auch <strong>die</strong> verlorenen<br />

Schlösser der Kindheit Lubowitz und Tost, <strong>die</strong> Klage um den fernen Bruder, <strong>die</strong> Klage<br />

um <strong>die</strong> toten Kinder, <strong>die</strong> Beschreibung der vom industriellen Raubbau schon im frühen<br />

19. Jahrhundert gelichteten Wälder. All <strong>die</strong>s wird <strong>zu</strong> der im Dichter verinnerlichten L<strong>an</strong>dschaft,<br />

in der das Getrennte sich wiederfindet, in der auch Mensch und Natur sich in mythischer<br />

Brautfeier vereinen. (M<strong>an</strong> vgl. nur das Gedicht "Es war, als hätt' der Himmel <strong>die</strong><br />

Erde still geküßt")<br />

Bei alledem hat m<strong>an</strong> aber festgestellt, daß keine der <strong>Eichendorff</strong>schen Formeln als Bildungszitate<br />

dauerhaft in den "Zitatenschatz des deutschen Volkes" eingeg<strong>an</strong>gen ist. Ein<br />

Beweis für <strong>die</strong> Tatsache, daß <strong>Eichendorff</strong>s Lyrik nicht <strong>die</strong> Vermittlung durch Lehrer und<br />

Schule nötig hatte, sondern gleich <strong>von</strong> den breiten Volksschichten akzeptiert wurde.<br />

Vorhin sprach ich <strong>von</strong> <strong>Eichendorff</strong>s poetischer Melo<strong>die</strong>. In der Tat hat seine Poesie in der<br />

rom<strong>an</strong>tischen Ära (neben der <strong>von</strong> Brent<strong>an</strong>o) den musikalischsten Kl<strong>an</strong>g. Da<strong>zu</strong> paßt, daß<br />

<strong>die</strong>se s<strong>an</strong>glichen Texte vor allem durch ihre Melo<strong>die</strong>n, <strong>die</strong> ihnen große und auch viele<br />

kleinere Komponisten gegeben haben, im Volk verbreitet worden sind. Der Musikhistoriker<br />

E. Busse zählt allein aus den beiden letzten Dritteln des 19. Jahrhunderts <strong>die</strong> unglaubliche<br />

Zahl <strong>von</strong> "weit über 5000 <strong>Eichendorff</strong>-Vertonungen".<br />

Zur obersten R<strong>an</strong>gliste deutscher Komponisten, <strong>die</strong> <strong>Eichendorff</strong> vertont haben, gehören<br />

Felix Mendelssohn-Bartholdy, Robert Schum<strong>an</strong>n, Joh<strong>an</strong>nes Brahms und Hugo Wolff. Auffallen<br />

muß, daß Fr<strong>an</strong>z Schubert nicht unter ihnen ist. Er scheint keinem einzigen <strong>Eichendorff</strong>-Gedicht<br />

seine Töne gewidmet <strong>zu</strong> haben. Selbst <strong>von</strong> Mendelssohn, einem Freund des<br />

Dichters, kenne ich nur 5 <strong>Eichendorff</strong>-Sätze, darunter freilich <strong>die</strong> herrlichen und ungemein<br />

populären Männerchöre "0 Täler weit, o Höhen" und "Jägers Abschied" mit dem<br />

Eing<strong>an</strong>gsvers "Wer hat dich, du schöner Wald". Schubert hat bek<strong>an</strong>ntlich auch Texte<br />

dritt- und viertr<strong>an</strong>giger Poeten vertont. M<strong>an</strong> könnte räsonieren: Bei eher schlechten Versen<br />

ist <strong>die</strong> durch den Tondichter erzielte Verw<strong>an</strong>dlung ver<strong>die</strong>nstvoller. Umgekehrt konnten<br />

mit <strong>Eichendorff</strong>-Texten auch wenig renommierte Tonsetzer "einen Hit l<strong>an</strong>den", wie<br />

m<strong>an</strong> heute sagt. Das beliebteste aller <strong>Eichendorff</strong>-Lieder "In einem kühlen Grunde" wurde<br />

bereits 1814 <strong>von</strong> Friedrich Glück mit einer höchst erfolgreichen Melo<strong>die</strong> ausgestattet.<br />

Von Theodor Fröhlich stammt <strong>die</strong> Vertonung des W<strong>an</strong>derliedes "Wem Gott will rechte<br />

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