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Bachelor-Programm manner - Musik-Akademie Basel

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<strong>Bachelor</strong>-Konzert<br />

vom 15. Juni 2011, 13 Uhr,<br />

<strong>Musik</strong>hochschule <strong>Basel</strong><br />

Michel Anner, Bariton<br />

(Klasse Marcel Boone)<br />

Paul Suits, Klavier


<strong>Programm</strong><br />

Carl Philipp Emanuel Bach (1714-1788)<br />

Aus dem Oratorium Die Israeliten in der Wüste (1768/69)<br />

Arie des Moses: „Gott, sieh Dein Volk“<br />

Robert Schumann (1810–1856)<br />

Drei Lieder aus Zwölf Gedichten nach Justinus Kerner op. 35 (1840)<br />

III. „Wanderlied“<br />

IX. „Frage“<br />

X. „Stille Tränen“<br />

Wolfgang Amadé Mozart (1756–1791)<br />

Aus dem unvollendeten Singspiel Zaide (1781)<br />

Arie des Allazim: „Nur mutig mein Herze“<br />

Francis Poulenc (1899–1963)<br />

Drei Lieder aus den Banalités (1940)<br />

II. „Hôtel“<br />

IV. „Voyage à Paris“<br />

V. „Sanglots“<br />

Georges Bizet (1838–1875)<br />

Aus der Oper Les pêcheurs de perles (1863)<br />

Rezitativ und Arie des Zurga: „L’orage s’est calmé… Nadir tendre ami“<br />

Hans Werner Henze (*1926)<br />

Aus den fünf Neapolitanischen Lieder (1957)<br />

I. „Aggio saputo“<br />

III. „Amaie‚na nenne“<br />

Gaetano Donizetti (1797–1848)<br />

Aus der Oper L’elisir d’amore (1832)<br />

Arie des Belcore: „Come paride vezzoso"


Vorwort<br />

Die offiziellen Vorgaben sind relativ offen. In dem maximal 40 Minuten dauernden<br />

<strong>Bachelor</strong>-Konzert muss Literatur aus mindestens drei Epochen vorgetragen werden, die<br />

zeigen sollen, dass sich der <strong>Musik</strong>er in verschiedenen Epochen zurechtfindet und die<br />

Stücke stilistisch korrekt vortragen kann Bei Sängern hingegen wird diese Vorgabe durch<br />

zwei weitere implizite Anforderungen ergänzt: Das Berücksichtigen der drei Genres Lied,<br />

Oratorium und Oper sowie das Singen von Literatur in unterschiedlichen Sprachen.<br />

Mit diesen Vorgaben im Gepäck habe ich mich vor einem guten halben Jahr auf die Suche<br />

nach passendem Repertoire gemacht, um ein möglichst vielfältiges <strong>Programm</strong> auf die<br />

Beine zu stellen. Ein <strong>Programm</strong>, das aus Stücken besteht, die ich in den vergangenen sechs<br />

Semestern im Unterricht mit meinem Lehrer Marcel Boone erarbeitet habe und die die<br />

Vielseitigkeit der Vokalliteratur wiederspiegeln soll: Legatobögen, Parlando, Koloraturen,<br />

Verzierungen, Voix Mixte, etc. um nur einige der vokalen Herausforderungen zu nennen.<br />

Aber nicht die technischen Anforderungen, sondern die grundsätzliche Auseinandersetzung<br />

mit der <strong>Musik</strong> und deren Interpretation bilden den Mittelpunkt des <strong>Programm</strong>s.<br />

Die Bandbreite der dem Publikum zu vermittelnden Eindrücke reicht von Traurigkeit und<br />

Verzweiflung über Aufbruchsstimmung bis hin zu überbordender Freude.<br />

Carl Philipp Emanuel Bach – Die Israeliten in der Wüste (Arie des Moses)<br />

Das in den Jahren 1768/69 komponierte Werk hat der bekannteste Bach-Sohn kurz nach<br />

seinem Amtsantritt als Hamburger <strong>Musik</strong>direktor geschrieben. Es war eine bewusste Wahl<br />

Bachs, eine Thematik aus dem Alten Alten Testament zu vertonen, da er damit nicht eine<br />

konfessionelle Richtung des Christentums favorisiert, sondern ein neutrales, unter den<br />

verschiedenen Glaubensrichtungen nicht umstrittenes oder gar verbotenes Thema<br />

aufgreift.<br />

Bach legt das Werk sehr theatralisch an, so dass es den Oratorien Händels nicht unähnlich<br />

ist. Es war auch durchaus Bachs Anliegen, ein Werk zu schaffen, welches auch ausserhalb<br />

der Kirche zur Aufführung gelangt und das nicht nur musikalisch versierten Kreisen<br />

zugänglich war, sondern auch für den musikalischen Laien zu verstehen ist. C. P. E. Bach<br />

gibt die von seinem Vater erlernte komplexere Kontrapunktik weitestgehen zugunsten<br />

einer Homophonie auf, die bereits auf Haydn hinweist. Bach könnte den Bruch mit der<br />

barocken Tradition nicht deutlicher darstellen und bereitet den Weg zur Klassik vor.


Die Arie Moses‘ Gott, sieh Dein Volk, ist ein langes und tief empfundenes Gebet an Gott.<br />

Die Arie kommt fast ohne grosse Entwicklung aus und verstärkt somit den Eindruck des<br />

Gebets. Sie wirkt wie eine sich wiederholende Klage mit leicht meditativem Charakter.<br />

Der Rhythmus unterstützt die an Gott vorgetragene Klage und taucht während der ganzen<br />

Arie immer wieder auf. Es ist beeindruckend, mit welcher Exaktheit Bach grösstenteils die<br />

Verzierungen ausschreibt und der Rhythmik während der Arie grosses Gewicht beimisst.<br />

Diese Gewichtung der Rhythmik ist eines der Merkmale des vorklassischen Zeitalters der<br />

Empfindsamkeit.<br />

Schumann – Drei Lieder aus den Zwölf Gedichten von Justinus Kerner<br />

Bis vor kurzem war der Lieder-Zyklus op. 35 mit Texten von Justinus Kerner im<br />

Repertoire der Liedsänger sehr vernachlässigt. In der Petersausgabe sind zehn der zwölf<br />

Lieder im zweiten Band untergebracht. Das Wanderlied sowie Erstes Grün aber im ersten<br />

sind aber im ersten Band abgedruckt. Dies hat Interpreten nicht gerade ermuntert, diese<br />

Lieder als Ganzes wahrzunehmen. Kommt dazu, dass der Zyklus nicht nur technisch<br />

anspruchsvoll zu singen und zu spielen ist, sondern dass die Lieder emotional schwerer<br />

liegen als die früher geschriebenen und im Tonfall leichteren Zyklen Dichterliebe und<br />

Liederkreis. Es ist der erste Liederzyklus nach der Hochzeit mit Clara Wieck und es ist<br />

offensichtlich, dass sich etwas in Schumanns Emotionalität verändert haben muss. Die<br />

Harmonik ist oft gespannt und führt am Ende der Stücke nicht wie gewohnt auf die Tonika<br />

zurück.<br />

Wie erwähnt, ist das Wanderlied – eines von zwei Wanderliedern im Zyklus – im ersten<br />

Band der Peters-Ausgabe zu finden. Dies spricht für die Popularität des Stücks, was<br />

sicherlich auch damit zu tun hat, dass das Lied eine sehr volkstümliche Melodik hat. Die<br />

ersten drei Strophen wurden jeweils mit demselben Hauptthema vertont, das wie eine<br />

Fanfare wirkt und die Aufbruchsstimmung des Wanderers versinnbildlicht. Das viermalige<br />

Wiederkehren dieses Themas könnte die Gefahr bergen, plump zu wirken, wäre da nicht<br />

der lyrische Mittelteil, der dem Lied doch noch einen schwelgerischen Ton verleiht. Hier<br />

besinnt sich der Wanderer auf seine Heimat und Schumann lässt eine sanfte Wehmut im<br />

Ton zu, bevor er mit einer gewagten Modulation zur Anfangstonart zurückkehrt und<br />

feierlich die erste Strophe wiederholt.<br />

Die Frage ist ein einstrophiges Lied, in dem der Dichter die Essenz des Lebens darstellt.<br />

All das, was das Leben ausmacht, ist in diese eine Frage gepackt und wird somit zur<br />

rhetorischen Frage. Die Wörter des Gedichts sind eigentlich pathetisch gewählt,<br />

währendem die Vertonung einen eher träumerischen oder gar melancholischen Ton<br />

anschlägt. Schumann führt die <strong>Musik</strong> in eine Innigkeit, die jedem Wort eine<br />

bedeutungsvolle Schwere gibt, als ob es sich hier um eine Selbstprophezeihung des


Komponisten handelt, der ohne diese Naturgegebenheiten und das von Menschenhand<br />

geschaffene Lied nicht leben könnte. Das Lied endet dann auch nicht auf der Tonika,<br />

sondern auf der Dominante der parallelen Moll-Tonart. Dieser offene Schluss in Dur<br />

scheint, als ob er direkt auf die spätere Verklärung Schumanns hinweist.<br />

Gefolgt wird die Frage von dem „aus voller Brust“ gesungenen Stille Tränen. Dieses Lied<br />

ist eines der spektakulärsten Schumann-Lieder und deshalb auch eines der gefährlichsten.<br />

Es ist ein Lied, auf das Schumann selbst stolz war. Schon bald nach der Fertigstellung der<br />

Komposition wurde es in der „Neuen Zeitschrift für <strong>Musik</strong>“ veröffentlicht. Das Stück hat<br />

einen populären Charakter und erreicht auch heute noch die Gefühle vieler Menschen. Das<br />

Lied mutet manchmal wie eine Art Pop-Song an, das den Interpreten die Möglichkeit gibt,<br />

sich einer stimmlichen Expansion hinzugeben, wie dies sonst selten bei Schumann<br />

möglich ist. Der eigene Kummer wird durch die <strong>Musik</strong> zum Rausch und man kann sich<br />

nicht des Eindrucks verwehren, dass auch ein Sehnen nach dem eigenen Schmerz<br />

komponiert wurde. Schumann behält konsequent ein einzelnes Motiv bei, das er zu<br />

verschiedenen Höhepunkten führt und am Ende im Nachspiel, welches an Chopin erinnert,<br />

wieder abklingen lässt.<br />

Mozart - Zaide (Arie des Allazim)<br />

Dieses von Mozart unvollendete Werk aus dem Jahre 1781 ist die spätere Vorlage für das<br />

noch im selben Jahr komponierte Singspiel Die Entführung aus dem Serail. Beide<br />

Geschichten befassen sich mit dem damals sehr in Mode gewesenen Orient. Es handelt<br />

sich um eine von einem orientalischen Regenten in Gefangenschaft genommene<br />

Europäerin, die sich nicht mit der Position der Haremsdame abfinden will. Die einzelnen<br />

Charaktere lassen sich alle bis auf Allazim mit Personen aus der Entführung miteinander<br />

vergleichen. Er wurde im Entführungslibretto durch ein Buffo-Paar ersetzt, welches für die<br />

damalige Zeit die weitaus konventionellere Variante war, um den Hauptprotagonisten<br />

Nebenfiguren zur Seite zu stellen.<br />

Allazim ist der Lieblingssklave des herrschenden Sultans und besitzt dessen Vertrauen.<br />

Dieses Vertrauen nutzt er, um dem Sklavenpaar zu helfen und um seine eigene Flucht zu<br />

planen. Die Figur des Allazim hat einen sehr aufklärerischen Wert, da er trotz der<br />

Privilegien, die er am Hof des Sultans geniesst, beschliesst, dem Liebespaar zur Flucht zu<br />

verhelfen. Er gewichtet somit die Liebe höher als das geregelte Leben, welches er<br />

mittlerweile im Orient führt. Bis zu diesem Zeitpunkt ist er als Mittler zwischen den<br />

Kulturen für den Sultan unentbehrlich geworden. Er ermuntert Zaide und ihren Geliebten,<br />

die Flucht zu ergreifen und es scheint, als ob er mit sich selbst im Reinen ist und den<br />

Entscheid auch gegen aussen verteidigen kann.


Die Arie Nur mutig mein Herze ist für eine tiefe Männerarie von Mozart<br />

aussergewöhnlich lyrisch, obwohl es sich bei der Tempoangabe um ein Allegro handelt.<br />

Eine Arie dieser Art hat Mozart in keiner seiner anderen Opern für Bariton (oder Bass)<br />

komponiert. Dies hat auch damit zu tun, dass es sich bei Allazim nicht um eine Person mit<br />

Besitzansprüchen handelt, welche meistens von den tieferen Männerstimmen besetzt<br />

werden. Nein, Allazim ist, um dies etwas plakativ zu formulieren, wie die gute Fee im<br />

Stück und stellt den einzigen Ruhepol dar, was auch gut in der Arie erkennbar ist. Er ist<br />

somit in der Funktion ähnlich wie Rossinis Alidoro in La Cenerentola. Er strömt in seiner<br />

ihm eigenen Ruhe der <strong>Musik</strong> eine gewisse Autorität aus.<br />

Francis Poulenc – Drei Lieder aus den Banalités<br />

145 Lieder, sogenannte Mélodies, hat Francis Poulenc komponiert. Über 90 wurden für<br />

den Bariton Pierre Bernac persönlich geschrieben und erfordern von der mittleren<br />

Männerstimme viel Voix Mixte (die Mischung von Kopf- und Bruststimme) um den<br />

Liedern eine leicht chansonhafte Note zu verleihen. Auch stellen die meisten Lieder<br />

immense Anforderungen an den Pianisten, so dass es den wenigsten möglich ist, diese<br />

Stücke vom Blatt zu spielen. Poulencs Lieder sind stark im Liedgut der französischen<br />

Romantik verwurzelt. Sie sind in allen Belangen eine konsequente Weiterentwicklung der<br />

Lieder Ravels, Debussys oder Faurés. Nicht nur in Harmonik und Linienführung, sondern<br />

auch in Witz und Expressivität. Poulencs musikalische Sprache hat grössten<br />

Wiedererkennungswert, so dass man seine <strong>Musik</strong> innerhalb von zwei-drei Takten ihm<br />

zuordnen kann. Auch die 1940 komponierten Banalités, ein Zyklus von fünf Liedern mit<br />

Texten von Guillaume Apolllinaire, sind diesem Stil und Witz verpflichtet. Es handelt sich<br />

um fünf komplett verschiedene Szenen, kleine in sich geschlossene Miniaturen, welche<br />

auch für Bernac geschrieben worden sind.<br />

Das Stück Hôtel ist in seiner Faulheit kaum zu überbieten. Die Angabe très calme et<br />

paresseux muss unbedingt befolgt werden. Schon der erste Akkord, der sich über fünf<br />

Oktaven ausbreitet, gibt dem Stück diesen Charakter, als ob es sich um ein Stück Nichts<br />

handelt, das nicht nur eine momentane Stimmung, sondern ein ganzes Lebensgefühl<br />

darstellt. Der einzige Wunsch des Ich-Erzählers ist das Bedürfnis nach einer Zigarette.<br />

Man glaubt sich in die Zeit des Film noirs zurückversetzt, als die Zigarette der ständige<br />

Begleiter des Menschen war.<br />

Ganz anders ist da das Lied Voyage à Paris. Dieser knapp einminütige Walzer drückt<br />

puren Lebensgenuss aus. Man spürt die Sehnsucht nach der Grossstadt Paris und die<br />

Vorfreude endlich das triste Hinterland hinter sich zu lassen. Ein frivoles Intermezzo, das<br />

zu Ende ist, bevor es wirklich angefangen hat und das den Charme der französischen<br />

Hauptstadt ausdrücken soll.


Krasser könnte die Stimmung in der letzten Mélodie des Stücks nicht umschlagen.<br />

Sanglots ist ein ebenso episches wie mystisches Stück. Gleich wie Schumanns Stille<br />

Tränen befasst sich der Text mit Kummer. Die Herangehensweise ist aber eine andere. So<br />

extrovertiert Schumanns Werk ist, so intim bleiben Poulencs „Schluchzer“ beim Erzähler<br />

selbst, denn es handelt hier vom stillen Kummer, den jeder in sich trägt und mit dem jeder<br />

selbst fertig werden muss. Der Sänger setzt fast unmerklich und aus dem Fluss der<br />

Begleitung heraus ein und spannt die erste Kantilene über diesen schlichten Anfang. Weite<br />

Bögen kennzeichnen das Lied. Poulenc versteht es, daraus auch dramatische Momente<br />

entwickeln zu lassen, bevor die Klage wieder langsam abklingt und jeden mit dem<br />

Schmerz alleine lässt.<br />

Georges Bizet – Les Pêcheurs de perles (Arie des Zurga)<br />

Im Jahre 1863 komponierte der 25-jährige Georges Bizet die Perlenfischer basierend auf<br />

dem Libretto von Michel Carré und Eugène Cormon. Die Geschichte spielt in Ceylon.<br />

Dort wurde Zurga zum Anführer der Perlenfischer gewählt. Die keusche Priesterin Leila<br />

soll Tag und Nacht für das Wohlergehen der Perlenfischer beten. Leila und Nadir, der<br />

beste Freund Zurgas, verlieben sich ineinander und werden von den Fischern und Zurga<br />

als Liebespaar enttarnt, worauf diese den Tod des Paares fordern. Daraufhin erkennt Zurga<br />

seine von Eifersucht getriebenen Rachegelüste und möchte den Todgeweihten durch das<br />

Abbrennen des ganzen Dorfes zur Flucht verhelfen.<br />

Die fernöstliche, exotische Thematik war im Paris des 19. Jahrhunderts äusserst beliebt<br />

und es entstanden viele Opern mit ähnlicher Thematik. Man denke etwa an Délibes Lakmé<br />

oder Bizets Djamileh. Die Oper ist vor allem für das Duett von Nadir und Zurga bekannt,<br />

aber es geht dabei oft vergessen, dass die Oper viele Momente von exquisiter Lyrik<br />

enthält. So auch die Arie Zurgas Ô, Nadir tendre ami, wo er bereut, seinen Freund und<br />

dessen Geliebte zum Tode verurteilt zu haben. Der im Vorspiel zum dritten Akt tobende<br />

Sturm stellt zugleich Zurgas Innenleben dar. Allein in seinem Zelt und voller<br />

Schuldgefühle findet er einen Augenblick Ruhe, wo er seine Reue gegenüber den beiden,<br />

vor allem aber gegenüber Nadir, kundtut. Die Arie beginnt ruhig und baut ein grosses<br />

Crescendo auf, bevor Zurga am Ende, voller Scham für seine eigene Grausamkeit, in sich<br />

zusammenbricht.<br />

Hans Werner Henze – Fünf Neapolitanische Lieder<br />

Hans Werner Henze lehnte es jeweils ab, sich auf einen bestimmten Stil festzulegen und<br />

nannte seinen Stil von jeher und mit gutem Gewissen eklektizistisch. Ihm war immer<br />

wichtig eine möglichst kantable und sängerfreundliche Linie zu schreiben. Dies ist ihm


auch bei den fünf Neapolitanischen Volksliedern gelungen, von denen hier leider nur zwei<br />

aufgeführt werden können, da die restlichen drei Stücke lange instrumentale Vor- und<br />

Zwischenspiele aufweisen.<br />

Die Texte zu diesen für Bariton geschriebenen Orchesterliedern hat Henze auf einem<br />

neapolitanischen Bücherstand gefunden, als er im Jahre 1956 selbst in Neapel lebte. Sie<br />

sind undatiert und anonym, stammen aber wahrscheinlich aus dem 17. Jahrhundert. Henze<br />

bedient sich bei der Vertonung nicht etwa an Volksmelodien, sondern komponiert eigene<br />

Melodien. Man merkt, wie die Kompositionen trotzdem vom Leben und Klima der Stadt<br />

beeinflusst sind. Das erste Stück, Aggio saputo, erinnert uns mit seiner Chromatik und<br />

seinem sehr freien Rhythmus stark an musikalische Eindrücke, die aus dem Süden Italiens<br />

bekannt sind und welche die Schönheit des Todes beschreiben. Der Sänger beginnt, ohne<br />

Orchester eine freie Kantilene zu singen, zu der Henze hochdifferenzierte<br />

Dynamikangaben macht. Es ist der expressivste Moment des Liedes. Zwar stehen feste<br />

Tempoangaben über den einzelnen Teilen des Liedes, doch sind diese nur relativ zu<br />

beachten, da das ganze liberamente vorgetragen werden soll.<br />

Amaie, na nenne ist ein kurzes Kleinod, das in fünf Verszeilen auf komödiantische Art<br />

und Weise die Geschichte eines gescheiterten Liebhabers erzählt. Der Gehörnte durfte in<br />

den dreizehn Monaten der Liebe seiner Angebeteten keine dreizehn Küsse geben und<br />

letzten Endes wird er auch noch von deren Mutter aus dem Haus geworfen. Henze hebt die<br />

Komik der Geschichte mit schnellen Rhythmen und kurzen Koloraturen hervor.<br />

Gaetano Donizetti – L’elisir d’amore (Arie des Belcore)<br />

Der Liebestrank gehört zum Standardrepertoire eines jeden Opernhaus. Im Zentrum der<br />

Oper steht die Liebe Nemorinos zu Adina, welche aber den galanten Sergeant Belcore<br />

anfänglich vorzieht. Belcore ist von sich selbst derart überzeugt, dass er glaubt, dass sein<br />

Werben für ein jedes Mädchen ein Glück darstellt. Er vergleicht sich mit dem stolzen<br />

Paris, nur dass er selbst noch glorreicher und glücklicher ist.<br />

Seine kurze Arie ist geprägt von fanfareartigen Aufschwüngen (Dreiklangbrechungen), in<br />

denen er jeweils seine Vorzüge anpreist und die sein überhöhtes Selbstbewusstsein<br />

musikalisch darstellen. Die gegen Ende der Arie komponierten Koloraturen sollen zum<br />

einen gestochen scharf gesungen werden, um das Militärische wiederzugeben und zum<br />

anderen dürfen sie ein gewisses Mass an Flexibilität vermissen lassen, um auch glaubhaft<br />

den galanten Liebhaber zu mimen.

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