Natalie Spinell
Natalie Spinell
Natalie Spinell
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<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong><br />
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Wie wir wurden, was wir sind<br />
<strong>Natalie</strong><br />
<strong>Spinell</strong><br />
„Some dream, some do, some do both“<br />
Wenn Träume sich immer einfach so verwirklichen lassen<br />
würden, dann wären wir ein Volk von Träumern.<br />
Das ist aber nicht so, denn um Träume zu verwirklichen,<br />
muss man auch handeln. Für kaum eine Karriere ist diese<br />
Erkenntnis so wichtig, wie für die Schauspielerei. Einerseits<br />
braucht man Träume und andererseits auch den Mut, sie wahr<br />
werden zu lassen.<br />
Eine Schauspielerin, der das ganz gut gelingt, ist <strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>.<br />
Die junge Münchnerin lässt seit Jahren konsequent ihren Träumen<br />
auch Taten folgen. Stellt ihr Talent auf eine solide Basis,<br />
ohne dabei ihre Träume aus dem Auge zu verlieren. Das ist nicht<br />
immer ganz so einfach, zumal wenn man aus einer berühmten<br />
Schauspielerfamilie kommt.
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong><br />
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Wie wir wurden, was wir sind<br />
Kann man das so sagen, dass sie aus einer Schauspielerfamilie kommen?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Ja, natürlich kann man das so sagen – andererseits ist<br />
das nicht ganz korrekt. Sie spielen mit der Frage sicher auf meinen Stiefvater<br />
Rufus Beck und auf meine Geschwister Sarah und Jonathan an. Ja,<br />
das ist meine Familie und die spannendste und auch liebevollste, die ich<br />
mir wünschen könnte. Allerdings hab ich auch einen wundervollen Vater<br />
in Südtirol, der mich sehr geprägt hat und nichts mit der Schauspielerei<br />
zu tun hat.<br />
Wann und mit was hat es damals angefangen?<br />
Wie wurden Sie Schauspielerin?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Mit Glück oder Zufall, denn ich habe schon sehr früh angefangen,<br />
so mit sieben Jahren etwa. Damals war meine Mutter noch nicht<br />
einmal mit meinem Stiefvater zusammen. Ich wurde als Siebenjährige von<br />
der Mutter eines Schulfreundes zu einem Werbecasting mitgenommen<br />
und die haben mich genommen. Meine Mutter sah das zum Glück sehr<br />
entspannt. Sie hat mich immer frei erzogen und mir meinen Willen gelassen.<br />
Es gab nur einen Punkt, da war sie ziemlich strikt: Schule geht vor.<br />
Sie haben gerade das Stichwort<br />
„Schule“ in den Raum geworfen.<br />
Wie war das denn, Sie<br />
haben ja auch schon bald mit<br />
der Arbeit in Serien begonnen?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Die Schule ließ<br />
sich mit der Werbung ganz gut<br />
vereinbaren, aber später, so mit<br />
12 Jahren, wurde das schwerer.<br />
Ich hab in der Schule natürlich<br />
viel gefehlt und ich gebe zu, ich<br />
war auch nicht richtig, richtig<br />
gut in der Schule, aber ich hab<br />
es immer irgendwie geschafft.<br />
Es gab für mich sehr schwere<br />
Zeiten. Mit ungefähr 16 habe ich<br />
zwei „Tatorte“ in Köln am Stück<br />
gedreht, bin täglich hin und her<br />
geflogen. Ich war einen Tag<br />
in der Schule, bin nach Köln<br />
geflogen, hab gedreht und<br />
wieder zurück. Irgendwann<br />
hab ich gesagt, ich kann<br />
nicht mehr. Ich wusste nicht<br />
mehr, in welchem Bett ich<br />
gerade aufgewacht bin. Am<br />
Schluss habe ich mich mit<br />
meiner Mutter geeinigt die<br />
Produktion in Ruhe in Köln<br />
zu ende zu drehen und mich<br />
anschließend wieder mehr der<br />
Schule zu widmen und dem<br />
Drehen ein wenig weniger<br />
Aufmerksamkeit zu schenken.<br />
Inklusive Zwangsnachhilfe!<br />
Und das war rückblickend<br />
auch richtig so. Was wäre denn heute, wenn ich mit 16 die Schule verlassen<br />
hätte? Ich könnte nicht studieren! Trotzdem wird man natürlich ein<br />
bisschen größenwahnsinnig. Man arbeitet wie eine Wahnsinnige, verdient<br />
schon sehr viel Geld für das Alter. Es geht einem in dieser Traumwelt<br />
einfach verdammt gut – ist ausgelastet und ich bin dann jemand, der<br />
gerne aus der Realität flüchtet. Damals wäre ich am liebsten aus der<br />
Schule geflohen. Aber ich denke, das geht vielen 16-Jährigen so. Egal, ob<br />
Schauspielerin oder nicht.<br />
Ihr Debüt als „Serien“-Schauspielerin gab <strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong> mit zwölf<br />
Jahren, als sie in der Rolle der Harriet Haller in der Serie „Katrin ist die<br />
Beste“ auftrat. Einem weitaus größeren Publikum ist sie allerdings bis<br />
heute durch ihre Rolle beim „Polizeiruf 110“ im Gedächtnis geblieben.<br />
Da spielte sie Christine Bronski, die Tochter der Hauptkommissarin Jo<br />
Obermaier (Michaela May). Von da an war sie eine Weile auf Fernsehkrimis<br />
abonniert, drehte unter anderem dreimal „Tatort“ in zwei Jahren.<br />
Zusammen sind das gute Gründe, ein bisschen „größenwahnsinnig“ zu<br />
werden. Doch ihre Eltern holten sie immer wieder auf den Boden der<br />
Tatsachen zurück.<br />
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Damals haben Sie ja ein ziemliches Pensum an Dreharbeiten absolviert.<br />
Gab es da nicht doch Probleme in der Schule?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Ich muss zugeben nach diesem Jahr auch eine Ehrenrunde<br />
gedreht haben. Ansonsten habe ich vielleicht auch nicht immer<br />
eine Glanzleistung abgegeben, aber ich gestehe so oder so ein fauler<br />
Hund, was die Schule anbelangt, gewesen zu sein. In der Schule gehörte<br />
ich sonst immer zum Durchschnitt und fand alles andere irgendwie<br />
spannender. Richtige Probleme gab es ansonsten trotzdem nicht, da<br />
ich ein privates Sportgymnasium besucht habe, in dem ich parallel dem<br />
Leistungssport treu war. Somit war es die Schule gewöhnt, dass jemand<br />
für drei Monate zu einem Tennisturnier nach Australien flog. Da sind ein<br />
paar Wochen Dreharbeiten gar nichts. Deswegen wurde ich nicht besser<br />
oder anders behandelt. Und wenn ich im Fernsehen lief war das für die<br />
Lehrer oder die anderen Schüler wohl der Pokal den die anderen bei den<br />
Jugend Australien Open bekommen hatten!<br />
Und heute? Sind Sie Ihrer Mutter dankbar für die Strenge<br />
in Sachen „Schule“?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Natürlich. Genauso Rufus, der war genauso hinterher.<br />
Er und meine Mutter sagten immer: „Du brauchst Abitur“. Und sie hatten<br />
recht, denn ohne Abitur wäre ich heute nicht auf der Filmhochschule…<br />
Passt das gut zusammen, erzieherische Strenge und Schauspielleben?<br />
Man stellt sich das immer etwas lockerer vor.<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Es muss irgendwie zusammen passen. Sicher ist es<br />
irgendwie lockerer. Einerseits wissen meine Mutter und Rufus ganz<br />
genau, warum sie mir zu einem ordentlichen Abschluss mehr als geraten<br />
haben. Man muss seinen Horizont erweitern und sich die Realität vor<br />
Augen halten. Es kann nicht immer so einfach sein wie bei mir mit 16, als<br />
ich gemütlich neben der Schule viel drehen konnte und mein eigenes Geld<br />
verdient habe.<br />
Mir ist bewusst, dass meine Familie etwas ganz Besonderes ist. Wir leben<br />
natürlich das Schauspielerleben in extremer Form, es ist für uns nichts<br />
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Wie wir wurden, was wir sind<br />
Besonderes, da wir alle in künstlerische Berufe involviert sind. Jeder für<br />
sich, denn irgendwie ist man in diesen Berufen Einzelgänger. Doch dann<br />
debattieren wir über Rollen, Gespieltes, Erlebtes und fliegen dann alle,<br />
wieder jeder für sich, in unterschiedlichste mediale Arbeitswelten und<br />
treffen dann aber wieder aufeinander. Ich vergleiche es gerne mit einem<br />
sicheren Luftschloss, das einen einem Schutz bietet. Ich weiß es sehr<br />
zu schätzen, dass meine Familie mich in meinem Beruf versteht. Andere<br />
Kollegen, deren Eltern mit der Branche nichts zu tun haben, die „leiden“<br />
da eher, wenn sie nach Anteilnahme suchen, da sie ihre Freude und ihre<br />
Sorgen nicht immer mit den Eltern teilen können. Und auch das kann ich<br />
gut nachvollziehen, denn mein leiblicher Vater beispielsweise, der mit<br />
der Branche nichts zu tun hat, sieht das oft ganz auch anders. Dennoch<br />
ein schöner, nüchterner und extrem wichtiger Ausgleich. Wenn ich zum<br />
Beispiel mal ein paar Wochen kein Engagement habe, dann sagt meine<br />
Mutter: „Lass den Kopf nicht hängen! Das ist ganz normal in unserer Welt.<br />
Das nächste Engagment kommt.“ Den Gegensatz liefert mein Vater, der<br />
dann sagt: „Das ist doch nicht normal, dass du jetzt schon zwei Wochen<br />
nicht arbeitest...“<br />
Spielt man denn innerhalb der Familie dann auch mal Theater?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Nein und ja, was aber eher an uns Menschen im<br />
Allgemeinen liegt. Als Teenager spielt man gerne das liebe Kind, anstatt<br />
jeden Blödsinn den man treibt zu erzählen. Heute würde ich sagen, bin ich<br />
die Tochter oder die große Schwester, die nichts mehr verheimlichen will<br />
oder muss. Vielleicht bin ich heute sogar lieber in meiner Familienrolle,<br />
lebe sie bewusster und intensiver als früher. Ich bin die,<br />
die ich bin. Es gibt keinen Grund hier anders zu sein, als<br />
mit anderen Menschen. Ich muss mich für nichts mehr<br />
rechtfertigen, es ist mein Leben und ich muss damit<br />
glücklich sein.<br />
Nach dem Schulabschluss führte der Weg <strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong><br />
nicht direkt zur professionellen Schauspielerei,<br />
sondern erst einmal rund um die Welt. Zuvor hatte sie<br />
sich ein Jahr Drehpause verordnet, um sich für das Abitur<br />
vorzubereiten. Das war eine harte Zeit und nur der<br />
Vorsatz, danach gleich auf Reisen zu gehen, ließ sie<br />
die Sache wirklich durchziehen.<br />
Dann ging es einmal rund um<br />
den Globus: Brasilien – Mexiko<br />
– USA – Fidschi – Neuseeland<br />
– Australien – Singapur – Hongkong<br />
- Kambodscha und Thailand.<br />
Was sie dabei an Erfahrungen<br />
gesammelt hat, wusste sie<br />
erst später zu schätzen. Während<br />
der Reise hatte sie dafür<br />
keine bewusste Zeit.<br />
Und dann auch noch mal zwei<br />
Monate Indien. Haben Sie sich<br />
Bollywood angeschaut?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Nein, hab ich<br />
nicht, obwohl die Angebote, ob<br />
man als Statist in Bollywood mitwirken<br />
will, auf Mumbai´s Strassen groß sind. Wär sicher lustig gewesen,<br />
aber dafür war ich nicht nach Indien gekommen. Indien wollte ich anders<br />
kennenlernen. Das durfte ich. Als kontrastreichste Land überhaupt. Die<br />
erste Woche mochte ich Indien überhaupt nicht, fand Delhi zu anstrengend<br />
und dann hat mich das Land in seinen Bann gezogen. Die Leute, die<br />
Landschaft, die Kultur, das Essen und auch die Gerüche. Es ist verrückt,<br />
wunderschön, erschreckend und faszinierend zugleich.<br />
Und als Kontrastprogramm ging es dann nach New York. Warum haben Sie<br />
sich ausgerechnet das Lee Strasberg Institute für ihre Schauspielausbildung<br />
ausgesucht? Wäre es hierzu Lande nicht einfacher gewesen, allein<br />
schon wegen der Sprache?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Mir war klar, dass ich meinen Beruf jetzt auf soliden Füße<br />
stellen muss. Ich hatte ja nie zuvor eine Ausbildung in dieser Richtung<br />
gemacht. Ich hatte zwar gelernt, wie ich einen Augenblick kreiere, aber<br />
ich wusste doch nicht wirklich, wie man das außerhalb des Bauches<br />
macht. Schon mit 15 hatte ich schon vom Lee Strasberg Theatre Institute<br />
geträumt, ohne zu wissen, was es damit auf sich hatte. Ich musste ich<br />
dort hin.<br />
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Wie wir wurden, was wir sind<br />
Aber da geht man doch nicht einfach hin?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Man muss als Ausländer ein kleines Aufnahmeverfahren<br />
durchlaufen, einen guten Lebenslauf haben mit entsprechenden Referenzen<br />
- und die hatte ich ja. Man muss natürlich gut Englisch können, was<br />
definitiv eine Herausforderung war.<br />
Die erste Woche dort war wirklich hart. Im Institut sind beispielsweise<br />
viele kleine Theaterräume und die sind alle ganz dunkel, weil alle Wände<br />
schwarz gestrichen sind. Und dann die Sprache, in die ich doch nie so tief<br />
gegangen war, wie ich gedacht hatte. Anfangs schlief ich ziemlich oft ein,<br />
weil es mir zu dunkel war und die plötzliche Tiefe der Sprache machte<br />
es anstrengend. Ich wusste bis dahin nicht, wie wichtig mir wirklich<br />
Tageslicht ist. Dazu kam, dass ich englische Texte lernen musste, ich<br />
auf Englisch improvisieren musste. Dir fehlen so viele Worte und Dein<br />
Gegenüber für die Improvisation ist, wenn Du Pech hast, Italiener und<br />
dem Englischen noch weniger bewandert. Trotzdem wieder lehrreich.<br />
Man kann sich gar nicht vorstellen, wie viel man auch von so etwas<br />
mitnimmt.<br />
Rückblickend ist das Wichtigste, was ich mit gelernt habe, eine innere<br />
Ruhe zu bekommen. Die ist ganz wichtig, um mit Lampenfieber umzugehen.<br />
Ja noch mehr: Wie setze ich Lampenfieber produktiv um? Lasse es in<br />
die Rolle ein, mache dadurch den Charakter interessanter? „Relaxation“<br />
- das auf den Punkt entspannen lernen, war fast noch das Wichtigere. Ein<br />
wunderbarer Beginn für den „Spieltag“.<br />
Du lernst unentwegt und überschreitest eine Grenze nach der Anderen.<br />
Da stehst du auf der Bühne, spielst und mittendrin durchschaut Dich der<br />
Lehrer, wie es manch ein Regisseur nie wagen würde Dir zu sagen„Stop<br />
it, I don’t believe you anything. Go back and go for it again! You are not<br />
in the moment.“ Da stehst Du da, wie mit einer Watschen im Gesicht,<br />
obwohl Du es schon längst selbst gemerkt hast, dass Du nicht wirklich im<br />
Moment warst ...und Du machst es noch mal und noch mal!Wirst immer<br />
tiefer und entdeckst den Charakter immer wieder neu!<br />
Das ist Ihnen vorher noch nicht passiert?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Nein, nicht so. Natürlich wusste ich, wie ich eine Rolle<br />
mit Leben fülle und ein Gefühl kreiere. Doch wie ich da hinkomme, wusste<br />
ich schon irgendwie. Aber nur irgendwie. Einfach gesagt, früher waren die<br />
Wege zum Ziel länger!<br />
Und das hat die Lee Strasberg Methode geschafft?<br />
Haben Sie vorher gewusst, was auf Sie<br />
zukam?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Die Method war ein Weg zu<br />
meiner Methode. Ich hab mir so letztlich damit<br />
mein System zusammen gebastelt! Immer<br />
haben alle über die „Methode“ geredet, auch<br />
wenn sogar abschätzig. Ich wollte immer „the<br />
Method“ kennenlernen, auch wenn das hierzulande,<br />
unter Theaterschauspielern zumindest,<br />
etwas verpönt ist. Aber ich hab mir gedacht,<br />
wenn so viele Amerikaner nach der „Method“<br />
spielen und so gut sind, dann kann das doch<br />
nicht schlecht sein. Ich fand die Erfahrung für<br />
mich genau richtig.<br />
Lee Strasberg entwickelte das Method Acting.<br />
Diese Methode dient dazu die Eindringlichkeit<br />
der schauspielerischen Darstellung zu steigern.<br />
Ziel ist es, dass der Schauspieler sich möglichst<br />
vollkommen mit der Rolle identifiziert. Berühmte<br />
Strasberg Schüler sind beispielsweise Marilyn<br />
Monroe, James Dean, Dustin Hoffman, Paul<br />
Newman, Robert De Niro, Johnny Depp und Al<br />
Pacino.<br />
Auch nach Strasbergs Tod gilt das Method Acting<br />
immer noch als erfolgreiche Methode für<br />
einen Schauspieler, ein Höchstmaß an Identifikation<br />
mit der darzustellenden Rollenfigur zu<br />
erreichen. Seine Methode wird weiterhin am<br />
„Lee Strasberg Institute“ gelehrt. Auch Angelina<br />
Jolie, Jack Nicholson und Anthony Hopkins<br />
bereiten sich durch „die Methode“ für ihre Rollenarbeiten<br />
vor. Hierzulande steht eher in klassische<br />
Schauspielausbildung an einer Schauspielschule<br />
hoch im Kurs, bei Lee Strasberg<br />
scheiden sich die Geister.<br />
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Wie wir wurden, was wir sind<br />
Was lernt man noch bei einer Schauspielausbildung?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Man lernt vor allem ganz viel Selbstbewusstsein zu<br />
entwickeln. Früher hätte ich mich nie auf einen Bühne getraut, beziehungsweise<br />
hätte gezittert wie Espenlaub. Heute stört mich Publikum<br />
weniger und ich kann es geniessen. Ich hatte vorher meine Stimme zum<br />
Beispile überhaupt nicht unter Kontrolle. Das ist heute anders.<br />
Wovon sprechen Sie jetzt vom Filmemachen oder vom Theater? Sind Kamera<br />
und Bühne für Sie zweierlei?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Seitdem ich in New York war, nicht mehr. Natürlich<br />
müsste ich fürs Theater mehr mit der Stimme machen. Und du musst<br />
körperlicher viel offensichtlicher sein können, damit die Leute das<br />
aufnehmen können, was du ausdrücken willst. Egal wie viele Reihen sie<br />
von dir weg sitzen. Letzlich ist die Basis dieselbe.<br />
Aber Sie machen hier kein Theater?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Nein, nicht wirklich. Ich habe ein paar „Komödien Stadel“<br />
gemacht, was ein gutes Training war, um auch mal was in Bairisch zu<br />
machen. Aber letztlich ist es eine Kombination aus Bühne, Publikum und<br />
Kamera. Im klassischen Theater hab ich leider nie gespielt.<br />
Sie gehen ja jetzt auf die Filmhochschule. Wollen Sie der Schauspielerei<br />
etwa den Rücken kehren?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Nein, keineswegs. aber meine Lehrjahre sind noch<br />
nicht zu Ende. Ich bin noch so jung. Ich studiere Regie, das „narrative<br />
Erzählen“, eine Art Erweiterung von und mit der Schauspielerei.<br />
Sind Sie gegenüber anderen Studenten nicht klar im Vorteil?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Nein, nicht unbedingt. Natürlich hat jeder Student einen<br />
anderen Background, aber meine Schauspielerfahrung verschafft mir<br />
nicht wirklich einen absoluten Vorteil, weil jeder etwas anderes mitbringt.<br />
Der eine kennt sich mit Licht aus oder der andere mit Schnitt. Ich war<br />
immer auf der, nenne wir es, inszenierenden Seite am Set. Ein Luxus einerseits,<br />
doch heute an der Filmhochschule machen wir so zu sagen auch<br />
mal alle alles und da reicht mir mein mitgebrachter, erlernte Teil alleine<br />
nicht aus. Am besten man kann und weiß alles. Jede einzelne Position im<br />
Team darf keine Schattenseite für mich sein.<br />
Lässt das Studium Zeit für die Schauspielerei?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Im ersten Jahr nicht,<br />
aber jetzt ist es viel lockerer. Meine Lust<br />
ist derzeit gigantisch wieder zu spielen<br />
und ich muss auch wieder spielen. Trotzdem<br />
finde es gar nicht schlecht, eine<br />
kleine Pause eingelegt zu haben, um zu<br />
sehen, wie sehr ich noch darauf brenne.<br />
Doch auch beim Aufnahmeverfahren hat<br />
man mir gesagt, dass die Schauspielerei<br />
anfangs zurück treten muss.<br />
Sie haben ja in ihrer Filmografie viele<br />
Serien. Welche Serie mochten Sie besonders gern?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Mehr Reihen als Serien, aber ich hatte viele schöne<br />
Zeiten. Unter anderen beim „Polizeiruf 110“, da habe ich die Tochter von<br />
Michaela May gespielt oder „Edel & Starck“ hat auch viel Spaß gemacht.<br />
Aber „Katrin ist die Beste“ ist trotz der kleinen Rolle, was Besonderes.<br />
Das waren meine Anfänge und das hat mir sehr viel Spaß gemacht in<br />
diese neue Welt zu tauchen. Da habe ich viel für mich gelernt, Gefühle in<br />
mir für die Kamera auf Kommando zu kreieren, oder einfache Dinge, wie<br />
ich auf Marke zu laufen habe oder wie ich einfach meinen Text lerne.<br />
Was nimmt man aus dem „Zusammenspiel“ mit anderen Schauspielkollegen<br />
mit? Ist das nicht eine besondere Beziehung, die sich da aufbaut?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Früher, als ich 13 Jahre alt war, habe ich geweint, wenn<br />
Dreharbeiten vorbei waren. Das fand ich ganz furchbar. Heute bin ich<br />
gewöhnt, dass man für den Zeitraum der Dreharbeiten eine enge Bindung<br />
mit den Schauspielern und dem Team hat und teils auch braucht. Aber<br />
es kann auch passieren, dass, obwohl man so eine enge Beziehung<br />
zueinander hatte, wie man es sonst fast nur aus der Familie oder mit<br />
engen Freunden kennt, schon ein paar Monate später, im schlimmsten<br />
Fall, den Namen vergessen hat. Traurig, aber wahr! Na klar, nehme ich<br />
auch Freundschaften mit und ganz viele schöne Erfahrungen. Was für<br />
ein Luxus, als Kind schon in diese Erwachsenen-Traumwelt einzutauchen<br />
und sich in der Kommunikation mit Erwachsenen, die man eigentlich<br />
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Wie wir wurden, was wir sind<br />
nicht kennt, wie am Set üblich, im<br />
Du zu üben. Natürlich gibt es aber<br />
auch Situationen, bei denen man auf<br />
Kollegen trifft mit denen man nicht<br />
harmoniert und dann vor der Kamera<br />
agiert, als wäre man das lustigste<br />
Paar. Man hat, wie in jedem anderen<br />
Job, mit Menschen zu tun, mit denen<br />
man zusammenpasst oder eben<br />
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nicht– und es muss trotzdem funktionieren.<br />
Das ist in der Schauspielerei<br />
Gibt es Rollen, die sie noch spielen wollen – ganz unbedingt?<br />
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nicht anders.<br />
Was war denn eine wichtige Rolle für<br />
sie? Gibt es so etwas, wie wichtige<br />
Rollen überhaupt noch?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Na klar, gibt es wichtige Rollen, aber auch solche, bei<br />
denen man denkt, hätte ich das lieber nicht gemacht. Aber man lernt!<br />
Wichtig für mich war beispielsweise der Film „Höhere Gewalt“. Damit<br />
liefen wir dieses Jahr auf dem Max Opheuls Festival oder waren diesen<br />
Winter auf den „First Steps“ nominiert. Diese Rolle war für mich etwas<br />
ganz besonders, weil es das erste Mal war, dass ich einen Menschen<br />
gespielt habe, der mir in keinster Weise entspricht. Dafür habe ich mich<br />
innerlich enorm verändern müssen. Außerdem war ich sehr dunkelhaarig,<br />
hatte hinuntergezogene Augenbraun und hab meine Stimme verstellt. Das<br />
war sehr spannend.<br />
Sie haben sich in Ihren Schauspielleben durch alle möglichen Rollen- Persönlichkeiten<br />
gespielt. Verändert das die eigene Person? Oder ist in jeder<br />
Rolle auch ganz viel <strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong> drin?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Vielleicht verändert sich die eigene Person unbewusst,<br />
weil einem die neu kreiert Charakterzüge gefallen. Aber das kann ich nicht<br />
einmal beantworten. Natürlich bringt man sich selbst mit ein, denn auch<br />
wenn ich eine Rolle spiele, dann bin ich irgendwie, ich. Das ist mein Aussehen,<br />
meine Stimme. Und man darf Typ-Casting nicht vergessen – leider.<br />
Man wird also als ein bestimmter Typ gebucht und vielleicht nicht einmal<br />
als Schauspielerin, die sich auch für eine Rolle verändern kann. Ich picke<br />
mir die Sachen raus, die ich für interessant halte. Und letztendlich haben<br />
wir alle von allem etwas in uns: Ob man Arschloch, die irrsinnig Liebe oder<br />
Nervöse ist. Das, was ich für eine Rolle gerade nicht braucht, wird bei mir<br />
ein bisschen auf die Seite geschoben und anderes hervorgeholt.<br />
Kann man durch die Schauspielerei Erfahrungen machen, die einem im<br />
normalen Leben verwehrt bleiben?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Ich habe da im Wesentlichen körperliche Erfahrungen<br />
gemacht. Ich denke da an ein paar Stunts, die ich selbst gemacht habe…<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Ja, ganz sicher. Für tiefe Rollen bin ich immer offen. Rollen<br />
bei denen ich tiefe Charakterzüge oder auch äußerliche Umwandlung<br />
ausleben darf. Oder herausfordernde Gefühle kreiert werden müssen,<br />
aber ich kann ihnen darauf nicht konkret antworten: In meinem Kopf gibt<br />
gerade nicht DIE Rolle.<br />
Stichwort: Aufmerksamkeit. Tut Aufmerksamkeit in Form von Bekanntheitsgrad<br />
nur gut oder welche Einschränkungen sind damit für Sie verbunden?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Aufmerksamkeit ist etwas sehr Schönes und Aufmerksamkeit<br />
braucht, glaub ich, jeder in einer gewissen Form. Das ist natürlich<br />
der Vorteil an meinem Beruf. Ja, man erkennt mich schon, aber eher so,<br />
dass mich die Menschen versuchen in ihr Leben einzuordnen. Die Leute<br />
grüßen mich und fragen sich hinterher, woher kenn ich die eigentlich?<br />
Da fragen mich dann Menschen: „Warst Du auch auf der Party von dem<br />
und dem?“ Und ich sage: „nein“ – und denke: „Aber ich lief gestern im<br />
Fernsehen.“ Das ist eine angenehme Form.
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong><br />
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Wie wir wurden, was wir sind<br />
Als ich mit „Edel & Starck“ lief, flimmerte ich wöchentlich<br />
über den Bildschirm und da war es dann<br />
schon so, dass die Bäckerin gesagt hat: „Gut haben<br />
Sie das gemacht! Dem haben sie wieder sauber<br />
eins auf die Nase gegeben.“ Man ist halt für die<br />
Menschen auch die Person, die man spielt – aber<br />
auch das ist okay.<br />
Die Beliebtheit einer Serie trägt auch zur Beliebtheit<br />
der einzelnen Darsteller bei. Gerade und vor<br />
allem, wenn diese Serie – wie „Edel & Starck“ – zeitweise Kultstatus<br />
hat(te). Schwierig wird es für die Schauspieler nur dann, wenn sie dadurch<br />
zu sehr geprägt werden, so dass man stets nur das eine von ihnen<br />
erwartet. Aber dazu lässt es <strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong> nicht kommen. Sie sucht<br />
immer die Herausforderung oder den Kontrapunkt, um Neues zu lernen<br />
und zu erleben.<br />
Wie beziehungsweise wo sehen Sie ihre berufliche Zukunft?<br />
Vor der Kamera oder hinter der Kamera?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Ist es vermessen, wenn ich sage, auf beiden Seiten? Ich<br />
möchte auf alle Fälle – egal in welcher Funktion - Menschen berühren und<br />
nachdenklich stimmen, mit dem was ich tue – sei es auf der schauspielerischen<br />
Seite oder auf der Regie-Seite.<br />
Ein hoher Anspruch. Glauben Sie, dass das heute noch geht?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Warum soll es nicht gehen? Ich glaube schon, man soll<br />
doch träumen! Allerdings, wenn ich jetzt von der Schauspielerei rede, ist<br />
der Markt natürlich ziemlich übersättig. Aber auch das hat wieder einen<br />
Vorteil. In meinen Augen wird heute etwas bodenständiger mit dem Beruf<br />
des Schauspielers umgegangen – es ist nicht mehr außergewöhnlich<br />
Schauspieler zu sein und das finde ich gut und setzt eine natürlichere<br />
Basis bei der Zusammenarbeit.<br />
diesem Beruf, dass man sich manchmal fragt: Was wollen die Menschen<br />
jetzt? Bin ich interessant oder ist es mein Leben in diesem Beruf? Aber<br />
ich glaube, dass Gefühl kennt jeder, der ein bisschen in der Öffentlichkeit<br />
steht.<br />
Frau <strong>Spinell</strong>, wie sind Sie zu dem geworden, was Sie heute sind?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Ich finde diese Frage richtig schwer und vielleicht bin ich<br />
noch zu jung sie zu beantworten? Ich hatte wahnsinnig viel Glück. Natürlich<br />
hat mein multikulturelles Elternhaus mich geprägt. Meine Arbeit,<br />
meine Reisen, alles hat mich geprägt und zu dem gemacht was ich bin.<br />
Jeder Mensch, dem man begegnet, kann uns prägen. Wie soll man die Frage<br />
also für sich selbst beantworten? Mein Lebensmotto ist: „Some dream,<br />
some do, some do both.“ Also: Die einen träumen, die anderen handeln,<br />
manche machen beides. Und so bin ich, glaube ich, auch geworden, was<br />
ich bin. Ich bin einfach meinen Träumen gefolgt. Genau so war es schon<br />
immer – und ich hoffe es geht auch noch viele, viele Jahre so weiter.<br />
Und warum sind Sie Schauspielerin geworden?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Ich hab es mir nie wirklich ausgesucht. Die Schauspielerei<br />
war immer da – und ich weiß, ich kann nicht ohne. Ich bin für diesen<br />
Beruf mehr als leidenschaftlich und mit ganzem Herzen dabei. Das ist<br />
mein Weg. Und ich hatte Glück, dass ich den so früh gefunden habe.<br />
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Ist das wirklich so? Ist Schauspielerin zu sein,<br />
etwas Normales heutzutage?<br />
<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Was ist schon normal? Vielleicht rede ich so, weil ich das<br />
Leben nicht ohne die Schauspielerei kenne. Vielleicht ist ein Manko an