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Natalie Spinell

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<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong><br />

41<br />

Wie wir wurden, was wir sind<br />

<strong>Natalie</strong><br />

<strong>Spinell</strong><br />

„Some dream, some do, some do both“<br />

Wenn Träume sich immer einfach so verwirklichen lassen<br />

würden, dann wären wir ein Volk von Träumern.<br />

Das ist aber nicht so, denn um Träume zu verwirklichen,<br />

muss man auch handeln. Für kaum eine Karriere ist diese<br />

Erkenntnis so wichtig, wie für die Schauspielerei. Einerseits<br />

braucht man Träume und andererseits auch den Mut, sie wahr<br />

werden zu lassen.<br />

Eine Schauspielerin, der das ganz gut gelingt, ist <strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>.<br />

Die junge Münchnerin lässt seit Jahren konsequent ihren Träumen<br />

auch Taten folgen. Stellt ihr Talent auf eine solide Basis,<br />

ohne dabei ihre Träume aus dem Auge zu verlieren. Das ist nicht<br />

immer ganz so einfach, zumal wenn man aus einer berühmten<br />

Schauspielerfamilie kommt.


<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong><br />

42<br />

Wie wir wurden, was wir sind<br />

Kann man das so sagen, dass sie aus einer Schauspielerfamilie kommen?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Ja, natürlich kann man das so sagen – andererseits ist<br />

das nicht ganz korrekt. Sie spielen mit der Frage sicher auf meinen Stiefvater<br />

Rufus Beck und auf meine Geschwister Sarah und Jonathan an. Ja,<br />

das ist meine Familie und die spannendste und auch liebevollste, die ich<br />

mir wünschen könnte. Allerdings hab ich auch einen wundervollen Vater<br />

in Südtirol, der mich sehr geprägt hat und nichts mit der Schauspielerei<br />

zu tun hat.<br />

Wann und mit was hat es damals angefangen?<br />

Wie wurden Sie Schauspielerin?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Mit Glück oder Zufall, denn ich habe schon sehr früh angefangen,<br />

so mit sieben Jahren etwa. Damals war meine Mutter noch nicht<br />

einmal mit meinem Stiefvater zusammen. Ich wurde als Siebenjährige von<br />

der Mutter eines Schulfreundes zu einem Werbecasting mitgenommen<br />

und die haben mich genommen. Meine Mutter sah das zum Glück sehr<br />

entspannt. Sie hat mich immer frei erzogen und mir meinen Willen gelassen.<br />

Es gab nur einen Punkt, da war sie ziemlich strikt: Schule geht vor.<br />

Sie haben gerade das Stichwort<br />

„Schule“ in den Raum geworfen.<br />

Wie war das denn, Sie<br />

haben ja auch schon bald mit<br />

der Arbeit in Serien begonnen?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Die Schule ließ<br />

sich mit der Werbung ganz gut<br />

vereinbaren, aber später, so mit<br />

12 Jahren, wurde das schwerer.<br />

Ich hab in der Schule natürlich<br />

viel gefehlt und ich gebe zu, ich<br />

war auch nicht richtig, richtig<br />

gut in der Schule, aber ich hab<br />

es immer irgendwie geschafft.<br />

Es gab für mich sehr schwere<br />

Zeiten. Mit ungefähr 16 habe ich<br />

zwei „Tatorte“ in Köln am Stück<br />

gedreht, bin täglich hin und her<br />

geflogen. Ich war einen Tag<br />

in der Schule, bin nach Köln<br />

geflogen, hab gedreht und<br />

wieder zurück. Irgendwann<br />

hab ich gesagt, ich kann<br />

nicht mehr. Ich wusste nicht<br />

mehr, in welchem Bett ich<br />

gerade aufgewacht bin. Am<br />

Schluss habe ich mich mit<br />

meiner Mutter geeinigt die<br />

Produktion in Ruhe in Köln<br />

zu ende zu drehen und mich<br />

anschließend wieder mehr der<br />

Schule zu widmen und dem<br />

Drehen ein wenig weniger<br />

Aufmerksamkeit zu schenken.<br />

Inklusive Zwangsnachhilfe!<br />

Und das war rückblickend<br />

auch richtig so. Was wäre denn heute, wenn ich mit 16 die Schule verlassen<br />

hätte? Ich könnte nicht studieren! Trotzdem wird man natürlich ein<br />

bisschen größenwahnsinnig. Man arbeitet wie eine Wahnsinnige, verdient<br />

schon sehr viel Geld für das Alter. Es geht einem in dieser Traumwelt<br />

einfach verdammt gut – ist ausgelastet und ich bin dann jemand, der<br />

gerne aus der Realität flüchtet. Damals wäre ich am liebsten aus der<br />

Schule geflohen. Aber ich denke, das geht vielen 16-Jährigen so. Egal, ob<br />

Schauspielerin oder nicht.<br />

Ihr Debüt als „Serien“-Schauspielerin gab <strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong> mit zwölf<br />

Jahren, als sie in der Rolle der Harriet Haller in der Serie „Katrin ist die<br />

Beste“ auftrat. Einem weitaus größeren Publikum ist sie allerdings bis<br />

heute durch ihre Rolle beim „Polizeiruf 110“ im Gedächtnis geblieben.<br />

Da spielte sie Christine Bronski, die Tochter der Hauptkommissarin Jo<br />

Obermaier (Michaela May). Von da an war sie eine Weile auf Fernsehkrimis<br />

abonniert, drehte unter anderem dreimal „Tatort“ in zwei Jahren.<br />

Zusammen sind das gute Gründe, ein bisschen „größenwahnsinnig“ zu<br />

werden. Doch ihre Eltern holten sie immer wieder auf den Boden der<br />

Tatsachen zurück.<br />

43


<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong><br />

44<br />

Wie wir wurden, was wir sind<br />

Damals haben Sie ja ein ziemliches Pensum an Dreharbeiten absolviert.<br />

Gab es da nicht doch Probleme in der Schule?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Ich muss zugeben nach diesem Jahr auch eine Ehrenrunde<br />

gedreht haben. Ansonsten habe ich vielleicht auch nicht immer<br />

eine Glanzleistung abgegeben, aber ich gestehe so oder so ein fauler<br />

Hund, was die Schule anbelangt, gewesen zu sein. In der Schule gehörte<br />

ich sonst immer zum Durchschnitt und fand alles andere irgendwie<br />

spannender. Richtige Probleme gab es ansonsten trotzdem nicht, da<br />

ich ein privates Sportgymnasium besucht habe, in dem ich parallel dem<br />

Leistungssport treu war. Somit war es die Schule gewöhnt, dass jemand<br />

für drei Monate zu einem Tennisturnier nach Australien flog. Da sind ein<br />

paar Wochen Dreharbeiten gar nichts. Deswegen wurde ich nicht besser<br />

oder anders behandelt. Und wenn ich im Fernsehen lief war das für die<br />

Lehrer oder die anderen Schüler wohl der Pokal den die anderen bei den<br />

Jugend Australien Open bekommen hatten!<br />

Und heute? Sind Sie Ihrer Mutter dankbar für die Strenge<br />

in Sachen „Schule“?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Natürlich. Genauso Rufus, der war genauso hinterher.<br />

Er und meine Mutter sagten immer: „Du brauchst Abitur“. Und sie hatten<br />

recht, denn ohne Abitur wäre ich heute nicht auf der Filmhochschule…<br />

Passt das gut zusammen, erzieherische Strenge und Schauspielleben?<br />

Man stellt sich das immer etwas lockerer vor.<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Es muss irgendwie zusammen passen. Sicher ist es<br />

irgendwie lockerer. Einerseits wissen meine Mutter und Rufus ganz<br />

genau, warum sie mir zu einem ordentlichen Abschluss mehr als geraten<br />

haben. Man muss seinen Horizont erweitern und sich die Realität vor<br />

Augen halten. Es kann nicht immer so einfach sein wie bei mir mit 16, als<br />

ich gemütlich neben der Schule viel drehen konnte und mein eigenes Geld<br />

verdient habe.<br />

Mir ist bewusst, dass meine Familie etwas ganz Besonderes ist. Wir leben<br />

natürlich das Schauspielerleben in extremer Form, es ist für uns nichts<br />

45


<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong><br />

46<br />

Wie wir wurden, was wir sind<br />

Besonderes, da wir alle in künstlerische Berufe involviert sind. Jeder für<br />

sich, denn irgendwie ist man in diesen Berufen Einzelgänger. Doch dann<br />

debattieren wir über Rollen, Gespieltes, Erlebtes und fliegen dann alle,<br />

wieder jeder für sich, in unterschiedlichste mediale Arbeitswelten und<br />

treffen dann aber wieder aufeinander. Ich vergleiche es gerne mit einem<br />

sicheren Luftschloss, das einen einem Schutz bietet. Ich weiß es sehr<br />

zu schätzen, dass meine Familie mich in meinem Beruf versteht. Andere<br />

Kollegen, deren Eltern mit der Branche nichts zu tun haben, die „leiden“<br />

da eher, wenn sie nach Anteilnahme suchen, da sie ihre Freude und ihre<br />

Sorgen nicht immer mit den Eltern teilen können. Und auch das kann ich<br />

gut nachvollziehen, denn mein leiblicher Vater beispielsweise, der mit<br />

der Branche nichts zu tun hat, sieht das oft ganz auch anders. Dennoch<br />

ein schöner, nüchterner und extrem wichtiger Ausgleich. Wenn ich zum<br />

Beispiel mal ein paar Wochen kein Engagement habe, dann sagt meine<br />

Mutter: „Lass den Kopf nicht hängen! Das ist ganz normal in unserer Welt.<br />

Das nächste Engagment kommt.“ Den Gegensatz liefert mein Vater, der<br />

dann sagt: „Das ist doch nicht normal, dass du jetzt schon zwei Wochen<br />

nicht arbeitest...“<br />

Spielt man denn innerhalb der Familie dann auch mal Theater?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Nein und ja, was aber eher an uns Menschen im<br />

Allgemeinen liegt. Als Teenager spielt man gerne das liebe Kind, anstatt<br />

jeden Blödsinn den man treibt zu erzählen. Heute würde ich sagen, bin ich<br />

die Tochter oder die große Schwester, die nichts mehr verheimlichen will<br />

oder muss. Vielleicht bin ich heute sogar lieber in meiner Familienrolle,<br />

lebe sie bewusster und intensiver als früher. Ich bin die,<br />

die ich bin. Es gibt keinen Grund hier anders zu sein, als<br />

mit anderen Menschen. Ich muss mich für nichts mehr<br />

rechtfertigen, es ist mein Leben und ich muss damit<br />

glücklich sein.<br />

Nach dem Schulabschluss führte der Weg <strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong><br />

nicht direkt zur professionellen Schauspielerei,<br />

sondern erst einmal rund um die Welt. Zuvor hatte sie<br />

sich ein Jahr Drehpause verordnet, um sich für das Abitur<br />

vorzubereiten. Das war eine harte Zeit und nur der<br />

Vorsatz, danach gleich auf Reisen zu gehen, ließ sie<br />

die Sache wirklich durchziehen.<br />

Dann ging es einmal rund um<br />

den Globus: Brasilien – Mexiko<br />

– USA – Fidschi – Neuseeland<br />

– Australien – Singapur – Hongkong<br />

- Kambodscha und Thailand.<br />

Was sie dabei an Erfahrungen<br />

gesammelt hat, wusste sie<br />

erst später zu schätzen. Während<br />

der Reise hatte sie dafür<br />

keine bewusste Zeit.<br />

Und dann auch noch mal zwei<br />

Monate Indien. Haben Sie sich<br />

Bollywood angeschaut?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Nein, hab ich<br />

nicht, obwohl die Angebote, ob<br />

man als Statist in Bollywood mitwirken<br />

will, auf Mumbai´s Strassen groß sind. Wär sicher lustig gewesen,<br />

aber dafür war ich nicht nach Indien gekommen. Indien wollte ich anders<br />

kennenlernen. Das durfte ich. Als kontrastreichste Land überhaupt. Die<br />

erste Woche mochte ich Indien überhaupt nicht, fand Delhi zu anstrengend<br />

und dann hat mich das Land in seinen Bann gezogen. Die Leute, die<br />

Landschaft, die Kultur, das Essen und auch die Gerüche. Es ist verrückt,<br />

wunderschön, erschreckend und faszinierend zugleich.<br />

Und als Kontrastprogramm ging es dann nach New York. Warum haben Sie<br />

sich ausgerechnet das Lee Strasberg Institute für ihre Schauspielausbildung<br />

ausgesucht? Wäre es hierzu Lande nicht einfacher gewesen, allein<br />

schon wegen der Sprache?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Mir war klar, dass ich meinen Beruf jetzt auf soliden Füße<br />

stellen muss. Ich hatte ja nie zuvor eine Ausbildung in dieser Richtung<br />

gemacht. Ich hatte zwar gelernt, wie ich einen Augenblick kreiere, aber<br />

ich wusste doch nicht wirklich, wie man das außerhalb des Bauches<br />

macht. Schon mit 15 hatte ich schon vom Lee Strasberg Theatre Institute<br />

geträumt, ohne zu wissen, was es damit auf sich hatte. Ich musste ich<br />

dort hin.<br />

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<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong><br />

48<br />

Wie wir wurden, was wir sind<br />

Aber da geht man doch nicht einfach hin?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Man muss als Ausländer ein kleines Aufnahmeverfahren<br />

durchlaufen, einen guten Lebenslauf haben mit entsprechenden Referenzen<br />

- und die hatte ich ja. Man muss natürlich gut Englisch können, was<br />

definitiv eine Herausforderung war.<br />

Die erste Woche dort war wirklich hart. Im Institut sind beispielsweise<br />

viele kleine Theaterräume und die sind alle ganz dunkel, weil alle Wände<br />

schwarz gestrichen sind. Und dann die Sprache, in die ich doch nie so tief<br />

gegangen war, wie ich gedacht hatte. Anfangs schlief ich ziemlich oft ein,<br />

weil es mir zu dunkel war und die plötzliche Tiefe der Sprache machte<br />

es anstrengend. Ich wusste bis dahin nicht, wie wichtig mir wirklich<br />

Tageslicht ist. Dazu kam, dass ich englische Texte lernen musste, ich<br />

auf Englisch improvisieren musste. Dir fehlen so viele Worte und Dein<br />

Gegenüber für die Improvisation ist, wenn Du Pech hast, Italiener und<br />

dem Englischen noch weniger bewandert. Trotzdem wieder lehrreich.<br />

Man kann sich gar nicht vorstellen, wie viel man auch von so etwas<br />

mitnimmt.<br />

Rückblickend ist das Wichtigste, was ich mit gelernt habe, eine innere<br />

Ruhe zu bekommen. Die ist ganz wichtig, um mit Lampenfieber umzugehen.<br />

Ja noch mehr: Wie setze ich Lampenfieber produktiv um? Lasse es in<br />

die Rolle ein, mache dadurch den Charakter interessanter? „Relaxation“<br />

- das auf den Punkt entspannen lernen, war fast noch das Wichtigere. Ein<br />

wunderbarer Beginn für den „Spieltag“.<br />

Du lernst unentwegt und überschreitest eine Grenze nach der Anderen.<br />

Da stehst du auf der Bühne, spielst und mittendrin durchschaut Dich der<br />

Lehrer, wie es manch ein Regisseur nie wagen würde Dir zu sagen„Stop<br />

it, I don’t believe you anything. Go back and go for it again! You are not<br />

in the moment.“ Da stehst Du da, wie mit einer Watschen im Gesicht,<br />

obwohl Du es schon längst selbst gemerkt hast, dass Du nicht wirklich im<br />

Moment warst ...und Du machst es noch mal und noch mal!Wirst immer<br />

tiefer und entdeckst den Charakter immer wieder neu!<br />

Das ist Ihnen vorher noch nicht passiert?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Nein, nicht so. Natürlich wusste ich, wie ich eine Rolle<br />

mit Leben fülle und ein Gefühl kreiere. Doch wie ich da hinkomme, wusste<br />

ich schon irgendwie. Aber nur irgendwie. Einfach gesagt, früher waren die<br />

Wege zum Ziel länger!<br />

Und das hat die Lee Strasberg Methode geschafft?<br />

Haben Sie vorher gewusst, was auf Sie<br />

zukam?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Die Method war ein Weg zu<br />

meiner Methode. Ich hab mir so letztlich damit<br />

mein System zusammen gebastelt! Immer<br />

haben alle über die „Methode“ geredet, auch<br />

wenn sogar abschätzig. Ich wollte immer „the<br />

Method“ kennenlernen, auch wenn das hierzulande,<br />

unter Theaterschauspielern zumindest,<br />

etwas verpönt ist. Aber ich hab mir gedacht,<br />

wenn so viele Amerikaner nach der „Method“<br />

spielen und so gut sind, dann kann das doch<br />

nicht schlecht sein. Ich fand die Erfahrung für<br />

mich genau richtig.<br />

Lee Strasberg entwickelte das Method Acting.<br />

Diese Methode dient dazu die Eindringlichkeit<br />

der schauspielerischen Darstellung zu steigern.<br />

Ziel ist es, dass der Schauspieler sich möglichst<br />

vollkommen mit der Rolle identifiziert. Berühmte<br />

Strasberg Schüler sind beispielsweise Marilyn<br />

Monroe, James Dean, Dustin Hoffman, Paul<br />

Newman, Robert De Niro, Johnny Depp und Al<br />

Pacino.<br />

Auch nach Strasbergs Tod gilt das Method Acting<br />

immer noch als erfolgreiche Methode für<br />

einen Schauspieler, ein Höchstmaß an Identifikation<br />

mit der darzustellenden Rollenfigur zu<br />

erreichen. Seine Methode wird weiterhin am<br />

„Lee Strasberg Institute“ gelehrt. Auch Angelina<br />

Jolie, Jack Nicholson und Anthony Hopkins<br />

bereiten sich durch „die Methode“ für ihre Rollenarbeiten<br />

vor. Hierzulande steht eher in klassische<br />

Schauspielausbildung an einer Schauspielschule<br />

hoch im Kurs, bei Lee Strasberg<br />

scheiden sich die Geister.<br />

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<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong><br />

50<br />

Wie wir wurden, was wir sind<br />

Was lernt man noch bei einer Schauspielausbildung?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Man lernt vor allem ganz viel Selbstbewusstsein zu<br />

entwickeln. Früher hätte ich mich nie auf einen Bühne getraut, beziehungsweise<br />

hätte gezittert wie Espenlaub. Heute stört mich Publikum<br />

weniger und ich kann es geniessen. Ich hatte vorher meine Stimme zum<br />

Beispile überhaupt nicht unter Kontrolle. Das ist heute anders.<br />

Wovon sprechen Sie jetzt vom Filmemachen oder vom Theater? Sind Kamera<br />

und Bühne für Sie zweierlei?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Seitdem ich in New York war, nicht mehr. Natürlich<br />

müsste ich fürs Theater mehr mit der Stimme machen. Und du musst<br />

körperlicher viel offensichtlicher sein können, damit die Leute das<br />

aufnehmen können, was du ausdrücken willst. Egal wie viele Reihen sie<br />

von dir weg sitzen. Letzlich ist die Basis dieselbe.<br />

Aber Sie machen hier kein Theater?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Nein, nicht wirklich. Ich habe ein paar „Komödien Stadel“<br />

gemacht, was ein gutes Training war, um auch mal was in Bairisch zu<br />

machen. Aber letztlich ist es eine Kombination aus Bühne, Publikum und<br />

Kamera. Im klassischen Theater hab ich leider nie gespielt.<br />

Sie gehen ja jetzt auf die Filmhochschule. Wollen Sie der Schauspielerei<br />

etwa den Rücken kehren?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Nein, keineswegs. aber meine Lehrjahre sind noch<br />

nicht zu Ende. Ich bin noch so jung. Ich studiere Regie, das „narrative<br />

Erzählen“, eine Art Erweiterung von und mit der Schauspielerei.<br />

Sind Sie gegenüber anderen Studenten nicht klar im Vorteil?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Nein, nicht unbedingt. Natürlich hat jeder Student einen<br />

anderen Background, aber meine Schauspielerfahrung verschafft mir<br />

nicht wirklich einen absoluten Vorteil, weil jeder etwas anderes mitbringt.<br />

Der eine kennt sich mit Licht aus oder der andere mit Schnitt. Ich war<br />

immer auf der, nenne wir es, inszenierenden Seite am Set. Ein Luxus einerseits,<br />

doch heute an der Filmhochschule machen wir so zu sagen auch<br />

mal alle alles und da reicht mir mein mitgebrachter, erlernte Teil alleine<br />

nicht aus. Am besten man kann und weiß alles. Jede einzelne Position im<br />

Team darf keine Schattenseite für mich sein.<br />

Lässt das Studium Zeit für die Schauspielerei?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Im ersten Jahr nicht,<br />

aber jetzt ist es viel lockerer. Meine Lust<br />

ist derzeit gigantisch wieder zu spielen<br />

und ich muss auch wieder spielen. Trotzdem<br />

finde es gar nicht schlecht, eine<br />

kleine Pause eingelegt zu haben, um zu<br />

sehen, wie sehr ich noch darauf brenne.<br />

Doch auch beim Aufnahmeverfahren hat<br />

man mir gesagt, dass die Schauspielerei<br />

anfangs zurück treten muss.<br />

Sie haben ja in ihrer Filmografie viele<br />

Serien. Welche Serie mochten Sie besonders gern?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Mehr Reihen als Serien, aber ich hatte viele schöne<br />

Zeiten. Unter anderen beim „Polizeiruf 110“, da habe ich die Tochter von<br />

Michaela May gespielt oder „Edel & Starck“ hat auch viel Spaß gemacht.<br />

Aber „Katrin ist die Beste“ ist trotz der kleinen Rolle, was Besonderes.<br />

Das waren meine Anfänge und das hat mir sehr viel Spaß gemacht in<br />

diese neue Welt zu tauchen. Da habe ich viel für mich gelernt, Gefühle in<br />

mir für die Kamera auf Kommando zu kreieren, oder einfache Dinge, wie<br />

ich auf Marke zu laufen habe oder wie ich einfach meinen Text lerne.<br />

Was nimmt man aus dem „Zusammenspiel“ mit anderen Schauspielkollegen<br />

mit? Ist das nicht eine besondere Beziehung, die sich da aufbaut?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Früher, als ich 13 Jahre alt war, habe ich geweint, wenn<br />

Dreharbeiten vorbei waren. Das fand ich ganz furchbar. Heute bin ich<br />

gewöhnt, dass man für den Zeitraum der Dreharbeiten eine enge Bindung<br />

mit den Schauspielern und dem Team hat und teils auch braucht. Aber<br />

es kann auch passieren, dass, obwohl man so eine enge Beziehung<br />

zueinander hatte, wie man es sonst fast nur aus der Familie oder mit<br />

engen Freunden kennt, schon ein paar Monate später, im schlimmsten<br />

Fall, den Namen vergessen hat. Traurig, aber wahr! Na klar, nehme ich<br />

auch Freundschaften mit und ganz viele schöne Erfahrungen. Was für<br />

ein Luxus, als Kind schon in diese Erwachsenen-Traumwelt einzutauchen<br />

und sich in der Kommunikation mit Erwachsenen, die man eigentlich<br />

51


<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong><br />

Wie wir wurden, was wir sind<br />

nicht kennt, wie am Set üblich, im<br />

Du zu üben. Natürlich gibt es aber<br />

auch Situationen, bei denen man auf<br />

Kollegen trifft mit denen man nicht<br />

harmoniert und dann vor der Kamera<br />

agiert, als wäre man das lustigste<br />

Paar. Man hat, wie in jedem anderen<br />

Job, mit Menschen zu tun, mit denen<br />

man zusammenpasst oder eben<br />

52<br />

nicht– und es muss trotzdem funktionieren.<br />

Das ist in der Schauspielerei<br />

Gibt es Rollen, die sie noch spielen wollen – ganz unbedingt?<br />

53<br />

nicht anders.<br />

Was war denn eine wichtige Rolle für<br />

sie? Gibt es so etwas, wie wichtige<br />

Rollen überhaupt noch?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Na klar, gibt es wichtige Rollen, aber auch solche, bei<br />

denen man denkt, hätte ich das lieber nicht gemacht. Aber man lernt!<br />

Wichtig für mich war beispielsweise der Film „Höhere Gewalt“. Damit<br />

liefen wir dieses Jahr auf dem Max Opheuls Festival oder waren diesen<br />

Winter auf den „First Steps“ nominiert. Diese Rolle war für mich etwas<br />

ganz besonders, weil es das erste Mal war, dass ich einen Menschen<br />

gespielt habe, der mir in keinster Weise entspricht. Dafür habe ich mich<br />

innerlich enorm verändern müssen. Außerdem war ich sehr dunkelhaarig,<br />

hatte hinuntergezogene Augenbraun und hab meine Stimme verstellt. Das<br />

war sehr spannend.<br />

Sie haben sich in Ihren Schauspielleben durch alle möglichen Rollen- Persönlichkeiten<br />

gespielt. Verändert das die eigene Person? Oder ist in jeder<br />

Rolle auch ganz viel <strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong> drin?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Vielleicht verändert sich die eigene Person unbewusst,<br />

weil einem die neu kreiert Charakterzüge gefallen. Aber das kann ich nicht<br />

einmal beantworten. Natürlich bringt man sich selbst mit ein, denn auch<br />

wenn ich eine Rolle spiele, dann bin ich irgendwie, ich. Das ist mein Aussehen,<br />

meine Stimme. Und man darf Typ-Casting nicht vergessen – leider.<br />

Man wird also als ein bestimmter Typ gebucht und vielleicht nicht einmal<br />

als Schauspielerin, die sich auch für eine Rolle verändern kann. Ich picke<br />

mir die Sachen raus, die ich für interessant halte. Und letztendlich haben<br />

wir alle von allem etwas in uns: Ob man Arschloch, die irrsinnig Liebe oder<br />

Nervöse ist. Das, was ich für eine Rolle gerade nicht braucht, wird bei mir<br />

ein bisschen auf die Seite geschoben und anderes hervorgeholt.<br />

Kann man durch die Schauspielerei Erfahrungen machen, die einem im<br />

normalen Leben verwehrt bleiben?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Ich habe da im Wesentlichen körperliche Erfahrungen<br />

gemacht. Ich denke da an ein paar Stunts, die ich selbst gemacht habe…<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Ja, ganz sicher. Für tiefe Rollen bin ich immer offen. Rollen<br />

bei denen ich tiefe Charakterzüge oder auch äußerliche Umwandlung<br />

ausleben darf. Oder herausfordernde Gefühle kreiert werden müssen,<br />

aber ich kann ihnen darauf nicht konkret antworten: In meinem Kopf gibt<br />

gerade nicht DIE Rolle.<br />

Stichwort: Aufmerksamkeit. Tut Aufmerksamkeit in Form von Bekanntheitsgrad<br />

nur gut oder welche Einschränkungen sind damit für Sie verbunden?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Aufmerksamkeit ist etwas sehr Schönes und Aufmerksamkeit<br />

braucht, glaub ich, jeder in einer gewissen Form. Das ist natürlich<br />

der Vorteil an meinem Beruf. Ja, man erkennt mich schon, aber eher so,<br />

dass mich die Menschen versuchen in ihr Leben einzuordnen. Die Leute<br />

grüßen mich und fragen sich hinterher, woher kenn ich die eigentlich?<br />

Da fragen mich dann Menschen: „Warst Du auch auf der Party von dem<br />

und dem?“ Und ich sage: „nein“ – und denke: „Aber ich lief gestern im<br />

Fernsehen.“ Das ist eine angenehme Form.


<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong><br />

54<br />

Wie wir wurden, was wir sind<br />

Als ich mit „Edel & Starck“ lief, flimmerte ich wöchentlich<br />

über den Bildschirm und da war es dann<br />

schon so, dass die Bäckerin gesagt hat: „Gut haben<br />

Sie das gemacht! Dem haben sie wieder sauber<br />

eins auf die Nase gegeben.“ Man ist halt für die<br />

Menschen auch die Person, die man spielt – aber<br />

auch das ist okay.<br />

Die Beliebtheit einer Serie trägt auch zur Beliebtheit<br />

der einzelnen Darsteller bei. Gerade und vor<br />

allem, wenn diese Serie – wie „Edel & Starck“ – zeitweise Kultstatus<br />

hat(te). Schwierig wird es für die Schauspieler nur dann, wenn sie dadurch<br />

zu sehr geprägt werden, so dass man stets nur das eine von ihnen<br />

erwartet. Aber dazu lässt es <strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong> nicht kommen. Sie sucht<br />

immer die Herausforderung oder den Kontrapunkt, um Neues zu lernen<br />

und zu erleben.<br />

Wie beziehungsweise wo sehen Sie ihre berufliche Zukunft?<br />

Vor der Kamera oder hinter der Kamera?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Ist es vermessen, wenn ich sage, auf beiden Seiten? Ich<br />

möchte auf alle Fälle – egal in welcher Funktion - Menschen berühren und<br />

nachdenklich stimmen, mit dem was ich tue – sei es auf der schauspielerischen<br />

Seite oder auf der Regie-Seite.<br />

Ein hoher Anspruch. Glauben Sie, dass das heute noch geht?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Warum soll es nicht gehen? Ich glaube schon, man soll<br />

doch träumen! Allerdings, wenn ich jetzt von der Schauspielerei rede, ist<br />

der Markt natürlich ziemlich übersättig. Aber auch das hat wieder einen<br />

Vorteil. In meinen Augen wird heute etwas bodenständiger mit dem Beruf<br />

des Schauspielers umgegangen – es ist nicht mehr außergewöhnlich<br />

Schauspieler zu sein und das finde ich gut und setzt eine natürlichere<br />

Basis bei der Zusammenarbeit.<br />

diesem Beruf, dass man sich manchmal fragt: Was wollen die Menschen<br />

jetzt? Bin ich interessant oder ist es mein Leben in diesem Beruf? Aber<br />

ich glaube, dass Gefühl kennt jeder, der ein bisschen in der Öffentlichkeit<br />

steht.<br />

Frau <strong>Spinell</strong>, wie sind Sie zu dem geworden, was Sie heute sind?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Ich finde diese Frage richtig schwer und vielleicht bin ich<br />

noch zu jung sie zu beantworten? Ich hatte wahnsinnig viel Glück. Natürlich<br />

hat mein multikulturelles Elternhaus mich geprägt. Meine Arbeit,<br />

meine Reisen, alles hat mich geprägt und zu dem gemacht was ich bin.<br />

Jeder Mensch, dem man begegnet, kann uns prägen. Wie soll man die Frage<br />

also für sich selbst beantworten? Mein Lebensmotto ist: „Some dream,<br />

some do, some do both.“ Also: Die einen träumen, die anderen handeln,<br />

manche machen beides. Und so bin ich, glaube ich, auch geworden, was<br />

ich bin. Ich bin einfach meinen Träumen gefolgt. Genau so war es schon<br />

immer – und ich hoffe es geht auch noch viele, viele Jahre so weiter.<br />

Und warum sind Sie Schauspielerin geworden?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Ich hab es mir nie wirklich ausgesucht. Die Schauspielerei<br />

war immer da – und ich weiß, ich kann nicht ohne. Ich bin für diesen<br />

Beruf mehr als leidenschaftlich und mit ganzem Herzen dabei. Das ist<br />

mein Weg. Und ich hatte Glück, dass ich den so früh gefunden habe.<br />

55<br />

Ist das wirklich so? Ist Schauspielerin zu sein,<br />

etwas Normales heutzutage?<br />

<strong>Natalie</strong> <strong>Spinell</strong>: Was ist schon normal? Vielleicht rede ich so, weil ich das<br />

Leben nicht ohne die Schauspielerei kenne. Vielleicht ist ein Manko an

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