Paulinerverein
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Pauliner f rum<br />
Gott ist ein Freund und Liebhaber des Lebens, er ist kein<br />
Konkurrent oder Rivale des Menschen. Jesus, der gute<br />
Hirt, ist gekommen, damit wir Leben in Fülle haben (Joh<br />
10,10). So ist Gottes Ehre der lebendige Mensch (Irenäus<br />
von Lyon). Gottes Geist ist eine kraftgeladene Wirklichkeit<br />
von höchster Lebendigkeit und Bewegtheit. Der Geist<br />
bewirkt, dass der einmal mit Gott begonnene Aufbruch<br />
nicht zum Stehen kommt, dass das neue göttliche Leben<br />
nicht in Geist tötende System und Institutionen gepresst<br />
wird, dass man sich nicht mit nostalgischer Wehmut nur<br />
der Vergangenheit erinnert und es damit bewenden lässt,<br />
sondern dass die einmal geweckten Kräfte wach bleiben,<br />
fruchtbar werden, zu neuen Impulsen führen. Der Geist<br />
Gottes schafft Gärung, Unruhe, Bewegung. Aber dabei<br />
ist er dem Zugriff des Menschen entzogen.<br />
Leben ist auch nicht machbar. Das Individuum „erfährt<br />
den Doppelsinn, der in dem lag, was es tat, nämlich<br />
sein Leben sich genommen zu haben; es nahm sich das<br />
Leben, aber vielmehr ergriff es damit den Tod.“ (Georg<br />
F.W. Hegel, 1770-1831)[1] Leben kann wie das Glück<br />
oder die Anerkennung durch andere nicht produziert<br />
oder garantiert werden. Es ist nicht das direkte lineare<br />
Ergebnis unserer Interessen und Wahrnehmungen. Das<br />
Leben lässt sich nur in einer Art von Selbstvergessenheit<br />
erlangen, in der Konzentration auf anderes, in der Hingabe<br />
für andere.<br />
„Entschiedene Christen sind Freunde des menschlichen<br />
Lebens in allen seinen Dimensionen: Freunde des geborenen<br />
und des noch nicht geborenen, des entfalteten und<br />
des behinderten, des irdischen und des ewigen Lebens.“<br />
(Botschaft von Mariazell) „Du liebst alles, was ist, und<br />
verabscheust nichts von dem, was du gemacht hast. …<br />
Herr, du Freund des Lebens.“ (Weish 11,24-26)<br />
Erwachsen glauben<br />
Der Paulinergeist ist geprägt durch Kritikfähigkeit,<br />
Mündigkeit und Urteilskraft. Und dies in einem höchst<br />
konstruktiven Sinn. Es ist ein erwachsener Glaube, zu<br />
dem das Haus hinführen wollte. Wer erwachsen glaubt,<br />
ist nicht mehr infantil und auch nicht pubertär. Infantil ist<br />
der, der es sich mit keinem vertun will, weil er Angst vor<br />
Liebes- und Sympathieentzug hat uns sich nicht getraut,<br />
jemandem zu widersprechen. Infantile vermeiden in<br />
ihrer Suche nach Harmonie jeden eigenen Standpunkt.<br />
Sie gehen ständig Symbiosen ein, sind jedoch unfähig zu<br />
Beziehungen unter freien und erwachsenen Menschen.<br />
Pubertär sind bloße Neinsager. Das Nein ist nekrophil,<br />
wenn es aus dem Hass oder aus einer hochmütigen<br />
Abwehrreaktion kommt. Erwachsen sind auch nicht die<br />
Wendehälse. Die Wendehälse sind überall dabei, die Widersprüche<br />
gehören zum System. Ja und Nein verkommen<br />
zu einer Frage des Geschmacks und der Laune, Leben<br />
oder Tod wird zur Frage des besseren Durchsetzungsvermögens,<br />
Wahrheit oder Lüge eine Frage der besseren<br />
Taktik, Liebe oder Hass eine Frage der Hormone, Friede<br />
oder Krieg eine Frage der Konjunktur. Im Zeitalter des<br />
kulturellen Pluralismus neigen nicht wenige dazu, die<br />
widersprüchlichsten Auffassungen im Bereich der Ethik