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Livingstone und der

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V A R I A<br />

Braune Buschlandschaft,<br />

ockergelbe Steppe, ein<br />

blaues Band, das plötzlich<br />

in weißem Rauch verschwindet.<br />

Dann ist die Maschine aus Johannesburg<br />

auch schon über das<br />

Weltw<strong>und</strong>er <strong>der</strong> Natur hinweggeflogen<br />

<strong>und</strong> sicher in <strong>Livingstone</strong><br />

gelandet. Sambia, Simbabwe,<br />

Botswana <strong>und</strong> Namibia<br />

grenzen hier am Sambesi aneinan<strong>der</strong>,<br />

aber nur zwei Län<strong>der</strong> haben<br />

direkten Zugang zu den Fällen.<br />

Bis vor drei Jahren hat sich<br />

die Zahl <strong>der</strong> Touristen um die<br />

Victoriafälle zwischen Simbabwe<br />

<strong>und</strong> Sambia in etwa gleich<br />

verteilt. Doch seit Präsident<br />

Mugabe die weißen Farmer <strong>und</strong><br />

an<strong>der</strong>e Volksgruppen verfolgen<br />

lässt, bleiben die Touristen im<br />

Sambesi Falls National Park<br />

aus. Die Hotelanlagen in Simbabwe<br />

stehen leer, <strong>und</strong> auch <strong>der</strong><br />

grenzüberschreitende Tagestourismus<br />

ist fast vollständig zum<br />

Erliegen gekommen. „That Mugabe,<br />

he eats alone“, werfen die<br />

fliegenden Händler vor <strong>der</strong><br />

Brücke, die den sambesischen<br />

mit dem simbabwischen Teil <strong>der</strong><br />

Fälle verbindet, ihrem Präsidenten<br />

vor. Essen teilen in <strong>der</strong> Not,<br />

das ist <strong>der</strong> älteste afrikanische<br />

Traum, den Mugabe nach Ansicht<br />

vieler verraten hat. Mit <strong>der</strong><br />

Enteignung <strong>der</strong> weißen Farmer<br />

Fotos: Roland Motz<br />

habe er dem Land geschadet –<br />

vor allem, um sich zu bereichern.<br />

So kommen im September<br />

2005 nur noch die Elefanten<br />

wie immer um diese Zeit über<br />

die Grenze. Die Touristen bleiben<br />

in Sambia.<br />

<strong>Livingstone</strong> liegt acht Kilometer<br />

von den Fällen entfernt<br />

<strong>und</strong> hat seine Existenz dem<br />

„donnernden Rauch“ zu verdanken.<br />

Folgerichtig heißt die<br />

Hauptstraße Mosi oa Tunya, <strong>und</strong><br />

die r<strong>und</strong> 100 000 Einwohner<br />

zählende Stadt selbst ist nach<br />

dem Entdecker des Wasserfalls<br />

benannt. Post <strong>und</strong> Bank, <strong>der</strong> Busbahnhof,<br />

ein paar Kolonialbauten<br />

mit ihren abbröckelnden Fassaden,<br />

wo unter schattigen Arkadengängen<br />

Safaris, Rafting- <strong>und</strong><br />

Bootstouren angeboten werden –<br />

das Zentrum von <strong>Livingstone</strong> ist<br />

überschaubar, <strong>und</strong> das ist auch<br />

gut so bei <strong>der</strong> großen Hitze. Im<br />

Museum kann man für ein paar<br />

Kwacha die Entdeckungsgeschichte<br />

<strong>der</strong> Fälle nachvollziehen.<br />

Auf <strong>der</strong> Suche nach den Nilquellen<br />

erreichte David <strong>Livingstone</strong><br />

1855 die große Abbruchkante<br />

am Sambesi. Von <strong>der</strong> Mbusi-Insel<br />

blickte er als erster<br />

Weißer in die brodelnde Tiefe,<br />

ohne dass ihm <strong>der</strong> Schlamm von<br />

emsigen schwarzen Händen von<br />

den Füßen gewaschen wurde,<br />

wie es sich heutige<br />

Luxusausflügler dort in emaillierten<br />

Badewannen gefallen lassen.<br />

Drei Jahre später hatte <strong>der</strong><br />

durch Tropenkrankheiten bereits<br />

nie<strong>der</strong>gestreckte Afrika-Forscher<br />

das Rätsel des Nils noch<br />

immer nicht gelöst, wurde dafür<br />

selbst vom Sensationsreporter<br />

Stanley in einer aufwendigen<br />

Suchaktion weiter flussaufwärts<br />

gef<strong>und</strong>en <strong>und</strong> mit dem zum geflügelten<br />

Wort für britisches Un<strong>der</strong>statement<br />

gewordenen Satz<br />

begrüßt: „Mr. <strong>Livingstone</strong>, I presume.“<br />

Die einzige asphaltierte<br />

Straße <strong>Livingstone</strong>s leitet an einem<br />

von Elefanten nie<strong>der</strong>getrampelten<br />

Dorf vorbei aus dem<br />

Sambesi-Tal heraus zur Hauptstadt<br />

Lusaka. In entgegengesetzter<br />

Richtung führt sie neben <strong>der</strong><br />

von Buschgras überwucherten<br />

Eisenbahnlinie zu den Victoriafällen.<br />

Zuerst ist es nur so ein<br />

Gefühl, hervorgerufen durch ein<br />

immer bedrohlicher werdendes<br />

Grollen <strong>und</strong> weißen Rauch über<br />

Reise<br />

Sambia<br />

<strong>Livingstone</strong> <strong>und</strong> <strong>der</strong><br />

Eine Reise zu den Victoriafällen<br />

den Baumwipfeln: das Gefühl,<br />

am großen Wasser zu sein. Dann<br />

öffnet sich <strong>der</strong> dichte Regenwald<br />

<strong>und</strong> gibt den Blick frei auf Felswände,<br />

Wasserfontänen, Gischt.<br />

Auf einer Breite von zwei Kilometern<br />

rauscht <strong>der</strong> mächtige<br />

Sambesi, begleitet von Regenbögen,<br />

über 100 Meter tief in eine<br />

Schlucht. Wenn <strong>der</strong> Fluss in <strong>der</strong><br />

A 2256 Deutsches Ärzteblatt½Jg. 103½Heft 34–35½28. August 2006


V A R I A<br />

donnernde Rauch<br />

hin sind die von <strong>Livingstone</strong> auf<br />

den Namen <strong>der</strong> englischen Königin<br />

Victoria getauften Katerakte<br />

doppelt so breit <strong>und</strong> hoch wie die<br />

Niagarafälle. Mosi oa Tunya,<br />

Rauch mit Donner, wie die Einheimischen<br />

das Naturw<strong>und</strong>er<br />

nannten, ist einer <strong>der</strong> aufregendsten<br />

Plätze Afrikas. Wer einmal<br />

abends beim S<strong>und</strong>owner im<br />

Royal <strong>Livingstone</strong> in Sichtweite<br />

<strong>der</strong> Fälle unter einer Rotbuche<br />

am Sambesi gesessen hat,<br />

während die Elefanten am an<strong>der</strong>en<br />

Ufer grasen <strong>und</strong> sich die<br />

Flusspferde träge zwischen den<br />

zahlreichen Inseln fläzen, fühlt<br />

sich auch ohne neuzeitlichen Firlefanz<br />

wie Bungee-Sprung von<br />

<strong>der</strong> Victoria-Falls-Brücke o<strong>der</strong><br />

Candle Light Dinner auf <strong>der</strong> African<br />

Queen dem Paradies sehr<br />

nahe.<br />

von ihrer Mutter, die schnell auf<br />

den abfahrenden Zug nach Lusaka<br />

gesprungen war. „Jetzt lachen<br />

sie wie<strong>der</strong>,<br />

sogar viel, aber etwas Trauriges<br />

hat sich für immer in ihren Blick<br />

eingegraben“, sagt Lady Mokwema,<br />

„sie vertrauen niemandem,<br />

weil sie so oft enttäuscht<br />

worden sind in ihrem kurzen Leben.“<br />

Es gibt Bohnen zum Babotie,<br />

dem Rindfleischgericht<br />

mit Minze <strong>und</strong> Curry, zu dem<br />

wir eingeladen sind. „Es ist besser,<br />

sein Baby wegzuwerfen als<br />

Bohnen“, ruft uns die Leiterin<br />

des Waisenhauses ein altes afrikanisches<br />

Sprichwort zum Abschied<br />

hinterher. Gleichmut,<br />

Ironie <strong>und</strong> Lebenskraft unter<br />

schwierigsten Bedingungen –<br />

auch das ist Afrika. Roland Motz<br />

Traumatisiertes Simbabwe<br />

Sambia: Vicotriafälle,<br />

vor 150 Jahren entdeckt<br />

Regenzeit mehr als 500 Millionen<br />

Liter Wasser je Minute über<br />

die senkrechte Abbruchkante in<br />

die Tiefe kippt <strong>und</strong> sich in einen<br />

röhrenden<br />

Hexenkessel verwandelt,<br />

steigt die Gischtwolke 300 Meter<br />

aus dem „Boiling Pot“. Aber<br />

auch jetzt im September werden<br />

wir nass bis auf die Haut. Immer-<br />

Um das an<strong>der</strong>e Gesicht Afrikas<br />

zu sehen, muss man we<strong>der</strong> in<br />

das traumatisierte Simbabwe<br />

noch über die Grenze nach Botswana<br />

fahren, wo die Schulen<br />

halbleer stehen, weil die Eltern<br />

die wenigen Cents für das Essensgeld<br />

nicht aufbringen können.<br />

Bereits mitten im Zentrum<br />

von <strong>Livingstone</strong> zwischen den<br />

Matutu- Haltestellen für die<br />

Sammeltaxis <strong>und</strong> dem großen<br />

Maramba-Markt beginnen die<br />

Elendsviertel. „Es ist immer<br />

dasselbe. Die Eltern sterben an<br />

Aids, Großeltern <strong>und</strong> Verwandte<br />

können keinen weiteren<br />

M<strong>und</strong> durchfüttern“, beklagt<br />

die resolute Leiterin<br />

des Lubasi-Waisenhauses das<br />

Schicksal <strong>der</strong> ihr anvertrauten<br />

Kin<strong>der</strong>. Die südafrikanische<br />

Hotelgruppe Sun International<br />

unterstützt mit Geld- <strong>und</strong> Sachspenden<br />

die Waisen- <strong>und</strong> Altersheime<br />

<strong>der</strong> Stadt. Der seit 2001<br />

mit tausend Angestellten größte<br />

Arbeitgeber <strong>Livingstone</strong>s will<br />

sich damit auch die Zustimmung<br />

<strong>der</strong> Bevölkerung für den<br />

aus ökologischen Gründen umstrittenen<br />

Bau zweier Hotels in<br />

Sichtweite <strong>der</strong> Fälle sichern.<br />

Nur noch aus „skin and bones“<br />

bestehend, würden die Kin<strong>der</strong><br />

das Heim erreichen, so wie Julia<br />

<strong>und</strong> Diana, die vor Wochen am<br />

Bahnhof mit einem Zettel um<br />

den Hals von Sozialarbeitern<br />

aufgef<strong>und</strong>en wurden, ausgesetzt<br />

Reise-Tipps<br />

Auskunft Anreise<br />

Mehrmals täglicher Direktflug von Johannesburg<br />

nach <strong>Livingstone</strong>, Flug- <strong>und</strong> Busverbindung<br />

(sieben St<strong>und</strong>en) nach Lusaka.<br />

Unterkunft: The Royal <strong>Livingstone</strong>. Unter<br />

an<strong>der</strong>em bei <strong>der</strong> TUI, Airtours <strong>und</strong> Dertour<br />

o<strong>der</strong> direkt unter www.suninternational.<br />

com buchbar. Das am Ufer des Sambesi<br />

innerhalb des Mosi Oa Tunya Wildlife<br />

Parks in Sambia liegende luxuriöse Hotel<br />

verfügt über 170 Zimmer im afrikanischen<br />

Kolonialstil – ein geradezu paradiesischer<br />

Ort in Sichtweite <strong>der</strong> Victoriafälle.<br />

Zambezi Sun<br />

Auch das preiswerte 3-Sterne-Hotel in<br />

Sichtweite <strong>der</strong> Fälle gehört zu <strong>der</strong> südafrikanischen<br />

Hotelkette Sun International.<br />

Literatur<br />

Henning Mankell – Das Auge des Leoparden,<br />

Zsolnay-Verlag 2004, 21,50 Euro;<br />

Reisen in Sambia <strong>und</strong> Malawi, Ilona<br />

Hupe-Verlag, 23,90 Euro. N<br />

Deutsches Ärzteblatt½Jg. 103½Heft 34–35½28. August 2006 A 2257

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