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Originalarbeit S 17 - 35<br />

Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg.16. 1993 Nr.2/3 <br />

Kontaktladen „Krisencafé“<br />

ein Versuch niedrigschwelliger,<br />

akzeptierender Drogenarbeit<br />

in ESSEN<br />

B. EIFERT<br />

(Verein Krisenhilfe e.V., Essen)<br />

Zusammenfassung<br />

In einem Praxiserfahrungsbericht wird der Aufbau eines<br />

niedrigschwellig angelegten und akzeptierend arbeitenden<br />

Kontaktladens in Essen, einer Deutschen Großstadt, beschrieben.<br />

Neben anderen Standorten gehörte die Einrichtung<br />

des Vereins Krisenhilfe zu einem erprobungsvorhaben,<br />

das durch das Ministerium für Arbeit, Gesundheit<br />

und Soziales des Bundeslandes NRW in Auftrag gegeben<br />

wurde. Die Autorin nimmt eine inhaltliche Eingrenzung und<br />

Fortschreibung der Begriffe Niedrigschwelligkeit und Akzeptierende<br />

Drogenarbeit vor und belegt sie durch die<br />

Praxiserfahrung. Schwerpunkt ihrer Auslegung ist die Betonung<br />

des Beziehungsaspektes innerhalb der Kontaktladenarbeit.<br />

Neben Versorgungs- und schadensminimierenden<br />

Gesundheitsaufgaben wird die Wichtigkeit<br />

von klientenorientierten Beziehungsangeboten ausgeführt.<br />

Mit Hilfe von statistischen Methoden wurde das von der<br />

Zielgruppe außerordentlich gut besuchte Angebot eingehend<br />

untersucht.<br />

Einleitung<br />

Im Februar 1990 eröffnete der Verein Krisenhilfe in Essen<br />

seinen Kontaktladen „Krisencafé“ im Zentrum der Stadt<br />

nahe der Drogenszene. Die Essener Einrichtung war neben<br />

weiteren Standorten Erhebungsobjekt eines dreijährigen<br />

wissenschaftlichen Forschungsprojektes des Ministeriums<br />

für Arbeit, Gesundheit und Soziales des Landes NRW.<br />

Konzeptioneller Hintergrund dieses Vorhabens ist die Erweiterung<br />

konventioneller Drogenarbeit auf bisher nicht<br />

oder schwer erreichbare, oft verelendete Drogenkonsumenten.<br />

Den erreichten Grenzen herkömmlicher Drogenarbeit<br />

soll durch „offensive Kontaktarbeit und bewußte<br />

Zurücknahme von Barrieren“ (Bathen, Schliehe 1987, S.2f)<br />

entgegengesteuert werden. Angestrebt wird dabei die Entwicklung<br />

neuer Arbeitsansätze von ambulanter Drogenhilfe<br />

auf der Grundlage akzeptierender Suchtbegleitung. Lebenspraktische<br />

Hilfeleistungen sollen unbürokratisch und<br />

flexibel zur Verfügung gestellt werden.<br />

Die dreijährige Arbeit im Kontaktladen veranlaßt zu einer<br />

Zwischenbilanzierung. Notwendig ist eine Standortbestimmung<br />

eigener Arbeit und deren Überprüfung. Sind gewonnene<br />

Erfahrungen mit vorgegebenen Arbeitsansätzen und<br />

Begriffen vereinbar? Schlagwortartig gebrauchte Begriffe<br />

verlangen Definitionen und inhaltliche Abgrenzungen. Die<br />

Analyse der vorgegebenen Rahmenbedingungen offener,<br />

schwellenarmer Angebote kommt zwangsläufig zu der<br />

Frage nach sinnvoller, konstanter Arbeit.<br />

Wenn ich im weiteren von Drogen spreche, ist damit die<br />

Palette aller legaler und illegaler Drogen gemeint. Die<br />

Gefahr der Unterschätzung legaler Drogen, wie Nikotin,<br />

Alkohol und Medikamente, als Einstiegsmuster zum Gebrauch<br />

illegaler ist in Fachkreisen bekannt. Erfahrungen in<br />

den Kontaktläden zeigt hinlänglich die Bedeutung legaler<br />

Drogen, im speziellen auch die Bedeutung von Medikamenten.<br />

1. Bestimmung und Abgrenzung der Begrifflichkeit im<br />

theoretischen Kontext<br />

1.1 Theoretischer Hintergrund<br />

Wird davon ausgegangen, daß der Mensch für seine<br />

körperlich-psychische Reifung und Identität im Sinne des<br />

epigenetischen Prinzips Eriksons (1973) entwicklungsspezifische<br />

und lebenstypische Konflikte bewältigen muß,<br />

ist das Phänomen Abhängigkeit als das Resultat eines<br />

lebensgeschichtlichen Prozesses mißglückter Kompromisse<br />

und lebensfeindlicher äußerer Bedingungen anzusehen.<br />

Wie die auf vier Jahre und im Bereich Prävention angelegte<br />

Kampagne des Ministerium für Arbeit, Gesundheit und<br />

Soziales (MAGS) in NRW aufgreift, „hat Sucht immer eine<br />

Geschichte“, eine lebensgeschichtlich bedingte Entwicklung.<br />

Der Abhängigkeit wird eine multifaktorielle Ursachenstruktur<br />

zugesprochen, bestehend aus anlagebedingten, psychologischen<br />

und soziokulturellen, gesellschaftlichen Aspekten.<br />

Kommt es zu Verbindung mehrerer Faktoren aus den<br />

jeweiligen Aspekten ist das Auftreten von Suchtstrukturen<br />

wahrscheinlich.<br />

In den letzten Jahren schien die Bedeutung von suchtbildenden<br />

Entwicklungsprozessen in Kindheit und Jugend<br />

in Literatur wie öffentlicher Diskussion in den Hintergrund<br />

zu treten. Die Untersuchungen über die Bedeutsamkeit von<br />

sexuellem Mißbrauch wie körperlichen und seelischen<br />

Übergriffen in Kindheit und Pubertät bei Drogenabhängigkeit<br />

verweisen auf die Bedeutsamkeit interpersonaler und<br />

familiärer Störungsprozesse.<br />

Abhängigkeit ist u.a. ein Ergebnis von Nichtbewältigung<br />

(früh-)kindlicher Traumen, durch die das Kind eine frühe<br />

Störung in Urvertrauen, Bindungsfähigkeit und emotionaler<br />

Ausdrucksfähigkeit erlebt (vgl. Winnicott 1972). Objektverlust<br />

oder Willkür, Konstanzlosigkeit bei versagendem<br />

emotionalem Klima und/oder bei einer überversorgenden,<br />

einengenden, selbstbezogenen Beziehungsstruktur in den<br />

Familien lassen Kinder und Jugendliche nicht zum eigenen<br />

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Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg.16. 1993 Nr.2/3 <br />

Selbst reifen (vgl. Battegay 1982; vom Scheidt 1976) und<br />

verursachen Störungen in Ichstruktur und -funktion (vgl.<br />

Ermann 1982; Fürstenau 1977; Heigel-Evers, Heigl 1975,<br />

1983, 1984). Suchtmuster im familiären Kontext, am häufigsten<br />

vorkommend Alkohol- und Medikamentenmißbrauch,<br />

engen Kinder und Jugendliche in ihrer Entwicklung<br />

ein, machen sie zu Objekten elterlicher Willkür.<br />

In Übereinstimmung mit Petzold und Hentschel (vgl. 1990,<br />

S.12) scheint mir die ausschließliche Fokussierung auf<br />

frühe Kindheitsstörung eine Überbewertung zuungunsten<br />

der Wertigkeit problematischer bis hin zu pathogenen<br />

Konstellationen in Pubertät und Adoleszenz. Diese Lebensphasen<br />

sind durch puberalen Triebandrang, Ablösungsprozesse<br />

und Identitätssuche wie Wünschen nach<br />

Gruppenzugehörigkeit eine Zeitspanne des Umbruchs und<br />

der Neuorientierung, so daß nicht nur „die gegebene soziale<br />

Ordnung“, sondern „auch der Fortbestand der gesamten<br />

psychischen Struktur“ (Roskamp 1977, S.124) des Jugendlichen<br />

gefährdet ist.<br />

Eine reizarme, für Kinder wie Jugendliche erlebnisarme<br />

natürliche Umwelt sowie eine gesellschaftliche Realität,<br />

die ihre Prämissen auf Arbeit, Technisierung und materielle<br />

Werte ausrichtet, ist für Heranwachsende ein Ort, an<br />

dem sie sich nur schwer wiederfinden und entfalten können.<br />

In dieser Phase innerer und äußerer Desorientierung sind<br />

legale wie illegale Drogen für junge Menschen oft die<br />

einzige Möglichkeit von Selbstgratifikation, Selbstwert,<br />

Ruhe und Geborgenheit wie von Abwehr der Belastungen.<br />

Die Gesamtheit lebensgeschichtlicher Ereignisse mit der<br />

Gewichtung jedes einzelnen Ereignisses für den gesamten<br />

Prozeß muß verstanden werden, da wir es bei dem Phänomen<br />

Abhängigkeit - wie bei jedem lebensgeschichtlich<br />

bedingten Zusammenhang - mit einem „Kontinuum vielfältiger<br />

und komplex miteinander verbundener Prozesse zu<br />

tun haben“ (Rosenkötter 1969, S.168f; vgl. auch Finke<br />

1990).<br />

Somit ist die Zeit des Drogenkonsums in sich auch eine<br />

Lebensspanne, die durch verschiedene Konstellationen<br />

weiterhin suchtverstärkend und fortdauernd suchtbildend<br />

wirken kann (vgl. Happel, Schneider 1989b, 169f; Schmidt<br />

1987, S.163). Die Auswertungen von suchtbegleitenden<br />

und ausstiegsorientierten Projekten zeigte und wird durch<br />

die Erfahrungen in Kontaktläden gestützt, daß Abhängigkeit<br />

ein Phänomen ist, das zwischen den Polen von Aufhören<br />

und Weitermachen pendelt. Der Drogenkonsum impliziert<br />

das Aufhörenwollen, Abstinenzphasen beinhalten<br />

Rückfälle. Ambivalente Haltungen stehen nebeneinander.<br />

Im zyklischen Verlauf der drogenbestimmten Lebensphase<br />

alternieren Zeiten von Abstinenz und sozialem<br />

Eingebundensein mit Phasen von geringem wie starkem,<br />

kontrolliertem wie kompulsivem Konsum bei gleichzeitigem<br />

Abbau sozialer Bezüge. Dieser Zyklus scheint abhängig<br />

zu sein vom als Individuum belastend bzw. erleichternd<br />

erfahrenen inneren wie äußeren Umständen, in denen<br />

das Abwehr- und Befriedigungssystem der Droge<br />

(Kutter 1983, S.271; Wormser 1987, S.222) eingesetzt,<br />

substituiert oder aufgegeben wird.<br />

Die illegalen Drogen immanente Dynamik von körperlichem,<br />

seelischem und sozialem Verfall, Kriminalisierungsdruck<br />

und Stigmatisierungsprozessen durch gesellschaftlicher<br />

Abwehrhaltungen bewirkt, daß „gerade die<br />

soziale und geistige Verelendung ... ab einer bestimmten<br />

Stufe einer Fixer-Karriere Hemmschwelle einer auf Drogenfreiheit<br />

gerichteten Entwicklung“ (Schmidt 1987, S.163)<br />

ist.<br />

Effektive Drogenhilfe muß sich diesem Drogenverlaufszyklus<br />

der DrogenkonsumentenInnen klientenorientiert und<br />

flexibel anpassen, d.h. sie muß mit einer Palette heterogener<br />

Drogenhilfsangebote reagieren (vgl. Bathen, Schliehe<br />

1987, S.3; Hoffmann 1990, S.5; Petzold, Hentschel 1990,<br />

S.13), die schwellen- und bedürfnisdifferenziert angelegt<br />

sind.<br />

Der Klient, die Klientin müssen dort begleitet werden, wo<br />

sie stehen, wenn Drogenhilfe eine hohe Akzeptanz erreichen<br />

will. „Pluralistisch orientierte und pragmatische Drogenarbeit“<br />

(Schneider 1992) orientiert sich an der Bedürfnislage<br />

der drogenabhängigen Menschen und handelt unter<br />

der Maßgabe schadensbegrenzender Prämissen.<br />

1.2 Bestimmung und Abgrenzung des Begriffs Niedrigschwelligkeit<br />

Der Begriff der „Niedrigschwelligkeit“ wurde in Praxis und<br />

Theorie sofort aufgenommen. Scheinbar für neue vorzeigbare<br />

Qualität stehend, wird er in der Drogenhilfe vor allem<br />

für die neu errichteten Kontaktläden gebraucht. Von niedrigschwelligen<br />

Arbeitsansätzen wird ein Durchbrechen der<br />

stagnierenden Grenzen herkömmlicher Drogenarbeit erhofft.<br />

Um die Arbeit in den Kontaktläden zu reflektieren und den<br />

Begriff der Niedrigschwelligkeit seiner „heilbringenden Vision“<br />

zu entkleiden, ist von Bedeutung, ihn realistisch in<br />

seinem Bedeutungsspektrum zu beleuchten. In Literatur<br />

und Praxisbereichen wird bei dem Begriff der Niedrigschwelligkeit<br />

eine Vielzahl an Inhalten assoziiert.<br />

Niedrigschwelligkeit ist eine differenzierende Attribuierung<br />

eines seit vielen Jahren erprobten, methodischen Instrumentariums.<br />

Der Begriff grenzt sich gegen Attribute wie<br />

schwellenlos, schwellenarm, hochschwellig u.ä. ab.<br />

Es wird damit weder eine neue Richtung noch ein Paradigmenwechsel<br />

in der Drogenarbeit angezeigt (vgl. Stöver,<br />

Herwig-Lempp 1988, S. 48). Schon immer wurde im<br />

Drogenhilfesystem niedrigschwellig gearbeitet (siehe Teestuben,<br />

offene Bereiche, Sofortberatungen etc.); zudem<br />

sind viele schwellenarme Einrichtungen kein Indiz für die<br />

Umkehr vom Abstinenzparadigma. Stöver und Herwig-<br />

Lempp ordnen den Begriff richtig als einen methodischen<br />

Zugewinn ein. Niedrigschwelligkeit beinhaltet nicht mehr,<br />

auch nicht weniger. Maximal ist damit ein Perspektivenwechsel<br />

in der Drogenarbeit angedeutet.<br />

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Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg.16. 1993 Nr.2/3 <br />

In allen Bereichen der Drogenhilfe läßt sich differenziert,<br />

somit schwellendifferenziert arbeiten. Möglich sind z.B.<br />

hochschwellige bis schwellenarme Substitutionsprogramme.<br />

Hochschwellig angelegte Polamidonprogramme<br />

können in sich klientInnenorientiert differenziert<br />

niedrigschwelligere und höherschwellige Angebote enthalten.<br />

Vermehrt wird jedoch die Arbeit in Kontaktläden vereinfachend<br />

gleichgesetzt mit dem Begriff „Niedrigschwelligkeit“.<br />

Der unmoderne, aber sinnvolle Begriff der Offenen Arbeit<br />

oder des Offenen Bereiches kennzeichnet stärker die Vielfalt<br />

von anfallender Arbeit in Kontaktläden. Offene Arbeit<br />

steht auch heute noch für einen Ansatz in der sozialen<br />

Arbeit, der an vorgegebener Struktur und an vorhandenen<br />

Eingangsvoraussetzungen arm ist und spezifische Methoden<br />

und Herangehensweisen meint. Offene Arbeit war<br />

herkömmlich an Eingangsvoraussetzungen schwellarm<br />

bzw. niedrigschwellig angelegt. In der momentanen Diskussion<br />

steht oftmals der Begriff der niedrigschwelligen<br />

Arbeit synonym für Offene Arbeit im Kontaktladen.<br />

Der Begriff „Niedrigschwelligkeit“ ist enger zu fassen und<br />

kann in alle Bereiche von Drogenarbeit eingehen. Es ist<br />

kein für Kontaktläden spezifischer Begriff. Es gibt Cafés<br />

bzw. Kontaktläden, die hochschwellig arbeiten, wo<br />

Abstinenzgebot und Gruppenaktivitäten Zugangsvoraussetzungen<br />

sind. Als niedrigschwellig sind somit nur die<br />

Eingangsvoraussetzungen für Drogenhilfsangebote zu<br />

bezeichnen.<br />

Unter niedrigschwellig, bezogen auf die Kontaktläden,<br />

versteht man also die geringen, anforderungsarmen Voraussetzungen,<br />

die KlientInnen erfüllen müssen, um am<br />

Angebot des Laden teilzunehmen: das Vorhandensein von<br />

Abhängigkeitsproblemen im Bereich illegaler Drogen und<br />

das Einhalten von direktiven Vorgaben einiger weniger<br />

Regeln, z.B. keine Androhung und Anwendung von Gewalt,<br />

kein Konsum und kein Verkauf. Weiterhin wird von<br />

den Besuchern nichts verlangt, um am Angebot des Kontaktladens<br />

zu partizipieren: Sie müssen weder clean sein oder<br />

es werden wollen, sie müssen nicht gesprächsbereit sein<br />

oder Therapie machen wollen. Sie können jedoch unter<br />

Beachtung der Regeln Wäsche waschen, sich informieren,<br />

essen und trinken, duschen, sich ausruhen, spielen oder<br />

Kontakt halten, Informationen abfragen. Durch den Besuch<br />

im Kontaktladen kann für einen Teil der Konsument-<br />

Innen der Weg in die Beratungsstelle angstfreier und<br />

schwellenärmer gemacht werden.<br />

Im pädagogischen Kontakt sollte die jeweilige Methode der<br />

Wahl klientenzentriert im Sinne Carl R. Rogers sein. Der<br />

klientenzentrierte Ansatz geht davon aus, daß der Mensch<br />

für seine positive Entwicklung und Reifung ein wohlwollendes<br />

empathisch orientiertes und akzeptierendes Klima<br />

braucht mit einem „echten“ Beziehungsangebot eines kongruenten<br />

Menschen (vgl. Rogers 1972a; 1972b; 1988).<br />

Thema, Tempo und Intensität dieses Gesprächskontaktes<br />

bestimmen die KlientInnen.<br />

Die Erfahrungen mit der Essener Kontaktladenarbeit rechtfertigen<br />

das Vorgehen nach dem klientenzentrierten Ansatz.<br />

Es zeigte sich, daß die Akzeptanz des Kontaktladens<br />

in Kreisen von sogenannten AltfixernInnen genauso deutlich<br />

ist wie bei gerade beginnenden UsernInnen; Menschen,<br />

die substituiert werden, tauchen neben verelendeten<br />

obdachlosen Abhängigen auf. Auch sozial angepaßte<br />

KonsumentInnen mit Arbeit und Wohnung fragen auch<br />

Gespräch und Information nach.<br />

Um den vielfältigen Nachfragen dieser unterschiedlichen<br />

BesucherInnen in der Offenen Arbeit der Kontaktläden<br />

nachzukommen, sollte klientenorientiert gearbeitet werden.<br />

Das heißt, die niedrig angelegten Schwellen des Kontaktladens<br />

haben eine heterogene Besucherstruktur zur Folge,<br />

was wiederum individuelle, wie Schneider (1989b, S. 170-<br />

172) es nennt, „entwicklungsangemessene“ und flexible<br />

Zugänge erfordert, sprich Zugänge, die auf die Bedürfnisse<br />

der Abhängigen bezogen sind.<br />

Nicht nur in der Gesprächsführung sollte der klientenzentrierte<br />

Ansatz vorherrschen, sondern sowohl im sozialarbeiterischen<br />

wie pädagogischen Intervenieren und<br />

Handeln ist es wünschenswert, daß die momentanen<br />

Bedingungen eines Menschen Berücksichtigung finden.<br />

Das heißt natürlich auch, entsprechend den jeweiligen<br />

Möglichkeiten der BesucherInnen sollten Hilfsangebote<br />

zur Verfügung gestellt werden.<br />

Zusammenfassend läßt sich festhalten:<br />

Niedrigschwelligkeit steht nicht für einen<br />

Richtungswechsel in der Drogenarbeit, noch<br />

wird damit ein Paradigmenwechsel assoziiert.<br />

Niedrigschwelligkeit ist die Attribuierung einer<br />

methodischen Begrifflichkeit und bezeichnet<br />

sowohl die anforderungsarmen Eingangsvoraussetzung<br />

eines Programm sowie die<br />

Schwellensetzung seiner Angebote (vgl. dazu<br />

im Gegensatz Bathen, Schliehe 1987 S.3; Hofmann<br />

1990, S.5f). Es wird damit ein Perspektivenwechsel<br />

in der Drogenarbeit angedeutet.<br />

Niedrigschwelligkeit an sich ist keine selbständige<br />

Methode und ist zu Deskription von<br />

Arbeitsansätzen ungeeignet. In allen Bereichen<br />

der Drogenhilfe können die Eingangsbedingungen<br />

niedrigschwellig angelegt sein.<br />

Die Arbeit in Kontaktläden wird durch den<br />

Begriff der Offenen Arbeit umfassend beschrieben.<br />

Der Begriff der Offenen Arbeit umfaßt<br />

methodische Ansätze und Arbeitsweisen, steht<br />

für vielfältige Angebote und Hilfeleistungen.<br />

Die Methode der Wahl in der Offenen<br />

Kontaktladenarbeit ist der klientenzentrierte,<br />

akzeptierende Ansatz. Entsprechend der Unterschiedlichkeit<br />

von BesucherInnen sollte eine<br />

gewünschte Beziehung gehalten werden und<br />

daraus resultierendes Intervenieren und Handeln<br />

auf die Bedingungen der abhängigen<br />

KonsumentenInnen abgestimmt werden.<br />

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Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg.16. 1993 Nr.2/3 <br />

1.3 Bestimmung und Abgrenzung des Begriffes Akzeptierende<br />

Drogenarbeit<br />

Akzeptierende Drogenarbeit ist eine KonsumentInnen nicht<br />

bevormundende und verändernwollende Beziehungsarbeit<br />

zuungunsten einer Verschiebung des dominierenden<br />

Abstinenzparadigmas in den Hintergrund von Drogenhilfe.<br />

Abstinenz kann, aber muß nicht angestrebt werden. Akzeptierende<br />

Drogenhilfe beinhaltet Suchtbegleitung (Schneider<br />

1984, 1989a, 1989b) bzw. karrierebegleitende Drogenarbeit<br />

(Petzold, Henschel 1990), wobei der Begriff „Karriere“<br />

im Zusammenhang mit Suchtprozessen unglücklich<br />

gewählt ist. DrogenkonsumentInnen haben ein Recht auf<br />

Akzeptanz, wie es jeder Mensch für sich fordert.<br />

Handlungskompetenzen und Fähigkeiten auch stark aktuell<br />

Abhängiger sind. Werden diese positiven, produktiven<br />

Eigenschaften vermehrt gespiegelt, kann auch der Abhängige<br />

sich als ganzheitlich und entscheidungsfähiger erleben.<br />

Drogenbestimmte, negative Selbstbewertungen weichen<br />

auf, eigene Handlungs- und Entscheidungskompetenzen<br />

können wachsen. Das Vertrauen zum eigenen<br />

Selbst verstärkt sich.<br />

Je weniger Bedeutung Abhängigkeit, Droge und Abstinenz<br />

beigemessen werden, desto eher wird es dem abhängigen<br />

Menschen ermöglicht, die Drogenbindung zu lösen und<br />

sich als ganzheitlich handelnd und fühlend zu erleben ( vgl.<br />

Quensel (a.a.O.), Stöver und Herwig-Lempp 1988, S.43).<br />

1. Akzeptanz der Sinnhaftigkeit von Drogenverhalten<br />

Drogenkonsum und Drogenrückfälle jedes einzelnen Menschen<br />

werden in seiner Lebensgeschichte als sinnhaft<br />

akzeptiert. Das Lebenskonzept dieser Menschen wird als<br />

momentan bestehend angesehen und muß nicht, kann<br />

aber auf Bestreben der KonsumentInnen verändert werden.<br />

Nicht von der Drogenhilfe dazu aufgefordert, sollten Ausstiegs-<br />

oder Veränderungsprozesse vom KonsumentInnen<br />

selbstinitiiert werden. Angeknüpft werden soll dazu bei den<br />

„subjektiven Deutungen“ (Schneider, 1989b, S.175) der<br />

Abhängigen. Auch als destruktiv gewertetes Verhalten hat<br />

für das Subjekt innerhalb seiner Bedingungen Sinn (vgl.<br />

dazu Herwig-Lempp, Stöver 1988, S. 51 & 54), auch wenn<br />

der Betrachter oberflächlich den Sinn nicht erschließen<br />

kann.<br />

Akzeptierendes Verhalten bleibt nicht bei der Aussage von<br />

Sinnhaftigkeit der Phänomene stehen, sondern versucht<br />

diese zu verstehen und innerhalb der Lebensgeschichte zu<br />

deuten. Akzeptanz fordert das Bemühen um Verstehen und<br />

Deuten der inneren wie äußeren Welt des Menschen,<br />

andernfalls besteht schnell die Gefahr der Gleichgültigkeit<br />

und der wenig anteilnehmenden Distanz.<br />

2. Akzeptanz des ganzen Menschen<br />

Akzeptanz heißt wohlwollende Annahme eines Menschen<br />

in seiner Ganzheit, d.h. auch in seinem Drogenkonsum.<br />

Die Drogenkonsumentin ist mehr als die Gesamtheit ihrer<br />

Drogenprobleme; die Drogen sollten als nebensächlicher<br />

(vgl. Quensel, 1990, S.11) angesehen werden, sollten nicht<br />

ständiger Mittelpunkt des professionellen Interesses sein.<br />

Oftmals kopiert Drogenarbeit das Verhalten vieler Abhängiger,<br />

indem die Drogen zum Zentrum von Interventionen<br />

gemacht werden. Das Fokussieren auf die Abhängigkeitsproblematik<br />

reduziert diese Menschen auf Teile ihrer Persönlichkeit<br />

und ihres Lebens und zwingt sie zu einem<br />

engen, eingeschränkten Kontakt mit uns.<br />

Akzeptierende Drogenarbeit sieht den Menschen ganzheitlich,<br />

so daß vor allem auf seine Stärken, Fähigkeiten und<br />

seine Selbstheilungstendenzen rekrutiert werden kann.<br />

Erfahrungen in der Kontaktladenarbeit zeigen, wie stark die<br />

3. Akzeptanz des Drogenkonsums und des drogenbestimmten<br />

Lebensstiles<br />

Die Drogenbindung, die besteht, wird akzeptiert. Ausgangslage<br />

jeglichen Kontaktes macht dies zur Voraussetzung.<br />

Auch der damit verbundene Lebensstil mit seinen<br />

oft so schwer nachvollziehbaren Entscheidungen ist anzunehmen.<br />

Wiese (1989, S.178) spricht davon, daß „dieser<br />

Grundkonsens überhaupt erst die gegenseitige Erreichbarkeit<br />

ermöglicht bzw. Form des Kontaktes möglich werden<br />

läßt“. Erst wenn ich dem Menschen diese Ausgangslage an<br />

Interesse und Akzeptanz im Kontakt biete, kann ich eine<br />

GesprächspartnerIn ohne moralischen Zeigefinger und<br />

Veränderungsanspruch werden. Nicht ich lebe so, sondern<br />

der andere befindet sich in dieser momentanen Situation.<br />

Nicht ich muß entscheiden oder Veränderung initiieren;<br />

von mir wird „nur“ verlangt, den andern/die andere anzunehmen.<br />

Diese Form der Akzeptanz heißt jedoch nicht, Drogenkonsum,<br />

selbstzerstörerisches Verhalten und ein für mich<br />

vielleicht nicht akzeptables Lebenskonzept zu billigen und<br />

zu zementieren. Akzeptanz heißt auch nicht, daß beim<br />

Abhängigen immer von willentlich freien Entscheidungen<br />

für seinen Konsum und für seinen Lebensstil gesprochen<br />

wird, wie die Tendenz einiger Veröffentlichungen ist. Akzeptanz<br />

ist kein Äquivalent für eine meinungsfreie Position<br />

und zielloses Verhalten beim Drogenberater.<br />

Akzeptanz setzt einen sowohl theoretischen Hintergrund<br />

voraus als auch ein darauf basierendes Handeln mit Benennen<br />

von Positionen. Ziel des Handeln sollte die wohlwollende<br />

akzeptierende Annahme (vgl. Rogers) sein, wobei<br />

der/die KlientIn die Richtung des Kontaktes und professionelles<br />

Handeln mitbestimmt.<br />

Wie Schneider (1989b, S.175) beschreibt, ist „ein ausgeglichenes<br />

Verhältnis zwischen Nähe und Distanz“ zum /zur<br />

KlientenIn erforderlich, eine Gratwanderung zwischen eigenem<br />

Hintergrund und eigener Meinung beim Betreuer<br />

bei gleichzeitigem non-direktivem Ansatz im KlientInnenkontakt,<br />

wobei dem Gegenüber die Freiheit zum eigenen<br />

Sein und Handeln belassen wird. Was erfordert, daß die<br />

ambivalenten Haltungen des/der KlientenIn seiner/ihrer<br />

Abhängigkeit gegenüber immer unterstützt werden sollten<br />

in Richtung eines gesünderen Lebens mit risikoärmerem<br />

Drogengebrauch und Verstärkung eines vom Klienten gewünschten<br />

drogenfreien Lebens. Der Wunsch nach Verän-<br />

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Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg.16. 1993 Nr.2/3 <br />

derung kann einzig von der Konsumentin kommen, fachkundig<br />

stützen und bei der Umsetzung helfen ist Aufgabe<br />

von Drogenhilfe. Wichtig dabei ist, daß Akzeptanz in der<br />

Drogenarbeit verstanden wird als eine „so unmißverständliche<br />

Haltung gegen Drogenmißbrauch, daß das ungesunde<br />

Verhalten nicht verstärkt wird und schon gar nicht die<br />

Hand zum Konsum verschriebener oder illegaler Drogen<br />

gereicht wird“ (Heckmann W (1987) zit. n. Herwig-Lempp,<br />

Stöver 1988, S.51).<br />

4. Akzeptanz einer selbstreflektierenden und sich selbstveröffentlichenden<br />

Haltung von DrogenberaternInnen<br />

Akzeptierende Drogenarbeit besonders im Bereich Offener<br />

Kontaktladenarbeit verlangt eine Haltung bei Betreuerpersonen,<br />

die immer wieder sich selbst reflektiert (vgl.<br />

Quensel, 1990, S.10f) und sich selbst als ganze Person im<br />

KlientInnenkontakt einbringt.<br />

Supervidierende und intervidierende Arbeit wie der selbstreflexive<br />

Umgang muß zum Ziel haben, bei BetreuernInnen<br />

entstehende Prozesse unmittelbar und mittelbar zu<br />

KlientInnen aber auch klientenunabhängige berufliche und<br />

private Entwicklungen zu hinterfragen. Sinnvolle, effektive<br />

Arbeit mit Drogenakzeptanz kann nur konstant erhalten<br />

bleiben und führt weder zum burn-out-Syndrom noch zu<br />

Überidentifikation oder zu einer „distanzierten Betrachtung<br />

der Heroinabhängigen als Erklärungsobjekte“ (Schneider<br />

1989b, S.175), wenn betreuereigene Befindlichkeiten,<br />

Haltungen und Handlungsweisen überprüft, d.h. hinterfragt<br />

werden.<br />

Drogenakzeptanz ist eine klientennahe, stark einfühlende<br />

jedoch auch abgegrenzte Haltung, die psychische Energien<br />

bei DrogenberaternInnen aktiviert. Diese Energien müssen<br />

mit laufenden Erfahrungen wieder in die Gesamtpersönlichkeit<br />

integriert werden, was die Gefahr von Überlastungen<br />

und Instabilität mit sich bringt. Um dem<br />

entgegenzuwirken und eine sichere Gratwanderung zwischen<br />

Nähe und Distanz zum/zur KlientenIn zu gewährleisten,<br />

wird eine stete Leistung an Selbstreflexion<br />

verlangt.<br />

Unter der Maßgabe von Selbstveröffentlichung wird die<br />

Bereitschaft des Betreuungspersonals verstanden, sich<br />

selbst als ganze Person mit benannten Gefühlen, Einstellungen<br />

und Handlungsweisen im KlientInnenkontakt darzustellen.<br />

Quensel (1990, S.11), der diesen Begriff prägte,<br />

spricht davon, sich dem Gegenüber zu seinen Gefühlen zu<br />

bekennen, ohne andererseits die KlientInnen einseitig als<br />

Objekte auszunutzen. Ein Beziehungsangebot mit Akzeptanz<br />

des Anderen kann nur entstehen, wenn ich mich<br />

als „echte“, kongruente Beziehungspartnerin mit eigenen<br />

Emotionen und Einstellungen zur Verfügung stelle.<br />

Die Erfahrungen mit Abhängigen machen deutlich, wie<br />

wichtig im Umgang mit ihnen einerseits die Abgrenzung<br />

der eigenen Person ist, da häufig die Grenzen im Kontakt<br />

verschwimmen. Andererseits verlangen sie Reibung und<br />

Abgrenzung zum Gegenüber, um sich selbst deutlicher<br />

wahrnehmen zu können.<br />

Akzeptierende Drogenarbeit kann nur wirklich annehmend<br />

sein, wenn die sich gegenseitig bedingenden Faktoren von<br />

Selbstreflexion und Selbstveröffentlichung von DrogenberaternInnen<br />

ernstgenommen werden. Kann ich mich als<br />

Betreuende in meiner Subjektivität annehmen und darstellen,<br />

ist dies die Voraussetzung, um Drogenabhängige im<br />

Kontakt als Individuen mit ihren eigenen Bedingungen<br />

ernstzunehmen. Erlebe ich mich als prozeßhaft gebundenes<br />

Wesen, kann ich Entwicklungen und Veränderungen<br />

bei KlientInnen wahrnehmen. Sich der eigenen Subjektivität<br />

bewußt zu sein, macht akzeptierende Drogenarbeit<br />

erst möglich.<br />

2. Rahmenbedingungen von Kontaktladenarbeit<br />

Die Entstehung und die fortlaufende Arbeit des Essener<br />

Kontaktladens war bzw. ist von der Vorgabe bestehender<br />

äußerer Rahmenbedingungen entscheidend abhängig.<br />

2.1 Öffentliche Rahmenbedingungen<br />

Ein Kontaktladen wie das Essener Beispiel kann in einer<br />

Kommune nur dann erfolgreich sein, wenn kommunalen<br />

Stellen wie Politik dieses Projekt tragen. Grundvoraussetzung<br />

für den Start einer solchen Einrichtung ist, daß die<br />

unterschiedlichen Stellen miteinander in Kommunikation<br />

stehen und bereit sind, auch bei auftretenden Schwierigkeiten<br />

konstruktive Lösungsstrategien zu entwickeln.<br />

In Essen liegen günstige Voraussetzungen vor, daß kommunale<br />

Strukturen, wie Gesundheitsamt, Polizei etc., und<br />

Politik die Arbeit des Kontaktladens unterstützen. In der<br />

Vergangenheit wurde bei Schwierigkeiten besonnen reagiert<br />

und versucht, sich im Gespräch auszutauschen.<br />

Stellen, an denen es zu Dissonanzen und Problemstellungen<br />

kam, waren z. B. vermehrt auftretender Handel im Kontaktladen,<br />

Schwierigkeiten mit der umliegenden Kaufmannschaft,<br />

Probleme obdachloser Jugendlicher.<br />

Die angrenzende Nachbarschaft von Kontaktläden sollte<br />

durch Kontaktpflege, Information und Appelle an Verständnis<br />

und Mitmenschlichkeit mit den Betreibern von<br />

Kontaktläden im Gespräch bleiben und günstigenfalls einbezogen<br />

werden. Ein Kontaktladen kann sich als Belastungspunkt<br />

für die Nachbarschaft herausstellen<br />

(Krankenwageneinsätze, intoxikierte Personen, herumliegender<br />

Müll .etc.). Bei der Raumsuche können eindeutige<br />

Kriterien für das Errichten eines Kontaktladens von vornherein<br />

wesentliche Streßfaktoren ausschließen (nicht in<br />

direkter Nähe von Kindergärten, Grundschulen etc.). So<br />

müssen, um den Fortbestand eines Kontaktladens zu<br />

sichern, dauerhaft Kooperationsgespräche auf allen Ebenen<br />

stattfinden.<br />

2.2 Finanzielle Rahmenbedingungen<br />

Zu Beginn des Modellvorhabens stellte das Land NRW im<br />

Jahr 1990 eine Anschubfinanzierung zur Verfügung. In den<br />

folgenden Jahren sicherte ein Sockelbetrag von DM<br />

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Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg.16. 1993 Nr.2/3 <br />

150.000,- die Basisfinanzierung. In der dreijährigen Erprobungsphase<br />

stellte sich heraus, daß der in der Planung zu<br />

erwartende Zulauf des Projektes bei weitem übertroffen<br />

wurde. Sinnvolle Arbeit mit Ausblick auf Perspektive und<br />

Bestand humaner Arbeitsplätze war nicht immer gewährleistet,<br />

konnte in der Folgezeit jedoch den Notwendigkeiten<br />

adäquat angepaßt werden. Große Anstrengung und Kreativität<br />

des Vorstandes, der Geschäftsführung, Fachleitung<br />

und der Mitarbeitschaft unseres Vereins und die wohlwollende,<br />

freundliche Unterstützung durch öffentliche Stellen<br />

der Stadt Essen und des MAGS‘s konnten den Fortbestand<br />

des „Krisencafés“ sichern. Schwierige Umstände ließen<br />

sich bisher zufriedenstellend kompromißhaft lösen. Der<br />

finanzielle Sockelbetrag des Landes wurde durch zusätzlich<br />

beantragte Gelder bei der Kommune im Bereich von<br />

Personal- und Sachkosten abgesichert.<br />

2.3 Politisch-juristische Rahmenbedingungen<br />

Die Arbeit im Kontaktladen beeinflussen am nachhaltigsten<br />

die vorgegebenen politischen, sprich gesetzlichen<br />

Bedingungen. Die Arbeit wird permanent durch sie bestimmt.<br />

Niedrigschwellig angelegte, akzeptierende Arbeit<br />

mit nahem Kontakt zum drogenbestimmten Klientel spürt<br />

repressive Haltungen.<br />

Auf der Grundlage bestehender Gesetzgebung, die<br />

DrogenkonsumentInnen verfolgt und sanktioniert, wird<br />

Akzeptierende Drogenarbeit ad absurdum geführt und<br />

verlangt vom Betreuungspersonal artistische Balanceakte.<br />

Im Kontaktladen werden die Abhängigen, ihr Konsum wie<br />

ihr Konsumverhalten angenommen und es wird versucht,<br />

auf die Individuen keinen Veränderungsdruck aufzubauen.<br />

Andererseits werden gleichzeitig bestehende Gesetze übertreten,<br />

müssen Regeln, wie etwa Konsumverbot, im Laden<br />

eingehalten werden. Diese unüberbrückbaren Divergenzen<br />

bemühen sich die MitarbeiterInnen, an der Schnittstelle<br />

Kontaktladen zu überbrücken.<br />

Den Menschen, die brav ihren Konsum und einen Großteil<br />

ihres drogenbedingten Lebensstils außerhalb lassen, d.h.<br />

die sich an vorgegebene Spielregeln halten können, begegnet<br />

Akzeptanz und Wohlwollen; diejenigen, die mit von uns<br />

ausgegebenen Spritzen im Laden konsumieren, trifft der<br />

interne Sanktionsapparat, das „Hausverbot“. Hausverbote<br />

entstehen aus Anpassungsdruck, sind Zugeständnisse an<br />

bestehende Gesetze. Einerseits verlangt die Akzeptierende<br />

Drogenarbeit die volle Annahme der KlientInnenbedingungen<br />

und verbietet sich Einmischung und Bevormundung,<br />

andererseits zwingen Schwarzmarkt und Repressionspolitik<br />

zu Interventionen in Richtung von Veränderung<br />

des Lebensstiles. Ein Spannungspol, an dessen<br />

einem Ende die Akzeptierende Drogenhilfe steht, am anderen<br />

das juristische System mit seinen Bestrafungssystem.<br />

Polizeiliche Verfolgungs- und Ermittlungsaktionen bestimmen<br />

Klima und Arbeit im Offenen Bereich. Von außen<br />

gesetzte Bedingungen an Stigmatisierung, Verfolgung und<br />

Inhaftierung äußern sich in hohem Maß in aggressivem<br />

und frustrativem Potential beim Klientel. Der Kontaktbereich,<br />

individuell oft als Schutzraum erlebt wird, wird zur Fluchtecke<br />

vor gesellschaftlichen Bedingungen, wo von einigen<br />

wenigen Professionellen Akzeptanz geübt wird.<br />

Akzeptierende Drogenarbeit als Alibifunktion für die Notwendigkeit<br />

gesellschaftlicher Umdenkungsprozesse? Drogenarbeit<br />

zerrieben zwischen Realität und Anspruch? Oder<br />

hat Drogenarbeit eine Vorreiterposition für einen<br />

Perspektivenwechsel auch in gesellschaftlichen Strukturen?<br />

Gesamtgesellschaftlich haben Drogenabhängige ein Recht<br />

auf Akzeptanz, ihre Rechte als gleichberechtigte Bürgerinnen<br />

und Bürger sind abzusichern.<br />

Soll akzeptierende Drogenhilfe sinnvoll sein und ist der<br />

Ansatz jeglichen Bemühens von Drogenhilfe, körperlichem,<br />

seelischem und sozialem Abbauprozeß entgegenzutreten,<br />

muß die Forderung heißen, daß Drogenabhängige<br />

1. vom Gesetz als KonsumentInnen von illegalen<br />

Drogen nicht verfolgt und sanktioniert werden (kein<br />

Justizdruck) und daß sie<br />

2. zu Veränderungen, d.h. zum Lösen von Drogenbindungen,<br />

gesetzlich nicht gezwungen werden(kein<br />

Abstinenzdruck).<br />

3. Beschreibung der Angebots-Struktur des Essener<br />

Kontaktladens<br />

Der Kontaktladen stellt den BesucherInnen eine Vielzahl<br />

von Angeboten zur Verfügung, die sich in zwei Hauptbereiche<br />

kategorisieren lassen: Angebote im Versorgungsbereich<br />

und Angebote im psychosozialem, pädagogischen Bereich.<br />

3.1 Angebote im Versorgungsbereich<br />

Das Essener Modellvorhaben war von Beginn an schwerpunktmäßig<br />

auf ein breites Angebot im Versorgungsbereich<br />

ausgerichtet.<br />

Hintergrund dieser Planung war die Überlegung, daß aktuell<br />

Drogenabhängige, die sich durch einen Kontaktladen<br />

angesprochen fühlen, in der Regel in einem Zustand sind,<br />

wo durch Drogenkonsum das Bewußtsein für regelmäßiges<br />

gesundes Essen und Trinken, für Gesundheitshygiene<br />

sowohl im direkten körperlichen Bereich als auch im Konsumverhalten<br />

in den Hintergrund getreten ist. Erwartet<br />

wurden vor allem obdachlose, stark verelendete KonsumentInnen<br />

in schlechter körperlicher wie seelischer Verfassung.<br />

Diesen Menschen ist der Laden auch ein drogenfreier<br />

Schutzraum geworden, wo sie kurzzeitig, fort vom Alltagsstreß<br />

der Drogenbeschaffung sich ausruhen. Ziel ist, Grundlagen<br />

dafür zu schaffen, daß die Zeit des Drogenkonsums<br />

gesund überstanden, gesundheitliche Risiken auf ein Minimum<br />

reduziert werden könnten.<br />

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1. Ernährung<br />

Durch das Angebot eines warmen, täglichen Mittagstisches<br />

und einer kleinen Auswahl leichter Dessertspeisen<br />

wurden die BesucherInnen an eine gesündere, tägliche<br />

Ernährung herangeführt.<br />

Die anfängliche Befürchtung, Drogenabhängige seien nicht<br />

in der Lage, normale Mischkost zu vertragen, hat sich als<br />

unbedenklich erwiesen. In den Jahren seit der Eröffnung<br />

konnten wir ein starkes Bedürfnis der BesucherInnen nach<br />

alltäglicher gutbürgerlicher Küche feststellen; nachgefragt<br />

wird ein Mittagessen, wie es früher von daheim erinnert<br />

wird. Obwohl häufig nur eine Mahlzeit am Tag eingenommen<br />

wird, wird unsere deftige Küche gut vertragen. Nach<br />

einer Überprüfung durch die Ernährungsberaterinnen der<br />

AOK Essen im Jahr 1990 wurden wir in unserem Angebot<br />

eines hochkalorischen, frischen Mittagstisches bestärkt.<br />

Eine Großzahl der StammbesucherInnen kommt vor allem<br />

wegen des täglichen Essens. Die Essensausgabe umfaßt<br />

die gesamte Öffnungszeit. Zwischen 30-35 Mahlzeiten, an<br />

Spitzentagen bis zu 45 werden täglich zu einem Preis von<br />

DM 2,50 für eine Normalportion und zu DM 1,50 für eine<br />

kleine Portion herausgegeben. Apfel- und Orangensaft,<br />

Wasser, zwei Limonaden und Kaffee werden zum Preis<br />

von DM 0,50 verkauft. Tee (Kräuter- und Schwarztee) ist<br />

kostenlos; im Sommer ist Eistee im Programm. Ergänzt<br />

wird die Essenspalette durch den Verkauf eines Quarkspeise<br />

mit Frucht und kaltem bzw. warmem Milchreis mit<br />

Zucker und Zimt (kleine Portion DM 0,50, große Portion DM<br />

1,-). Am Tag bereitet das Küchenpersonal ca. 8 kg Quarkspeise<br />

und 4 kg Milchreis zu.<br />

Dieses umfangreiche Standardprogramm im Nahrungsbereich<br />

absorbiert reichliche Arbeitskraft. Der in unserem<br />

Kontaktladen ganztägig arbeitende Koch ist eine zentrale<br />

Integrationsfigur geworden. Aus dieser Funktion heraus,<br />

der zu sein, der Mahlzeiten kocht und ausgibt, entwickelte<br />

sich ein hohes Maß ihm entgegengebrachtes Vertrauen.<br />

Während die anderen MitarbeiterInnen oftmals Angriffsfläche<br />

für negative Emotionen sind, bleibt die Person des<br />

Kochs unangetastet. Durch ihn erzeugte Einschränkungen<br />

wurden fast kritiklos akzeptiert. Diese Erfahrungen legen<br />

nahe, daß dem Koch in seiner „Nahrung spendenden<br />

Funktion“ die projektive Rolle der „guten, versorgenden<br />

Mutter“ (vgl. Klein 1971, 1983; Winnicott 1974) zukommt,<br />

die zuverlässig und präsent für Geborgenheit, Ernährtwerden<br />

und Sicherheit steht. Somit hat der Nahrungsbereich<br />

nicht nur die materielle Bedeutungsebene des realen Essenangebotes,<br />

sondern erfährt darüber hinaus eine symbolisch-psychologische<br />

Dimension.<br />

2. Körperhygiene<br />

Ergänzt wird der Versorgungsbereich durch die Möglichkeit,<br />

sich zu duschen, Wäsche zu waschen und zu trocknen.<br />

Der vorhandene Duschbereich wird regelmäßig genutzt;<br />

von uns werden Duschschaum und Handtücher,<br />

auch Monatshygiene für Frauen, Einmalrasierer und Rasierschaum<br />

für Männer kostenlos zu Verfügung gestellt.<br />

Die BesucherInnen nutzen diese Möglichkeit sowohl zur<br />

Körperreinigung als auch zum Kleidungswechsel. Vor allem<br />

obdachlose DrogengebraucherInnen machen davon<br />

Gebrauch.<br />

In unregelmäßigen, sporadischen Abständen schneiden<br />

zwei Userinnen mit Friseurausbildung gegen ein kleines<br />

Entgeld den BesuchernInnen die Haare.<br />

Zwischen Essen, Duschen oder sonstiger Körperpflege<br />

wird die Wäsche gewaschen und getrocknet. Für diesen<br />

Service inclusive Waschpulver zahlen die KonsumentInnen<br />

insgesamt DM 1,-. Die anfänglich einzige Waschmaschine<br />

mußte durch eine weitere ergänzt werden. Beide Maschinen<br />

sind im Dauergebrauch.<br />

3. Gesundheitshygiene<br />

Im Sinne von Krankheitsprohylaxe werden Kondome und<br />

saubere Einmalspritzen vergeben. Die Gefahr der Ausbreitung<br />

des HIV-Virus, anderer Viruserkrankungen wie Hepatitis,<br />

Geschlechtskrankheiten etc. durch Geschlechtsverkehr<br />

oder durch das Benutzen gemeinsamer Spritzbestekke<br />

soll minimiert oder gänzlich verhindert werden. Durch<br />

saubere Einmalspritzen können auch die dem Drogenkonsum<br />

folgenden Erkrankungen wie etwa Venenabszesse<br />

und -entzündungen reduziert werden.<br />

Die Zahl der monatlichen Kondomvergabe liegt bei einem<br />

durchschnittlichen Wert von ca. 800 bis 1000 Stck. Zusätzlich<br />

zu der Vergabestelle in unserem Kontaktladen können<br />

Kondome am Automaten erworben werden. Vor allem<br />

Frauen und Männer, die sich prostituieren, werden damit<br />

zufriedenstellend erreicht.<br />

Die Vergabe und der Rücklauf von Spritzen ist in den<br />

Jahren seit Bestehen des Kontaktladens sukzessive angestiegen.<br />

Die breite Angebotspalette im Spritzenbereich<br />

entwickelte sich aus den Bedürfnissen der KonsumentInnen<br />

heraus. Nach wiederholten Teamdiskussionen kamen wir<br />

diesen Nachfragen entgegen. Sowohl Spritzgewohnheiten<br />

als auch individuelle anatomische Voraussetzungen machen<br />

dieses differenzierte Spritzsortiment sinnvoll.<br />

Die Möglichkeiten an öffentlichen Verkaufsplätzen, ohne<br />

Stigmatisierung, billig und den Wünschen entsprechend<br />

Spritzbestecke einzukaufen, sind gering. Viele Apotheken<br />

und Sanitätshäuser weigern sich, Drogenabhängige zu<br />

bedienen, verkaufen nur große Einheiten (etwa 100 Spritzen)<br />

oder gehen nicht auf die unterschiedlichen Käuferwünsche<br />

ein. Die Preise in diesen Häusern sind sehr hoch.<br />

Analog zur Angebotsvielfalt in Auswahl von Spritzbestecken<br />

gibt es auch einen differenzierten Kauf- und Umtauschmodus.<br />

Will eine Klientin eine Spritze, kann sie die für DM<br />

0,50 kaufen. Bringt sie eine alte, gebrauchte im Rücklauf<br />

mit, ist die neue kostenfrei. Es wird somit immer eine alte<br />

gegen eine neue getauscht. Stichprobenzählungen im<br />

November 1991 und 1992 ergaben, daß monatlich rund<br />

3000 gebrauchte Spritzen zurückgegeben und gegen neue<br />

getauscht werden. Die Zählungen im Juli 1993 ergaben<br />

einen täglichen Rücklauf von ca. 800 bis 1000 Spritzen.<br />

Werden gebrauchte Spritzen zurückgebracht, ohne daß<br />

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Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg.16. 1993 Nr.2/3 <br />

neue getauscht werden sollen, wird im Kontaktladen pro<br />

gebrauchter Spritze ein „Pfand“ von 0,20 DM gezahlt.<br />

Somit entstand ein weiterer Anreiz zum Spritzenrücklauf.<br />

Durch den finanziellen Anreiz sammeln einige der BesucherInnen<br />

sowohl eigene gebrauchte Spritzen als auch<br />

die auf Straßen und Plätzen herumliegenden und „verdienen“<br />

sich ein Mittagessen.<br />

Da überwiegend getauscht wird, ist der Kauf von Spritzen<br />

nicht wesentlich angestiegen. Die monatliche Zahl liegt bei<br />

ca. 900 neu erworbenen Spritzen. Beim Spritzenkauf werden<br />

die KäuferInnen darauf hingewiesen, daß sie alte<br />

gegen neue Spritzen kostenfrei tauschen können. Sie<br />

werden auf Risiken von Spritzgewohnheiten aufmerksam<br />

gemacht (eine Spritze für mehrere Drucks; Gebrauch von<br />

Insulinspritzen, Abszeßbildungen etc.).<br />

Durch unsere Informationspolitik und das differenzierte<br />

Angebot sowohl in Auswahl wie Umtausch konnte ein<br />

hoher Rücklauf an gebrauchten Spritzen verzeichnet werden.<br />

Der Kontaktladen ist neben anderen Stellen (Automaten;<br />

Spritzenvergabe in unserer Beratungsstelle, der AH.<br />

etc.) der ausgewiesene Ort für Spritzenver- und -entsorgung<br />

geworden.<br />

Die gute Annahme zeigt sich auch daran, daß zum alltäglichen<br />

Klientel immer häufiger Personen aus anderen<br />

Städten und sozial angepaßte, unauffällige UserInnen<br />

auftauchen, die den Kontaktladen nur für den Spritzenkauf/<br />

-umtausch aufsuchen. In Gesprächen mit dieser Gruppe<br />

wurde wiederholt geäußert, wie erleichternd es sei, problemlos<br />

und ohne Scham an neue Spritzen zu kommen<br />

und alte abzugeben.<br />

Bei einem erweiterten Finanzrahmen sollten konsequenterweise<br />

Alkoholtupfer zum Desinfizieren von Einstichstellen<br />

zusammen mit der Spritzenausgabe vergeben werden.<br />

4. Wundverbände<br />

In den 3 Öffnungsjahren hat der Bereich der Wundversorgung<br />

wesentlich zugenommen. Unterstützt durch die fachlichen<br />

Kenntnisse von Honorarkräften und PraktikantInnen<br />

aus dem Pflegebereich ließ sich eine gut ausgestattete<br />

Hausapotheke für die Behandlung von Wunden, Abzessen,<br />

Prellungen etc. aufbauen. Hauptsächliche werden<br />

Verbände erneuert, Salbenverbände angelegt, kleine<br />

Wunden desinfiziert und gepflegt, Venenabszesse notdürftig<br />

versorgt und zur Behandlung an Ärzte überwiesen.<br />

Mit KlientInnen, die andere Erkrankungen aufweisen und<br />

ärztlich versorgt werden müssen, führen wir Gespräche,<br />

die verstärkt auf den nötigen Arztbesuch hinweisen. Bei<br />

Hemmungen, Ärzte aufzusuchen, werden Kontakte hergestellt<br />

bzw. suchen wir zusammen mit den KlientInnen Ärzte<br />

auf.<br />

Der Bereich Wundversorgung nimmt täglich einen personellen<br />

wie zeitlichen Raum in Anspruch. Er konzentriert<br />

sich überwiegend auf MitarbeiterInnen, die die Wundversorgung<br />

routiniert leisten können. Die anfallenden Kosten,<br />

um den Bestand an notwendigen Desinfektions- und Pflegemitteln<br />

aufrechtzuhalten, sind hoch.<br />

Unser Ziel, eine ärztliche Sprechstunde einzurichten, scheiterte<br />

bisher an finanziellen, personellen und räumlichen<br />

Bedingungen. Den Übergangszustand ohne ärztliche Mitarbeit<br />

versuchen wir aufzufangen, indem bei Stellenneubesetzungen<br />

vorzugsweise BewerberInnen berücksichtigt<br />

werden, die Pflegekenntnisse nachweisen können.<br />

5. Kleiderkammer<br />

Eine Kleiderkammer wird seit Beginn des Kontaktladens<br />

geführt und rege angenommen.<br />

KonsumentInnen können in ihrem hektischen, kostenintensiven,<br />

drogenbestimmten Alltag kaum die Sorge für<br />

Kleidung und Aussehen aufrechterhalten. Ihnen dient die<br />

Kleiderkammer zur Grund- und Neuausstattung. Nach<br />

einer Dusche nehmen sie sich neue Unterwäsche und<br />

Oberbekleidung. Falls vorhanden gibt es auch Schuhe.<br />

Prinzipiell profitieren vor allem obdachlose UserInnen von<br />

diesem Service.<br />

Bestückt wird die Kleiderkammer durch MitarbeiterInnen,<br />

Eltern, KonsumentInnen und Bekannte. Neu im Angebot<br />

sind Kinderkleidung, Kinderschuhe und Spielzeug. Selten<br />

können Decken, Schlafsäcke, Bettwäsche, Handtücher<br />

angeboten werden.<br />

3.2 Angebote im psychosozialem Bereich<br />

Während im versorgenden Bereich vorab Grundannahmen<br />

zur Festlegung des Angebotes gemacht wurden, stand der<br />

pädagogische Raum für die auftretenden Bedürfnisse der<br />

KlientInnen offen. Die Erfahrungen der alten Teestube, die<br />

17 Jahre eine bestehende Einrichtung in der Beratungsstelle<br />

war, flossen in das neue Projekt ein, ohne jedoch<br />

Maßstäbe setzen zu wollen. Grundlage von pädagogischem,<br />

auch sozialarbeiterischem Handeln sollte ein echtes<br />

Beziehungsangebot sein, das die Lebenswelt der<br />

KonsumentInnen und die daraus hervorgehenden Bedürfnisse<br />

und Thematiken berücksichtigt.<br />

Beabsichtigt war eine Arbeit, die von Drogenabhängigen<br />

und ihrer Abhängigkeit eine „lebensweltorientierte Sichtweise“<br />

entwickelt, den „drogeninduzierten Lebensstil“ (vgl.<br />

Schneider) akzeptiert und eine „Begleitung der Sucht“ für<br />

einen vielleicht angestrebten Weg „aus der Sucht heraus“<br />

(TUdrop 1984, zit. in Schneider 1984, S.229) darstellt.<br />

Kontakthalten (vgl. Petzold, Hentschel 1990, S.15) und<br />

Beziehungskonstanz sollte auch in der Zeit der harten<br />

Abhängigkeit Vertrauen aufbauen, dem Klienten das Gefühl<br />

geben, daß er als ganze Person, nicht nur in seiner<br />

Eigenschaft als Abhängiger wahrgenommen wird.<br />

1. Beziehungs- und Gesprächsangebote<br />

An jedem Öffnungstag sind in der Regel zwei pädagogische<br />

MitarbeiterInnen und ein(e) JahrespraktikantIn, die<br />

ganztägig für Gespräche und als Beziehungspersonen zur<br />

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Verfügung stehen. Auch die MitarbeiterInnen des Versorgungsbereiches,<br />

die hinter dem Verkaufstresen stehen,<br />

stellen Kontakt her, der jedoch alltagsbezogen ist.<br />

Die Gesprächsangebote der Pädagogen sind auf den<br />

Betroffenen zentriert, Bedeutungen für Handlungen und<br />

Gefühle werden herausgearbeitet, es kommt zu Integration<br />

als ichfremd erlebter Anteile etc. Der Ansatz der Professionellen<br />

ist fachlich ausgerichtet.<br />

Die Vorgehensweise ist jeweils abhängig von dem Wunsch<br />

des Klienten, Kontakt aufzunehmen. Dabei werden alle<br />

Ebenen der Kontaktaufnahme berücksichtigt: Es gibt solche<br />

KlientInnen, die vorbeikommen, hallo rufen<br />

und schon dabei sind, Beziehung herzustellen, genauso<br />

wie jene, die tagelang nur Blickkontakt halten. Vorsichtig<br />

muß dabei das Maß der Kontaktaufnahme bzw. -rücknahme<br />

dosiert werden. Bei manchen Menschen ist es nötig zu<br />

warten, bis sie von allein kommen; bei anderen wiederum<br />

ist direktes Hingehen und Nachfragen angemessen.<br />

Die Art und Weise der professionellen Beziehungsaufnahme<br />

und des Kontakthaltens berücksichtigt die Wesenheit<br />

und die momentane Situation der Betroffenen.<br />

Die Gefahr in einem durch hohe Fluktuation gekennzeichneten<br />

Kontaktladen ist, daß die MitarbeiterInnen sich auf<br />

„Stammkunden“ beziehen, andere selten Kommende bzw.<br />

wenig Auffallende werden eher vernachlässigt. Teamsitzungen,<br />

die besonders diese Thematik problematisieren,<br />

halfen das zu verhindern.<br />

Desweiteren kommt es beim Personal zu Ermüdungserscheinungen,<br />

wenn der Personalschlüssel gering und die<br />

Besucherzahl hoch sind und viele Streßsituationen im<br />

Arbeitsalltag erlebt werden. Unserer Erfahrung nach neigen<br />

dann MitarbeiterInnen verstärkt dazu, nicht flexibel und<br />

offen auf KlientInnen zuzugehen, sondern aus Selbstschutz<br />

und mangelnder psychischer Flexibilität eine starre,<br />

rigide Rolle einzunehmen bzw. überidentifiziert mit dem<br />

Klientel Abgrenzungsschwierigkeiten und Suchtsymptome<br />

zu zeigen.<br />

Bei regelmäßiger Arbeit im Kontaktladen stellen sich<br />

Verarbeitungsmuster heraus, die sowohl den Selbstschutz<br />

der MitarbeiterIn stärken als auch positiv auf ihr Gefühl von<br />

Wohlsein einwirken. Diese Faktoren sind dringend notwendig,<br />

wenn der Beziehungskontakt zum Klienten und zur<br />

Klientin produktiv und echt sein soll.<br />

Es braucht keine Scheu zu bestehen, dem Klienten mitzuteilen,<br />

wenn der Mitarbeiter sich einmal unwohl fühlt bzw.<br />

Probleme hat. Je mehr ich mich als ganze Person wahrnehme<br />

und mich darüber „selbstveröffentliche“, desto mehr<br />

Möglichkeiten hat der andere, sich auch als ganze Person<br />

zu erleben. Gerade abhängige Menschen neigen dazu,<br />

unlustvolle und schambesetzte Anteile, Traurigkeit, Sorgen<br />

und ungeliebte Eigenschaften, Gefühle der Insuffizienz<br />

abzuspalten bzw. zu verdrängen. Indem ich Einblick in<br />

meine Binnenwelt und mein äußeres Leben gewähre, wird<br />

er ermutigt, diese Anteile bei sich wahrzunehmen, zu<br />

integrieren und erlebbar zu machen. Bei dieser Interventionsform<br />

muß jedoch berücksichtigt werden, daß nicht die<br />

Mitarbeiterin, sondern der Konsument mit seinen Angelegenheiten<br />

im Zentrum des Kontaktes steht .<br />

In der Kontaktladenarbeit haben wir eine weite Spanne von<br />

konkreten Beziehungsausformungen kennengelernt: Enge,<br />

intensive Beziehungen, fast Betreuungsverhältnissen gleich,<br />

mit tiefgehenden, themenbezogenen Gesprächen, wo der<br />

Kontakt sowohl aufgenommen wird, um einfach mal zu<br />

reden, als auch offensiv Hilfe gefordert und gezielt Informationen<br />

abgefragt werden. Daneben stehen Personen, die<br />

lange Anlaufphasen brauchen, bis sie Kontakt aufnehmen,<br />

der sich dann sukzessive intensivieren kann. Personen, die<br />

auf der Ebene eines „small talk“-Kontaktes verbleiben<br />

wollen, aus Gründen, die Selbständigkeit und ausreichend<br />

individuelle Ressourcen genauso beinhalten können wie<br />

tragende soziale Netze, so daß professionelle Hilfe nicht<br />

gebraucht wird. Gezielt nur Hilfe und Information nachfragende<br />

Kontakte, gleichberechtigt neben solchen, die<br />

Alltagsprobleme (neue Heizung in der Wohnung, Schminken,<br />

Kleidung, Diät bei Hepatitis etc.) ansprechen. Dann<br />

gibt es noch jene KlientInnen, die hereinkommen, Zeitung<br />

lesen, etwas Essen, beobachten und wieder gehen, stille<br />

Beobachter, die den gebotenen Service nutzen, Kontakte<br />

jedoch nicht eingehen. So vielfältig wie unser Klientel sind<br />

die Ausprägungen an Beziehungen, die entstanden sind.<br />

Themen der Gespräche und Beratungen kreisen überwiegend<br />

um<br />

* banale Alltagsprobleme<br />

* Musik, Film, Konzerte, Sport, Bücher etc.<br />

* Politik, politische Neuigkeiten, gesellschaftliche Stigmatisierung<br />

* Scene-Neuigkeiten<br />

* Themen wie Connections, Stoff, Feelings, gemachte<br />

Erfahrungen<br />

* Beschaffung, Beschaffungsdruck, Prostitution, Gelegen-heitsprostitution<br />

* Gewalt und sexueller Mißbrauch auf der Scene<br />

* somatische Erkrankungen und Spritzprobleme<br />

* Gefühlzustände, seelische Erkrankungen<br />

* Gefahren der Infektion durch Spritzen, durch Geschlechtsverkehr<br />

etc., safer use, safer sex<br />

* körperliche Gefährdung durch Spritzgifte, Alkohol,<br />

Nikotin; seelische Aspekte von Sucht<br />

* Bedeutung von gesunder Ernährung, Sport etc.<br />

* alte, als traumatisch erlebte Ereignisse<br />

* schöne, auch durch oder mit Drogen gemachte<br />

Erfahrungen<br />

* soziale Beziehungen (Partner, Eltern, Freunde, Kollegen)<br />

* Erziehungsprobleme mit eigenen Kindern<br />

* Wohnung, Wohnungssuche, Unterkunft, Schlafplatz<br />

* Erfahrungen mit Ämtern (Wohnungs-, Sozial-, Gesundheits-,<br />

Arbeitsamt)<br />

* Ausbildung- und Arbeitsstelle, schulisch-berufliche<br />

Perspektiven<br />

* Entgiftungen, zukünftiges Cleansein, Wege zum<br />

Cleanwerden, Perspektiven als CleanEr, Ängste<br />

vor dem Cleansein<br />

* Leben vor der Drogenzeit, Beginn des Konsums, alte<br />

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clean-Phasen, drogeninduzierte Veränderungen,<br />

Rückfälle<br />

* gemachte oder angestrebte Therapien (ambulant,<br />

stationär)<br />

* Erleben von körperlicher und seelischer Gewalt und<br />

sexuellen Übergriffen in Therapien<br />

* Haftzeiten, Erfahrungen mit Anwälten, Gerichten,<br />

Polizei, Zeiten in Landeskrankenhäusern<br />

* Phantasien, Wünsche, Visionen etc.<br />

Der Kontaktladen hat auch die Bedeutung, ein Raum zu<br />

sein, wo soziale Neuigkeiten ausgetauscht und Kontakte<br />

geschlossen, wo Grüße und Informationen ausgerichtet<br />

und weitergeleitet werden. Allgemein eine Anlaufstelle, wo<br />

die Leute sicher sein können, daß sie Interesse, Mitgefühl<br />

wie Hilfe finden.<br />

2. Kriseninterventionen und Krisenbewältigung<br />

Viele Abhängige verfügen kaum über tragende Beziehungen,<br />

was in Krisenzeiten besonders schmerzlich spürbar<br />

wird. Um so wichtiger ist es dann, bei Professionellen Hilfe<br />

und Unterstützung zu finden. Manchmal sind zeitlich begrenzte<br />

Kriseninterventionen ausreichend, oft muß für<br />

Tage und Wochen Stützfunktion gegeben werden.<br />

Wird diese Aufgabe übernommen, ist zuvor abzuklären,<br />

inwieweit diese außerordentliche Belastung durchzuhalten<br />

ist und der Person Konstanz und Halt im verbindlichen<br />

Kontakt gewährt werden kann.<br />

Gemeinsam ist den Bemühungen, dem Klienten Raum für<br />

seine traumatischen Erlebnisse zu geben, sie im Gespräch<br />

verarbeitbar zu machen und ihnen eine realistische Dimension<br />

zu geben. Empathisches, wohlwollendes Annehmen<br />

der Klientin in ihrem Schmerz, ihrer Angst, ihrem Entsetzen<br />

ist dabei Grundvoraussetzung. Sowohl bei Kriseninterventionen<br />

wie Krisenbewältigungen müssen wir bereit<br />

sein, als BegleiterInnen dem Klienten bei der Rekonstruktion<br />

seiner Erlebnisse und der Heftigkeit ausgelöster Emotionen<br />

beizustehen.<br />

In einer zweiten Stufe wird an die individuellen Stärken und<br />

Ressourcen angeknüpft, um positive Kräfte und Selbstheilungstendenzen<br />

zu aktivieren. Oftmals löst dieser Schritt<br />

neue, auch heftige Gefühle (Wut, Haß etc.) aus, deren<br />

Erleben wiederum gestützt werden sollte.<br />

Der letzte Schritt beinhaltet das Einbinden der gemachten<br />

Erlebnisse und Gefühle in den konkreten Lebensalltag<br />

bzw. in das Lebenskonzept des Individuums. Dadurch<br />

bekommen die Erlebnisse eine neue Dimension, und es<br />

entwickeln sich Lösungs- oder Vermeidungsstrategien.<br />

In der Arbeit mit Drogenabhängigen ist ein sicheres methodisches<br />

Vorgehen bei Kriseninterventionen fachliche Bedingung.<br />

Zum einen neigen Abhängige dazu, Erlebnisse,<br />

Vorfälle überdimensional und unrealistisch wahrzunehmen,<br />

daß es unangemessen zu beängstigenden Krisen mit<br />

Überreaktionen kommt. Andererseits erleben sie drogenbestimmt<br />

viel Leid, Grausamkeiten, Ungerechtigkeiten und<br />

menschliche Katastrophen.<br />

Immer wiederkehrende Themen von Kriseninterventionsgesprächen<br />

umreißen die Bereiche<br />

* Tod, Krankheit, Sterben, Unfälle<br />

* Suizidale Neigung, narzißtische Krisen<br />

* Überdosis, Entzugshalluzinationen<br />

* Trennung, Enttäuschung in Partner- und Freundschaft<br />

* schreckliche Erlebnisse von Gewalt, Sadismus,<br />

extremen sexuellen Anforderungen bei Prostitution<br />

und Gelegenheitsprostitution<br />

* Phasen mit starkem Ekel vor Drogen und Konsum<br />

* Vergewaltigung, physischer und psychischer Mißbrauch,<br />

Gewalterlebnisse<br />

* gewaltsame Trennung von Kindern<br />

* Obdachlosigkeit<br />

* Rückfälle nach Cleanphasen, Therapieabbrüche<br />

* Bestehlen etc. von Eltern, Partnern, Großeltern<br />

* bedrohliche Erlebnisse mit Staatsorganen<br />

* bedrohliche Erlebnisse auf der Scene, mit Dealern,<br />

Skin heads etc.<br />

* Verlust von Arbeits- und Ausbildungsstelle.<br />

Zu einer Krisenintervention mit Drogenabhängigen gehört<br />

unter Umständen auch, darauf hinzuweisen, daß in Zeiten<br />

schwer zu verarbeitender Erlebnisse oder scheinbar hoffnungsloser<br />

Situationen es dazu kommen kann, daß der<br />

Wunsch nach erhöhtem Konsum besteht. Mit dem Klienten<br />

sollten dann Strategien entwickelt werden, wie es für ihn<br />

machbar ist, diese Zeiten unbeschadet, ohne Überdosierungen<br />

zu überleben.<br />

Sind Personen so stark suizidal, daß positive Aspekte<br />

gänzlich fehlen, sollte die Möglichkeit einer vorrübergehenden<br />

Hospitalisierung nicht tabuisiert und mit ihnen<br />

durchgesprochen werden. Meiner Erfahrung nach sind<br />

viele KlientInnen bereit, auch diesen Weg zuzulassen, da<br />

oftmals der Wunsch besteht, in Krisen versorgt zu sein und<br />

Ruhe zu haben. Dann wird geprüft, wie eine Hospitalisierung<br />

etwa durch Entgiftung bzw. Substitution und Unterbringung<br />

in Ruhehäusern (vgl. Schneider 1992, S. 29) realisiert<br />

werden kann.<br />

3. Informationen und lebenspraktische Hilfen für<br />

KlientInnen<br />

Mit Quensel (1990, S.11) übereinstimmend halte wir in der<br />

Kontaktladenarbeit die Bereitstellung von Informationen<br />

und lebenspraktischer Hilfe tragend für die Entstehung von<br />

vertrauensvollen Beziehungen. Es ist schon erstaunlich,<br />

wieviel Dankbarkeit von KlientInnen geäußert wird, wenn<br />

sofort und unbürokratisch geholfen wird.<br />

Ob ein Brief geschrieben werden muß, bei einer Antragstellung<br />

geholfen werden kann, ob Faden und Nähzeug oder<br />

Briefumschlag mit Papier gegeben wird, Einkaufsmöglichkeiten<br />

genannt werden, der Sozialhilferegelsatz nachgerechnet<br />

wird, ob Rat bei Makeup oder Frisur eingeholt oder<br />

ein Kinderwagen repariert wird, ob über regionale Alternativen<br />

von stationären Entgiftungen informiert wird, lebenspraktische<br />

Hilfen werden von den BesuchernInnen dankbar<br />

aufgenommen und geben dem Betreuer das gute, in<br />

der Drogenberatung nicht alltägliche Gefühl von Nützlichkeit<br />

und sichtbarem Ergebnis.<br />

26


Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg.16. 1993 Nr.2/3 <br />

4. Weiterleitung von KlientInnen an andere Stellen<br />

Im Rahmen der Kontaktladenarbeit ist die Vermittlung und<br />

Weiterleitung des Klientels an weiterführende Hilfe unabdinglich.<br />

Es wird zum einen an die Beratungsstelle und den<br />

hauseigenen Drogenhilfeangeboten weitergeleitet oder der<br />

Kontakt zu externen Stellen aufgebaut.<br />

Aus der Überleitung an externe Stellen und der intensiven<br />

Beschäftigung mit der individuellen Lebenssituation ergibt<br />

sich über den Rahmen der Kontaktladenarbeit hinaus die<br />

vom Klienten geforderte Notwendigkeit, ein Betreuungsverhältnis<br />

bei der Beratungsstelle anzusiedeln und einen<br />

Behandlungsplan zu entwickeln.<br />

Aus der Beantwortung von Fragen und Überweisung an<br />

andere Einrichtungen, also aus der Darstellung scheinbar<br />

abgegrenzter, singulärer Probleme erwächst häufig die<br />

Gesamtheit katastrophaler, chaotischer Lebensumstände.<br />

Bemerken die Klienten beim Offenlegen ihrer bedrückenden<br />

Lebensumstände, daß der oder die Professionelle<br />

bereit ist, dieses Dickicht an Problemen zu ertragen<br />

und zu halten und sehen sie, daß sogar geordnete Wege<br />

herausführen können, äußern sie gern den Wunsch nach<br />

fester Betreuung.<br />

Dann erfolgt eine Überleitung an die Beratungsstelle unseres<br />

Vereins, die in der Regel unproblematisch verläuft, da<br />

die Mehrzahl unserer Beschäftigten durch die Kontaktladenarbeit<br />

persönlich bekannt ist. Muß auf die feste<br />

Betreuung gewartet werden, wird der Kontakt zur Betreffenden<br />

im Kontaktladen gehalten und intensiviert und<br />

können unregelmäßige Gespräche in der Beratungsstelle<br />

wahrgenommen werden.<br />

Wird ein festes Betreuungsverhältnis jedoch nicht nachgefragt<br />

und ist die Problemstellung begrenzt, wird im Rahmen<br />

der Kontaktladenarbeit eine Vermittlung an externe Hilfsstellen<br />

hergestellt. Hilfreich für die BetreuerInnen sind<br />

dabei gute Kontakte und die Übersicht über die Infrastruktur<br />

kommunaler Hilfsdienste. Die betreffenden Stelle über<br />

die spezielle Arbeit im Kontaktladen zu informieren und sie<br />

von bestehender, herkömmlicher Beratungsarbeit abzugrenzen,<br />

muß bei der Überleitung berücksichtigt werden.<br />

Kennen die Hilfsdienste sowohl Struktur wie Inhalt unserer<br />

Arbeit und werden sie vor Inanspruchnahme darauf<br />

hingewiesen, kommt es zu einem reibungsloseren Ablauf<br />

der Vermittlung und nicht zu Enttäuschungen und unrealistischen<br />

Erwartungen.<br />

Vermittelt wird an kommunale Stellen der sozialen Dienste,<br />

wie etwa Sozial- und Wohnungsämter, Allgemeiner Sozialdienst,<br />

Stellen für die Hilfe bei Räumungsklagen und<br />

Obdachlosigkeit, Jugend- und Gesundheitsamt, Aidshilfen,<br />

Ärzte und Kliniken, Selbsthilfegruppen, Schuldner- und<br />

Arbeitslosenberatungen, Mieterschutzbund, Familienpflegestelle,<br />

Arbeitsamt, Gericht und Bewährungshilfe,<br />

Haftentlassenenhilfe, Polizei, Jugendberufshilfe etc.<br />

Die Kontaktladenarbeit zeigt im Arbeitsalltag und Routine<br />

deutlich, wie defizitär und unflexibel die Vernetzungsstruktur<br />

von Drogenhilfe ist. Niedrigschwellig angesiedelte Kontaktladenarbeit<br />

verlangt für eine sinnvolle, auf die Bedürfnisse<br />

und die Selbstheilungskräfte der KonsumentInnen<br />

abgestimmte Drogenarbeit ein differenziertes Angebot an<br />

Hilfe.<br />

Anders als Hentschels These (1989, S. 1), daß niedrigschwellige<br />

Angebote eingeführt wurden zur Senkung der<br />

Zugangsvoraussetzung des herkömmlichen Drogenhilfesystems<br />

und somit eine „Funktionalisierung niedrigschwelliger<br />

Angebote im Dienste traditioneller Drogenarbeit“ (vgl. dazu<br />

auch Schneider 1989a, 108-109) initiiert wird, zeigt die<br />

Essener Erfahrung zweierlei:<br />

* Um Glaubwürdigkeit und Sinnhaftigkeit dieses<br />

Arbeitsansatzes nicht zu gefährden, sollte akzeptierende<br />

Drogenarbeit im Kontaktladen auch nicht<br />

unausgesprochen „von vornherein als Motivationsarbeit<br />

in Richtung Abstinenz konzipiert werden“<br />

(ders., a.a.O.), sondern es muß „auf vordergründige<br />

Cleanansprüche“ (Hoffmann-Bayer, 1989,<br />

S.66) verzichtet werden. Abstinenz wird nur dann<br />

angesprochen, wenn die Beteiligten es wollen, wird<br />

jedoch nicht zur Voraussetzung (vgl. auch Schmidt<br />

1987, S.163). Dem zufolge ist Kontaktladenarbeit<br />

keine Zulieferarbeit für auf Drogenabstinenz ausgerichtete<br />

Behandlungskonzepte, sondern will drogenabhängigen<br />

Menschen Hilfe anbieten, ohne die<br />

Hilfen von hohen Auflagen, wie etwa Clean-Ansprüchen<br />

abhängig zu machen. Die Kontaktladenarbeit<br />

basiert auf Voraussetzung der Akzeptierenden Drogenarbeit<br />

und verlangt ein Umdenken in einen<br />

anderen perspektivisch neuen Ansatz von Drogenhilfe.<br />

* Die Kontaktladenarbeit bewirkt weder eine Senkung<br />

noch Erhöhung von Schwellen herkömmlicher Drogenarbeit.<br />

In Essen wurde traditionell akzeptierend<br />

und schwellenarm gearbeitet. Aufgrund der gestiegenen<br />

Nachfrage und des proportional nicht entsprechend<br />

ausgestatteten Drogenhilfesystems wurden<br />

zwangsläufig die Zugangsvoraussetzungen<br />

erhöht (Warten auf Vermittlung in Entgiftung und in<br />

stationäre Therapien etc.). Kontaktladenarbeit zeigt<br />

uns durch das Erreichen einer Zielgruppe mit eigenen<br />

Vorstellungen von Drogenhilfe, die nicht automatisch<br />

in die Abstinenzrichtung zielen, überdeutlich, wie fragmentär<br />

und undifferenziert das Ver-netzungssystem<br />

herkömmlicher Drogenhilfe ist. Nicht die schwellenbesetzen<br />

Voraussetzungen für Hilfe werden beabsichtigt<br />

beeinflußt, sondern die defizitäre einseitige<br />

Struktur des herkömmlichen Drogenhilfesystems wird<br />

aufgezeigt, u.a. im Bereich von therapieunabhängigen<br />

warmen und kalten Entgiftungsplätzen, Notschlafstellen,<br />

Krisen-wohnungen und Einrichtungen des betreuten<br />

Wohnens für aktuell abhängige und substituierte<br />

KlientInnen, speziellen Angebote für Frauen und<br />

drogenabhängige Eltern mit Kindern, im Bereich von<br />

Arbeitsprogrammen für abhängige, substituierte sowie<br />

drogenfreie KlientInnen, in wartezeitarmen stationären<br />

Therapiemöglichkeiten, im Ausbau von ambulanter<br />

Therapie- und Tagesklinikplätzen sowie kostengeregelten,<br />

niedrigschwellig angesiedelten Substitutionsprogrammen<br />

etc.<br />

27


Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg.16. 1993 Nr.2/3 <br />

5. Angebote für Verwandte, PartnerInnen und Freunde<br />

von KlientInnen<br />

Seit Bekanntwerden des Kontaktladens auch in der regionalen<br />

Öffentlichkeit wenden sich verstärkt Eltern und<br />

PartnerInnen von Abhängigen an das Team des Kontaktladens.<br />

Unterschiedliche Fragestellungen bringt diese<br />

Menschen dazu, bei uns Rat, Information und Unterstützung<br />

zu suchen.<br />

Häufig steht der Wunsch dahinter, zum (erwachsenen)<br />

Sohn oder zur Tochter wieder Kontakt aufzunehmen. Wir<br />

sehen unsere Aufgabe auch darin, mit drogenfreien Bezugspersonen<br />

unserer Klientel zu arbeiten. Ausgangslage<br />

ist dabei die Überlegung, eine Rückkopplung an private<br />

und familiäre Ressourcen zu erzielen und in Richtung von<br />

Unterstützung und Stabilisierung sozialer Stützsysteme zu<br />

intervenieren (vgl. dazu Schneider 1989b, S. 172).<br />

Jedoch ist Voraussetzung bei jeglicher Intervention, daß<br />

die KlientInnen von dem Eltern- bzw. PartnerInnengespräch,<br />

natürlich unter Berücksichtigung der schweigepflichtigen<br />

Gesprächsanteile, informiert werden und auch bereit sind,<br />

Kontakte mit den Bezugspersonen aufzunehmen.<br />

Bei Verneinen werden Informationsgespräche bzw. Beratungsgespräche<br />

mit den Bezugspersonen geführt,<br />

um ihnen zu ermöglichen, ihre Anteile, Emotionen und<br />

Handlungen im bezug auf das Suchtgeschehen des Abhängigen<br />

zu problematisieren. Versucht wird, einen auf die<br />

Angehörigen fokussierten Standpunkt zu erarbeiten, der<br />

die auf Sucht und ihrer Folgedynamik gerichtete Sichtweise<br />

aufgibt zugunsten einer Zentrierung auf eigene Bedürfnisse<br />

und Grenzen. Gegebenenfalls wird an eine Angehörigenselbsthilfegruppe<br />

verwiesen.<br />

3.3 Angebote im Informations- und unterhaltenden Bereich<br />

Seit Bestehen des Essener Kontaktladens haben wir Angebote<br />

im Freizeit, Unterhaltung und Information gemacht.<br />

Dazu gehörten sporadisch zustandekommende Fußballspiele<br />

und Discoabende, eine Kanufahrt auf der Ruhr<br />

genauso wie eine Fahrt mit Interessierten zur Sternwarte<br />

Bochum. Obwohl ein reges Interesse bei der Planung<br />

bestand, mußte festgestellt werden, daß die mit viel zeitlichem,<br />

organisatorischem und letztlich finanziellem Aufwand<br />

betriebenen Angebote von einigen wenigen genutzt<br />

werden konnten. Festgelegte termingebundene Veranstaltungen<br />

können im drogenbestimmten Lebensrhythmus<br />

nur eingehalten werden, wenn zuvor Geld- und Drogenvorrat<br />

sichergestellt sind.<br />

Aufgrund von Arbeitsbedingungen und den Schwerpunkten<br />

unserer Arbeit sahen wir im weiteren von solchen<br />

Aktivitäten ab zugunsten einer Hinwendung zu regelmäßigen,<br />

im Kontaktladen stattfindenden Angeboten. So entstand<br />

das dienstags regelmäßig laufende Videoangebot,<br />

was von den KlientInnen zahlenmäßig gut besucht wird.<br />

Unsere Negativerwartung, daß die Kinozeit vor allem mit<br />

„Abhängen“, Dealen etc. genutzt würde, ist nicht eingetreten.<br />

Zwar kommt es auch zu diesen Verhaltensweisen,<br />

jedoch überwiegt das Interesse am Film. Sicherlich muß<br />

bei einem solchen Angebot berücksichtigt werden, zu<br />

welcher Zeit die hauptsächliche Beschaffung getätigt wird.<br />

Neu in unserem Angebot sind regelmäßige, monatlich<br />

erfolgende Informationsangebote etwa zu den Themenschwerpunkten<br />

wie safer use, Aidsprophylaxe, Sozialrecht,<br />

Verhalten bei Vergewaltigung und Umgang mit<br />

Gericht und Polizei. Referenten sind entweder hausinterne<br />

MitarbeiterInnen bzw. auswärtige Fachkundige. Außerdem<br />

wird an Versuche angeknüpft, rechtskundliche und<br />

sozialrechtliche Beratungen anzubieten.<br />

4. Besucherstatistik<br />

Wie in Beratungsstellen üblich wird auch im Essener<br />

Kontaktladen eine Besucherstatistik geführt. Die hier ausgewerteten<br />

Daten beziehen sich auf den Zeitraum von 15.<br />

Februar 1990, erster Öffnungstag, bis zum 31. Dezember<br />

1992.<br />

In den Tabellen 1 bis 3 sind, nach Männern, Frauen und<br />

Kindern aufgeschlüsselt, die BesucherInnen monatsweise<br />

aufgeführt. Zusätzlich werden Angaben zu monatlichen<br />

Öffnungstagen und Krankenwageneinsätzen gemacht.<br />

Tab. 1: Besucherstatistik 1990 (Werte bei 1212 Öffnungsstunden)<br />

Monat Männer Frauen Kinder Summe der Kranken- Öffnungs- Anteil Anteil Anteil<br />

Besucher wagen tage Männer in % Frauen in % Kinder in %<br />

Feb. 262 117 10 389 0 10 67,4 30,0 2,6<br />

März 1 122 482 15 1 619 8 23 69,3 29,8 1,0<br />

April 1 122 408 17 1 547 6 18 72,5 26,4 1,1<br />

Mai 1 092 416 8 1 516 7 21 72,0 27,4 0,6<br />

Juni 1 151 443 17 1 611 7 19 71,4 27,5 1,1<br />

Juli 478 209 6 693 5 11 69,0 30,2 0,8<br />

Aug. 937 343 13 1 293 2 19 72,5 26,5 1,0<br />

Sept. 892 358 8 1 258 3 21 70,9 28,5 0,6<br />

Okt. 839 336 10 1 185 3 22 70,8 28,4 0,8<br />

Nov. 1 152 397 16 1 565 10 20 73,6 25,4 1,0<br />

Dez. 1 036 362 10 1 408 4 19 73,6 25,7 0,7<br />

Summe 10 083 3 871 130 14 084 55 203 ——- ——- ——-<br />

Mittelwert 917 352 12 1 280 5 18 71,6 27,5 0,9<br />

28


Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg.16. 1993 Nr.2/3 <br />

Auffällig ist, daß im Jahre 1990 der Kontaktladen von<br />

14084 KlientInnen besucht wurde (vgl. Tab.1). Im Vergleich<br />

dazu liegen die Zahlen von 1991 bei 11 529 und 1992<br />

bei 12 583 BesucherInnen (vgl. Tab.2 und 3). Die hohe<br />

Gesamtbesucherzahl von 1990 ist einerseits durch den<br />

Neuheitseffekt dieses neu installierten Angebotes zu erklären.<br />

Andererseits konnte durch lange Öffnungszeiten eine<br />

große Anzahl BesucherInnen erreicht werden. Im Jahr<br />

1990 war der Kontaktladen 1212 Stunden für BesucherInnen<br />

geöffnet.<br />

Tab. 2: Besucherstatistik 1991 (Werte bei 835 Öffnungsstunden)<br />

Monat Männer Frauen Kinder Summe der Kranken- Öffnungs- Anteil Anteil Anteil<br />

Besucher wagen tage Männer in % Frauen in % Kinder in %<br />

Jan. 1 047 428 7 1 482 1 22 70,7 28,9 0,4<br />

Feb. 1 140 395 13 1 548 4 19 73,6 25,6 0,8<br />

März 695 266 14 975 4 16 71,3 27,3 1,4<br />

April 862 326 13 1 201 5 19 71,8 27,1 1,1<br />

Mai 510 254 4 768 1 19 66,4 33,1 0,5<br />

Juni 578 298 6 882 1 20 65,5 33,8 0,7<br />

Juli 484 228 5 717 1 21 67,5 31,8 0,7<br />

Aug. 378 157 5 540 1 15 70,0 29,1 0,9<br />

Sept. 581 221 1 803 4 22 72,4 27,5 0,1<br />

Okt. 586 247 16 849 2 23 69,0 29,1 1,9<br />

Nov. 566 248 4 818 2 17 69,2 30,3 0,5<br />

Dez. 682 252 12 946 6 19 72,1 26,6 1,3<br />

Summe 8 109 3 320 100 11 529 32 232 —— —— ——<br />

Mittelwert 676 277 8 961 3 19 70,3 28,8 0,9<br />

Aufgrund der anfänglich langen Öffnungszeiten und der<br />

sehr guten Annahme durch das Klientel entstand eine<br />

Situation überdimensionaler Personal- und Sachbelastungen.<br />

Die Planung hatte 20 bis 25 BesucherInnen pro Tag<br />

vorgesehen, tatsächlich kamen zwischen 60 und 110<br />

BesucherInnen vorwiegend in den kalten Monaten. Daraus<br />

ergab sich ein dringender Umstrukturierungsbedarf.<br />

Im November 1990 konnten dann die notwendigen Maßnahmen<br />

ergriffen werden:<br />

1. Senkung der Öffnungszeiten<br />

2. Neueinstellung von Personal<br />

3. Zugangsbeschränkung.<br />

Durch die Senkung der Öffnungszeiten gingen die jährlichen<br />

Öffnungsstunden von 1212 in 1990, auf 835 im Jahr<br />

1991 und 907 Öffnungsstunden in 1992 zurück.<br />

Bei der Neueinstellung von Personal wurde eine Entlastung<br />

der pädagogischen Fachkräfte durch die Einstellung<br />

von Hilfskräften erreicht. Für den Versorgungsbereich wurde<br />

auf Arbeitsmaßnahmen von beschränkter Dauer (AB-,<br />

ASS-Maßnahmen) zurückgegriffen. Anfänglich wurden 2<br />

Hilfskräfte, später 4 eingestellt. Ab Oktober 1992 wurde die<br />

Anzahl auf 3 Hilfskräfte reduziert, da der Betreuungsaufwand<br />

bei dieser Form der Beschäftigung ein hohes Maß<br />

an pädagogischer Kapazität bindet. Geplant ist, diese Art<br />

der Beschäftigung bis auf eine Kraft zu beschränken.<br />

Tab. 3: Besucherstatistik 1992 (Werte bei 907 Öffnungsstunden)<br />

Monat Männer Frauen Kinder Summe der Kranken- Öffnungs- Anteil Anteil Anteil<br />

Besucher wagen tage Männer in % Frauen in % Kinder in %<br />

Jan. 901 320 17 1 238 1 22 72,8 25,8 1,4<br />

Feb. 961 291 18 1 270 2 20 76,3 22,9 0,8<br />

März 1 074 349 19 1 442 5 22 74,4 24,2 1,4<br />

April 933 309 16 1 258 0 20 74,2 24,6 1,2<br />

Mai 681 250 11 942 1 18 72,3 26,5 1,2<br />

Juni 707 323 22 1 052 1 20 67,2 30,7 2,1<br />

Juli 766 301 23 1 090 0 23 70,3 27,6 2,1<br />

Aug. 341 132 10 483 1 11 70,6 27,3 2,1<br />

Sept. 684 301 13 998 0 23 68,5 30,2 1,3<br />

Okt. 788 245 20 1 053 1 22 74,8 23,3 1,9<br />

Nov. 664 198 12 874 0 19 76,0 22,7 1,3<br />

Dez. 645 223 15 883 1 21 73,0 25,3 1,7<br />

Summe 9 145 3 242 196 12 583 13 241 —— —— ——<br />

Mittelwert 762 270 16 1049 1 20 72,7 25,8 1,5<br />

29


Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg.16. 1993 Nr.2/3 <br />

Ausgehend von der Menge der BesucherInnen und der<br />

auftretenden Aggressivität wurden Zugangsbeschränkungen<br />

eingeführt, so daß an einigen Tagen nicht mehr als<br />

ca. 60 BesucherInnen gleichzeitig im Kontaktladen verbleiben<br />

durften.<br />

Bei der Anzahl der Krankenwageneinsätze konnte durch<br />

pädagogische Intervention und gezielte Information der<br />

BesucherInnen erreicht werden, daß sich die Zahl der<br />

Einsätze von i.M. 5 pro Monat im Jahr 1990 auf .M. 3<br />

Einsätze im Jahr 1991 senken ließ. Im Jahr 1992 konnte<br />

eine weitere Senkung auf i.M. einem Einsatz pro Monat<br />

erreicht werden (vgl. Tab.1 bis 3).<br />

Der Anteil der von ihren drogenabhängigen Eltern/Müttern<br />

begleiteten Kleinkinder, die zur Mittagsmahlzeit den Kontaktladen<br />

aufsuchen dürfen, war 1990 und 1991 bei 0,9% der<br />

Gesamtbesucherzahl (vgl. Tab.1 und Tab.2). Im Jahr 1992<br />

ist der Anteil der Kinder auf 1,5% gestiegen (vgl. Tab.3).<br />

Ausgedrückt in absoluten Zahlen besuchten 130 Kinder in<br />

1990, 100 Kinder in 1991 und 1992 insgesamt 196 Kinder<br />

den Kontaktladen. Die Ursache für diese Steigerung ist<br />

nicht untersucht worden.<br />

Bild 1: Besucherzahlen von 1990 bis 1992<br />

BESUCHERZAHLEN 1990-1992<br />

1800<br />

1600<br />

1400<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

1991<br />

1992<br />

1990<br />

400<br />

200<br />

0<br />

Jan.<br />

Feb.<br />

März<br />

April<br />

Mai<br />

Juni<br />

Juli<br />

Aug.<br />

Sept.<br />

Okt.<br />

Nov.<br />

Dez.<br />

Die Besucherzahlen von 1990 bis 1992 sind im Bild 1 als<br />

Balken-/Liniendiagramm graphisch dargestellt. Diese Art<br />

der Darstellung wurde gewählt, um das Jahr 1990 explizit<br />

(Linie) darstellen zu können. Nahegelegt wurde diese Art<br />

der Darstellung durch die untypisch hohen Besucherzahlen<br />

im Jahr 1990. Zudem ist das Jahr 1990 offenbar nicht<br />

repräsentativ, da hier sowohl der Neuheitseffekt (Eröffnung)<br />

wie die oben beschriebenen Umstrukturierungen<br />

durchgeführt wurden (vgl. auch Bild 2). Die Jahre 1991 und<br />

1992 sind im Vergleich zu 1990 in Verlauf und Gesamtbesucherzahl<br />

ähnlich.<br />

Unabhängig davon zeigen alle 3 Kurven einen deutlichen<br />

Jahresverlauf mit hohen Besucherzahlen in der kalten<br />

Jahreszeit, besonders Januar bis März , und ein deutliches<br />

Sommerloch in der warmen Jahreszeit. In dieses Sommerloch<br />

wurden deshalb die 14-tägigen Betriebsferien gelegt.<br />

Im Jahr 1990 lag die Zahl der BesucherInnen bei rund 11,6<br />

pro Stunde. Diese Zahl steigerte sich in den Jahren 1991<br />

und 1992 auf eine annähernd konstante Größe von ca. 13,8<br />

BesucherInnen pro Stunde (vgl. Bild 2). Bei parallel verlaufender<br />

Reduzierung der Öffnungszeiten (1212 Std. Öffnung<br />

1990; 835 Std. 1991; 907 Std. 1992) und gleichzeitigem<br />

Sinken der absoluten Besucherzahlen (1990/14 084<br />

BesucherInnen; 1991/11529; 1992/12583) wurde der<br />

Besucherkontakt mit einer Zahl von rund 13,8 pro Stunde<br />

dichter.<br />

30


Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg.16. 1993 Nr.2/3 <br />

Bild 2: BesucherInnen pro Öffnungsstunde<br />

Besucher / Stunde<br />

14<br />

12<br />

10<br />

8<br />

6<br />

4<br />

2<br />

0<br />

1990 1991 1992<br />

Wie Tab.1 bis 3 zeigen, bewegt sich der prozentuale<br />

Frauenanteil bei rund 23 bis 34%. Der Jahresmittelwert<br />

liegt 1990 bei 27,5%, 28,8% in 1991 und 25,8% für das Jahr<br />

1992.<br />

Bild 3: Frauenanteil zur Gesamtzahl der Besucher 1990<br />

Besucher<br />

1200<br />

1990<br />

Frauenanteil in %<br />

35<br />

1000<br />

30<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

Besucher<br />

Frauenanteil<br />

0<br />

0<br />

Feb.<br />

März<br />

April<br />

Mai<br />

Juni<br />

Juli<br />

Aug.<br />

Sept.<br />

Okt.<br />

Nov.<br />

Dez.<br />

In den Bildern 3 bis 5 sind monatliche Besucherzahl und<br />

Frauenanteil als Balken-/Liniendiagramme für die Jahre<br />

1990 bis 1992 abgebildet. Die beiden Koordinatenachsen<br />

geben die absoluten Besucherzahlen und die zugehörigen<br />

Betrachtungsmonate wieder. Als zweite Y-Achse wurde<br />

am rechten Rand des Diagramms der relative Frauenanteil<br />

hinzugefügt.<br />

31


Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg.16. 1993 Nr.2/3 <br />

Bild 4: Frauenanteil zur Gesamtzahl der Besucher 1991<br />

Besucher<br />

1600<br />

1400<br />

1991<br />

Frauenanteil in %<br />

35<br />

30<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

Besucher<br />

Frauenanteil<br />

0<br />

0<br />

Jan.<br />

Feb.<br />

März<br />

April<br />

Mai<br />

Juni<br />

Juli<br />

Aug.<br />

Sept.<br />

Okt.<br />

Nov.<br />

Dez.<br />

Beim Anteil der Frauen im Verhältnis zur Gesamtbesucherzahl<br />

scheint es eine Abhängigkeit zu geben. Bei der<br />

Betrachtung der Bilder 3 bis 5 fällt auf, daß der Frauenanteil<br />

immer dann zu steigen scheint, wenn die Gesamtbesucherzahlen<br />

rückläufig sind. In den Sommermonaten wird<br />

diese Tendenz deutlich. Die subjektive Wahrnehmung der<br />

MitarbeiterInnen bestätigt dies.<br />

Diese Tendenz muß weiterhin beobachtet werden, da der<br />

Betrachtungszeitraum 1990 bis 1992 keine weitergehende<br />

Aussage zuläßt. Falls sich die oben angedeutete Vermutung<br />

bestätigen sollte, ist es dringend ratsam, für Frauen<br />

weitergehende Angebote mit frauenspezifischer Ausrichtung<br />

zu etablieren.<br />

Bild 5: Frauenanteil zur Gesamtzahl der Besucher 1992<br />

Besucher<br />

1600<br />

1400<br />

1992<br />

Frauenanteil in %<br />

35<br />

30<br />

1200<br />

1000<br />

800<br />

600<br />

400<br />

200<br />

25<br />

20<br />

15<br />

10<br />

5<br />

Besucher<br />

Frauenanteil<br />

0<br />

0<br />

Jan.<br />

Feb.<br />

März<br />

April<br />

Mai<br />

Juni<br />

Juli<br />

Aug.<br />

Sept.<br />

Okt.<br />

Nov.<br />

Dez.<br />

32


Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg.16. 1993 Nr.2/3 <br />

Der in den Bildern 3 bis 5 sichtbare Trend wurde versucht,<br />

durch eine Regressionsgerade zu veranschaulichen (vgl.<br />

Bild 6). Zugrundegelegt wurden lediglich die Jahre 1991<br />

und 1992. Auf die Auswertung des Jahres 1990 wurde<br />

wegen seines atypischen Verlaufes verzichtet.<br />

Bild 6:Beziehung zwischen prozentualem Frauenanteil und der absoluten Zahl männlicher Besucher 1991-1992<br />

Frauenanteil (%)<br />

34<br />

Beziehung zwischen Frauenanteil und männl. Besuchern<br />

(1991 - 1992)<br />

32<br />

30<br />

28<br />

26<br />

24<br />

22<br />

20<br />

300 400 500 600 700 800 900 1000 1100 1200<br />

männl. Besucher (pro Monat)<br />

Die Punkte in Bild 6 bestimmen sich über die absolute Zahl<br />

männlicher Besucher (x-Achse) und relativem Frauenanteil<br />

(y-Achse), berechnet für jeden Monat. Der Trendwert<br />

(lineare Regression) ist als Gerade eingefügt worden. 1 )<br />

Abzulesen ist, daß mit steigender Zahl männlicher Besucher<br />

der relative Frauenanteil sinkt.<br />

Die oben graphisch dargestellte Zusammenhang scheint<br />

den subjektiven Eindruck der MitarbeiterInnen zu bestätigen<br />

und bestärkt uns bei der Planung spezifischer Frauenangebote.<br />

Vorgesehen ist ein Frauentag, an dem bedürfnisorientiert<br />

spezielle Angebote gemacht werden und auf<br />

frauenspezifische Themen eingegangen werden kann.<br />

1<br />

)Der Korrelationskoeffizient hat den Wert von -0,524.<br />

5. Schlußbemerkungen<br />

Der Essener Kontaktladen, Beispiel für einen niedrigschwellig<br />

angelegten, akzeptierenden und klientenzentrierten<br />

Arbeitsansatz, wurde im Zeitraum seines Bestehens von<br />

1990 bis heute sehr gut angenommen.<br />

Die bis dahin schlecht erreichbare Zielgruppe abhängiger<br />

Menschen mit aktuell starker Drogenbindung, häufig obdachlos,<br />

verelendet, mit geringen sozialen Bezügen sowie<br />

langer Drogenerfahrung konnte erfolgreich angesprochen<br />

werden. Sowohl zu sehr jungen KonsumentInnen wie<br />

sogenannten „AltfixernInnen“ wurde Zugang entwickelt.<br />

Im Versorgungsbereich fand die breite Angebotspalette<br />

unerwartet hohe Akzeptanz. Der Kontaktladen wird als ein<br />

„Zuhause“ angenommen, wo eine „Guter-Vater-gute-Mutter-Projektionsfigur“<br />

fürsorglich erscheint und „tägliche<br />

Nahrung spendet“. Neben der konkreten Funktionsebene<br />

erhält der Kontaktladen eine weitere Dimension: Er ist<br />

Projektionsfläche für individuelle, unausgelebte Wünsche<br />

nach Versorgung, Annahme und Zuwendung, nach einem<br />

Zuhause.<br />

Entsprechend dem theoretischen Ansatz der Akzeptierenden<br />

Drogenhilfe werden in Essen unbürokratisch und<br />

flexibel in Bezug auf die BesucherInnen bedürfnis- und<br />

interessenorientiert Hilfs- und Gesprächsangebote zur<br />

Verfügung gestellt. Hilfe ist nicht abhängig von Veränderungswünschen<br />

und Forderungen nach Drogenfreiheit;<br />

Abstinenz und Drogenbindung rücken in den Hintergrund<br />

zugunsten einer Akzentuierung auf lebenspraktische Hilfen<br />

und schadensminimierende Strategien. Im Zentrum der<br />

Arbeit steht das Individuum in der Ganzheit seiner Lebensgeschichte,<br />

mit dem Interesse für seine Themen.<br />

33


Wiener Zeitschrift für Suchtforschung Jg.16. 1993 Nr.2/3 <br />

Schwerpunkt der pädagogischen Arbeit ist das Herstellen<br />

von Beziehungsangeboten, die individuell wahrgenommen<br />

werden. Die MitarbeiterInnen leisten Lebens- und Suchtbegleitung.<br />

Je nach Vermögen und Wunsch der Individuen<br />

werden intensive, vertrauensvolle Beziehungen mit hohem<br />

Betreuungsaufwand genauso hergestellt wie lockere, am<br />

Alltagsgeschehen orientierte Kontakte. Trotz der Gefahr<br />

großer Fluktuation bei generell hohen Besucherzahlen liegt<br />

der Schwerpunkt unserer Arbeit im Beziehungsaspekt, der<br />

Grundlage für eine weitergehende Öffnung der Abhängigen<br />

zu Gesprächsbereitschaft und Selbstreflektion ist. Erst<br />

durch den Aufbau einer Beziehung und dem Vertrauen, im<br />

Gespräch, Akzeptanz und Empathie zu finden, ist für viele<br />

drogenabhängige Menschen die Voraussetzung, sich mit<br />

belastenden und als unangenehm erlebten Themen zu<br />

beschäftigen und Hilfe zu erbitten.<br />

Kann kurzfristig angemessene Hilfe zur Verfügung gestellt<br />

werden, trägt die Beziehung. Der Mensch hat grundlegende<br />

Vertrauen in die Bindung, sich in der Ganzheit seiner<br />

Person zu zeigen. Lebens- und suchtinduzierte Probleme<br />

werden geäußert. Unsere Erfahrungen bestätigen die ambivalente<br />

Haltung bei Drogenabhängigen, sich zwischen<br />

den Polen von Aufhören und in-der-Sucht-verhaftet-sein zu<br />

bewegen. Glaubhafte und starke Impulse von Aufhören<br />

und Veränderungen konnten aufgegriffen und verstärkt<br />

werden. Ohne von professioneller Seite in der Intervention,<br />

die Droge, die Drogenbindung wie den Wunsch nach<br />

Veränderung in den Mittelpunkt des Beziehungskontaktes<br />

zu stellen, äußerte durchweg die Mehrzahl der Besucher-<br />

Innen den Wunsch nach Drogenfreiheit, Familienleben<br />

und Arbeit.<br />

DieÜberleitung zu weiterführenden, pluralistischen Drogenhilfsangeboten<br />

ist Bestandteil der Kontaktladenarbeit.<br />

Notwendig ist der Ausbau des Drogenhilfesystems mit<br />

flächendeckenden, differenzierten Angeboten und deren<br />

Vernetzung untereinander und mit externen Stellen. Neben<br />

den schwellenarm angelegten Kontaktläden werden vor<br />

allem Notschlafbetten und -wohnungen sowie unterschiedlich<br />

betreute Wohnprojekte benötigt, um der am stärksten<br />

verelendeten Zielgruppe der obdachlosen Abhängigen eine<br />

Unterstützung in Richtung Stabilisierung anbieten zu können.<br />

Ärztliche Fachambulanzen gewährleisten sowohl<br />

medizinische Untersuchung und Versorgung als auch niedrigschwellige<br />

Substitutionsmöglichkeiten. Qualifizierte<br />

Entgiftungsangebote mit medikamentengestützter Entzugsmöglichkeit<br />

ergänzen die bestehende Form der medizinisch<br />

begleiteten Entgiftung. Die herkömmlichen stationären<br />

Entwöhnungstherapien sollten strukturell wie methodisch<br />

erweitert und verändert werden hin zu flexibleren therapeutischen<br />

Angeboten, wie zum Beispiel ambulante intermittierende<br />

Psychotherapien in Einzel- und Gruppenarbeit, auch für<br />

Substituierte. Besondere Angebote für Frauen, für drogenabhängige<br />

Eltern mit Kindern wie für ausländische Bürger<br />

sollten in Konzeptionen genauso Berücksichtigung finden wie<br />

die Arbeit mit Angehörigen und die Unterstützung im Bereich<br />

von Selbsthilfe. Schwellenarme Arbeitserprobungsprogramme<br />

und Maßnahmen zur schulischen wie beruflichen Rehabilitation<br />

können weitere Impulse zur befriedigenden selbstbestimmten<br />

Lebensführung sein, die die Möglichkeit beinhaltet,<br />

selbstinitiiert Ausstiegsprozesse einzuleiten.<br />

Um die beim drogenabhängigen Menschen durch die<br />

Kontaktladenarbeit verstärkten und letztlich geäußerten<br />

Wünschen nach Hilfe und Unterstützung nicht ins Leere<br />

laufen zu lassen, sind weiterführende Einrichtungen zwingend<br />

notwendig. Dabei wird die gesamte Angebotspalette<br />

eines differenzierten Drogenhilfesystems angesprochen,<br />

das sich zwischen den Polen Abstinenz und .“mit-der-<br />

Droge-leben“ bewegt. Gesellschaftspolitische Umdenkungsprozesse<br />

müssen fortschreiten, wenn zukünftig die<br />

Maxime des Drogenhilfesystems generelle Anerkennung<br />

fände, den drogenabhängigen jungen Menschen dabei zu<br />

helfen, die drogenbestimmte Lebensphase möglichst schadensfrei<br />

zu überleben. Unkonventionelle, jedoch logische<br />

und konsequente Lösungswege sollten beschritten werden,<br />

damit die Individuen die drogenbestimmte Lebenszeit<br />

mit möglich geringen Folgeschäden für sich und die Gesellschaft<br />

überleben.<br />

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Dipl. Päd. Barbara Eifert<br />

Verein Krisenhilfe e.V.<br />

I. Weberstr. 23<br />

45127 Essen<br />

35

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