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Die letzte Kunstscheune - Bauhaus-Universität Weimar

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<strong>Die</strong> <strong>letzte</strong> <strong>Kunstscheune</strong><br />

Zur Sanierung des Prellerhauses<br />

In der Tradition ländlich geprägter Vorgängerbauten,<br />

eines Bau- und eines<br />

Heumagazins, entstand 1860 das erste<br />

Kunstschulgebäude, volkstümlich<br />

»<strong>Kunstscheune</strong>« genannt, wie auch das<br />

Prellerhaus als Fachwerk auf massivem<br />

Sockelgeschoss. Konstruktive und baukörperliche<br />

Ähnlichkeiten wie der Turmaufbau<br />

als Neorenaissancemotiv prägen bis<br />

heute das einzig verbliebene Gebäude aus<br />

der »Frühzeit« der <strong>Bauhaus</strong>-<strong>Universität</strong>.<br />

Nach damaligem Stand der Technik und<br />

Nutzung wurde 1870 das private Atelierhaus<br />

von K. A. Louis Preller errichtet. Mindestwärmeschutz<br />

und Tauwassersicherheit<br />

werden jedoch erst seit 2008 garantiert.<br />

Dabei zeigten die geflößten Hölzer des<br />

auf Verputz und Vormauerwerk konzipierten<br />

Ständerbaus nach 137 Jahren keine<br />

markanten Schädigungen, abgesehen von<br />

Folgen konstruktiver Fehleingriffe und<br />

jahrzehntelanger Vernachlässigung.<br />

Um Schadstellen wie Risse, Hohlräume<br />

oder bauphysikalisch kritische Anschlusspunkte<br />

denkmalgerecht beherrschen zu<br />

können, orientierten sich die Planer an<br />

der vorgefundenen Bauweise. Bruchsteinausmauerungen<br />

der Gefache, Vormauerwerk,<br />

Hinterfüllungen und Innenputze<br />

waren homogen auf Lehmmörtelbasis<br />

ausgeführt. Es war deshalb ein Sanierungsgebot,<br />

Innenputze zu reparieren<br />

und zu erneuern, als Außenwandinnendämmung<br />

eine Schilfrohrplatte diffusionsoffen<br />

zu integrieren und so die<br />

Lehmbautradition für komfortable Innenraumklimata<br />

neu zu erschließen.<br />

Henry van de Velde ließ, als er 1902<br />

nach <strong>Weimar</strong> kam, die Beletage des<br />

Prellerhauses umbauen und mit Korbbögen<br />

zu einem großen Atelierraum öffnen.<br />

Hier wurde das Kunstgewerbliche<br />

Seminar gegründet, von hier aus begann<br />

die Planung und Bauausführung seiner<br />

Hochschulbauten. Nach detailliert<br />

durchgeführten restauratorischen Untersuchungen<br />

konnte für die <strong>Bauhaus</strong>jahre<br />

keine Neugestaltung zugeordnet werden.<br />

Klar belegt ist dagegen die bauzeitliche<br />

Gesamtgestaltung des Hauses, als auch<br />

die Van de Velde’sche Raumfassung der<br />

Beletage. <strong>Die</strong>se Befundsituation und der<br />

umfangreiche Bestand an bauzeitlichen<br />

Türen, Treppen und Fensterbekleidungen<br />

führten zu der Entscheidung, den gründerzeitlichen<br />

Charakter des Atelierhauses,<br />

auch als Alleinstellungsmerkmal im<br />

Rahmen des Welterbe-Ensembles, wiederherzustellen,<br />

eingebettet darin die<br />

rückgebaute Gestaltungsschicht van de<br />

Veldes im ersten Obergeschoss.<br />

Für die äußere Würde des Hauses<br />

unverzichtbar war der Rückbau der<br />

großen Atelierfenster, einschließlich der<br />

Atelierdachfenster. Mangels originalen<br />

Bestands und infolge gestiegener Wärmeschutzansprüche<br />

wurde eine zweischalige<br />

Ausführung mit innenliegenden<br />

Metallschiebefenstern favorisiert. Neue<br />

architektonische Schichten entstanden<br />

durch Brandschutzforderungen, so die<br />

gläsernen Wandabschlüsse der Flure zum<br />

Treppenhaus und vor der Südfassade<br />

Galerien und Fluchttreppen hinter einem<br />

transparenten Wandschirm. Zu beachten<br />

ist die gebäudetypologische Affinität des<br />

Prellerhauses mit den benachbarten Neubaukuben<br />

hinsichtlich Grundrisszuschnitt<br />

und Funktionalität.<br />

Klaus Aschenbach<br />

Freier Architekt BDA<br />

Leben<br />

50<br />

<strong>Die</strong> Nordfassade des Prellerhauses. Foto: Michael Miltzow, Bildwerk Fotodesign <strong>Weimar</strong><br />

Bild: Aschenbach Architekten BDA


Der lange Weg zur Rekonstruktion<br />

Zur Finanzierung des Bauvorhabens Prellerhaus<br />

Über zehn Jahre stand das Prellerhaus leer.<br />

Ein Gutachter hatte schon festgestellt,<br />

dass dieses ehrwürdige Ateliergebäude<br />

nicht mehr zu erhalten ist und abgerissen<br />

werden sollte. Das anderslautende Gutachten,<br />

das den Weg für eine erfolgreiche<br />

Sanierung freimachte, wurde dankenswerterweise<br />

vom Honorarprofessor der Fakultät<br />

Bauingenieurwesen, Dr. Josef Trabert,<br />

erstellt. Inzwischen kann sich jeder nach<br />

etwa neun Monaten Bauzeit über das<br />

sanierte Gebäude freuen. Besonders natürlich<br />

die Mitarbeiter der Lehrstühle der<br />

Fakultät Architektur und der Bauformenwerkstatt,<br />

die in die sanierten Räume<br />

eingezogen sind.<br />

Wesentlicher Grund für die späte Realisierung<br />

der Baumaßnahmen war die ungeklärte<br />

Finanzierung. <strong>Die</strong> Begrenztheit<br />

der Mittel des Landes einerseits und der<br />

Finanzbedarf für große Bauvorhaben wie<br />

etwa auch die Sanierung des Van-de-Velde-<br />

Baus andererseits führten zu der Erkenntnis,<br />

dass im <strong>Bauhaus</strong>halt des Landes auch<br />

in den nächsten Jahren keine Mittel für das<br />

Prellerhaus zur Verfügung stehen würden.<br />

In dieser Situation wurden im IV. Quartal<br />

2006 durch die <strong>Bauhaus</strong>-<strong>Universität</strong> in<br />

Abstimmung mit dem Thüringer Kultusministerium<br />

(TKM) Sanierung und Finanzierung<br />

des Prellerhauses ausgeschrieben.<br />

Gesucht wurde ein Bauunternehmen,<br />

welches nicht nur die Sanierung durchführt,<br />

sondern auch durch eine Bank vorfinanzieren<br />

lässt.<br />

Im Ergebnis eines durch die <strong>Universität</strong><br />

und das TKM durchgeführten Verhandlungsverfahrens<br />

zur Vergabe dieser Leistung<br />

erhielt die Züblin AG im Juli 2007<br />

den Zuschlag. Mit etwa 1,1 Millionen Euro<br />

erwies sich das Angebot des Stuttgarter<br />

Bauunternehmens zur Sanierung des<br />

Prellerhauses als günstigstes. Am 19. Juli<br />

2007 unterzeichneten der Rektor Gerd<br />

Zimmermann und die Geschäftsführer der<br />

Niederlassung Jena der Züblin AG den<br />

Vertrag. Der Werklohn der Züblin AG<br />

wurde entsprechend den vertraglichen<br />

Regelungen gestundet und von der Deutschen<br />

Kreditbank (DKB) vorfinanziert. Er<br />

wird durch die <strong>Universität</strong> mit der Zahlung<br />

der Zins und Tilgung umfassenden<br />

Annuitäten innerhalb von 20 Jahren rückerstattet.<br />

<strong>Die</strong>se Vertragskonstruktion<br />

erlaubt eine Streckung der Zahlungen über<br />

einen längeren Zeitraum und hat damit<br />

die Sanierung überhaupt erst ermöglicht.<br />

Am Grundstücks- und Gebäudeeigentum<br />

des Freistaats Thüringen hat sich durch<br />

den Bau- und Finanzierungsvertrag nichts<br />

geändert.<br />

Dr. Thomas Bahr<br />

Thüringer Kultusministerium<br />

Treppenaufgang im Atelierhaus.<br />

Blick aus einem Atelierfenster<br />

Fotos (2): Amélie Berthaud<br />

Leben<br />

51<br />

Bild: Aschenbach Architekten BDA<br />

Ein transparenter Wandschirm prägt die Südfassade des Prellerhauses. Fotos: Michael Miltzow, Bildwerk<br />

Fotodesign <strong>Weimar</strong>

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