Der Wortschatz-Sammler. Strategietherapie bei lexikalischen ...
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Universität zu Köln<br />
Humanwissenschaftliche Fakultät<br />
Department Heilpädagogik und Rehabilitation<br />
Lehrstuhl Sprachbehindertenpädagogik in<br />
schulischen und außerschulischen Bereichen<br />
Prof. Dr. Hans-Joachim Motsch<br />
Dipl.Log. Tanja Brüll<br />
<strong>Der</strong> „<strong>Wortschatz</strong>sammler“: Lexikalische <strong>Strategietherapie</strong> im<br />
Vorschulalter<br />
Eine randomisierte vergleichende Interventionsstudie (2009-2010)<br />
Das Ziel dieses Forschungsprojekts ist der Vergleich der Effektivität einer <strong>lexikalischen</strong> <strong>Strategietherapie</strong><br />
mit der einer semantisch-phonologischen Elaborationstherapie für sprachentwicklungsgestörte<br />
Vorschulkinder.<br />
Theoretischer Hintergrund<br />
Etwa ein Viertel aller sprachentwicklungsgestörter Kinder zeigt Defizite im semantisch- <strong>lexikalischen</strong><br />
Bereich (Dockrell et al. 1998). Dennoch ist die Effektivität der eingesetzten Therapiemethoden<br />
insgesamt als unzureichend zu bezeichnen. Eine kombinierte semantisch-phonologische<br />
Elaborationstherapie zeigt zwar insgesamt die besten unmittelbaren Therapieeffekte für das geübte<br />
Wortmaterial; Generalisierungseffekte auf ungeübte Wörter konnten bisher jedoch nur in<br />
Ausnahmefällen erzielt werden (Glück 1993).<br />
Aus diesem Grund werden aktuell Therapieansätze favorisiert, in denen die Vermittlung von<br />
Strategien, mit denen die Kinder eigenständig ihr lexikalisches Wissen erweitern, differenzieren<br />
und abrufen können, im Mittelpunkt steht (Glück 2007, McGregor 1994, German 2002). Von<br />
solchen Interventionen wird erwartet, dass sie die Kinder dazu befähigen, ihr mentales Lexikon<br />
über den in der Therapie vermittelten exemplarischen <strong>Wortschatz</strong> hinaus zu erweitern.<br />
Während diese Art von Strategie- und Selbstmanagement- Therapie bereits für Kinder ab dem<br />
Schulalter eingesetzt wird (German 1992), wurde in der Literatur bisher die Meinung vertreten, dass<br />
Vorschulkinder aufgrund begrenzter metalinguistischer Fähigkeiten noch nicht zur eigenständigen<br />
Anwendung von Speicher- und Abrufstrategien in der Lage seien (Glück 1998). In einer an der<br />
Universität zu Köln durchgeführten Pilotstudie mit drei Vorschulkindern (Zimmermann 2008)<br />
sowie einer Einzelfalltherapiestudie mit einem vierjährigen Kind (Brüll 2007) konnte diese<br />
Annahme jedoch nicht bestätigt werden. Über das Lernen am Modell konnten alle Kinder die<br />
verwendeten Strategien zur Speicherung und zum Abruf zunehmend auch eigenständig einsetzen.
„<strong>Der</strong> <strong>Wortschatz</strong>sammler“<br />
Entwicklung<br />
Die Kinder und der Pirat Tom<br />
finden die Schätze in der Schatztruhe.<br />
Die Therapiemethode „<strong>Wortschatz</strong>sammler“ ist die erste<br />
lexikalische <strong>Strategietherapie</strong> für Kinder im Vorschulalter. Sie<br />
wurde von Motsch (2008) entwickelt und im Hinblick auf ihre<br />
Anwendbarkeit <strong>bei</strong> sprachentwicklungsgestörten Vorschulkindern<br />
in einer Pilotstudie überprüft (Zimmermann 2008). Die<br />
Ergebnisse der Pilotstudie zeigen, dass Kinder im Vorschulalter<br />
über das Lernen am Modell sehr gut die angebotenen Fragestrategien zur Erweiterung,<br />
Differenzierung und zum Abruf <strong>lexikalischen</strong> Wissens übernehmen können. Auch das spielerische<br />
und kindgerechte Format der Therapie wurde von den Kindern insgesamt gut aufgenommen.<br />
Besonders gut scheint es für die Altersgruppe der 4-5 jährigen Kinder geeignet zu sein.<br />
Ziele und Inhalte<br />
Die gefundenen Gegenstände<br />
werden ausprobiert.<br />
Die Therapiemethode <strong>bei</strong>nhaltet Elemente des<br />
Selbstmanagements, indem sie die Kinder über das Entdecken<br />
der eigenen <strong>lexikalischen</strong> Lücken zu eigenaktivem Lernen anregt.<br />
Darüber hinaus werden den Kindern Fragestrategien zur<br />
semantischen und phonologischen Elaboration und zur<br />
Kategorisierung neuer lexikalischer Einträge sowie Strategien zur<br />
Erleichterung des Abrufs <strong>bei</strong> fehlendem Zugriff auf vorhandene<br />
lexikalische Einträge vermittelt. Über Einbezug der Eltern soll<br />
zudem der Übertrag der erlernten Strategien in den Alltag<br />
erleichtert werden.<br />
Umsetzung<br />
In der Therapie gehen die Kinder mit dem Piraten Tom auf Schatzsuche. Da<strong>bei</strong> werden unbekannte<br />
Wörter gesucht, also Gegenstände und Handlungen, die dem Kind unbekannt sind oder deren<br />
Bezeichnungen ihm nicht zugänglich sind. Das Entdecken von unbekannten Wörtern wird zum<br />
Erfolgserlebnis! Über die Handpuppe Tom werden vielfältige Fragestrategien zur semantischen und<br />
phonologischen Elaboration und zur Kategorisierung sowie Strategien zur Erleichterung des Abrufs<br />
angeboten.<br />
<strong>Der</strong> Zauberer verzaubert die „Wortschätze“.
Interventionsstudie<br />
Ziel<br />
Die Studie vergleicht die Effektivität lexikalischer <strong>Strategietherapie</strong> mit der von semantischphonologischer<br />
Elaborationstherapie <strong>bei</strong> sprachentwicklungsgestörten Vorschulkindern.<br />
Design<br />
Es wird eine randomisierte und kontrollierte Gruppenstudie durchgeführt. Dazu werden die<br />
Probanden randomisiert der Experimentalgruppe 1 (EG1, lexikalische <strong>Strategietherapie</strong>), der<br />
Experimentalgruppe 2 (EG2, Elaborationstherapie) oder der Kontrollgruppe (KG, zunächst keine<br />
Intervention) zugeteilt.<br />
Probanden<br />
An der Studie nehmen insgesamt 80 vierjährige, monolingual deutsch aufwachsende,<br />
sprachentwicklungsgestörte Kinder mit Therapiebedarf im <strong>lexikalischen</strong> Bereich teil. In den <strong>bei</strong>den<br />
Experimentalgruppen sind dies je 28 Kinder, in der Kontrollgruppe 24 Kinder. Die Kinder wurden<br />
aus städtischen Kindertageseinrichtungen der Stadt Köln rekrutiert.<br />
Intervention<br />
Alle Kinder der Experimentalgruppen 1 und 2 erhalten innerhalb von 5 Wochen dreimal<br />
wöchentlich 30 Minuten Einzeltherapie in ihrer KITA. Zusätzlich finden ein bis zwei Termine zur<br />
Elternberatung<br />
statt. Zur<br />
optimalen<br />
Vergleichbarkeit<br />
der Therapiemethoden<br />
sind<br />
die Themen der<br />
einzelnen<br />
Stunden, das<br />
verwendete<br />
Material und die<br />
Zielwörter für<br />
alle Kinder<br />
gleich.<br />
Outcome<br />
<strong>Der</strong> unmittelbare<br />
Therapieeffekt<br />
wird über das<br />
Benennen der<br />
Therapieitems<br />
vor und nach der Therapie erfasst. Wichtiger ist darüber hinaus der Nachweis eines langfristigen<br />
Therapieeffekts, der sich als Generalisierung in standardisierten Tests zeigen kann. Dazu werden<br />
die Leistungen der Probanden in standardisierten und normierten Testverfahren 6 und 12 Monate<br />
nach Abschluss der Intervention verglichen.<br />
Erwartung<br />
Es ist davon auszugehen, dass durch <strong>bei</strong>de Therapiemethoden gute unmittelbare Lerneffekte für das<br />
geübte Wortmaterial erzielt werden. Darüber hinaus erwarten wir bessere langfristige<br />
Generalisierungseffekte für die lexikalische <strong>Strategietherapie</strong> „<strong>Wortschatz</strong>sammler“.<br />
Erste Ergebnisse werden im Herbst 2010 vorliegen.
<strong>Der</strong> <strong>Wortschatz</strong>- <strong>Sammler</strong>: Interventionsstudie zum Vergleich lexikalischer<br />
Strategie- und Elaborationstherapie 1<br />
Hans-Joachim Motsch, Tanja Brüll<br />
Universität zu Köln<br />
Theoretischer Hintergrund<br />
Störungen des <strong>Wortschatz</strong>es sind häufige Teilsymptome einer Sprachentwicklungsstörung<br />
<strong>bei</strong> Kindern. Sie zeigen sich als Störungen in der Produktion<br />
und/oder im Verstehen von Wörtern aufgrund von fehlendem, unzureichendem<br />
oder nicht abrufbarem semantischem oder lexikalischem Wissen (Glück 2007).<br />
Die Kinder verfügen zumeist über einen geringeren <strong>Wortschatz</strong>umfang als ihre<br />
Altersgenossen. Zudem sind die vorhandenen <strong>lexikalischen</strong> Einträge<br />
unzureichend differenziert und mit anderen Einträgen vernetzt, was in der Folge<br />
zu Schwierigkeiten <strong>bei</strong>m Zugriff (Wortfindungs- und Wortabrufstörungen), zu<br />
Fehlbenennungen, Umschreibungen oder anderem Kompensationsverhalten<br />
führen kann. Trotz des häufigen Vorkommens lexikalischer Störungen (zwischen<br />
23% und 40% der sprachauffälligen Kinder, Dockrell 1998, German 1994) treten<br />
diese im Rahmen der komplexen sprachlichen Symptomatik spracherwerbsgestörter<br />
Kinder meist weniger offensichtlich zutage als Störungen der Aussprache<br />
oder der Grammatik. Entsprechend dünn ist die bisherige Forschungslage<br />
bezüglich der Effektivität der in der Praxis eingesetzten sprachtherapeutischen<br />
Methoden (Glück 2003). Es existieren nur wenige Interventionsstudien, die in der<br />
Regel an kleinen Stichproben durchgeführt und teilweise methodisch lückenhaft<br />
beschrieben sind. Die häufig eingesetzte Elaborationstherapie führt in den meisten<br />
Fällen zu einem unmittelbaren Lerneffekt für den exemplarisch geübten<br />
<strong>Wortschatz</strong>, zeigt aber nur geringe Generalisierungseffekte auf ungeübtes Wortmaterial.<br />
Die therapeutische Hoffnung, den Selbstlernmechanismus der Kinder<br />
durch die auf einen kleinen exemplarischen <strong>Wortschatz</strong> beschränkte Elaboration<br />
zu „deblockieren“ (Anstoßfunktion), blieb somit unerfüllt. Bedenkt man, dass<br />
Kinder bis zur Einschulung über einen aktiven <strong>Wortschatz</strong> von 3000-6000 Wörtern<br />
1 Erscheint in: Vierteljahreeschrift für Heilpädagogik u.i.N. (VHN) 2009, Heft 4
verfügen sollten, wird deutlich, dass dies nicht über die Erar<strong>bei</strong>tung einzelner<br />
Wörter im therapeutischen Setting zu leisten ist. Insofern bleibt im Sinne der<br />
Evidenzbasierung der Nachweis der klinisch bedeutsamen Verringerung einer<br />
semantisch-<strong>lexikalischen</strong> Störung durch sprachtherapeutische Intervention offen<br />
(Glück 2003). Autoren wie German (2002) und Glück (2007) vermuten, dass<br />
Therapieansätze, die den Kindern Strategien zum Erwerb, zur Vernetzung und<br />
zum Abruf <strong>lexikalischen</strong> Wissens vermitteln, zu besseren Transfereffekten auf<br />
ungeübtes Material führen könnten.<br />
Dies bildete den Ausgangspunkt für die Entwicklung der neuen Therapiemethode<br />
„<strong>Der</strong> <strong>Wortschatz</strong>-<strong>Sammler</strong>“ (Motsch 2008). Sie <strong>bei</strong>nhaltet Elemente des<br />
Selbstmanagements, indem sie die Kinder über das lustvolle Entdecken der<br />
eigenen <strong>lexikalischen</strong> Lücken zu eigenaktivem Lernen anregt und befähigt. Zu<br />
diesem Zweck werden den Kindern Fragestrategien zur semantischen und<br />
phonologischen Elaboration und zur Kategorisierung neuer lexikalischer Einträge<br />
sowie Strategien zur Erleichterung des Abrufs <strong>bei</strong> fehlendem Zugriff auf<br />
vorhandene lexikalische Einträge vermittelt. Über den Einbezug der Eltern soll<br />
zudem der Übertrag der erlernten Strategien in den Alltag erleichtert werden.<br />
<strong>Der</strong> „<strong>Wortschatz</strong>-<strong>Sammler</strong>“ ist die erste strategieorientierte Therapiemethode, die<br />
für lexikalisch gestörte Vorschulkinder entwickelt wurde. Die bisher in der<br />
Fachliteratur vorherrschende Annahme, Speicherstrategien könnten erst von<br />
Schulkindern aufgrund verbesserter metalinguistischer Fähigkeiten umgesetzt<br />
werden, fand in einer ersten Pilotstudie zur Erprobung des Konzepts mit drei<br />
Vorschulkindern keine Bestätigung (Zimmermann 2008).<br />
Neben der <strong>Strategietherapie</strong> „<strong>Wortschatz</strong>-<strong>Sammler</strong>“ wurde eine weitere<br />
Therapiemethode, der „<strong>Wortschatz</strong>-Finder“, entwickelt. Da<strong>bei</strong> handelt es sich um<br />
eine semantisch-phonologische Elaborationstherapie. Diese wurde von Glück<br />
(2003) als bisher effektivste Methode zur Therapie lexikalischer Störungen<br />
eingeschätzt, ihre Effektivität wurde bisher aber nur anhand von kleinen<br />
Fallstudien nachgewiesen.<br />
Das Forschungsprojekt beschäftigt sich folglich mit dem Vergleich der Effektivität<br />
einer strategieorientierten <strong>lexikalischen</strong> Therapie mit der einer semantischphonologischen<br />
Elaborationstherapie. Neben den unmittelbaren Therapieeffekten
auf die geübten Wörter sollen insbesondere langfristige Generalisierungseffekte<br />
erfasst werden.<br />
Methode<br />
Im Zeitraum 2009-2010 wird eine randomisierte und kontrollierte Gruppenstudie<br />
durchgeführt. Da<strong>bei</strong> wird die Effektivität der „<strong>Wortschatz</strong>-<strong>Sammler</strong>“ - Methode<br />
(Experimentalgruppe 1) mit der Methode „<strong>Wortschatz</strong>-Finder“ (Experimentalgruppe<br />
2) verglichen. Zusätzlich sollen unspezifische Effekte über den Vergleich mit<br />
einer unbehandelten Kontrollgruppe ausgeschlossen werden. Pro Gruppe wird<br />
eine Größe von n= 30 Probanden angestrebt, so dass insgesamt 90 Kinder an der<br />
Interventionsstudie teilnehmen.<br />
Die Probanden sind sprachentwicklungsgestörte Kinder im Alter von 4;0- 4;11<br />
Jahren, die monolingual deutsch aufwachsen und deren Therapiebedürftigkeit im<br />
<strong>lexikalischen</strong> Bereich über einen T-Wert < 40 im AWST-R (Aktiver <strong>Wortschatz</strong>-<br />
Test, Kiese-Himmel 2005) nachgewiesen ist. Die Kinder werden aus Kindertagesstätten<br />
der Stadt Köln rekrutiert. Dort findet auch die Intervention statt. Sie<br />
wird über den Zeitraum von fünf Wochen mit einer Frequenz von drei<br />
Therapieeinheiten à 30 Minuten pro Woche durchgeführt und <strong>bei</strong>nhaltet 13<br />
Einzeltherapien mit den Kindern sowie ein bis zwei Termine zur Anleitung und<br />
Beratung der Eltern.<br />
Die Therapieeffekte werden zum einen unmittelbar durch einen Vergleich der<br />
Benennleistung für die Therapieitems vor und nach der Therapie überprüft.<br />
Entscheidender ist jedoch der Vergleich der Werte in standardisierten und<br />
normierten Testverfahren (aktive und rezeptive <strong>Wortschatz</strong>tests), die jeweils vor<br />
der Therapie, 6 und 12 Monate nach der Intervention für alle Kinder verblendet<br />
erhoben werden. Varianzanalytisch wird ebenfalls der mögliche Einfluss mehrerer<br />
im Prätest erhobener Parameter (u.a. nonverbale Intelligenz, Kapazität des<br />
Ar<strong>bei</strong>tsgedächtnisses) überprüft.<br />
Erwartungen<br />
Es ist davon auszugehen, dass <strong>bei</strong>de Therapiemethoden zu guten unmittelbaren<br />
Lerneffekten für die exemplarisch elaborierten Therapieitems führen werden.<br />
Darüber hinaus erwarten wir bessere langfristige Generalisierungseffekte durch
die strategieorientierte lexikalische Therapie, was sich in signifikant besseren<br />
<strong>Wortschatz</strong>-Leistungen in den Nachtests für die „<strong>Wortschatz</strong>-<strong>Sammler</strong>“ – Gruppe<br />
niederschlagen würde. Diesbezüglich sind erste Ergebnisse Ende 2010 zu<br />
erwarten.<br />
Weitere Informationen sowie<br />
j.motsch@uni-koeln.de<br />
Literaturangaben können eingeholt werden <strong>bei</strong>