unter einem Dach im Chemiepark Marl - Internationale Chemie ...
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IChO-Workshop <strong>im</strong> <strong><strong>Chemie</strong>park</strong> <strong>Marl</strong><br />
Die Teilnehmer des Workshops in <strong>Marl</strong>.<br />
Am Mittwoch, den 20. Juni 2012, trafen sich dreizehn Jugendliche vor dem<br />
Informationszentrum des <strong><strong>Chemie</strong>park</strong>s in <strong>Marl</strong>. Wir hatten <strong>im</strong> letzten Jahr an der zweiten<br />
Runde der <strong>Chemie</strong>-Olympiade teilgenommen und wurden so zu diesem Workshop<br />
eingeladen. Birgit Vieler, Landesbeauftragte der IChO in Nordrhein-Westfalen, war auch mit<br />
dabei.<br />
Der Tag begann gemeinsam mit einer kleinen Einführung in die Historie des Parks und mit<br />
<strong>einem</strong> groben Überblick über die ansässigen Firmen. Dann starteten wir schon mit dem Bus<br />
zur Besichtigungstour auf dem 650 Hektar großen Gelände. Während unser Betreuer Herr<br />
Stegemann uns mit allerlei Informationen über einzelne Werke und Gebäude fütterte (schon<br />
beeindruckend: ein eigener Hafen, ein eigenes Bahnschienennetz, Rohrbrücken und –<br />
leitungen, die aneinandergesteckt bis nach Rom reichen würden (1200 km)), fuhren wir zu<br />
unserer ersten Station: der Acrylsäure-Anlage.<br />
Der Anblick der Acrylsäure-Anlage allein ist schon eindrucksvoll. Riesige, lange Gebäude,<br />
deren Rohre für den Besucher scheinen, als würden sie die Fassade wie Efeu überranken.<br />
Dazu jede Menge Türme und Kessel <strong>im</strong> XXL-Format. Innen angekommen, erinnert der<br />
Anblick eher an einen Informatik-Betrieb als an ein <strong>Chemie</strong>werk. Denn überwacht wird alles<br />
per Computer, kaum einer befindet sich noch in den Anlagen selbst. Es folgt eine kleine<br />
chemische Einführung durch Herrn Dr. Kuppinger. Propen wird in zwei Schritten über
Propenal katalytisch zu Acrylsäure oxidiert. Besonders ist hier der Zusatz „katalytisch“. Denn<br />
ohne die Zugabe eines Katalysators würde der Sauerstoff an der C-C-Doppelbindung<br />
angreifen – was nicht erwünscht ist.<br />
Weiter ging es wieder mit dem Bus zur Chloralkali-Elektrolyse. Hier wird nach dem<br />
Membranverfahren Chlorgas, Wasserstoff und Natronlauge gewonnen. An der Anode entsteht<br />
aus der eingespeisten Natriumchloridlösung Chlor und an der Kathode aus dem zugeführten<br />
Wasser Wasserstoff, zusätzlich entsteht noch Natronlauge: Die Membran ist nur für<br />
Natriumionen durchlässig, die in den Kathodenraum wandern, in dem sich durch die<br />
Wasserzerlegung Hydroxid-Ionen anreichern.<br />
2 NaCl (aq) + 2 H 2 O (l) → 2 NaOH (aq) + Cl 2 (g) + H 2 (g)<br />
Es ist sehr faszinierend, zu sehen, dass das, was man <strong>im</strong> <strong>Chemie</strong><strong>unter</strong>richt theoretisch<br />
behandelt, praktisch funktioniert – auch wenn man teilweise nur erahnen kann, was in<br />
welchem Gebäudeteil gerade abläuft.<br />
Bis dahin gab es für uns so viel zu sehen, dass wir glatt das beliebte Thema „Essen“ vergaßen.<br />
Doch natürlich stand auch das auf dem Zeitplan und wir wurden kurzerhand in das<br />
Betriebsrestaurant Cul<strong>im</strong>ar zum Mittag eingeladen (eine reichliche, leckere Auswahl, wir<br />
waren begeistert).<br />
Gestärkt besuchten wir als nächstes die Analytik. Genauer gesagt: Die Licht- und<br />
Rasterelektronenmikroskopie und die Infrarot-Spektroskopie. Auch dort wurden wir<br />
überrascht. Unterm Lichtmikroskop kann man normalerweise nur zweid<strong>im</strong>ensional, bzw.<br />
ohne scharfe Tiefenstruktur das Präparat betrachten. Doch <strong>im</strong> Labor der AQura GmbH, einer<br />
Tochtergesellschaft der Evonik Industries AG, steht ein Lichtmikroskop, das durch<br />
Verrechnung mehrerer aus <strong>unter</strong>schiedlicher Höhe geschossener Fotos ein nicht nur an allen<br />
Stellen scharfes, sondern auch dreid<strong>im</strong>ensionales Bild erzeugt, welches man sogar drehen und<br />
so von <strong>unter</strong>schiedlichen Seiten betrachten kann. Mit dem Rasterelektronenmikroskop sind<br />
dann noch stärkere Vergrößerungen (bis zu 1 000 000 : 1) möglich. Einzelheiten, z.B. des<br />
Facettenauges einer Fliege oder die Wellenstruktur der vermeintlich glatten Haihaut werden<br />
dadurch für uns sichtbar. Mit dem Infrarot-Spektroskop kann man ermitteln, welcher Stoff vor<br />
<strong>einem</strong> liegt. Bei der IR-Spektroskopie werden Atombindungen durch Strahlung <strong>im</strong> IR-Bereich<br />
in Schwingungen versetzt. Dabei wird, abhängig von den Bindungspartnern, Strahlung<br />
best<strong>im</strong>mter Wellenlängen absorbiert. Das Ergebnis ist ein IR-Spektrum, ein Graph, der in<br />
Abhängigkeit von der Wellenlänge die Absorption der einzelnen Substituenten in Form von<br />
Ausschlägen zeigt. Wir durften das Spektrum der von uns mitgebrachten Kunststoffe mit<br />
denen bekannter Kunststoffe vergleichen. In m<strong>einem</strong> Fall waren die Joghurtverpackung aus<br />
Polypropylen und die Tüte, in der vorher einmal Äpfel waren, aus Polyethylen. Doch auch<br />
etwas „exotischere“ Kunststoffe waren dabei. So fanden wir heraus, dass in manchen Amino-<br />
Gruppen, Ester oder Hydroxid-Gruppen enthalten waren.<br />
Doch wofür das Ganze? Tritt der Fall ein, dass ein fertiges Produkt Mängel aufweist, so kann<br />
es in der Regel drei „Schuldige“ geben: Entweder es ist der Transport, die Fertigung des<br />
Produktes oder das Material. Um zum Beispiel bei einer Beschichtung eines Besteckeinsatzes<br />
für Spülmaschinen, die dunkle Flecken aufweist, herauszufinden, woher diese kommen, wird
es zur Analyse in diese Abteilungen gegeben. Angenommen, es handelt sich um Rost. Wenn<br />
man einen Querschnitt des Produkts <strong>unter</strong>m Mikroskop betrachtet, kann man feststellen, ob<br />
der Rost vom Produkt (aus Eisen) kommt, ob die Beschichtung selbst verunreinigt war oder<br />
ob der Rost nachträglich aufgetragen wurde. Da in dem angenommenen Fall der Rost oben<br />
auf der Beschichtung lag, konnte die Ursache nicht bei der Beschichtung oder dem Eisen<br />
liegen. Man sagte uns, es habe sich herausgestellt, dass nach der Beschichtung in der<br />
Produktion in der Nähe geflext wurde. Eine so kleine Ursache und eine ganze<br />
Produktionsreihe ist hinüber.<br />
Kurzum: Der Tag war spannend und ist auf jeden Fall weiterzuempfehlen!<br />
Dafür bedanken wir uns bei der Evonik Industries und der Infracor GmbH sowie allen<br />
beteiligten Mitarbeitern.<br />
Vanessa Lewecke, 23. Juni 2012