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Pterosaurier als Flugmaschinen<br />

Bionische Forschung in der<br />

Paläontologie?<br />

Eberhard „Dino“ Frey, Helmut Tischlinger, Wolf Reiner Krüger & David Hone<br />

„Schau mal, wie der mit den Flügeln schlägt!“ Lautlos und unglaublich majestätisch<br />

gleitet das riesige Pteranodon über die Hangkante und kurvt im<br />

Aufwind himmelwärts. Keiner sieht die technischen Details des ferngelenkten,<br />

bionischen Superfliegers. Bionik ist populär geworden. Ingenieure, Techniker<br />

und Elektroniker schauen den Biologen schon länger über die Schulter,<br />

um Ideen für technische Lösungen aus der Natur zu stibitzen – mit Erfolg<br />

auch für die Biologen. Die technische Analyse liefert neue Erkenntnisse über<br />

die Funktionsweise ihrer Forschungsobjekte. Inzwischen wecken sogar ausgestorbene<br />

Wirbeltiere das Interesse der Ingenieure. Dazu gehören auch die<br />

Pterosaurier.<br />

Fliegende Lebewesen haben seit mehr als<br />

vier Jahrtausenden die Gedanken der Menschen<br />

im wahrsten Sinne des Wortes beflügelt.<br />

Otto Lilienthal schließlich hat es dann<br />

in aller Öffentlichkeit geschafft: Nach dem<br />

Vorbild der Störche schuf er einen Gleitflieger,<br />

welcher einen Menschen tragen konnte<br />

(Lilienthal 1889). Doch was war vom<br />

Storchenvorbild übrig geblieben? Eine eher<br />

fledermausartige Flugmaschine, reduziert<br />

auf die notwendigsten, experimentell ermittelten<br />

Grundlagen. Gerade einmal 100 Jahre<br />

nach dem ersten Motorflug der Gebrüder<br />

Wright am 17. Dezember 1903 bei Kitty<br />

Hawk, USA, sind Flugzeuge aus unserem<br />

Leben nicht mehr wegzudenken. Die ausgereifte<br />

Technik, möchte man meinen, ließe<br />

keine fundamentalen Neuerungen mehr<br />

zu, doch geben die Flugzeugingenieure nach<br />

wie vor offen zu, den Flügelschlag als Antriebsmechanismus<br />

nicht zu beherrschen.<br />

Schlagflüglermodelle, auch Ornithopter genannt,<br />

flattern mehr oder minder elegant<br />

durch die Lüfte, doch hat sich nur sehr selten<br />

ein bemannter Schlagflügler vom Boden<br />

erhoben (DeLaurier 1999), und wenn,<br />

dann nur für sehr kurze Zeit und fast immer<br />

mit unangenehmen Folgen für den Piloten.<br />

Auch die meisten Schlagflüglermodelle landen<br />

unsanft, weil ihre Segelleistung mit<br />

den Erfordernissen des Flügelschlages<br />

Abb. 1: Rhamphorhynchus, Wiener Exemplar. Oben: Gesamtansicht<br />

des Fossils, darunter: Ausschnitt aus dem linken<br />

Flügel unter UV-Licht.<br />

Fotos: H. Tischlinger.<br />

Paläontologie aktuell – Berichte aus Forschung und Wissenschaft<br />

79


Abb. 2: Rhamphorhynchus mit erlesener Weichteilerhaltung; links: Flughaut in Substanzerhaltung,<br />

rechts: dieselbe Flughaut unter UV-Licht.<br />

Fotos: H. Tischlinger.<br />

nicht vereinbar ist. Flügel von Vögeln oder<br />

Fledermäusen nachzubauen, ist wegen der<br />

Materialeigenschaften und der vielfältigen<br />

Verstellmöglichkeiten der Flugapparate über<br />

Gelenke kaum sinnvoll.<br />

Hoffnungsschimmer am Horizont<br />

des Erdmittelalters<br />

Am Schlagflüglerhorizont der Erdgeschichte<br />

erschien mit dem Ende der Triaszeit<br />

eine neue verheißungsvolle fliegende Wirbeltierkonstruktion:<br />

die Pterosaurier, die<br />

„Drachen der Lüfte“ – wie die Flugsaurier<br />

auch immer wieder genannt werden.<br />

Mehr als 160 Millionen Jahre lang haben<br />

diese Meisterflieger nahezu konkurrenzlos<br />

den Luftraum dieser Erde durchstreift, und<br />

das mit Membranflügeln, die von den Armen,<br />

den Beinen und dem Schwanz aufgespannt<br />

und bewegt wurden. Dabei glichen<br />

die Flugapparate der ältesten Pterosaurier<br />

aus der späten Trias Norditaliens grundsätzlich<br />

bereits jenen der fliegenden Giganten<br />

aus der Oberkreide. Die Steuerung jedoch<br />

änderte sich fundamental zur Zeit des<br />

Oberjura. Neue, wunderbar erhaltene Pterosaurierfunde<br />

und ausgefeilte Fototechnik<br />

im UV-Bereich (Abb. 1, 2) haben das Bild<br />

von den Sauriern der Lüfte derart vervollständigt,<br />

dass sich die Flugzeugingenieure<br />

wieder brennend dafür interessieren<br />

(Frey & Tischlinger 2003, Frey et<br />

al. 2003).<br />

Verwölbbare Flügel?<br />

Einer der Träume eines Flugzeugkonstrukteurs<br />

ist der klappenfreie Flügel. Klappen<br />

benötigen Mechanik und erhöhen die Reibung,<br />

doch sind sie zum Steuern unerlässlich.<br />

Landeklappen z. B. erhöhen die Tragflächenkrümmung<br />

und kanalisieren die<br />

Strömung so, dass sie auch beim Langsamflug<br />

anliegt und damit der Auftrieb erhalten<br />

bleibt (Abb. 3). Die Flügel der Pterosaurier<br />

waren klappenfrei und bestanden<br />

aus einer Armflughaut, die sich von der<br />

Spitze des enorm verlängerten Flugfingers<br />

bis zur Fußwurzel erstreckte. Dies ist für<br />

langschwänzige und kurzschwänzige Pterosaurierformen<br />

fossil belegt. Ebenso belegt<br />

ist der schichtige Aufbau der Armflughaut<br />

selbst, die aus mindestens sechs Gewebelagen<br />

bestand (Abb. 4); Martill & Unwin<br />

1989, Tischlinger & Frey 2002, Frey &<br />

Tischlinger 2003, Frey et al. 2003).<br />

Die Oberhaut ist extrem dünn, fein gefeldert<br />

und kahl. Die feinen Runzeln, technisch<br />

auch Riblets genannt, produzieren an<br />

der Hautoberfläche feinste Wirbelchen, die<br />

wie Kugellager wirken und die Gesamtum-<br />

Paläontologie aktuell – Berichte aus Forschung und Wissenschaft


Längsschnitt durch einen Flugsaurierflügel<br />

Haut<br />

Schaumgewebe<br />

Vorflughaut Unterarm Aktinofibrillenmatte<br />

Querschnitt durch die Armflughaut<br />

gefederte Oberhaut<br />

Schaumgewebe<br />

Aktinofibrillen<br />

Muskelschicht mit Sehnen<br />

Blutgefäßschicht<br />

? untere Hautlage<br />

Muskellage<br />

Blutgefäßschicht<br />

Funktionsprinzip der Flughautwölbung<br />

Standardprofile mit entspannten<br />

Muskelfasern<br />

Verwölbung der Flughaut durch Zusammenziehen<br />

der Muskelfasern<br />

Abb. 3: Bau und Funktion der Flugsaurierflughaut.<br />

Abb. 4: Voll gesetzte Landeklappen beim Landeanflug<br />

auf Dallas/Fort Worth. Die ausgefahrenen<br />

Klappen verstärken die Krümmung der Tragfläche<br />

und ermöglichen ein langsames Anfliegen für<br />

eine meist sanfte Landung<br />

Foto: D. Frey<br />

strömung anliegend halten. Unter der<br />

Oberhaut findet sich eine Lage aus schaumigem,<br />

vermutlich luftgefülltem Gewebe,<br />

welches von einer Matte radial orientierter<br />

Bindegewebsfasern, den Aktinofibrillen,<br />

unterlegt war. Schräg zu den Aktinofibrillen<br />

verlaufende Flächenmuskeln waren auf<br />

der Unterseite dieser Aktinofibrillenmatte<br />

angeheftet. Die unterste bekannte Gewebsschicht<br />

der Armflughaut enthält ein Netz<br />

aus Blutgefäßen, welches zumindest von<br />

einer weiteren Hautschicht bedeckt gewesen<br />

sein muss. Es ist denkbar, dass die luftgefüllte<br />

Schaumschicht zusammen mit der<br />

Aktinofibrillenmatte ein stabiles pneumatisches<br />

Tragflächenprofil formte, welches<br />

durch Muskelzug bei Bedarf gekrümmt und<br />

verwunden werden konnte. Erschlafften die<br />

Muskeln, so stellte sich automatisch wieder<br />

das Standardprofil ein (Abb. 3, unten). Die<br />

Flughaut könnte also nach dem Sehnen-<br />

Bogen-Prinzip funktioniert haben, wobei<br />

die körpernahen, längsgerichteten Fasern<br />

schwerer zu krümmen waren als die quer<br />

verlaufenden im Bereich der Flügelspitze.<br />

Doch lässt sich das auch beweisen?<br />

Energie aus der Sonne<br />

Pterosaurier mussten wohl tagsüber fliegen.<br />

Es gibt keine Hinweise auf Echoortung. Die<br />

Augengröße der Tiere im Verhältnis zum<br />

Schädel deutet ebenfalls auf Tagaktivität<br />

hin. Die Sonne des Erdmittelalters brannte<br />

also auf eine lebende Flughaut, was Vorkehrungen<br />

gegen Überhitzung erzwang. Wenn<br />

Luft über die fein gefelderte Hautoberfläche<br />

strich, wirkten diese technisch als Ribletts<br />

zusammengestellt von Mitgliedern der Paläontologischen Gesellschaft<br />

81


ezeichneten Hautfältchen wie Kühlrippen.<br />

Das Schaumgewebe mit seiner Luftfüllung<br />

bildete eine Isolierschicht und reflektierte<br />

möglicherweise die gefährlichen UV-Strahlen.<br />

Wahrscheinlich drang ein Teil der Sonnenwärme<br />

bis zu den zusammenziehbaren<br />

Blutgefäßen vor und konnte bei Bedarf<br />

aufgenommen und auch wieder abgegeben<br />

werden. Nachts wurde dann der Blutstrom<br />

gedrosselt, um die Wärmeabstrahlung der<br />

Flügel möglichst gering zu halten. Der Körper<br />

selbst war mit einem zottigen Pelz isoliert,<br />

der vielfach fossil belegt ist. Die zum<br />

Teil riesigen senkrechten Scheitelkämme<br />

nahmen möglicherweise die Wärme der<br />

tief stehenden Morgen- und Abendsonne<br />

auf. Flugsaurier könnten also bei Tag wechselwarm<br />

wie eine Eidechse und bei Nacht<br />

warmblütig wie ein Säugetier gewesen sein<br />

(Frey & Tischlinger 2003, Frey et al.<br />

2003). Aber ist das beweisbar?<br />

Die integrierte Steuerung<br />

Allein schon die verwölbbaren Armflughäute<br />

der Pterosaurier hätten eine Steuerwirkung<br />

gehabt, doch zusätzlich waren auch<br />

noch die Hinterbeine in die Körperflughaut<br />

voll integriert (Abb. 5, rechte Seite; Tischlinger<br />

& Frey 2002; Frey et al. 2003). Sie<br />

bildeten ein Stellelement, welches unabhängig<br />

vom Flugarm im Hüft- und Kniegelenk<br />

bewegt werden konnte. Schwangen die Beine<br />

im Hüftgelenk gleichzeitig auf und ab,<br />

so wirkten sie als Höhenruder. Bei abwechselnden<br />

Auf- und Abbewegungen hätten sie<br />

als Querruder fungiert. Die Ruderwirkung<br />

wurde durch eine paarige Schwanzflughaut,<br />

das Uropatagium, unterstützt, welches bei<br />

lang- und kurzschwänzigen Pterosauriern<br />

nachgewiesen ist. Auch die körperfernen<br />

Bereiche der Flughaut mit ihrer leicht verformbaren<br />

Fasermatte könnten ebenso wie<br />

bei Nurflügler-Flugzeugen als kombinierte<br />

Höhen-Querruder gewirkt haben, wenn<br />

die Flügelspitzen weit genug hinter dem<br />

Schwerpunkt lagen. Als Seitensteuer kommen<br />

gleich mehrere Strukturen in Frage:<br />

die Spannhäute zwischen den Zehen, das<br />

Schwanzsegel der langschwänzigen Pterosaurier<br />

und die Scheitelkämme (Frey et al.<br />

2003). Es ist sehr wahrscheinlich, dass die<br />

Flugsaurier damit manövrieren konnten.<br />

Doch wo bleibt der Beweis?<br />

Problematische Modelle<br />

Trotz des umfassenden Fossilberichtes gibt<br />

es bis heute kein tragfähiges, technisch reproduziertes<br />

Modell für den Flug der Pterosaurier.<br />

Selbst ein jüngst durchgeführtes<br />

aufwändiges Modellprojekt in den USA<br />

schlug fehl. Der Flattermann stürzte ebenso<br />

ab wie das Flugsauriermodell von Paul<br />

MacCready aus den achziger Jahren (Mac-<br />

Cready 1985), welches zwar geflogen ist,<br />

aber beim öffentlichen Start den Kopf verlor.<br />

Einzig die von Holst’schen Gummimotormodelle<br />

von Rhamphorhynchus aus<br />

der Mitte des letzten Jahrhunderts schafften<br />

es, flügelschlagend zu fliegen (v. Holst<br />

1957), doch waren ihre Gleitflugleistungen<br />

erbärmlich und die Flügelproportionen<br />

unkorrekt. Flugfähige Pterosauriermodel-<br />

Funktionsprinzip der Flughautwölbung<br />

minimal<br />

Vorflughaut<br />

Scheitelkamm<br />

Vorflughaut<br />

maximal<br />

Armflughaut<br />

Armflughaut<br />

Schwanzflughaut<br />

Spannhäute<br />

Abb. 5: Pterodactylus; zwei Extremrekonstruktionen.<br />

Paläontologie aktuell – Berichte aus Forschung und Wissenschaft


Abb. 6: Technischer Flügel verglichen mit einem Pterodactylus -<br />

Arm- und Beinskelett (blau-grüner Hintergrund, Foto DLR).<br />

le gibt es in großer Zahl und mit den verschiedensten<br />

Flügelschnitten, aber entweder<br />

stimmen die Weichteilrekonstruktionen<br />

nicht oder aber die Proportionen oder beides.<br />

Die flugfähigen Schlagflüglermodelle<br />

wiederum haben mit der Gestalt der Pterosaurier<br />

nichts gemein.<br />

Mit neuartigen technischen Membranen<br />

lassen sich heute die Eigenschaften von Pterosaurier-Flughäuten<br />

besser nachahmen als<br />

jemals zuvor. Das Kernproblem aber scheint<br />

nicht in der Membran selbst, sondern in den<br />

anatomischen Modellvorlagen verborgen<br />

zu sein. Allen Modellen liegt eine vorgefasste<br />

Idee zugrunde, wie die Knochen der<br />

Tiere während des Fluges gestanden haben<br />

könnten. Jede Arbeitsgruppe verfolgt dabei<br />

ihre eigenen Vorstellungen, die zwar mehr<br />

oder weniger im Rahmen der anatomisch<br />

möglichen Bewegungsbereiche liegen, doch<br />

offenbar zu aerodynamischen und flugtechnischen<br />

Problemen führen (Abb. 5).<br />

Reverse Engineering<br />

Was wir haben, ist die genaue Kenntnis der<br />

Flugsaurieranatomie. Was uns fehlt, ist der<br />

Beweis, wie Flugsaurier geflogen sind. Beweis?<br />

Nein – beweisen können wir nichts<br />

mehr, denn die fliegenden Saurier sind für<br />

immer Geschichte. Es muss jedoch möglich<br />

sein, unter technischen Vorgaben funktionierende<br />

Modelle für die fliegenden Echsen<br />

zu entwickeln.<br />

Werfen wir zunächst einen Blick auf die<br />

Entwicklungsmethode Lilienthals. Es war<br />

offenbar nicht der Storchenflügel, der Lilienthal<br />

die Idee von der Wirkweise eines<br />

Tragflächenprofils geliefert hat, sondern<br />

die Form seiner Bettwäsche im Wind und<br />

Experimente mit gewölbten Platten. Durch<br />

Ausprobieren hat Lilienthal diesen bedeutenden<br />

Aspekt der Auftriebserzeugung an<br />

einem Storchenflügel verstanden und seine<br />

Flugmaschine auf ein Paar gewölbter Tragflächen<br />

reduziert.<br />

Wir wollen den Flug der Pterosaurier experimentell<br />

erschließen, indem wir bereits<br />

bekannte technische Elastik- oder Membranflügel<br />

als Grundlage für die Rekonstruktion<br />

des Pterosaurier-Flugapparates<br />

nutzen (Abb. 5). Die einzige Vorgabe ist,<br />

dass Flugsaurierknochen, besonders die<br />

des Flügels, in die technisch optimierten<br />

Flügelschnitte passen, wobei als maximale<br />

Bewegungsgrenze der Knochenanschlag an<br />

den Gelenken erlaubt ist. Nur so lassen sich<br />

wirksame Flugsaurierflügel für die verschiedensten<br />

Flügelstellungen rekonstruieren,<br />

berechnen und im Windkanal erproben.<br />

Nur die am besten erhaltenen Pterosaurierfossilien<br />

sollten für solche Untersuchungen<br />

herangezogen werden. Erst dann können<br />

Modelle für Steuerung und Flügelschlagantrieb<br />

entwickelt werden. Selbst die Eigenschaften<br />

der einzelnen Flughautlagen,<br />

die Effekte der fächerartig angeordneten<br />

Aktinofibrillen, ja sogar die Energieversorgungsmöglichkeiten<br />

über flüssige Wärmeleitsysteme<br />

sind über technische Ansätze<br />

mit neuen Materialien auf ihre Leistung<br />

zusammengestellt von Mitgliedern der Paläontologischen Gesellschaft<br />

83


und Wirkung hin prüfbar. Wir wollen eine<br />

Rückwärtsrekonstruktion vom technischen<br />

Flügel zum Pterosaurierflügel versuchen,<br />

mit anderen Worten: reverse engineering.<br />

Paläobionik als Hilfmittel?<br />

Die Simulation des Saurierfluges ist in vielerlei<br />

Hinsicht technisch spannend. Die<br />

Flugapparate sind einfach gebaut, haben<br />

eine überschaubare Zahl an Freiheitsgraden<br />

und funktionierten offenbar von 0,2<br />

bis 12 Meter Spannweite. Die Paläontologie<br />

könnte also theoretisch die Vorlage für eine<br />

neue Flugmaschinengeneration liefern, die<br />

Generation der paläobionischen Pterosaurier-Schlagflügler.<br />

Können wir aber mit einem<br />

solchen Modell den immer wieder geforderten<br />

Nachweis dafür liefern, wie die<br />

Pterosaurier tatsächlich geflogen sind? Methodisch<br />

gesehen wird das nicht möglich<br />

sein, denn unsere Resultate sind lediglich<br />

proportional korrekte, anatomisch mögliche<br />

und technisch funktionierende Modelle<br />

für einen Pterosaurier. Was wir aber verstehen<br />

können ist, was nicht funktionieren<br />

kann oder warum es nicht funktioniert. Die<br />

Resultate werden plausibel sein und Aufschlüsse<br />

über die Grenzen der Pterosaurierkonstruktionen<br />

liefern, aber es sind und<br />

bleiben Modelle, wenn auch mit einem bisher<br />

nicht erreichten Erklärungswert für das<br />

Verständnis des Saurierfluges. Paläontologie<br />

und Bionik fangen an, sich zu finden,<br />

doch bleibt weiterhin viel Grundlagenarbeit<br />

zu leisten, mit dem idealistischen Ziel, die<br />

Pterosaurier wieder fliegen zu sehen, wenn<br />

auch „nur“ wissenschaftlich modelliert.<br />

Literatur<br />

DeLaurier, J. D. (1999): The development and testing<br />

of full-scale piloted ornithopter. Cn. Aero. Space<br />

J. 45: 72-82.<br />

Frey, E. & H. Tischlinger (2003): Am Puls der fliegenden<br />

Drachen. <strong>Fossilien</strong> 20: 234-240.<br />

Frey, E., H. Tischlinger, M.-C. Buchy & D. M.<br />

Martill (2003a): New specimens of Pterosauria<br />

(Reptilia) with soft parts with implications for pterosaurian<br />

anatomy and locomotion. In: Buffetaut, E.<br />

& J.-M. Mazin (Hrsg.) Evolution and palaeobiology<br />

of pterosaurs. Geological Society of London, Special<br />

Publications 217: 233 –266. London.<br />

Holst, E. v. (1957): Der Saurierflug. Palaeontologische<br />

Zeitschrift 33: 15-22.<br />

Lilienthal, O. (1889): Der Vogelflug als Grundlage<br />

der Fliegekunst. Gaertner, Berlin. Nachdruck Steffen<br />

2003, Friedland.<br />

MacCready, P. (1985): The great Pterodactyl Project.<br />

Engineering and Science 1985: 18-24.<br />

Martill, D. M. & D. M. Unwin 1989: Exceptionally<br />

well preserved pterosaur wing membrane from the<br />

Cretaceous of Brazil. Nature 340: 138-140.<br />

Tischlinger, H.& E. Frey (2002): Ein Rhamphorhynchus<br />

(Pterosauria, Reptilia) mit ungewöhnlicher<br />

Flughauterhaltung aus dem Solnhofener Plattenkalk.<br />

Archaeopteryx 20: 1-20.<br />

Frey, E., H. Tischlinger, W. R. Krüger & D. Hone: Pterosaurs as Flying Machines – Bionic<br />

research in Palaeontology?<br />

Despite enormous advancements in aircraft engineering, flapping flight has only been realized for model aircraft.<br />

The flapping flight mechanisms of bats and birds are too complicated for a technical simulation and therefore<br />

cannot be used for technical modelling. The simple double spar membrane system of pterosaurs, however, is a<br />

more simple construction due to restrictive bone lock and soft tissue of the flight apparatus can be reconstructed<br />

to high reliability due to new discoveries. Despite our profound knowledge on pterosaur morphology there is no<br />

sound explanation for the flight mechanism, because most reconstructions are still based on scientific prejudice<br />

rather than evidence. We propose to apply pterosaurian constructions to technical wings in order to test different<br />

possible flight capabilities with the methods of reverse engineering. Possibly this approach leads to a new understanding<br />

of pterosaurian flight and to a new generation of evolution proof flapping flight aircraft.<br />

Mitglieder der Paläontologischen Gesellschaft berichten<br />

aus Forschung und Wissenschaft.<br />

Der 1912 in Greifswald gegründeten Paläontologischen Gesellschaft gehören heute<br />

mehr als 1000 Paläontologen, Geologen, Biologen, Ur- und Frühgeschichtler, aber<br />

auch zahlreiche Hobbypaläontologen an. Seit 1984 wurde bereits 19mal die Karl-Alfred-von-Zittel-Medaille<br />

der Gesellschaft an verdiente Hobbypaläontologen verliehen.<br />

www.palaeontologische-gesellschaft.de • www.palges.de<br />

Spezielle Fragen zu <strong>Fossilien</strong>, regionaler Geologie und Paläontologie werden von kompetenten Ansprechpartnern<br />

aus der Paläontologischen Gesellschaft beantwortet unter:<br />

www.palaeontologische-gesellschaft.de/palges/kontakt/frag.html<br />

Paläontologie aktuell – Berichte aus Forschung und Wissenschaft

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