Schlüsselstellen lösungsbasierter Instruktion - Wissen ist MANZ
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<strong>Schlüsselstellen</strong> <strong>lösungsbasierter</strong><br />
<strong>Instruktion</strong><br />
<strong>Wissen</strong>schaft<br />
Woran kann man erkennen, wie Lehrziele und Lehrmaterialen zusammen passen?<br />
Dipl.Hdl. Dr. Stefan Fothe<br />
stellvertretender Leiter der Abteilung für Wirtschafts- und Berufspädagogik<br />
Johannes Kepler Universität<br />
stefan.fothe@jku.at<br />
Abstract<br />
In den kaufmännischen Unterrichtsfächern gibt es zahlreiche Inhalte<br />
bzw. Fähigkeiten, die mithilfe von Musterlösungen gelehrt<br />
werden können. Teilweise wird diese <strong>Instruktion</strong>sform durch Lehrbücher<br />
unmittelbar nahe gelegt. D. h. Schüler/innen studieren zunächst<br />
ausgearbeitete Lösungswege, bevor sie ähnliche Aufgaben<br />
selbständig bearbeiten.<br />
In diesem Beitrag werden Überlegungen angestellt, wie das Lehren<br />
mit Musterlösungen optimiert werden kann. Der empirische<br />
Kenntnisstand hierzu <strong>ist</strong> in Didaktik und Unterrichtswissenschaft<br />
sehr gering. Verlässliche Befunde ex<strong>ist</strong>ieren vor allem in der <strong>Instruktion</strong>spsychologie.<br />
Diese Befunde sind allerdings nicht unmittelbar<br />
relevant für die Praxis von Lehrkräften. Aus diesem Grund wird<br />
stattdessen eine unterrichtspraktische Perspektive entwickelt. Aus<br />
dieser werden <strong>Schlüsselstellen</strong> postuliert, an denen sich maßgeblich<br />
mitentscheiden dürfte, was Schüler/innen aus Musterlösungen lernen.<br />
Auf diese <strong>Schlüsselstellen</strong> sollten Lehrkräfte bei der Erstellung,<br />
Bewertung und Nutzung entsprechender Lehrmaterialen achten.<br />
Einleitung und Zielsetzung<br />
Lehrkräfte sollten die Qualität von Lehrmaterialen einschätzen können<br />
und wissen, wie sich diese optimal in den Unterricht einbinden<br />
lassen. Dies gilt besonders für die kaufmännischen Unterrichtsfächer,<br />
in denen Lehrbücher von großer Bedeutung sind (REETZ 1984;<br />
TRAMM & GOLDBACH 2005). Dieser Beitrag konzentriert sich auf<br />
ein Element zahlreicher Lehrbücher: Musterlösungen, in denen die<br />
Bewältigung einer Beispielaufgabe in mehreren Schritten dargestellt<br />
wird (im Folgenden auch Lösungsbeispiel). In kaufmännischen<br />
Unterrichtsfächern gibt es verschiedene Bereiche, in denen der<br />
Einsatz von Musterlösungen vielversprechend <strong>ist</strong>. Dies gilt insbesondere,<br />
wenn Verfahrenswissen (sensu ANDERSON & KRATHWOHL<br />
2001) vermittelt werden soll, z. B. im Bereich Finanzierung oder der<br />
Kostenrechnung.<br />
Allerdings <strong>ist</strong> kaum etwas dazu bekannt, wie Lehrer/innen Musterlösungen<br />
in ihrem Unterricht einsetzen (vgl. RENKL, SCHWORM<br />
& HILBERT 2004). Weder in der allgemeinen Didaktik noch in der<br />
Wirtschaftsdidaktik noch in der Unterrichtswissenschaft wird systematisch<br />
erforscht, wie Musterlösungen aussehen und wie sie in<br />
den Unterricht eingebettet werden sollten. 1 Hingegen ex<strong>ist</strong>iert in<br />
der <strong>Instruktion</strong>spsychologie eine Forschungstradition, die sich seit<br />
über 25 Jahren genau diesen Fragen zuwendet (vgl. ATKINSON et al<br />
(2000) und RENKL (2011) für Zusammenfassungen). Ein Ziel dieses<br />
Artikels besteht darin zu zeigen, dass diese Befunde für Lehrer/innen<br />
nur mittelbar relevant sind. In der Folge wird eine unmittelbar<br />
unterrichtspraktische Perspektive eingenommen und aus dieser<br />
heraus gefragt, welche <strong>Schlüsselstellen</strong> beim Lehren mit Musterlösungen<br />
entscheidend dafür sind, was Schüler/innen dabei lernen.<br />
<strong>Instruktion</strong>spsychologie Forschungsergebnisse als<br />
Ausgangspunkt<br />
Im klassischen Ansatz der instruktionspsychologischen Lösungsbeispielforschung<br />
werden zwei methodische Herangehensweisen verglichen:<br />
Sollten Schüler/innen zunächst Lösungsbeispiele studieren<br />
und dann Übungsaufgaben selbständig bearbeiten? Oder sollten sie<br />
sich sogleich an Übungsaufgaben versuchen? Es hat sich gezeigt,<br />
dass die erste Option Lernen zwar nicht effektiver, aber effizienter<br />
macht (worked example effect, SWELLER & COOPER 1985). 2 Dieser Befund<br />
bildete den Ausgangspunkt einer Forschungstradition, in der<br />
nun auch die Wirkungen einzelner Merkmale von Musterlösungen<br />
untersucht werden. Dabei werden in Experimenten die Effekte verschiedener<br />
Möglichkeiten verglichen, das jeweilige Merkmal zu gestalten.<br />
So wird bspw. untersucht, ob es ausreicht, Zwischenschritte<br />
eines Lösungsweges einfach darzustellen oder ob zudem erklärt<br />
werden sollte, warum diese gewählt wurden.<br />
Für die Umsetzung in der Unterrichtspraxis <strong>ist</strong> aber zu bedenken,<br />
dass die Befunde aus einer spezifischen Perspektive entwickelt<br />
wurden:<br />
»»<br />
Das Forschungsinteresse liegt auf der Gestaltung von Lehrmaterialen.<br />
Es wird untersucht, wie bestimmte Darstellungen Lernen<br />
fördern oder hemmen. Dabei wird ausgeblendet, dass sich Lernergebnisse<br />
auch daran entscheiden, wie Lehrmaterialen in den<br />
Unterricht eingebunden werden.<br />
1 Es ex<strong>ist</strong>ieren einige wirtschaftsdidaktisch „imprägnierte“ Studien (z. B. STARK<br />
ET AL 1999; BLAYNEY, KALYUGA & SWELLER 2010), in denen instruktionspsychologische<br />
Fragestellungen anhand kaufmännischer Inhalte untersucht werden.<br />
Diese können allerdings nicht als originär wirtschaftsdidaktisch gelten.<br />
2 Zur Erklärung dieses Effekts wird angeführt, dass Lerner ohne Musterlösung<br />
nicht genau wissen, wie sie eine Aufgabe lösen sollen. In ihrer Not wenden sie<br />
bereichsunspezifische Lösungsstrategien an (SWELLER 1988), die, selbst wenn<br />
sie ausreichen, die Aufgabe zu lösen, suboptimal für die Ausbildung des gewünschten<br />
bereichsspezifischen Verfahrenswissens sind (SWELLER, VAN MER-<br />
RIENBOER & PAAS 1998).<br />
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Praxisbeiträge<br />
<strong>Wissen</strong>schaft<br />
»»<br />
In instruktionspsychologischen Ansätzen konzentriert man<br />
sich auf kognitive Aspekte des Lernens mit Musterlösungen, d. h.<br />
emotional-motivationale Aspekte werden ausgeklammert,<br />
obwohl sie ebenso zentral für Lernen sind. Auch dieser Artikel<br />
konzentriert sich auf kognitive Aspekte.<br />
»»<br />
Der Einsatz von Musterlösungen wird nicht isoliert betrachtet,<br />
sondern als Teil einer dreiteiligen Einheit (deshalb lösungsbeispielbasierte<br />
<strong>Instruktion</strong>). Diese Einheit besteht zunächst aus<br />
einem Einstieg in das jeweilige Thema. Der in Lehrbüchern<br />
übliche Einführungstext wird „instruktionaler Text“ genannt.<br />
Dann folgen ein oder mehrere Lösungsbeispiele. Drittens folgen<br />
mehrere Übungsaufgaben, die Schüler/innen selbständig<br />
bearbeiten. Erst dann wird in Tests erhoben, ob die Lernenden<br />
in der Lage sind, das vermittelte Verfahren in verschiedenen<br />
Situationen anzuwenden.<br />
Die unterrichtspraktische Perspektive<br />
Die Befunde der instruktionspsychologischen Lösungsbeispielforschung<br />
sind eine potenzielle Schatzkammer für Lehrer/innen, die<br />
sich über das Lehren mit Musterlösungen informieren möchten.<br />
Allerdings muss geprüft werden, inwieweit instruktionspsychologische<br />
Forschungsergebnisse tatsächlich für eine unterrichtspraktische<br />
Perspektive brauchbar sind. Drei Aspekte müssen bedacht<br />
werden:<br />
»»<br />
Die instruktionspsychologische Forschung analysiert Effekte bestimmter<br />
Merkmale von Lehrmaterialen unter Optimierungsaspekten.<br />
Lehrkräfte hingegen müssen nicht nur fragen, wie man<br />
etwas vermitteln kann (Frage der Methodik), sondern auch zur<br />
vorgelagerten Frage Stellung beziehen, was überhaupt vermittelt<br />
werden soll (Frage der Didaktik i. e. S.). Die Befunde der <strong>Instruktion</strong>spsychologie<br />
werden für Lehrkräfte also erst relevant,<br />
wenn sie die Lehrinhalte/-ziele<br />
bereits bestimmt haben.<br />
»»<br />
Für diese nachgelagerte Stelle<br />
<strong>ist</strong> zu diskutieren, wie die<br />
Befunde Lehrkräfte bei der<br />
methodischen Gestaltung<br />
ihres Unterrichts informieren<br />
können. Die Forschung<br />
interessiert sich für Effekte<br />
methodischer Variationen. Sie<br />
fragt bspw., ob es besser <strong>ist</strong>,<br />
drei, fünf oder sieben Lösungsschritte<br />
anzugeben. Hierzu<br />
wird bestimmt, was Schü -<br />
ler/innen durch die jeweilige<br />
Option lernen. Der Lerneffekt<br />
wird dabei über das Konstrukt<br />
Graphik 1: <strong>Schlüsselstellen</strong> lösungsbeispielbasierter <strong>Instruktion</strong><br />
der Transferweite gefasst. Sie <strong>ist</strong><br />
ein Maß dafür, wie unterschiedlich<br />
Kontexte sind, in denen<br />
Schüler/innen das zuvor Gelernte anwenden können. So bedeutet<br />
etwa naher Transfer, dass Schüler/innen in der Lage sind, ein<br />
Problem auch bei wechselnden „Oberflächenstrukturen“ zu<br />
lösen (GROSSE & RENKL 2006). Diese inhaltslose Beschreibung<br />
der erbrachten Le<strong>ist</strong>ung <strong>ist</strong> für das Ziel einer <strong>Instruktion</strong>spsychologie<br />
verständlich, denn sie möchte inhaltsunabhängige<br />
Gesetzmäßigkeiten finden, um die Gestaltung von Lehrmaterialien<br />
zu optimieren. Für Lehrkräfte <strong>ist</strong> die inhaltliche Analyse<br />
der Lernergebnisse hingegen zentral. Aus didaktischer Sicht<br />
<strong>ist</strong> Transferweite kein Wert an sich. Unterricht soll vielmehr<br />
Fähigkeiten in eine inhaltlich bestimmte Richtung und mit einer<br />
inhaltlich bestimmten Reichweite ausbilden.<br />
»»<br />
Es wäre für Lehrkräfte sehr hilfreich, bei der Erstellung oder<br />
Bewertung von Lehrmaterialien diejenigen <strong>Schlüsselstellen</strong> zu<br />
kennen, die besonders bedeutsam für die Lernergebnisse der<br />
Schüler/innen sind. Diesbezüglich <strong>ist</strong> zunächst problematisch,<br />
dass der Lernzuwachs in den instruktionspsychologischen<br />
Experimenten erst am Ende der dreiteiligen <strong>Instruktion</strong> erhoben<br />
wird, d. h. nach der Übungsphase. Um <strong>Schlüsselstellen</strong> zu<br />
identifizieren, wäre es hingegen nötig, (Zwischen-)Lernerfolge<br />
zu erheben, um die Einzeleffekte an der betreffenden Schlüsselstelle<br />
zu isolieren. Einige <strong>Schlüsselstellen</strong> dürften sich aber<br />
zumindest indirekt finden lassen, indem man analysiert,<br />
welche Gestaltungsmerkmale für die Streuung von Befunden<br />
verantwortlich sind (vgl. als Beispiel WITTWER & RENKL 2010).<br />
Allerdings <strong>ist</strong> fraglich, ob alle didaktisch relevanten <strong>Schlüsselstellen</strong><br />
aus der Varianz instruktionspsychologischer Befunde<br />
zurückerschlossen werden können. Einige dürften im instruktionspsychologischen<br />
Fokus auf die Effizienz von <strong>Instruktion</strong> gar<br />
nicht erhoben worden sein.<br />
<strong>Schlüsselstellen</strong><br />
Lehrkräfte müssen Lehrmaterialen auswählen und gestalten. Im<br />
Folgenden werden sieben <strong>Schlüsselstellen</strong> diskutiert, die die Lernergebnisse<br />
eines lösungsbeispielbasierten Ansatzes maßgeblich<br />
mitentscheiden dürften. Sie betreffen alle Elemente des dreiteiligen<br />
Ansatzes sowie deren Übergänge (Graphik 1). Relevante instruktionspsychologische<br />
Befunde werden, soweit vorhanden, in die<br />
folgenden Überlegungen eingeordnet.<br />
Musterlösungen hingegen bieten eine konkrete Vorstellung, wie Aufgaben mithilfe<br />
bereichsspezifischer Strategien gelöst werden können.<br />
<strong>Instruktion</strong>aler Text<br />
Die Darstellung in Lehrbüchern beginnt in der Regel mit einem<br />
instruktionalen Text, der in das betreffende Thema einführt. Um<br />
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seine Wirkung einschätzen zu können, erscheinen zwei Aspekte<br />
besonders bedeutsam.<br />
1 Was <strong>ist</strong> der inhaltliche Fokus? Das Ziel des instruktionalen Texts<br />
besteht häufig darin, zunächst ein grundlegendes Verständnis<br />
für das zu lernende Verfahrenswissen zu ermöglichen, bevor das<br />
konkrete Vorgehen dargestellt wird (vgl. KIRSCHNER, SWELLER &<br />
CLARK 2006 für die Nähe dieses Ansatzes zum <strong>Instruktion</strong>sparadigma<br />
sensu NEUWEG 2003). Dem Einstieg kommt damit eine große<br />
Bedeutung zu, denn er signalisiert den Lernenden, worauf es beim<br />
jeweiligen Verfahren inhaltlich ankommt. Bei der Analyse von<br />
Lehrmaterialen sollte insbesondere gefragt werden, welche Dimensionen<br />
des Verfahrenswissens der Text thematisiert.<br />
Betrachten wir die Kostenrechnung als prototypischen Fall. In ihr<br />
werden betriebswirtschaftliche Probleme und Ziele mit technischmathematischen<br />
Verfahren bearbeitet (REICHELT 2004; SEIFRIED<br />
2004). Es <strong>ist</strong> zu fragen, inwieweit ein instruktionaler Text sowohl<br />
das Betriebswirtschaftliche als auch das Technisch-Mathematische<br />
thematisiert. Ist eine Dimension nicht repräsentiert, kann auch<br />
nicht erwartet werden, dass sich die Aufmerksamkeit der Schü -<br />
ler/innen darauf richtet.<br />
Wie handlungsleitend <strong>ist</strong> der instruktionale Text? Für den Effekt des<br />
instruktionalen Texts <strong>ist</strong> zweitens bedeutsam, wie unmittelbar hilfreich<br />
seine Darstellungen für das Lösen der Übungsaufgaben sind.<br />
Es dürfte einen Unterschied machen, ob ein Verfahren abstrakt beschrieben<br />
oder ob ein konkretes Ablaufschema dargestellt wird, in<br />
das die Zahlenwerte der Übungsaufgaben nur noch eingesetzt werden<br />
müssen. Beide Optionen haben Vor- und Nachteile. In jedem<br />
Fall ergeben sich Konsequenzen in Bezug auf die Frage, ob im Anschluss<br />
an den instruktionalen Text Lösungsbeispiele sinnvoll sind.<br />
Vor allem wenn der instruktionale Text eher abstrakt gehalten <strong>ist</strong>,<br />
haben Lösungsbeispiele eine wichtige Konkretisierungsfunktion.<br />
Übergang von instruktionalem Text zum Lösungsbeispiel<br />
Sind die Inhalte des instruktionalen Texts im Lösungsbeispiel wieder<br />
erkennbar? Lösungsbeispiele sollen es Schüler/inne/n ermöglichen,<br />
das grundlegende Verständnis zu spezifizieren, das sie aus dem<br />
instruktionalen Text gewonnen haben. Sie müssen daher die Zusammenhänge<br />
zwischen Text und Beispiel erkennen. Werden beide<br />
hingegen nicht verknüpft, droht der Inhalt des Textes träge und das<br />
Vorgehen im Lösungsbeispiel unverstanden zu bleiben. Die Wiedererkennbarkeit<br />
hängt vor allem davon ab, wie prozesshaft die<br />
Darstellung des instruktionalen Texts war. Wiedererkennen kann<br />
trivial sein, bspw. wenn im instruktionalen Text ein Ablaufschema<br />
vorgestellt wurde. Dann besteht das Lösungsbeispiel einfach<br />
darin, dass Zahlenwerte in das Schema eingesetzt sind. Für andere<br />
Inhalte <strong>ist</strong> das Wiedererkennen schwieriger, z. B. wenn das Vorgehen<br />
nur abstrakt und in groben Schritten beschrieben wurde. In<br />
diesem Fall wäre zunächst zu bestimmen, was Schüler/innen genau<br />
wiederkennen sollen, und dann zu prüfen, ob dieses Ziel mit<br />
dem vorliegenden Lehrmaterial erreichbar <strong>ist</strong>. Ist dies nicht der Fall,<br />
kann das Lösungsbeispiel zusätzlich erklärt oder seine graphische<br />
Darstellung verbessert werden. Für die zweite Strategie hat die <strong>Instruktion</strong>spsychologie<br />
verschiedene Optionen identifiziert, z. B.<br />
dass Lösungsschritte gemäß ihrer inhaltlichen Zusammengehörigkeit<br />
graphisch und farblich geclustert sein sollten (CATRAMBONE<br />
1994, 1996).<br />
Lösungsbeispiel(e)<br />
Der Name sagt es: Ein Lösungsbeispiel <strong>ist</strong> ein Beispiel für etwas.<br />
Je nachdem, wofür es als Beispiel wahrgenommen wird, werden<br />
Schüler/innen Unterschiedliches daraus lernen. Die Darstellung im<br />
Lehrmaterial hat großen Einfluss auf die Wahrnehmung der Schüler/innen.<br />
Welche Überlegungen sind enthalten? Es wurde bereits deutlich, dass<br />
bei der Darstellung eines Themas unterschiedliche Aspekte betont<br />
werden können. Dies gilt auch für Lösungsbeispiele. Es würde einen<br />
Unterschied machen, ob in einen gegebenen Algorithmus lediglich<br />
Zahlenwerte eingesetzt wurden oder ob das Vorgehen aufgrund betriebswirtschaftlicher<br />
Überlegungen situationsspezifisch geplant<br />
wurde. In jedem Fall sollten die bebeispielten Überlegungen der Fähigkeit<br />
entsprechen, die bei den Schüler/inne/n ausgebildet werden<br />
soll.<br />
Neben der Prüfung, welche Überlegungen notwendig waren, um<br />
auf die Lösungsschritte der Musterlösung zu kommen, sollte analysiert<br />
werden, ob es den Schüler/inne/n auch möglich <strong>ist</strong>, diese Überlegungen<br />
in der Darstellung der Musterlösung zu erkennen. Es <strong>ist</strong><br />
gefährlich zu glauben, man müsse auf eigentlich relevante Aspekte<br />
im Lösungsbeispiel nicht mehr hinweisen, wenn sie bereits im instruktionalen<br />
Text thematisiert wurden. Lernende neigen stark dazu,<br />
die Angaben in Lösungsbeispielen gegenüber jenen aus Texten (LE-<br />
FEVRE & DIXON 1986) zu bevorzugen bzw. aktiv nach Beispielen<br />
zu suchen (SHIH ET AL 2010). Daher drohen Überlegungen, die<br />
nicht unmittelbar im Lösungsbeispiel erkennbar sind, nicht wahrgenommen<br />
zu werden. In der Regel bedarf es expliziter Hinweise<br />
und zusätzlicher Erläuterungen, um bebeispielte Überlegungen zu<br />
erkennen und zu verstehen. So sollte angegeben werden, welche<br />
Prinzipien (z. B. in Hundert, von Hundert und Dreisatz) und Konzepte<br />
(z. B. Deckungsbeitrag oder Opportunitätskosten) angewandt wurden<br />
(vgl. CONATI & VANLEHN 2000). Zudem kann die Angabe sinnvoll<br />
sein, was sich ein/e versierte/r Problemlöser/in bei dem jeweiligen<br />
Lösungsschritt gedacht hat bzw. was sich Lernende dabei denken<br />
sollten (vgl. VAN GOG ET AL 2009). Diese Erklärungen können<br />
schriftlich im Lehrmaterial enthalten sein oder zusätzlich von der<br />
Lehrkraft gegeben werden.<br />
Welche Fähigkeit wird bebeispielt? Neben der Frage, welche Überlegungen<br />
bebeispielt werden, <strong>ist</strong> eine zweite wichtige Frage, welche<br />
Fähigkeit durch die Musterlösung bebeispielt werden soll. Nehmen<br />
wir ein Lösungsbeispiel zur retrograden Bezugskalkulation, in dem<br />
ein Rabatt von 10 %, ein Skonto von 3 % und eigene Bezugsspesen<br />
von EUR 80,00 berücksichtigt werden. Es <strong>ist</strong> nicht selbstredend, wofür<br />
das Beispiel steht. Es kann sein, dass die Fähigkeit bebeispielt<br />
werden soll, die gleiche Art (z. B. einen Rabatt) bei gleichem Format<br />
(Prozentwerte) für andere Zahlenwerte (12 % anstatt 1 %) berechnen<br />
zu können. Es kann aber auch sein, dass zudem das Format beispielhaft<br />
aufzufassen <strong>ist</strong>. Dann würde die Fähigkeit bebeispielt, mit<br />
anderen Formaten umgehen zu können (z. B. mit einem Rabatt als<br />
Absolutbetrag). Man könnte aber auch die Arten des Beispiels als<br />
beispielhaft auffassen. Dann würde die Fähigkeit bebeispielt, mit<br />
verschiedenen Arten von Auf- und Abschlägen umgehen zu können<br />
(z. B. auch einen Zoll zu berücksichtigen, obwohl im Beispiel<br />
kein Zoll thematisiert wurde). Man kann sogar die retrograde Bezugskalkulation<br />
selbst als beispielhaft auffassen, nämlich für das<br />
Vorgehen, eine interessierende Größe aus gegebenen Werten zurück<br />
zu rechnen.<br />
<strong>Wissen</strong>schaft<br />
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Praxisbeiträge<br />
<strong>Wissen</strong>schaft<br />
Diese Fähigkeiten sind alle zugleich im Lösungsbeispiel manifest.<br />
Sie unterscheiden sich dahingehend, was als beispielhaft verstanden<br />
und was als fixer Denkrahmen gesehen wird. War eingangs<br />
nur der Wert beispielhaft, die Arten und Formate der zu behandelnden<br />
Größen hingegen fix, <strong>ist</strong> am Ende selbst das Problem (einen<br />
Rechnungspreis aus einem L<strong>ist</strong>enpreis zurück zu rechnen) nur ein<br />
Beispielproblem für retrogrades Vorgehen.<br />
Lehrkräfte müssen also mit Blick auf die Lehrziele, die Lernergruppe<br />
und relevante Kontextfaktoren (z. B. die vorhandene Unterrichtszeit)<br />
entscheiden, was Schüler/innen im Lösungsbeispiel als<br />
beispielhaft verstehen sollen. Zudem <strong>ist</strong> sicherzustellen, dass die<br />
Schüler/innen das beispielhaft Gemeinte als beispielhaft verstehen.<br />
Der Fokus des instruktionalen Texts gibt hierauf einen ersten<br />
Hinweis. Darüber kann dem Lösungsbeispiel eine Erklärung hinzugefügt<br />
werden („’Rabatt’ <strong>ist</strong> nur ein Beispiel für Abschläge“). Alternativ<br />
<strong>ist</strong> es möglich, mehrere Lösungsbeispiele bereit zu stellen,<br />
die gemeinsam verdeutlichen, was das beispielhaft Gemeinte <strong>ist</strong>. In<br />
diesem Fall <strong>ist</strong> darauf zu achten, dass die Lösungsbeispiele die didaktisch<br />
intendierte Bandbreite der Fähigkeit tatsächlich abdecken<br />
(Variabilität; PAAS & VAN MERRIENBOER 1994). Ist z. B. didaktisch<br />
gewollt, dass Schüler/innen mit verschiedenen Arten von Auf- und<br />
Abschlägen in einer Bezugskalkulation umgehen können, wäre es<br />
notwendig, dass in verschiedenen Lösungsbeispielen verschiedene<br />
Arten von Auf- und Abschlägen verarbeitet sind. Allerdings hat<br />
der Einsatz von mehreren Lösungsbeispielen den Nachteil, kognitiv<br />
vergleichsweise anstrengend zu sein (VAN MERRIENBOER, DE<br />
CROOCK & JELSMA 1997). Zu viel Variabilität droht Lernende zu<br />
überlasten und eine Verkürzung der Fähigkeit sogar zu fördern. Um<br />
dies zu verhindern, wird in der <strong>Instruktion</strong>spsychologie empfohlen,<br />
die Aufmerksamkeit von Schüler/inne/n durch Fragen unmittelbar<br />
auf wichtige Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen<br />
den Lösungsbeispielen zu lenken (vgl. z. B. CATRAMBONE & HOLY-<br />
OAK 1990).<br />
Übergang vom Lösungsbeispiel zu den Übungsaufgaben<br />
Wie nützlich sind Lösungsbeispiele für die Lösung der Übungsaufgaben?<br />
Lösungsbeispiele helfen dabei, Verfahrenswissen anzuwenden.<br />
Nichtsdestotrotz bleibt das selbständige Üben ein unerlässlicher<br />
Teil des Fähigkeitsauf baus. Werden Lösungsbeispiele im Unterricht<br />
verwendet, <strong>ist</strong> es wichtig zu analysieren, inwieweit diese den Zugang<br />
der Lernenden zu den folgenden Übungsaufgaben verändern.<br />
Es drohen zwei Gefahren. Einerseits kann die Nützlichkeit eines<br />
Lösungsbeispiels für das Lösen der Übungsaufgaben zu hoch sein.<br />
Im Extremfall lässt sich eine Übungsaufgabe korrekt lösen, indem<br />
man einfach die Werte im Lösungsbeispiel austauscht. Erreicht <strong>ist</strong><br />
damit aber nicht das Lehrzielniveau Anwenden, sondern nur ein verständnisloses<br />
Reproduzieren. Andererseits kann die Lücke zwischen<br />
Lösungsbeispiel und Übungsaufgabe zu groß sein. Dann verpufft<br />
das Potenzial des Lösungsbeispiels, weil die Lernenden nicht wissen,<br />
wie es ihnen beim Lösen der Übungsaufgaben helfen kann.<br />
Übungsaufgaben<br />
Welche Überlegungen und Fähigkeiten werden geübt? Die Gestaltung<br />
der Übungsphase <strong>ist</strong> von großer Bedeutung. Da die Gestaltung der<br />
Lösungsbeispiele hierfür allerdings nicht mehr unmittelbar bedeutsam<br />
<strong>ist</strong>, sollen zwei Aspekte nur angedeutet werden. Zum einen<br />
sollte sich die Komplexität der Übungsaufgaben in der Regel über<br />
die Dauer der Serie steigern. 3 Insofern soll ein Lösungsbeispiel vor<br />
allem den Einstieg in die Serie von Übungsaufgaben ermöglichen.<br />
Zum anderen sollte die didaktisch intendierte Transferweite der Fähigkeit<br />
über entsprechend variable Übungsaufgaben repräsentiert<br />
sein (intelligentes Üben; z. B. HEYMANN 2005). Wenn man möchte,<br />
dass Schüler/innen verschiedene Auf- und Abschläge in einer retrograden<br />
Bezugskalkulation berücksichtigen können, sollte man sie<br />
in den Übungsaufgaben verschiedene Auf- und Abschläge berücksichtigen<br />
lassen.<br />
Was nutzt das <strong>Wissen</strong> um <strong>Schlüsselstellen</strong>?<br />
Es wurden sieben <strong>Schlüsselstellen</strong> dargestellt, die darüber mitentscheiden,<br />
welche Lehrinhalte/-ziele durch eine Serie von Einstiegstext,<br />
Musterlösungen und Übungsaufgaben vermittelt werden.<br />
Die Kenntnis dieser <strong>Schlüsselstellen</strong> eröffnet drei Möglichkeiten:<br />
»»<br />
Die <strong>Schlüsselstellen</strong> erlauben es, Lehrmaterialen zu analysieren.<br />
Je nachdem, wie die <strong>Schlüsselstellen</strong> gestaltet sind, können<br />
sich die Lernergebnisse der Schüler/innen – selbst für identische<br />
Themen – deutlich unterscheiden. Insofern bieten die<br />
<strong>Schlüsselstellen</strong> eine Möglichkeit zu antizipieren, ob sich die<br />
gesetzten Lehrinhalte/-ziele durch das jeweilige Lehrmaterial<br />
tatsächlich erreichen lassen.<br />
»»<br />
Die <strong>Schlüsselstellen</strong> bieten die Möglichkeit, Lehrmaterialen<br />
in Hinblick auf die angestrebten Lehrinhalte/-ziele sowie die<br />
Effizienz der Vermittlung zu optimieren. Für jede Schlüsselstelle<br />
kann man fragen, inwieweit ihre gegenwärtige Gestaltung der<br />
effizienten Ausbildung der angestrebten Lehrinhalte/-ziele zuträglich<br />
<strong>ist</strong>, diese erschwert oder dieser gar entgegengerichtet<br />
<strong>ist</strong>. Dabei <strong>ist</strong> es sinnvoll, sowohl die Gestaltung jeder Schlüsselstelle<br />
isoliert zu betrachten als auch ihre Stimmigkeit mit den<br />
anderen <strong>Schlüsselstellen</strong>. Es reicht nicht aus, Schlüsselstelle für<br />
Schlüsselstelle separat zu optimieren; jede Schlüsselstelle <strong>ist</strong> in<br />
die Einheit eingebettet und sollte mit den anderen <strong>Schlüsselstellen</strong><br />
abgestimmt sein.<br />
»»<br />
Es <strong>ist</strong> wichtig, die Qualität von Lehrmaterialen zu sichern. Darüber<br />
hinaus sollte sichergestellt werden, dass Lehrmaterialen<br />
optimal in den Unterricht integriert werden. Entlang der <strong>Schlüsselstellen</strong><br />
können Lehrkräfte überlegen, wie die Lehrmaterialen<br />
eingesetzt werden können bzw. wie sie durch andere Materialien<br />
oder Erklärungen ergänzt werden müssen, um die angestrebten<br />
Lehrinhalte/-ziele tatsächlich zu erreichen. Y<br />
3 Didaktische Heurismen des Typs vom Einfachen zum Schweren werden in der<br />
<strong>Instruktion</strong>spsychologie deutlich differenzierter behandelt (vgl. VAN MERRIEN-<br />
BOER & SWELLER 2005).<br />
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