Schlüsselstellen lösungsbasierter Instruktion - Wissen ist MANZ
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seine Wirkung einschätzen zu können, erscheinen zwei Aspekte<br />
besonders bedeutsam.<br />
1 Was <strong>ist</strong> der inhaltliche Fokus? Das Ziel des instruktionalen Texts<br />
besteht häufig darin, zunächst ein grundlegendes Verständnis<br />
für das zu lernende Verfahrenswissen zu ermöglichen, bevor das<br />
konkrete Vorgehen dargestellt wird (vgl. KIRSCHNER, SWELLER &<br />
CLARK 2006 für die Nähe dieses Ansatzes zum <strong>Instruktion</strong>sparadigma<br />
sensu NEUWEG 2003). Dem Einstieg kommt damit eine große<br />
Bedeutung zu, denn er signalisiert den Lernenden, worauf es beim<br />
jeweiligen Verfahren inhaltlich ankommt. Bei der Analyse von<br />
Lehrmaterialen sollte insbesondere gefragt werden, welche Dimensionen<br />
des Verfahrenswissens der Text thematisiert.<br />
Betrachten wir die Kostenrechnung als prototypischen Fall. In ihr<br />
werden betriebswirtschaftliche Probleme und Ziele mit technischmathematischen<br />
Verfahren bearbeitet (REICHELT 2004; SEIFRIED<br />
2004). Es <strong>ist</strong> zu fragen, inwieweit ein instruktionaler Text sowohl<br />
das Betriebswirtschaftliche als auch das Technisch-Mathematische<br />
thematisiert. Ist eine Dimension nicht repräsentiert, kann auch<br />
nicht erwartet werden, dass sich die Aufmerksamkeit der Schü -<br />
ler/innen darauf richtet.<br />
Wie handlungsleitend <strong>ist</strong> der instruktionale Text? Für den Effekt des<br />
instruktionalen Texts <strong>ist</strong> zweitens bedeutsam, wie unmittelbar hilfreich<br />
seine Darstellungen für das Lösen der Übungsaufgaben sind.<br />
Es dürfte einen Unterschied machen, ob ein Verfahren abstrakt beschrieben<br />
oder ob ein konkretes Ablaufschema dargestellt wird, in<br />
das die Zahlenwerte der Übungsaufgaben nur noch eingesetzt werden<br />
müssen. Beide Optionen haben Vor- und Nachteile. In jedem<br />
Fall ergeben sich Konsequenzen in Bezug auf die Frage, ob im Anschluss<br />
an den instruktionalen Text Lösungsbeispiele sinnvoll sind.<br />
Vor allem wenn der instruktionale Text eher abstrakt gehalten <strong>ist</strong>,<br />
haben Lösungsbeispiele eine wichtige Konkretisierungsfunktion.<br />
Übergang von instruktionalem Text zum Lösungsbeispiel<br />
Sind die Inhalte des instruktionalen Texts im Lösungsbeispiel wieder<br />
erkennbar? Lösungsbeispiele sollen es Schüler/inne/n ermöglichen,<br />
das grundlegende Verständnis zu spezifizieren, das sie aus dem<br />
instruktionalen Text gewonnen haben. Sie müssen daher die Zusammenhänge<br />
zwischen Text und Beispiel erkennen. Werden beide<br />
hingegen nicht verknüpft, droht der Inhalt des Textes träge und das<br />
Vorgehen im Lösungsbeispiel unverstanden zu bleiben. Die Wiedererkennbarkeit<br />
hängt vor allem davon ab, wie prozesshaft die<br />
Darstellung des instruktionalen Texts war. Wiedererkennen kann<br />
trivial sein, bspw. wenn im instruktionalen Text ein Ablaufschema<br />
vorgestellt wurde. Dann besteht das Lösungsbeispiel einfach<br />
darin, dass Zahlenwerte in das Schema eingesetzt sind. Für andere<br />
Inhalte <strong>ist</strong> das Wiedererkennen schwieriger, z. B. wenn das Vorgehen<br />
nur abstrakt und in groben Schritten beschrieben wurde. In<br />
diesem Fall wäre zunächst zu bestimmen, was Schüler/innen genau<br />
wiederkennen sollen, und dann zu prüfen, ob dieses Ziel mit<br />
dem vorliegenden Lehrmaterial erreichbar <strong>ist</strong>. Ist dies nicht der Fall,<br />
kann das Lösungsbeispiel zusätzlich erklärt oder seine graphische<br />
Darstellung verbessert werden. Für die zweite Strategie hat die <strong>Instruktion</strong>spsychologie<br />
verschiedene Optionen identifiziert, z. B.<br />
dass Lösungsschritte gemäß ihrer inhaltlichen Zusammengehörigkeit<br />
graphisch und farblich geclustert sein sollten (CATRAMBONE<br />
1994, 1996).<br />
Lösungsbeispiel(e)<br />
Der Name sagt es: Ein Lösungsbeispiel <strong>ist</strong> ein Beispiel für etwas.<br />
Je nachdem, wofür es als Beispiel wahrgenommen wird, werden<br />
Schüler/innen Unterschiedliches daraus lernen. Die Darstellung im<br />
Lehrmaterial hat großen Einfluss auf die Wahrnehmung der Schüler/innen.<br />
Welche Überlegungen sind enthalten? Es wurde bereits deutlich, dass<br />
bei der Darstellung eines Themas unterschiedliche Aspekte betont<br />
werden können. Dies gilt auch für Lösungsbeispiele. Es würde einen<br />
Unterschied machen, ob in einen gegebenen Algorithmus lediglich<br />
Zahlenwerte eingesetzt wurden oder ob das Vorgehen aufgrund betriebswirtschaftlicher<br />
Überlegungen situationsspezifisch geplant<br />
wurde. In jedem Fall sollten die bebeispielten Überlegungen der Fähigkeit<br />
entsprechen, die bei den Schüler/inne/n ausgebildet werden<br />
soll.<br />
Neben der Prüfung, welche Überlegungen notwendig waren, um<br />
auf die Lösungsschritte der Musterlösung zu kommen, sollte analysiert<br />
werden, ob es den Schüler/inne/n auch möglich <strong>ist</strong>, diese Überlegungen<br />
in der Darstellung der Musterlösung zu erkennen. Es <strong>ist</strong><br />
gefährlich zu glauben, man müsse auf eigentlich relevante Aspekte<br />
im Lösungsbeispiel nicht mehr hinweisen, wenn sie bereits im instruktionalen<br />
Text thematisiert wurden. Lernende neigen stark dazu,<br />
die Angaben in Lösungsbeispielen gegenüber jenen aus Texten (LE-<br />
FEVRE & DIXON 1986) zu bevorzugen bzw. aktiv nach Beispielen<br />
zu suchen (SHIH ET AL 2010). Daher drohen Überlegungen, die<br />
nicht unmittelbar im Lösungsbeispiel erkennbar sind, nicht wahrgenommen<br />
zu werden. In der Regel bedarf es expliziter Hinweise<br />
und zusätzlicher Erläuterungen, um bebeispielte Überlegungen zu<br />
erkennen und zu verstehen. So sollte angegeben werden, welche<br />
Prinzipien (z. B. in Hundert, von Hundert und Dreisatz) und Konzepte<br />
(z. B. Deckungsbeitrag oder Opportunitätskosten) angewandt wurden<br />
(vgl. CONATI & VANLEHN 2000). Zudem kann die Angabe sinnvoll<br />
sein, was sich ein/e versierte/r Problemlöser/in bei dem jeweiligen<br />
Lösungsschritt gedacht hat bzw. was sich Lernende dabei denken<br />
sollten (vgl. VAN GOG ET AL 2009). Diese Erklärungen können<br />
schriftlich im Lehrmaterial enthalten sein oder zusätzlich von der<br />
Lehrkraft gegeben werden.<br />
Welche Fähigkeit wird bebeispielt? Neben der Frage, welche Überlegungen<br />
bebeispielt werden, <strong>ist</strong> eine zweite wichtige Frage, welche<br />
Fähigkeit durch die Musterlösung bebeispielt werden soll. Nehmen<br />
wir ein Lösungsbeispiel zur retrograden Bezugskalkulation, in dem<br />
ein Rabatt von 10 %, ein Skonto von 3 % und eigene Bezugsspesen<br />
von EUR 80,00 berücksichtigt werden. Es <strong>ist</strong> nicht selbstredend, wofür<br />
das Beispiel steht. Es kann sein, dass die Fähigkeit bebeispielt<br />
werden soll, die gleiche Art (z. B. einen Rabatt) bei gleichem Format<br />
(Prozentwerte) für andere Zahlenwerte (12 % anstatt 1 %) berechnen<br />
zu können. Es kann aber auch sein, dass zudem das Format beispielhaft<br />
aufzufassen <strong>ist</strong>. Dann würde die Fähigkeit bebeispielt, mit<br />
anderen Formaten umgehen zu können (z. B. mit einem Rabatt als<br />
Absolutbetrag). Man könnte aber auch die Arten des Beispiels als<br />
beispielhaft auffassen. Dann würde die Fähigkeit bebeispielt, mit<br />
verschiedenen Arten von Auf- und Abschlägen umgehen zu können<br />
(z. B. auch einen Zoll zu berücksichtigen, obwohl im Beispiel<br />
kein Zoll thematisiert wurde). Man kann sogar die retrograde Bezugskalkulation<br />
selbst als beispielhaft auffassen, nämlich für das<br />
Vorgehen, eine interessierende Größe aus gegebenen Werten zurück<br />
zu rechnen.<br />
<strong>Wissen</strong>schaft<br />
wissenplus 5–11/12 37