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gemälde von Albert Robida<br />

Der Ernst <strong>des</strong> Lebens<br />

Ein Artikel <strong>des</strong> Los Angeles Time Magazine aus dem Jahre 1988 gibt Aufschluss darüber, welche Zukunftsvisionen<br />

damals über das Jahr 2013 herrschten. moritz gibt einen Einblick in den heutigen<br />

Alltag, wie er sich vor 25 Jahren ausgemalt wurde.<br />

Von: Ulrike Günther & Marie Wieschmann<br />

Das Klingeln meines Weckers reißt mich unsanft aus dem Schlaf. Es<br />

klopft an der Tür, doch bevor ich überhaupt Gelegenheit erhalte,<br />

den Gast hereinzubitten, steht mein Mitbewohner schon im Zimmer.<br />

Hierbei handelt es sich nicht um die Art Mitbewohner, die um 8 Uhr<br />

morgens dein Zimmer aufsuchen, um nach einer durchzechten Nacht von<br />

den jüngsten Mensaereignissen zu berichten. Es handelt sich vielmehr um<br />

einen ordnungsfanatischen Roboter namens Ernst, der keine Abweichung<br />

vom täglichen Zeitplan zulässt: „Guten Morgen. Höchste Zeit aufzustehen.<br />

In 57 Minuten beginnt Ihre Vorlesung. Das Frühstück steht zubereitet in<br />

der Küche. Außerdem wäre eine Dusche für Sie äußerst empfehlenswert.“<br />

Widerwillig starte ich in den Tag, bevor Ernst mit dem nächsten Schritt <strong>des</strong><br />

Weckprogrammes beginnt und einen Eimer kaltes Wasser holt. Schon das<br />

erste Nippen am Kaffee zeigt, dass Ernsts Barista-Qualitäten deutliches Steigerungspotential<br />

besitzen. Mit diesem Gebräu könnte man Tote zum Leben<br />

erwecken – wobei es laut Zeitungstitelblatt nur noch eine Frage der Zeit sei,<br />

bis dies der Wissenschaft gelinge. Der herzhafte Schrei aus dem Zimmer<br />

meiner Mitbewohnerin verrät, dass Ernst doch auf den Wassereimer <strong>zur</strong>ückgreifen<br />

durfte. An der Haustür halte ich Ausschau nach meinem e-Bike.<br />

Das aufgebrochene Schloss auf seinem Stellplatz gibt Aufschluss über sein<br />

tragisches Schicksal. Ein Glück, dass Ernst mit dem Aufwischen der Wasserpfütze<br />

beschäftigt ist, denn für eine Standpauke über akkurate Radsicherung<br />

fehlt mir dank <strong>des</strong> bevorstehenden Fußmarsches die Zeit.<br />

Professor im Schlafrock<br />

Knallrot erreiche ich den Vorlesungssaal. Bei all dem Ärger habe ich vergessen,<br />

die Sonnencreme LSF 50+ aufzutragen. Die 3D-Projektion meines Professors<br />

bittet darum, die Tablet-PCs schon einmal herauszuholen, während<br />

er sich einen Bademantel um seine mit Herzchen bestickte Unterhose zieht.<br />

Er bittet um Entschuldigung: Sein Roboter sei noch auf die Semesterferien<br />

programmiert. Auch seine Frau scheint in seliger Ruhe verschlafen zu haben<br />

und serviert ihm seinen Kaffee. Ich bin verwundert, dass ein Professor<br />

<strong>des</strong> Gra<strong>des</strong> Alpha mit einem Beta verheiratet sein darf. In Huxleys Roman<br />

„brave new world“ wäre dies nicht möglich. Während mein Professor nun<br />

über das eigentliche Thema „Atommolekularbiologie für den Einsatz von<br />

Knochenmarkttransplantationen“ referiert, schalte ich den Kopf aus und<br />

38 | Feuilleton

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