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moritzN o 91 | Mai 2011In diesem Heft:816Hochschulpolitik _07 Nachrichten08 Studententheater: Umzug, sechster Akt10 Durchblick bei den Unistrukturen12 Neustrukturierung der ExekutiveUni.versum ¨15 Nachrichten16 Forschungsreisen: Interview mit Jörg Driesner19 Auslandssemester in Paris25GreifsWelt v23 Nachrichten24 Demokratieladen Anklam25 Titel: Eindrücke vom 1. Mai in <strong>Greifswald</strong>29 Titel: Hintergrund zum Tag der Arbeit31 <strong>Greifswald</strong>er Asylbewerberheim3650Feuilleton 3536384042KulturnotizenSwinx - AustellungSpaceman SpiffTheaterLiteratur43444546CD & HörbuchKinoDVDLangzeitstudierendemoritz0348Editorialm.trifft... Herrn Haubold4950ImpressumTapir »Das Gold des Herrn G.«4 | Inhaltsverzeichnis


HochschulpolitikFrühjahrsputz | Alter Wein aus neuen Schläuchen? Tiefgreifende Veränderungen? Klüngelwirtschaftund endloses Palaver? Was wird die neue Legislatur in den verschiedenen Gremien bringen? Fragenüber Fragen, das vorliegende Foto zeigt uns schon mal soviel: Heiße Luft in verschlungenen Strukturenmuss nicht zwangsläufig in Untätigkeit enden. In die richtigen Bahnen gelenkt und punktuell eingesetzt,kann sie durchaus sichtbare und dauerhafte Veränderungen herbeiführen.Foto: Johannes Köpcke6 | Hochschulpolitik _


nachrichten_ Generationenwechsel imSenatDreieinhalb Jahre hatte er demhöchsten Gremium unserer Universitätals dessen erster studentischer,stellvertretender Vorsitzenderangehört, nun schied ThomasSchattschneider zu Beginn derneuen Legislatur aus dem akademischenSenat aus. „Präzis inder Sache, aber stets freundlichim Ton“ habe der Lehramtsstudentseine Anliegen zu aktuellenThemen formuliert, resümierenseine KollegInnen aus dem SenatsvorsitzDr. Maria-TheresiaSchafmeister und Dr. Roland Rosenstock.Konfliktreiche Themengab es in seiner Amtszeit reichlich,zu nennen sind hier sicherlich dieDebatte um den NamenspatronErnst-Moritz Arndt sowie die Diskussionum die Lehrerbildung ander Universität <strong>Greifswald</strong>._ Studierendenparlamentkonstituiert sich neuZum ersten Mal in diesem Sommersemestertagte Mitte Aprildas neue, aus den Wahlen imJanuar hervorgegangene Studierendenparlament(StuPa). Aufder Tagesordnung standen nebenÄnderungen in der Geschäfts-, sowieFinanzordnung und den obligatorischenRechenschaftsberichtenvon Seiten des AllgemeinenStudierendenausschusses (AStA)sowie der moritz-Medien auch dieNeuwahl des StuPa-Präsidenten.Durchsetzten konnte sich hierEric Makswitat, der seinen JUSO-Kollegen Erik von Malottki im Amtablöst. Desweiteren sprach sichdas StuPa mehrheitlich für einenAntrag aus, der eine Aufforderungzur Beteiligung an Protestaktionengegen die NPD-Demonstration am1. Mai beinhaltet._ Senatsmehrheit gegenRektoratserweiterungMit deutlicher Mehrheit hat derSenat einen studentischen Antragauf Erweiterung des Rektoratsabgelehnt. Dieses besteht ausdem Rektor, dem Kanzler, einemProfessor sowie einem weiterenMitglied der Hochschule. Da diesePosition aktuell ebenfalls von einemProfessor besetzt wird, sprachensich die Antragssteller für einenweiteren Posten aus, welchermit einem (nicht)wissenschaftlichenMitarbeiter oder einem Studierendenbesetzt werden könnte.Auf Seiten der Befürworter wiesunter anderem Erik von Malottkiauf eine praxisnähere Vertretungstudentischer Interessen hin, währendProfessor Heyo Kroemer imFalle qualitativer Mitspracherechte„Führungsunfähigkeit“ befürchtet._ Studentische Selbstverwaltung_ Aufstehen versus_ Bessere Einbindung derim UmbruchAussitzenFachschaftenDer Allgemeine Studierendenausschuss(AStA) machte durcheine Serie von Rücktritten auf sichaufmerksam. Über mehrere Wochenwurde die Personaldecke,ausgehend von 19 beschäftigtenReferenten, zusehends dünner.Der AStA, vom Studierendenparlament(Stupa) gewählte Vertretungfür die Belange der Studierendenschaft,drohte durch dieUnterbesetzung handlungsunfähigzu werden. Diesem denkbarenSzenario begegneten die Verantwortlichenmit der Vertretung vakantgewordener Referate durchverbliebene Referenten. Befeuertdurch diesen Exodus wurde unteranderem die Diskussion um einestraffere AStA-Struktur, welche indiesen Tagen vom StuPa in Angriffgenommen wurde.“Das Studierendenparlament fordertdie Mitglieder der Studierendenschaftder Universität <strong>Greifswald</strong>auf, am 1. Mai 2011 an denvielfältigen und friedlichen Aktivitätenteilzunehmen, die sich zu Toleranzund Menschlichkeit bekennen.“So beginnt ein vor kurzemin das Studierendenparlament(StuPa) eingebrachter Antrag.Verabschiedet wurde dieser mit20 Ja-Stimmen, drei Enthaltungenund zwei Gegenstimmen. Erik vonMalottki (Jusos) bedauerte, dasshier kein einstimmiges Ergebniszu Stande gekommen sei. Er habemit seiner Nein- Stimme „gegenWahlwerbung für die NPD“ gestimmt,hieß es hingegen von MaximilianWolff, neben Linn Görnig(beide Junge Union) eine der beidenGegenstimmen.Er wird in dieser Legislatur die Interessender Studierendenschaftnach außen hin repräsentieren:Eric Makswitat, neuer Präsidentdes Studierendenparlaments (Stu-Pa), sagte dem <strong>webMoritz</strong> , dassdie 23 Fachschaften verstärktin die Kommunikation zwischenStupa und dem Allgemeinen Studierendenausschuss(AStA) eingebundenwerden sollen. Mit Aktionenwie dem „Grillen an Ruinen“soll „auf den Verfall einiger Institute“sowie „die prekäre Situationan der Philosophischen Fakultät“aufmerksam gemacht werden.Das Interesse an der studentischenSelbstverwaltung wolle erbeispielsweise dadurch stärken,dass „Bewerber für vakante Positionenin der Sitzung früher behandeltwerden.“_ Hochschulpolitik | 7


Umzug, sechster AktTrotz der Bestrebungen, die Falladastraße als Spielstätte zu erhalten, muss dasStudententheater erneut umziehen. Ihr neues Domizil wird in der Franz-Mehring-Straße sein. Bis zum Umzug sind jedoch noch einige Reparaturen zu erledigen.Bericht: Katrin Haubold & Irene Dimitropoulos // Fotos: Ronald Schmidt & Patrice WangenJens Leuteritz, 24freut sich, dass dasStuThe wieder arbeitenkannKisten packen, stapeln, tragen. Diese und weitere nervenaufreibendeAufgaben musste man beim Umzugnach <strong>Greifswald</strong> auf sich nehmen. Es beginnt einneuer Lebensabschnitt in dem neuen Zuhause, wobei mansich an die neue Umgebung gewöhnen muss. Glücklich könnensich diejenigen schätzen, die gleich mit der ersten Wohnungdas große Los ziehen und sich niederlassen können.Nicht so das <strong>Greifswald</strong>er Studententheater, das im Sommernochmals umsiedeln muss.In den 15 Jahren seines Bestehens musste das StuThe schonsechs Mal seine Bleibe verlassen und weiterziehen. Die jeweiligenRäume wurden von der Universität zur Verfügunggestellt, die jedoch durch Umstrukturierungen immer wiederBedarf an den zuvor bereitgestellten Räumen anmeldete. DieFolge war jeweils ein erneuter Umzug. Von der Bahnhofstraße50 über die Soldmannstraße 23 sind die Mitglieder im Dezember2009 in der Falladastraße 2 gelandet. Doch auch hierheißt es bald Abschied nehmen, da das aktuell noch der Universitätzugehörige Haus an den Betrieb für Bau und Liegenschaften(BBL) zurückgegeben werden soll. Das StuThe bedauertdiese Entscheidung, da die Spielstätte einige wichtigeVorzüge wie die zentrale Lage und große Räumlichkeiten bietet.Seit Dezember 2010 kämpft der Verein für den Erhalt derProbestätte des Theaters in der Falladastraße. Mit Aktionenwie einer Unterschriftenliste mit über 3 000 Unterzeichnernund Berichten im Fernsehen sowie auf Papier (moritz Magazin88) wurde auf die Situation des Theaters aufmerksamgemacht. Man traf sich zu Gesprächen mit der Universitätsleitung.Zwischen dieser und dem Theater waren die Frontennach dem Auszug aus der Soldmannstraße verhärtet. Vorallem durch den neuen Kurs, bei dem die Gespräche nur imBeisein von Vertretern des Allgemeinen Studierendenausschusses(AStA) und des Studierendenparlamentes (StuPa)stattfanden, entspannte sich der Umgangston und eine kooperativereZusammenarbeit wurde möglich.Auch die Bemühungen des Kanzlers Dr. Wolfgang Fliegerund seines Stellvertreters Dr. Peter Rief führten dazu, dassdie Universitätsleitung und das Studententheater aufeinanderzugingen. Es wurde ein Konzept entwickelt, welchesdie zukünftige Finanzierung und Nutzung des Hauses in derFalladastraße 2 näher erläuterte. Auch die Stadt <strong>Greifswald</strong>und das Land Mecklenburg-Vorpommern (MV) wurden indie Kampagne des Studententheaters mit einbezogen. Es gabKontakt mit Vertretern der <strong>Greifswald</strong>er Bürgerschaft unddes Ministeriums für Verkehr, Bau und Landesentwicklung.Obgleich das Theater „alle medialen Stationen“ durchlaufenhat, wie der Vorstandvorsitzende des Studententheaters JensLeuteritz betont, konnte die Falladastraße nicht als Spielstättegehalten werden. So wurde ein weiterer Umzug unabwendbar.Das neue Domizil wird in der Franz-Mehring-Straße liegen.Jens, der das Amt seit August 2010 inne hat, ist der Ansicht,dass gerade die mediale Aufmerksamkeit und der daraus folgendeDruck vom Land die Universitätsleitung dazu bewegthat, dem Theater neue Räume zur Verfügung zu stellen. „Manhätte es doch ganz gerne gesehen, dass wir gar nicht mehr beider Uni wären“, beschreibt er seinen Eindruck. Eigentlich warbeabsichtigt, dass das StuThe die Falladastraße zu günstigerenBedingungen nutzen könne, indem der Verein zum Beispielweniger Miete hätte zahlen müssen. „Das Rektorat hat denBildungsminister gebeten, das Gebäude Falladastraße 2 demStuThe nach Rückgabe durch die Universität an das Land zur8 | Hochschulpolitik _


Links: Zum sechsten Mal muss das StuThe die Räume wechseln Rechts: Gefährdet „Leib und Leben“ – die alte Spielstätte in der FalladastraßeVerfügung zu stellen“ heißt es dazu im Rechenschaftsberichtdes Rektorats für 2010. Doch der bauliche Zustand des Hausesermöglichte keine weitere Nutzung. Wurden die Kostenvor dem geplanten Gutachten zwischen 10 700 und 250 000Euro geschätzt, so ergab das vom BBL durchgeführte Gutachten,dass man für die Sanierung des Hauses mit bis zu 1,7Millionen Euro hätte rechnen müssen. Zu viel für das StuThe.Auch mit der Unterstützung des Studentenwerkes, welcheszwischen 20 000 und 30 000 Euro zugeschossen hätte, wäredie Sanierung nicht möglich gewesen. Die größten Gefahrengehen von dem maroden Dachstuhl, der bröckelnden Außenfassadeund zwei tragenden, allerdings durchgerostetenStahlträgern im Keller aus. All dies veranlasste die Universitätsleitung,den Zutritt zum Haus ab Mitte April zu untersagen,da „Gefahr für Leib und Leben“ bestehe.Das Nutzungsangebot für die Franz-Mehring-Straße bestandschon vor dem Umzug in die Falladastraße. Allerdings hattesich der damalige Vorstand des Theaters dagegen entschieden,weil vor Beginn des Spielbetriebes umfassende Instandsetzungennotwendig gewesen wären. Zu diesem Zeitpunkthätte das StuThe alles selbst finanzieren müssen, was für denstudentischen Verein ein Ding der Unmöglichkeit gewesenwäre. Durch die Unterstützung des Studentenwerks könnendie Arbeiten wie Wände verputzen, neuen Fußboden undelektrische Leitungen verlegen nun in Angriff genommenwerden. Der Baubeginn ist für Anfang Mai festgesetzt. „Eshat eine völlig andere Wendung genommen als geplant war“,bemerkt Jens zufrieden. Der Verein wird diesmal einen Mietvertragunterzeichnen, wodurch der Zustand der Duldung inden Universitätsräumen beendet wird. Dann muss beispielsweisebei einer Kündigung die Kündigungsfrist eingehaltenwerden, was dem Verein mehr Sicherheit bietet. Die Mitgliederhoffen natürlich, dass es keinen weiteren Wechsel derSpielstätte vor dem Umzug in die Mensa am Schießwall gebenwird. „Eine Zusicherung wird es nicht geben“, verdeutlichtJens, „doch wir werden wieder arbeiten können und uns aufProjekte in der Zukunft konzentrieren können. Und das istuns das Wichtigste.“ Durch die unklare Raumsituation hatteder Verein stark gelitten. Es wurde schwierig, neue Mitgliederanzuwerben, Struktur und Organisation des Vereines litten.Auch der Biologiestudent Benjamin Braun, der seit Oktober2009 beim StuThe mitwirkt, berichtet, dass „der sozialeZusammenhalt durch die Schwebephase und die Dezentralisierungdes Theaters verloren geht, da man sich einfach vielseltener sieht.“ Benjamin schätzt die neue Spielstätte, die ineiner ehemaligen Mensa sein wird, als geeignet ein und hofft,„dass sich die derzeitige Situation des StuThes mit der Verfügbarkeitder neuen Räume in der Mehringstraße auflösenwird.“ Glück im Unglück hatte das Theater, da sie übergangsweisein Seminarräumen der Universität und im Hörsaal derFrauenklinik proben können. Zudem will das StuThe auchRäume außerhalb der Universität nutzen, ein Angebot gibt esvom Kinder- und Jugendhaus Labyrinth in Schönwalde. „AlsKulturträger sind wir in der Stadt verankert“, so Jens. Im Juli2011 ist der Umzug geplant. Dann soll die Franz-Mehring-Straße fertig umgebaut und die Falladastraße an den BBLzurückgegeben sein.Es bleibt zu hoffen, dass dies der vorerst letzte Akt in derGeschichte der StuThe-Umzüge ist. Zunächst steht aber einweiterer Umzug ins Haus an und noch einmal müssen Kistengepackt und getragen werden, bevor das StuThe den Vorhangwieder in den eigenen vier Wänden aufziehen kann.Foto: Svea AchtermannBenjamin Braunschätzt neue Spielstätteals geeignet ein_ Hochschulpolitik | 9


10 | Hochschulpolitik _


Da waren‘snur noch zwölfInsgesamt neun Referate wurden im Allgemeinen Studierendenausschuss (AStA)einfach gestrichen. Wie die Referentinnen mit der neuen Zusammensetzung umgehenwerden, wird sich in der Zukunft zeigen.Bericht: Katrin Haubold & Florian Bonn // Grafik: Daniel FockeOhne größere Diskussionen drehten die neuen Mitgliederdes Studierendenparlamentes (StuPa) in gutzwei Stunden eine sechsjährige Entwicklung komplettzurück. Von den 21 Referaten des letzten AllgemeinenStudierendenausschusses sind nur zwölf übrig geblieben. Sowenige wie seit 2005 nicht mehr. Damals gab es zehn Referatesowie einige Beauftragten-Stellen. Nach der Legislatur2004/05 waren sich alle einig, dass die Referatsanzahl zugering gewesen sei, um die erforderliche Arbeit zu leisten.Darum wurde der darauf folgende AStA auf 23 Referate vergrößert.Da vermutlich alle jetzigen StuPistinnen zu dieserZeit noch die Schulbank drückten, kennen sie die damaligeSituation natürlich nicht.In der neuen Struktur finden sich neben der Vorsitzendennur noch vier Hauptreferate: Hochschulpolitik, Soziales,Finanzen sowie Studium und Lehre. Ihnen zur Seite stehensieben Co-Referenten. Zusätzlich soll der AStA durch eineSekretärin unterstützt werden. Dieses Projekt befindet sichaber noch in der Planungsphase und es ist nicht klar, ob undwann es umgesetzt werden kann.Begründet wurde der neue Aufbau oft mit der Selbstevaluationdes AStAs. Schaut man sich diese an, stellt man fest,dass fast alle umgesetzten Kürzungen auch als Empfehlungenin der Selbsteinschätzung auftauchen. Allerdings finden sichhier auch Vorschläge, einzelne Referate zu erweitern oder anderweitigzu stärken, was dagegen komplett ignoriert wurde.Die Kürzungen wurden auch mit der finanziellen Situationder Studierendenschaft begründet. Sicherlich gab es in deralten Struktur überflüssige Referate, so etwa das Referat fürGeschichte und regionale Vernetzung, die begründet ersatzlosgestrichen worden sind. Auch das Referat für Mediengestaltung,Onlinekommunikation und Technik, erst 2010/11errichtet, wurde gestrichen. Stattdessen soll jede Referentineine Technikschulung besuchen. Ob dies allerdings ausreicht,die Öffentlichkeitsarbeit des AStAs auf hohem Niveauzu halten, wird sich zeigen. In den vergangenen Jahren warenPressearbeit und technische Verantwortung immer in einemReferat konzentriert.12 | Hochschulpolitik _


pode servir como base para que o aluno detenha mais informações a respeito do objeto detrabalho.Por isso, quando há produção científica, tanto o autor como o leitor agregamconhecimento a respeito do assunto tratado. Assim esta pesquisa teve como objetivo verificarse o conhecimento dos docentes do Curso de Graduação de Ciências Contábeis daUniversidade Federal de Santa Catarina disseminado em suas publicações científicas contribuipara sua atividade de orientação de TCC. Para tal foram examinados os trabalhos deconclusão de curso orientados pelos docentes do CCN/UFSC nos anos de 2008 e 2009 e aspublicações científicas do período de 2005 a 2009 dos docentes que orientaram tal TCCs,relacionando-se as temáticas de cada uma.Primeiro, identificou-se os professores que orientaram TCCs nos anos de 2008 e 2009,no qual percebeu-se que 57% dos docentes orientaram no máximo 7 trabalhos nesse período.Além disso, os professores que mais orientaram no período detém 9,1% e 7,8% do total dasorientações.Depois verificou-se os temas dos TCCs orientados/defendidos no período mapeado.Neste aspecto, foi possível verificar que o tema mais orientado foi a respeito de Contabilidadee Planejamento Tributário orientados por 6 docentes. No entanto, não foi este o tema no qualos docentes possuem mais publicações. Além disso, existem variadas áreas em que os alunose professores têm atuado no que se refere à TCC. Ainda, existem assuntos em que não hátrabalho de conclusão de curso, o que pode gerar futuros TCCs sobre esses assuntos, comoContabilidade para Agronegócios.Num terceiro momento, examinou-se a produção científica dos orientadores quanto aartigos publicados em periódicos, trabalhos publicados em anais de congressos, livrospublicados e/ou organizados e capítulos de livros. Constatou-se que existem mais publicaçõesem congressos e que poucos professores possuem alguma produção em livros. Além disso,destaca-se que a produção científica de 6 docentes corresponde a quase 70% de todas aspublicações analisadas dos professores orientadores do Departamento de Ciências Contábeisda UFSC. Ainda, 16% dos docentes não possuem nenhuma publicação, o que acarretou umacarência de alinhamento quanto às suas orientações.É importante mencionar que foram analisadas apenas as publicações dos docentes queorientaram trabalhos de conclusão de curso nos anos de 2008 e 2009, não fazendo parte desteestudo os professores que não orientaram, tanto em função de estarem afastados por motivode viagem ou estarem em outro cargo na Universidade Federal de Santa Catarina.Em quarto, buscou-se verificar o alinhamento das orientações dos docentes a partir desuas produções científicas. Destacou-se que a média de alinhamento dos professores queorientaram TCCs nos anos de 2008 e 2009 é de 61%, e que das 219 orientações de TCCs 135destas tinham temas relacionados à produção científica publicada no período de 2005 a 2009pelos professores que as orientaram. E que 9 professores possuem 100% de alinhamento eapenas 4 não possuem alinhamento em função de não terem nenhuma publicação, ou aindapor terem um número reduzido de publicações.Então, ao analisar se os temas dos trabalhos de conclusão de curso realizados noperíodo de 2008 e 2009 estão em consonância com a produção científica dos docentes doCurso de Ciências Contábeis da Universidade Federal de Santa Catarina conclui-se que, demaneira geral, existe um alinhamento de 61% quanto à orientação de TCCs e as publicaçõescientíficas dos docentes que orientaram nos anos de 2008 e 2009. O que demonstra que estesdocentes estão capacitados para auxiliar os discentes por meio de apoio e orientação aomesmo. Capacidade na qual compreende habilidades e competência, que levam em


nachrichten¨ Tausende Studienplätze ¨ Zulassungssoftware um ¨ Gleicher Zeitaufwand fürunbesetztzwei Jahre verschoben Bachelor und DiplomLaut einer Erhebung der Kultusministerkonferenz(KMK) sind imWintersemester 2010/11 knapp17 000 Studienplätze in Numerus-Clausus-Fächernunbesetztgeblieben. Angesichts der rund240 000 Studienplätze mit örtlicherZulassungsbeschränkung sind dassieben Prozent. Vor allem bliebenviele Sitze in den Rechts-, Wirtschafts-und Sozialwissenschaftenleer. Aber auch die Sprach- undIngenieurwissenschaften sowieNaturwissenschaften und Mathematikseien betroffen, weil dieVergabe nicht funktioniere. In demBericht der KMK wurde zudem diedadurch entstehende Verschwendungvon Ressourcen stark kritisiert.Die zur Verfügung gestelltenMittel laufen durch die unbesetztenPlätze ins Leere.Seit Monaten wurde diskutiert,wie das Problem der wachsendenStudierendenzahl gelöst werdenkönne. Eine neue Zulassungssoftwaresollte für das Wintersemester2011/12 Abhilfe schaffen undalles leichter machen. Doch schonam Anfang des Jahres gab manVerzögerungen bekannt, außerdemsei die Software nur für Ein-Fach-Bachelor brauchbar. Das Zulassungssystemfunktioniert nichtund das Chaos wird vorläufig keinEnde nehmen. Hauptproblem seidie fehlende Anbindung von Datenan die jeweiligen Hochschulen,denn derzeit arbeite jede mit eineranderen Zulassungssoftware. EinVerschieben auf das Jahr 2013ließe sich nicht mehr vermeiden,heißt es nach Aussage des Wissenschaftsministeriums.Das Bundesbildungsministeriumund das Deutsche Studentenwerkgaben Anfang April eine Studieheraus, wonach Bachelorstudierendenur eine Stunde mehr Zeitaufwandin Studium und Nebenjobinvestieren als Diplom- oder Magisterstudierende.Der Sonderbericht„Studierende im Bachelor-Studium 2009“ besagt, dass trotzgestrafftem Lernstoff und verkürzterSemesterzahl ein Bachelorstudierenderdurchschnittlich 43Stunden pro Woche für seine Ausbildungplus Nebenjob aufbringt,bei Magister und Diplom seien es42 Stunden und damit kein nennenswerterUnterschied. Zudemergab die Studie, dass 61 Prozentder Fachhochschul- aber nur 55Prozent der Uniabsolventen nebenbeijobben gehen.¨ Hochschulinformationstage¨ Karrieretag „StartGreifbar ¨ Klinikkomplex wird zumin <strong>Greifswald</strong>2011“CampusIn <strong>Greifswald</strong> finden vom 12. bis14. Mai 2011 wieder die Hochschulinformationstagestatt. Interessiertekönnen so die Universitätbesser kennenlernen oder sichüber Zulassungsbedingungen und-abschlüsse informieren. Professoren,Fakultäten und Institutewerden einen Einblick in den Studienalltaggeben. Zudem wird eszahlreiche Informationsveranstaltungenund entsprechende Vorlesungenzum Thema geben, auchstudentische Berater sollen überihre Erfahrungen und das studentischeLeben berichten. Das Ganzewird unter dem Thema „Wocheder Orientierung“ stattfinden.Das vollständige Programm undweitere Informationen werden zuBeginn des Sommersemesters aufder Unihomepage veröffentlicht.Am 10. Mai wird zum dritten Malder Karrieretag „StartGreifbar“stattfinden. Ausgerichtet wirddieser von der studentischen Unternehmensberatung„Capufakture.V.“ der Universität <strong>Greifswald</strong>.Interessierten Studierenden wirdhier die Möglichkeit geboten ersteKontakte zu Unternehmen herzustellenund sich über ihre beruflichenChancen zu informieren. DerTag, der unter dem Motto „DeineKarriere zum Greifen nah“ geführtwird, bietet ebenfalls Vorträge undWorkshops der Unternehmen zumThema an. Außerdem stellen sieihre Angebote in Form von Praktika,Trainee-Stellen und Möglichkeitenzum Direkteinstieg vor.Das Programm findet von 10 bis17 Uhr im Alfried Krupp Wissenschaftskollegstatt.Der alte Klinikkomplex in der Loefflerstraßesoll zu einem Campusfür Geisteswissenschaftenumgebaut werden. Nach einemArchitektenwettbewerb und einer47 Millionen Euro Investitionwird das Leipziger Büro Nieper& Partner die Pläne einer neuenMensa, einer Bibliothek und einesHörsaalgebäudes umsetzen. Inden Neubauten sollen Juristen undGeisteswissenschaftler lehren undforschen. Die denkmalgeschütztenKliniken werden aktuell noch vonder Universitätsmedizin genutzt.Die Institute der Anatomie, Pathologieund Pharmakologie bleibender Medizin jedoch erhalten. ImKonferenzsaal des Unigebäudeskönnen sich Interessierte derzeitdie Vorschläge aller Wettbewerbsteilnehmeranschauen.¨ Uni.versum | 15


»Wenn man Aufständeanzettelt, ist das doof «Die Forschung ist für die Wissenschaft ein nicht mehr wegzudenkendes Arbeitsfeld.In der Geschichtswissenschaft bereichert Dr. Jörg Driesner mit Erlebnissen seinerForschungsreisen im asiatischen Raum die gefüllten Seminarräume.Interview: Laura-Ann Schröder // Foto: Johannes Köpckeist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhlfür Allgemeine Geschichte der NeuzeitSeit wann sind Sie Dozent an der Universität in <strong>Greifswald</strong>?Ich habe meine erste Lehrveranstaltung 2003 im Sommersemesterabgehalten.Was haben Sie davor gemacht?Studiert (lacht). Ich habe 2003 mein Examen gemacht, habein dem damaligen Graduiertenkolleg ein Stipendium bekommenund dann zum Wintersemester meine erste Lehrveranstaltunggegeben.Sie sind also auch <strong>Greifswald</strong>er und sind nicht von außerhalbgekommen, um hier zu arbeiten?Ich bin hier geboren, habe hier mein Abitur gemacht, studiertund arbeite jetzt auch hier.Außer für die Forschungsreisen...Genau! Ich fahr´ da nicht hin zum Arbeiten,sondern zum Forschen.Seit wann machen Sie Forschungsreisen?Angefangen hat das eigentlich mit studentischenExkursionen, ich glaube1998. Wir haben die Lehrstuhlexkursionenmitgemacht. Im Frühjahr 2004bin ich dann wirklich das erste Mal aufForschungsreise nach Indien gefahren,mit Herrn Drost gemeinsam.Sie sind also nicht der einzige Dozentunserer Universität, der Forschungsreisenbetreibt?Jörg Driesner, 34,Nein, der, der am meisten fährt istHerr North und natürlich Herr Drost.Ich fahre in der Regel gemeinsam mitHerrn Drost. Asien ist immer ein bisschen schwierig, wennman das alleine macht. Will man sichere Ergebnisse haben,ist es immer besser, zu zweit hinzufahren. Die politischen Gegebenheitensind auch nicht immer die besten, wenn denn daso irgendwelche Aufstände angezettelt werden in Tibet oderso, ist das immer ein bisschen doof.Wie viele Forschungsreisen gab es denn bei Ihnen bis jetztüberhaupt?Also Europa kann ich nicht mehr zählen. Außereuropäischwar ich vier Mal in Indien, als nächstes fahre ich nach Jakartaebenfalls zum vierten Mal. Singapur eigentlich regelmäßigein bis zwei mal im Jahr, gut in diesem Jahr jetzt nicht, aber inder Regel machen wir das. Ich glaube letztes Jahr war ich alleineschon drei Mal in Singapur und dann solche Sachen wieVietnam. Alles andere ergibt sich in der Regel aus den Reisen.Wenn man in der Gegend ist, schauen wir auch in welcher Artund Weise man dort noch forschen kann.Die Zielsetzung solch einer Reise ist also nicht komplettvon vornherein durchgeplant, sondern ergibt sich auchschon mal spontan?Also so spontan ist das auch nicht. Ein Jahr Vorlauf hat manin der Regel schon. Also, wenn wir sagen, wir wollen nachMyanmar fahren, dann nicht, weil wirgerade in Singapur sind und dann fahrenwir dahin.Ganz so war das nicht gemeint, sondern,dass sich viele Sachen auch imLand dann selbst ergeben.Ja, also auf alle Fälle. Zum Beispielsaßenwir einmal in Jakarta im Archivsitzt, haben Akten der Niederländischen Ostindien-Kompanie durchforstetund die gaben dann den Hinweis aufeine Händlerfamilie oder Händlerdynastiemit denen an der indischenOstküste gehandelt wurde. Und manwusste diese Waren kommen irgendwoaus dem Himalaya und der Typ sitzt inLhasa, da haben wir dann ein bisschenweitergeforscht, wo er denn genau saßund wo der denn in Lhasa zu finden ist.Diese Fragestellungen haben sich dann natürlich klar in Asienergeben.Was beinhaltet die nächste Fahrt?Das ist ein Projekt, das sich mit niederländischer materiellerKultur beschäftigt. Es geht darum, wie ein Kulturtransfervon Europa nach Asien erfolgt ist, beziehungsweise von Asiennach Europa, das heißt, praktisch werten wir dort Nachlassinventareaus: Die Leute sind verstorben, dann wurde einNachlassverzeichnis angefertigt, Wohnung und alles was siehatten wird erst mal aufgenommen und wir vergleichen dann16 | Uni.versum ¨


Fotos: Jörg DriesnerOben: Tempel in Pagan als archäologische Stätte in SüdostasienUnten: Erforschung kolonialer Friedhofs- und Beerdigungskultur¨ Uni.versum | 17


Foto: Jörg Driesnerkaum befestigte Straße in Myanmardie unterschiedlichen Nationen. Wir haben jetzt zum Beispielbei Chinesen in den Nachlassverzeichnissen geguckt,was dort niederländisch ist. Was ist dort an niederländischenGebrauchsgegenständen oder Kunst aufgenommen wordenbeziehungsweise andersherum. In diesem Jahr geht’s hauptsächlichdarum bei den Niederländern zu gucken. Wir habenletztes Jahr so ein paar Sachen angefangen und sind leidernicht ganz fertig geworden. Das wollen wir dieses Jahr beenden,einfach mal gucken, was die an chinesischer materiellerKultur dort haben.Wie lange dauern solche Forschungsreisen?Das ist ganz unterschiedlich. Feldstudien dauern länger alsArchivstudien. Jetzt die Archivreise dauert nur ´ne Woche.Ich glaube, das längste, was wir in Jakarta gemacht haben,waren 14 Tage. Da hat man dann auch ein Jahr lang zu tun,um das ganze auszuwerten. Feldstudien sind natürlich unterschiedlichje nachdem wie groß das Areal ist, das manbeackern muss. Ich glaube, bei der längsten Feldstudie, dieich mal gemacht habe, waren wir sechs Wochen unterwegs.Da sind wir aber auch wirklich vom Süden nach Norden undWesten gefahren und waren in komplett Südindien unterwegs.Welche war ihre erste Forschungsreise und welche Zielsetzunggab es dabei?Die erste Reise ging in den Süden Indiens, über Madras nachMadurai, Kanyakumari, Kochin, Mysore zurück nach Madras.Dabei ging es uns um koloniale Friedhöfe und Beerdigungskultur.Welches war Ihre spannendste Fahrt und was haben Sie dabeialles erlebt?Die spannendste Fahrt ging nach Hyderabad beziehungsweisevon dort aus nach Bijapur. Ich war eine Woche zu Feldstudienin Hyderabad unterwegs und sollte einen kurzen Abstechernach Bijapur durchführen, um dort Fotos von ein paarfür die niederländische Kolonialkultur wichtigen Gebäudenzu machen. Ich bin – angesichts des indischen Verkehrs –sehr früh am Morgen losgefahren (circa drei Uhr nachts),habe allerdings vergessen, dass man in Indien auch nachtsohne Licht fährt. Mir war recht mulmig zumute, als ich mitbekam,dass die LKWs auch ohne Licht überholten und häufigauf unserer Fahrspur unterwegs waren. Auch die riesigenSchlaglöcher waren nicht zu sehen! Nachdem wir schließlichangekommen waren, begab ich mich mit meinem Fahrer sofortauf die Suche nach den für mich wichtigen Gebäuden. Ersprach zwar fünf Sprachen – allerdings am schlechtesten Englisch.Wir suchten also das Asar Mahal, aus dem nach demtausendsten Mal Fragen ein Aschram Mahal wurde und solandeten wir schließlich in einem Aschram (klosterähnlichesMeditationszentrum, Anm. d. Red.). Der dort residierendeGuru wollte mich nicht so ohne Weiteres weglassen, nachdrei bis vier Stunden harten Diskutierens hatte ich es dochgeschafft und meine Fotos konnte ich auch noch machen.Haben die Fahrten Einfluss auf Ihre Arbeit an der Universität?Einfluss haben diese Reisen natürlich, aber nur einen positiven.Zum einen fahre ich nur in der vorlesungsfreien Zeit, sodass die Lehre zu keiner Zeit betroffen ist. Zum anderen kannich natürlich die Erfahrungen aus diesen Reisen an die Studentenweitergeben. Hier lassen sich bestimmte Sachverhalte,Zustände oder etwa Eindrücke anschaulicher darstellen.Sind Sie vor neuen Fahrten noch aufgeregt oder eher routiniert?Wenn ich die Ziele kenne sind die Fahrten eher Routine.Lediglich zu Feldstudien beziehungsweise bei Reisen zu unbekanntenZielen bereite ich mich noch gründlicher vor undbin ein bisschen aufgeregt.Reizt es Sie auch ins Ausland zu gehen, um dort zu arbeiten?Nein, ganz bestimmt nicht. Um Studien durchzuführen ist esimmer ganz nett, aber den Rest mache ich lieber in <strong>Greifswald</strong>.Ein Vorurteil besagt ja, dass die Dozenten auf ihren Forschungsreisenden Luxus von fünf Sterne Hotels genießenkönnen. Stimmt das?In der Regel sind wir in Asien in vier oder fünf Sterne Hotelsuntergebracht, die durchaus annehmbare Standards bietenkönnen. Hier handeln wir nach den durch das AuswärtigeAmt herausgegebenen Empfehlungen für die einzelnen Regionen.Zum einen geht es um die persönliche Sicherheit, diein manchen Ländern nur in bewachten Gebäuden gewährleistetwerden kann. Zum anderen lassen sich Forschungenin für uns klimatisch ungewohnten Gegenden mit einem gewissenKomfort (vor allem Klimaanlagen) besser durchführen.Auch die Frage der Gesundheit spielt hier eine wichtigeRolle. Schon wenige Tage können für eine Forschungsreisewichtig sein!Herr Driesner, vielen Dank für das Gespräch.18 | Uni.versum ¨


Täubchen,du hast Recht!Paris und Ich. Dies ist keine Geschichte einer Romanze. Diese Geschichte erzähltvom Anfang meines Auslandsaufenthalts in Paris, den ich mir regelrecht erst erkämpfenmusste und von meinem unfreiwilligen dreiwöchigen Nomadenleben.Reportage & Fotos: Maria StracheObdachlos und ohne Universitätszusage stand ichabends an der Gepäckausgabe des Flughafens Orlyund starrte auf das Laufband. „Und was machst du,wenn das alles nicht klappt?“, wurde ich vor der Abreise fürmein Erasmussemester häufig gefragt. „Ganz ehrlich? Ichhabe nicht die leiseste Ahnung!“ Das war die Wahrheit. Alsich Anfang September letzten Jahres aus dem Flugzeug in Parisausstieg, war ich mit der Klärung meines Problems auchnicht viel weiter. Wie naiv muss man eigentlich sein, hörteich meine innere Stimme sagen, doch eine Lösung konntesie mir auch nicht liefern. Ich war auf mich allein gestellt. Inmeiner Tasche verbarg sich eine Liste mit etlichen Hosteladressen.Doch innerlich sträubte ich mich gegen die bloßeGeldverschwendung, da musste es doch noch einen anderenWeg geben. Den Anfang machte der Optimismus. Drei jüngereMänner neben mir. Wenigstens sie schienen einen Planzu haben. „Und was treibt euch so in die Stadt der Liebe?“,fragte ich sie mit einem hoffnungsvollen Blick, welcher michprompt zum Ersatzmann des ursprünglichen Vierergespannsmachte und demnach auch Gast für zwei Nächte im dekadentenHilton Hotel. Dann bringt dieses „Denke Positives unddir wird Positives widerfahren“ ja doch etwas. Fantastisch.Ich gönnte mir das Wochenende um die Stadt, die ich schonein wenig kannte, näher zu erkunden und mich auf sie einzulassen.Da sich sonst keiner mit mir unterhielt, übte ichmeine bisherigen Französischkenntnisse an den Clochards(Obdachlose), die, wie man sich denken kann, allerhand zuerzählen hatten. Der Gedanke unter der Pont Neuf (Brückein Paris, Anm. d. Red.) zu residieren, keimte derweil in mirauf. Es wäre zumindest nicht die schlechteste Variante gewesen.Doch es ging auch anders. Tage später bestätigte sich: dieWelt, ein Dorf. Erschöpft saß ich abends auf einer Bank beider Metro Abbesses umzingelt von meinem vielen Gepäck,das ich permanent rumschleppte. Ich versuchte mir glaubhafteinzureden, dass alles schon seinen Lauf nehmen würde,aber die Realität sah anders aus. Es war halb neun und nachund nach leerte sich der kleine Platz. Ich wollte schon fastmeine Übernachtungsliste rauskramen, da schweifte meinBlick kurz nach rechts. „Du? Hier?“, „Ja, dasselbe könnte ichdich auch fragen!“ Es war ein mir flüchtig bekanntes Gesichtaus <strong>Greifswald</strong>. Sie setzte sich zu mir und wir tauschten imschnellen Wechsel und immer noch etwas irritiert unsere bisherigeGeschichte aus. Sie hatte sich auch für ein Erasmussemesterin Paris entschieden, allerdings an einer anderen Universität.Als ich erwähnte, dass ich keine Unterkunft hätte,intervenierte sie: „Na, ist doch klar. du schläfst bei mir!“ Eswar so surreal: Zwei <strong>Greifswald</strong>er in Paris, nichts voneinanderwissend, begegneten sich. Den Tag darauf fand ich michauf den Wiesen vor dem Eiffelturm wieder, mit Cidre auf denGeburtstag einer Schulfreundin anstoßend, welche zu diesemZeitpunkt zufällig auch in Paris studierte. Plaudernd genossenwir die uns wärmenden Sonnenstrahlen, ignorierten dieklimpernden Miniatureiffelturmverkäufer und tauschten dieneusten französischen Erkenntnisse aus. Wir einigten unsdarauf, unseren Schimpfwortschatz zu erweitern, da es unsbeiden schon passiert war, dass die Enge in der Metro schamlosausgenutzt wurde. Der Konsens lag bei „Casse toi pauvrecon!“ (Hau ab, Arschloch!). Ihre Freundinnen betrachtetenverwundert mein vieles Gepäck und so fing ich an zu erzählenund erinnerte mich an meine erste Begegnung mit der¨ Uni.versum | 19


Oben: Pariser Impressionen von einem lebhaften SemesterPariser Universität. Geduld würden es die Franzosen selbstnennen, aber ich nenne es schlichtweg Dreistigkeit, die mirdort begegnete. Zwei geschlagene Stunden saß ich vor Raum106 und wartete, dass mir endlich Eintritt gewährt wird. Daseinzige was ich wollte, war, die Absage in eine Zusage umzuwandeln.Schließlich gelangte ich in den ersehnten Raum,und mit mir drei andere deutsche Mädchen. Madame warsehr unfreundlich, aggressiv und eher unkooperativ. Mit demFinger auf jede Einzelne von uns zeigend, sagte sie: „Deutsch,deutsch, deutsch, deutsch. Mit den Deutschen gibt es immerso viele Probleme. Nur mit den Deutschen und ich weißnicht warum.“ Ich nickte und lächelte nur. Im Innern war ichauch ein wenig stolz auf mich, denn unbestreitbar war es einAbenteuer, das ich hier durchlebte. Die ganze Problematikmit dem Studieren lässt sich so zusammenfassen, dass anfangsfalsche Dokumente an die Pariser Universität geschicktwurden und sie mir daraufhin eine Absage zukommen ließen.Da ich aber schon den Flug gebucht hatte, ließ ich es daraufankommen und probierte mein Glück, indem ich stets penetrantvor Raum 106 lauerte, um doch noch den Status ‚Student‘zu erhalten.Manchmal lernt man aber auch erst seine persönlichenGrenzen kennen, wenn man die Dinge seinen Lauf nehmenlässt. So fand ich mich eines Nachmittags in einem 10 m²Zimmer in der Rue Avenue wieder, welches Marque - einemWohnungsvermittler- gehörte. Ich witterte eine Chance aufeine sichere und baldige Bleibe, nur deshalb ging ich dieserOfferte nach. Das Zimmer, so stellte sich heraus, sollte ichaber mit einem jungen Mann teilen und, wie ich das richtigüberblickte, auch das Bett. Bei Marques Satz „Ihr würdet einschönes Paar abgeben“ konnte ich noch lachen, als es aber anfingpersönlicher zu werden, wurden unsere Gespräche vonpurer Dubiosität umhüllt. “Vielleicht musst du ja auch garnichts zahlen, wenn du hier wohnen willst.“ Daraufhin entgegneteich ihm schlichtweg, dass ich einen Freund hätte. AlsAntwort bekam ich ein mit Stöhnen begleitetes „Oh Girl. Thefeeling and the body are two different things. You can loveyour boyfriend, but you are young and why shouldn’t you useyour body?” Genug ist genug- vraiment! Fast eineindeutigerkonnte sich die Dubiosität nicht äußern und sprengte somitdefinitiv meine Grenze. Mit einem gekonnt gestaunt gespieltenBlick auf meine Uhr gab ich den universellen grenzrettendenSatz wieder: „Oh la vache. Je dois partir. J´ai encore unrendez-vous.“ - Oh mein Gott, ich muss gehen, ich habe nocheine Verabredung. Doch es sollte nicht das letzte Zusammentreffenmit ihm gewesen sein. Ich brauchte einen Kaffee, sofort.Während ich vor einem Café saß und den Löffel in derTasse lieblos kreisen ließ, starrte ich, trotz der viele Leute ummich herum, ins Nichts und konnte einen Gedanken in meinemKopf nicht verdrängen. „Was machst du hier eigentlichin dieser Stadt?“ Ich bemerkte eine kleine Taube, welche mitihrem hinkenden Bein auf der Suche nach Essensresten war.Ich brach ein kleines Stück meines Croissants ab und warfes ihr hin. „Du hast es dir auch irgendwie einfacher vorgestellt,nicht wahr?“ Paris, die Stadt. Die Leute schwärmenregelrecht von ihr. Sicherlich teilte ich einst ihre Faszination:die vom Jugendstil geformten Metroeingänge, die Arrondissementsmit ihrem jeweils eigenen Charme, die scheinbareLeichtigkeit der Franzosen, welche mit einem frischen Baguetteregelrecht durch die kleinen Straßen zu schwebenscheinen und die Sprache, bei der sogar das abscheulichsteWort bei der Aussprache in süßen Zuckerguss gehüllt wird.Paris je t´aime - ich verfluchte zu diesem Zeitpunkt jene Person,die diesen Ausspruch geprägt hat und auch jene Personen,die dabei große anhimmelnde Babyaugen bekommen.Vermutlich erwartet man einfach zu viel von dieser Stadt. Siehat zwei Gesichter. Manchmal kann sie unglaublich schönsein und dann, in einem anderen Moment, so unglaublich20 | Uni.versum ¨


hässlich. Oder wir halten uns alle nur an dieser Illusion derStadt der Liebe fest. Das klägliche Gegurre riss mich aus meinenGedanken. Ich trank den Rest meines Kaffees, legte dasGeld auf den Tisch und ging mit den Worten „Täubchen, duhast Recht!“ von dannen.Jeder Tag war eine neue Herausforderung. Meist frühstückteich auf einer Bank und schrieb mir eine utopische Tagesliste,die obersten Prioritäten waren stets Universität und Wohnung.Wobei ich nicht sagen konnte, was einfacher abzuhakenwar. Dazwischen tummelten sich etliche Bekanntschaften.Da saß ich beispielsweise mit Abdel und seinem Cousin Kamelim Café und wir sprachen über die deutsch-französischeFreundschaft. Lachen musste ich bei Ranjid, der sich einesAbends zu mir auf eine Bank setzte und mich nach gefühltenfünf Sekunden fragte, ob ich nun seine Freundin sei. Suchenverbindet. Vincent saß neben mir im Internetcafé und gingWohnungsanzeigen durch. Wir teilten das gleiche Schicksal,doch er schien erfolgreicher. So kam es, dass ich mich zweimalin seiner Nomadenwanderung einklinkte. Auch die Metrokann eine Kontaktbörse sein. Mein Kopf lief schon rot anund dennoch kam ich keinen Schritt vorwärts. Ich hing mitmeinem Gepäck in einem der Metroausgänge fest. Genierenist gar kein Ausdruck. Oscar kam mir jedoch zur Hilfe undkurz darauf zierte seine Adresse meine Hand. Die Optimismustheoriebewahrheitete sich eben oft. Und wenn Musikdie Pariser Plätze und Straßen erfüllte, durchströmte michGlückseligkeit und alles war für einen Moment perfekt unddie Sorgen vergessen. So lauschte ich dem Straßenkünstler,als er auf den Treppen vor der Sacre Coeur die Menge mitseiner Gitarre und seinem Gesang begeisterte. Als ich hinabging,hörte ich ein näher kommendes „Bonjour, Madame“ -doch ich wusste nicht, dass es mir galt. Erst eine Hand aufmeiner Schulter ließ mich umschauen und ich sah einenverrückt gekleideten Mann mit kleinen lustigen Locken undeinem Brett in der Hand. Dino, so stellte er sich vor, fragtemich, ob er mich zeichnen könne. Ich willigte ein und so verbrachtenwir einige amüsante Stunden zusammen. Letztlichkonnte ich das Bild doch für mich behalten und es erinnertmich jedes Mal an die Zeit zurück. Eines Abends saß ich,welch Überraschung, wieder einmal planlos herum, da erblickteich Marque, den vermeintlichen Wohnungsvermittler.Ich meine mich zu erinnern, dass er berichtete, das Zimmerwäre nun frei, der Mieter hätte aber noch bezahlt und ichkönne dort bis Ende des Monats wohnen. Umso verwunderlicherfand ich es, dass ich ihn, in der Wohnung angekommen,nicht so recht los wurde. Seinen Satz „Na, das ist meine Wohnung.Was dachtest du denn?“ fand ich äußerst ominös, zuerschöpft war ich jedoch, um mir jetzt noch eine andere Bleibezu suchen, also blieb ich. Die Nacht über schlief ich abernicht, sondern starrte die Wand an, an die ich mich zwängteund wollte wirklich nicht wissen, was sich neben mir so allesereignete. Beim ersten Sonnenstrahl schlich ich mich hinaus.Nie wieder, sagte ich mir. Ermattet irrte ich herum und trafnachmittags auf Dino, meinen Retter. Er erlöste mich, indemer mich an seinen Freund weitervermittelte, bei dem ich eineWeile lang bleiben könne.Im Nachhinein blieb ich nur zwei Wochen, denn ich zog daraufmit Luke, einem Kanadier, den ich vorher zufällig kennengelernt hatte, zu einem Franzosen ins Haus. Vermutlich solltedas alles so geschehen, dachte ich mir. Innerlich wusste ichlängst, dass dies kein typischer Erasmusaufenthalt werdenwürde, traurig war ich darüber aber nicht. Doch nun hielt ichendlich auch meinen Studienausweis in der Hand und warnicht mehr länger rastlos.Ein tiefer erleichternder Seufzer, der Gedanke, dass auf tiefeMelancholie in dieser Zeit doch irgendwie immer stärkenderOptimismus folgte und schlussendlich doch ein Lächeln aufmeinem Gesicht.¨ Uni.versum | 21


GreifsWeltEndstation Anklam | Wer hier aussteigt, muss ein bestimmtes Ziel haben. Bekannte oder großeSehenswürdigkeiten hat diese kleine Stadt mit ihren 13 300 Einwohnern eher nicht zu bieten. Manwirbt mit dem Slogan „Stadt des Flugpioniers Otto Lilienthal“. Doch auf den ersten Blick würde manlieber über die Stadt hinwegfliegen als in ihr zu verweilen. Auf Plakaten ist zu lesen: „Multikulti – Neindanke!“, da fühlt man sich gleich willkommener. Ist die Kreisstadt Anklam zum Abstellgleis geworden?Foto: Luise Röpke22 | GreifsWelt v


nachrichtenvÜberprüfung des BadewassersKurz vor dem offiziellen Beginnder Badesaison am 20. Mai wirdim Strandbad Eldena und der Badestellebei Riems die Wasserqualitätüberprüft. Mit den ermitteltenDaten können dann unter anderemAussagen über die Sauberkeit derBadeorte, dem Algenvorkommen,der Sichttiefe und dem ph-Wertdes Wassers getroffen werden.Das <strong>Greifswald</strong>er Gesundheitsamtführt die Untersuchungen, die am16. Mai beginnen, bis Ende Septemberalle vier Wochen durch.Mit den Überprüfungen will mandas Gesundheitsrisiko für die Badegästeso minimal wie möglichhalten. Eingesehen werden könnendie auf der Badekarte ausgestelltenInformationen auf derHomepage des Ministeriums fürGesundheit und Soziales.vVerleihung der Rubenow-MedailleAuch dieses Jahr wird wieder derehrenamtliche Einsatz von <strong>Greifswald</strong>erBürgerinnen und Bürgerngewürdigt. Beim Stadtempfangam 14. Mai wird die Rubenow-Medaille, die höchste Ehrungder Hansestadt, in der Stadthallevergeben. Wolfgang Gerbitz,Geschäftsführer des BerufsBildungsWerks(BBW), bekommtsie verliehen. Er setzt sich für dieEingliederung von Behindertenein. Unter seiner Leitung wurdebeispielsweise 2005 das Landesleistungszentrumfür Behindertensportgegründet. Im BBW könnenjunge Menschen mit Handicapseine Ausbildung machen. Mit seinerArbeit trug Gerbitz zur bundesweiten„Steigerung des Ansehensder Universitäts- und Hansestadt“bei, heißt es in der Begründung.vWeiterausbau desMuseumshafensEiner der im Sommer meistbesuchtestenPlätze <strong>Greifswald</strong>s, derMuseumshafen, soll dieses Jahrweiter ausgebaut werden. Seit 20Jahren wird dieser schrittweisedurchgeführt. Nun sind ein 300Meter langer Schwimmsteg mitLiegeplätzen und die Erneuerungeiner Uferbefestigung geplant.Zudem soll am Fangenturm historischesKopfsteinpflaster verlegtwerden. Die Kosten für die Umgestaltungdes größten deutschenMuseumshafens werden auf circa2,2 Millionen Euro geschätzt. DenGroßteil des Projektes fördert dieKommunalgemeinschaft EuroregionPomerania. Diese unterstütztdie grenzüberschreitende Entwicklungund Zusammenarbeit imOstseeraum. Die Hansestadt stelltcirca 300 000 Euro bereit.vHuhnfrei am <strong>Greifswald</strong>erBoddenIn der Gemeinde Loissin soll eineGeflügelmastanlage für 150 000Legehennen entstehen. Bisher gibtes lediglich eine Voranfrage beimAmt für Raumordnung und LandesplanungVorpommern. Diesejedoch beunruhigt die Einwohner,sie fürchten den Gestank, den Lärmund das erhöhte Verkehrsaufkommen.Besonders die Bewohnerder Orte Ludwigsburg und Loissinwären betroffen. Durch die Anlagewürde vor allem der aufkeimendeTourismus beeinträchtigt werden.Deswegen erwägt die Gemeindenun, den Flächennutzungsplan sozu ändern, dass keine industrielleNutzung möglich wäre. Damitkönnte zwischen den beiden Ortenkeine Mastanlage gebaut werden.Die Kosten für diese Änderungsind noch nicht bekannt.vCitylauf durch die HansestadtZum fünften Mal findet dieses Jahrder zehn Kilometer lange „<strong>Greifswald</strong>erCitylauf und Unicup“ statt.Der Start ist am 14. Mai 11 Uhram Markt. Über den Wall, dieCredneranlagen, den Hanseringund die Knopfstraße führt dieStrecke zurück zum Markt. Nebendem Unicup, bei dem fünfköpfigeTeams der Universitäten <strong>Greifswald</strong>und Rostock gegeneinanderlaufen, können auch Walker undNordic Walker antreten. Die besteSchule kann beim 2,5 Kilometerlaufden Pokal der SparkasseVorpommern mit nach Hausenehmen. Beim Staffellauf übervier mal 2,5 Kilometer kann dasSchnellste der aus Studenten, Dozentenund Universitätsmitarbeiternbestehenden Teams den Pokaldes Hochschulsports erhalten.vSegeltörn auf der Schonerbrigg„Greif“Wer sich für das Segeln interessiertund schon immer einmaleinen Törn miterleben wollte, derhat nun die Gelegenheit dazu. Eswird wieder ein Segeltörn auf derSchonerbrigg „Greif“ angeboten.Voraussetzung ist, dass man Studentder Universität <strong>Greifswald</strong>ist und seinen Hauptwohnsitz inder Hansestadt angemeldet hat.Ist das erfüllt, kann man sich aufder Internetseite der Hansestadt<strong>Greifswald</strong> für einen der 40 Plätzebewerben. Am 23. Juni 2011 startetdas Segelschulschiff in Wieck.Der Tagestörn führt bis vor dieKüste Rügens, um dann am Nachmittagwieder in Wieck einzutreffen.Wer bei dieser Tour nichtdabei sein kann, kann bei einemder anderen Törns des Schiffesmitmachen.v GreifsWelt | 23


Den richtigen SchlüsselfindenIn Zeiten politischer Verwirrtheit fällt es nicht leicht einen klaren Kopf zu bewahren.Der Anklamer „DemokratieLaden“ ist ein gutes Beispiel dafür, wie Demokratieumgesetzt werden sollte und den Weg in unsere Köpfe zurückfinden kann.Tina Rath undAnnett Freierwollen Demokratieerlebbar machenBericht & Fotos: Laura-Ann SchröderDie Ankunft in Anklam war alles andere als eine herzlicheBegrüßung. Keine fünf Minuten vom Bahnhofentfernt wurden wir von geschätzten 25 Plakatender Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD)und zehn Postern einer freien Kameradschaft begrüßt. Unfassbarerist es noch, dass sich direkt daneben eine Kindertagesstättebefindet. Die Plakate wurden sauber angebrachtund niemand hat versucht auch nur eines davon abzureißen.Fassungslosigkeit beherrschte diese Minuten des Betrachtensund skeptische Einwohner beobachteten, was wir denn davor den Aufmachungen trieben.Mehrmals waren wir gezwungen Bewohner nach dem Weg zufragen und nicht jeder schien uns gut gesonnen zu sein, wenner unser Reiseziel erfuhr.Schlussendlich erreichten wir dennoch unseren Bestimmungsort:den „DemokratieLaden“. Dieser wurde am 21.März 2011 eröffnet und ist vom Marktplatz nur einen Katzensprungentfernt.Freundlich wurden wir von Annett Freier und Tina Rath, denbeiden Mitarbeiterinnen des Ladens, empfangen.„Demokratie erlebbar machen“, so lautet das Motto. Der Ladensoll als Anlaufstelle für interessierte Anklamer dienen.Darüber hinaus fungiert er zudem als Veranstaltungs, Ausstellungs-und Begegnungsstätte. Hier findet Demokratie naham Bürger statt.„Dieses Bildungsprojekt wurde ganz bewusst in Anklamangesiedelt, weil hier eben nichts war, wo man sagen könnte,hier hat sich bereits Zivilgesellschaft wehrhaft gegen dierechtsextremen Entwicklungen organisiert“, erklärt Annett.Jedoch sind Tina und Annett nicht allein. Der Laden finanziertsich aus Fördergeldern der Landeszentrale für politischeBildung Mecklenburg-Vorpommern (LpB) und wird von vielenkreativen Köpfen der Stadt mitbestimmt. Hier erwachenProjekte, bei denen Annett und Tina als tatkräftige Beraterzur Seite stehen, damit viele der Ideen eine mögliche Umsetzungfinden können.„Es geht auch darum Schlüssel zu finden. Das Projekt sagtnicht, wir wissen wie bestimmte Schlüssel aussehen und inwelches Schloss sie passen, sondern es ist Teil der Aufgabeden Schlüssel gemeinsam mit den regionalen Akteuren so zubauen, dass er passt“, sagt Tina.Als Geschäftsstelle des Bildungsprojektes zur Entwicklungdemokratischer Kultur und dem „Demokratisches Ostvorpommern- Verein für politische Kultur e.V.“ soll hier eine Alternativezur rechten NPD geschaffen werden, die die Stadtselbst als „nationalen Leuchtturm“ betitelt. Demokratie undToleranz sollen den Weg zurück in die Köpfe finden, ohnedabei mit dem erhobenen Zeigefinger daher zu kommen.Annett erzählt: „Da hängen die großen Naziplakate, die sindfür alle Welt sichtbar, die nach Anklam kommt, aber das demokratischeEngagement nicht und warum sollen wir unsverstecken und ihnen die Öffentlichkeit überlassen?“Anklam eignet sich zudem als gewählte Geschäftsstelle, da siezum einen als Kreisstadt fungiert und zum anderen durch dieVerkehrswege als ein Knotenpunkt agiert.Wie Demokratie „erlebbar“ gemacht werden kann, zeigt dasentstandene Festival „Voices“, welches für Jugendliche undFamilien dieses Jahr zum dritten Mal stattfindet. Am 7. Mai2011 wird auf den Usedomer Peenewiesen von 12 bis 23 Uhrein Spektakel für alle Altersklassen veranstaltet.Hier zeigt sich Demokratie und Akzeptanz von seiner bestenSeite. Der Verein möchte den Menschen auf diese Weise nahebringen, was Demokratie in seiner eigentlich Form heißt:„nämlich ich gestalte eine Gesellschaft mit“, so Annett undTina.Gemeinsam konnten sie mehrere Projekte, vor allem mit derAnklamer Jugend auf den Weg bringen. Zum Beispiel wurdedas örtliche Jugendzentrum durch gemeinsame harte Arbeitendlich neu renoviert. Genau diese Erfolge verschönern unteranderem das Stadtbild. Der „DemokratieLaden“ sollte alsVorbild gesehen werden, welchem weitere Landkreise undStädte folgen sollten!24 | GreifsWelt v


moritzTitelBitte beehrenSie uns nie wieder!Am 1. Mai versammelten sich rund 3 500 Protestler, um den demonstrierendenNationalsozialisten zu zeigen, dass für sie in der Hansestadt <strong>Greifswald</strong> kein Platzist. Am Ende des Tages hatten viele Einwohner der Stadt allen Grund zu jubeln.Reportage: Laura-Ann Schröder // Fotos: Ronald SchmidtIch hoffe, dass ich den NPD-Demonstrationszug nichtsehen muss, dann haben wir erfolgreich <strong>blockiert</strong> -Yvonne Görs spricht aus, was sich viele Vereine am 1.Mai erhofften. Als eine von mehreren Mahnwachen stand siestellvertretend, gemeinsam mit anderen, für das „JugendzentrumKlex“ und dem „Stadtjugendring“ an der Anklamer StraßeEcke Schönwalder Landstraße. Schon am Morgen kamenbereits fünfzig Leute aus Stralsund, um sich zu informieren.Der Tag begann sonnig, doch kalter Wind sorgte für relativniedrige Temperaturen. Die ersten Demonstranten sammeltensich morgens am Rubenowplatz, um kurze Zeit spätergemeinsam mit weiteren Protestierenden ein Zeichen gegenFremdenfeindlichkeit zu setzen. Sowohl die Stadt <strong>Greifswald</strong>,als auch Universität und Schulen sowie zahlreiche andereOrganisationen und Vereine engagierten sich im Vorfeldstark für eine friedliche, aber bestimmte Demonstration gegendie Nationaldemokratische Partei Deutschlands (NPD).Der gut gelaunte Demokratiezug setzte sich Richtung RigaerStraße in Bewegung und lief zielgerichtet zum dort stattfindenenDemokratiefest.Gegen elf Uhr traf der Zug mit den bereits erwarteten Nationalsozialistenein. Ein Block rasierter Köpfe lief über denBahnsteig in Richtung Busbahnhof Süd. Die ersten Fahnenwurden unter der Menschenmenge verteilt. Sie reihten sichauf und begannen ihre Flaggen in eine geeignete Position zubringen. Beim Anblick der Aufstellung lief einem ein kalterSchauer über den Rücken und kopfschüttelnd konnte manfast nicht glauben, dass das alles wirklich erlaubt war.Gleichzeitig hatten sich bereits die ersten Sitzblockaden,sowohl in der Schönwalder Landstraße als auch in derHeinrich-Hertz-Straße, gebildet. Sie folgten dem Aufruf desBündnisses „1. Mai – <strong>Greifswald</strong> Nazifrei“ und waren auchnach mehrmaliger Aufforderung der Polizei nicht bereitden Weg für die Nazis freizugeben. Die Polizei begann mitder angekündigten Räumung. „Die Polizei ist bis auf einigeAusnahmen relativ vernünftig bei den Räumungen vorgegangen.Die Stimmung unter den Demonstranten war sehrgut“, erklärt Tom Koenig*. Mittlerweile war es schon nachhalb eins. Die Protestierenden hatten den Faschisten bereitseineinhalb Stunden ihrer Demonstrationszeit genommen.Dann kam das, was viele schon vermutet hatten. Die Routeder NPD wurde geändert und lief die Hans-Beimler-Straßeentlang. Das Aufgebot der Polizei sperrte sämtliche Seitenstraßen,um Störungen zu vermeiden. Die Fahnen der Nationalsozialistenwaren wieder ordentlich positioniert – esschien bald, als seien Winkel abgemessen worden, wie sie zuhalten waren. Aus dem Lautsprecherwagen ertönte „DeutscheArbeitgeber, Deutsche Arbeitnehmer“. Die dumpfe Parolewurde lautstark von den NPD-Anhängern nachgegrölt.Doch der Buschfunk auf der Gegenseite schien gut zu funktionieren.Egal wohin der NPD-Zug marschierte, es entstandenimmer wieder Blockaden. Am Ende blieb ihnen nur eins:der Rückzug. Von allen Seiten <strong>blockiert</strong>, mussten sie zurückzum Bahnhof Süd. Ein großer Erfolg für alle Gegendemonstranten.Jubelnd standen sie an den Straßenseiten und gabennoch mal richtig Gas mit ihren Gesängen. Sie hatten ihr Zielerreicht: sie haben die NPD-Demo erfolgreich <strong>blockiert</strong> undauch Yvonne Görs musste den Zug nicht an ihrer Mahnwachevorbeilaufen sehen. Jedoch ließ man es sich seitens der NPDnicht nehmen, doch noch so etwas wie eine abschließendeKundgebung zu halten. Dabei kamen sie gänzlich von ihremeigentlichen Demonstrationsthema „Unsere Heimat – unsereArbeit“ ab und brachten geschichtliche Ereignisse aus ihrerSicht hervor. Nach Beendigung der Veranstaltung wurden dieStraßen zwar leerer, aber die Angst vor Ausschreitungen undÜbergriffen stieg. Die Polizei stand jedoch wie eine schützendeGrenze zwischen NPDlern und Gegendemonstranten.Schlussendlich hat <strong>Greifswald</strong> die Nazis in ihre Schrankenverwiesen. Hoffen wir, dass dies bei jeder NazidemonstrationGang und Gebe wird.* Name von der Redaktion geändertYvonne Görs, 39will die Nazis nichtmarschieren sehenv GreifsWelt | 25


moritzTitelDemonstriert wurde nicht nur mit Transparenten an Gebäuden,sondern auch durch Sitzblockaden an diesem Tag.26 | GreifsWelt vDie letzte große Blockade führte zum Erfolg.


Die Gegendemo begann schon früh ihren Zug in der InnenstadtFotos: Johannes Köpcke, Ronald Schmidt & Patrice Wangenund auch die Nazis konnten trotz einiger Hindernisse in Schönwalde losmaschieren.v GreifsWelt | 27


moritzTitelHintergrundFreizügigkeit als Grundrecht des ArbeitnehmersMit dem Beitritt in die Europäische Union (EU) eröffnet sichfür die Bewohner der Mitgliedsstaaten eine neue Möglichkeit:Durch die ‚Arbeitnehmerfreizügigkeit’ können sie ohnebürokratischen Mehraufwand in allen EU-Staaten arbeitengehen. Als am 1. Mai 2004 viele mittel- und osteuropäischeStaaten beitraten, befürchteten insbesondere Deutschlandund Österreich eine erhöhte Zuwanderung aus diesen Ländern.Durch Übergangsregelungen von maximal siebenJahren, die Deutschland voll ausgeschöpft hat, sollten dieAuswirkungen auf den Arbeitsmarkt entschärft werden. DieRegelung endete am 1. Mai 2011, was von der NPD genutztwurde, um die Angst vor einer „Fremdarbeiterinvasion“ zuschüren. Besonders für grenznahe Gebiete in Vorpommernwurde nicht mit Schreckensszenarien gespart. Außer Achtgelassen werden dabei vor allem zwei Punkte: Zum einenprofitieren Länder wie Großbritannien oder Irland massivvon einer frühen Öffnung ihrer Arbeitsmärkte. Deutschlandhat hier möglicherweise die Zeichen der Zeit nicht erkanntund bei der Suche nach Fachkräften nun das Nachsehen.Zum zweiten zählt Deutschland wirtschaftlich gesehen zuden größten Nutznießern des EU-Binnenmarkts und des liberalisiertenArbeitsmarktes. Hier eine protektionistischeAbschottung aufrechtzuerhalten, wäre schlicht vermessenund politisch nicht umsetzbar. Dennoch besteht besondersim Niedriglohnsektor die Gefahr des Lohndumping. Hier istnun die Politik gefragt , mit der lange hinausgezögrten Situationrichtig umzugehen und die Ängste der Menschen ernstzu nehmen.KommentarSchein und SeinDer NPD-Aufmarsch am ersten Mai in <strong>Greifswald</strong> wurde <strong>blockiert</strong>- soweit, so gut.An den Problemen ändert dies freilich nichts. Rechtsextremismusin Mecklenburg-Vorpommern ist kein neuesProblem. Umso unverständlicher, dass sich der öffentlicheund politische Diskurs in immer gleichen, festgefahrenenDenkschemata bewegen. Wahlerfolge der NPD sowie derenflächendeckende Präsenz sind nicht irgendwann vom Himmelgefallen, sondern das Produkt jahrzehntelang verpassterReformen. Die selbsternannten „nationalen Aktivisten“leisten in weiten Teilen der strukturschwachen Regionen dieBasisarbeit, die andere nicht mehr leisten wollen oder können.Verunsicherte Menschen so zu instrumentalisieren, istebenso hinterhältig wie smart. Deswegen muss genau hierder nachhaltige Widerstand gegen die vermeintlichen Heilsbringeransetzen. Die Nazis müssen zuallererst raus aus denKöpfen, denn nur dann werden sie dauerhaft von den Straßenverschwinden. Wir müssen endlich die Realität sehen, anstattnur einmal im Jahr ein Demokratiefest zu feiern. <strong>Greifswald</strong>ist eine Insel der Glückseligen inmitten existenzieller Strukturarmut,ohne die NPD-Demo hätte der Großteil von unsdie Problematik längst vergessen. Demonstrationen dieserArt gehören nicht verboten, sie erinnern uns auf erschreckendeArt und Weise an unsere Versäumnisse. Deren Veranstaltermüssen realpolitisch entzaubert werden. Anstatt auf Bürgerfestengroße Reden zu schwingen, sollte sich die Politik,ebenso wie wir alle, auf die Ursachen statt auf die Symptomekonzentrieren.4 Ole SchwabeSeifenblasen gegen RechtsKrawalle, Kämpfe mit der Polizei- keine Seltenheit, wennLinks auf Rechts trifft. Nur gelegentlich hört man von friedlichenDemonstrationen wie der von der Stadt organisiertenGegendemonstration am 1. Mai. Doch gerade diese Aktionensollten verstärkt eingesetzt werden, um dem Klischee von gewaltgeladenenProtesten entgegen zu wirken.Nicht nur junge Erwachsene wollen sich engagieren, auch ältereMitbürger und Familien wollen ein Zeichen setzen, ohnedabei ihr Leben oder das ihrer Kinder in Gefahr zu bringen.Wenn man jedoch ständig das Bild vor Augen gehalten bekommt,dass jede Nazidemo in einer Straßenschlacht ausartet,verlässt man sein Haus an solchen Tagen nicht mehr. Unddamit fehlen der Protestaktion wertvolle Teilnehmer. Genaudeswegen waren die Gegendemonstration der Stadt und dasanschließende Demokratiefest mit den Spielmöglichkeitenfür Kinder wunderbare Aktionen, denn sie bewiesen, dassProtest auch friedvoll verlaufen kann. Damit spricht manmehr Bürger an, die eine direkte Konfrontation mit den Nazisvermeiden, sich aber dennoch engagieren wollen. So holtman auch mehr Bewohner von ihren Balkonen auf die Straßenherunter. Und der früh gewählte Zeitpunkt der Demonstrationgab genug Gelegenheit, sich nach dem Zug durch dieStadt doch noch nach Schönwalde zu den Blockaden zu begeben.Freilich ist eine solche Demonstration für energiegeladeneMenschen, die in dem Augenblick des Protests etwas erreichenwollen, weniger reizvoll. Es muss aber nicht immer heißen:Auge um Auge, Zahn um Zahn.4 Katrin Haubold28 | GreifsWelt v


moritzTitelProletarier aller Ländervereinigt euch!Die einen freuen sich über einen zusätzlichen freien Tag, die anderen werfen Steine.Woher kommt der 1. Mai, wie entwickelte er sich in Deutschland und warumfeiern wir diesen Tag? Ein kurzer Überblick über den Tag der Arbeit.Bericht: Luise RöpkeLabor Day, Vappu, mee dee, Ngay Quoc Te Lao Dong,Fête du Travail, Emek ve Dayanisma Günü – der Tagder Arbeit wird international gefeiert. Wer heutean den 1. Mai denkt, hat sofort Bilder von Steine werfendenChaoten vor Augen. Historisch ging es bei den Demonstrationendarum, den Acht-Stunden-Arbeitstag zu erzwingen.Auf dem Haymarket Square in Chicago kam es 1886zu dreitägigen Auseinandersetzungen, die als „HaymarketAffair“ in die Geschichte eingingen. Im darauf folgenden Gerichtsprozesswurden vier Demonstranten ohne eindeutigenSchuldbeweis gehängt. In Gedenken an die Opfer wurde aufdem Gründungskongress der Zweiten Internationalen 1889der 1. Mai als „Kampftag der Arbeiterbewegung“ ausgerufen.Die ersten Massendemonstrationen fanden am 1. Mai1890 in vielen Ländern statt. Auch in Deutschland gingendie Menschen auf die Straßen, obwohl die Arbeitgeber mitEntlassungen und Schwarzen Listen gedroht hatten. An dembesagten Tag waren es knapp 100 000 Menschen. Durch denErsten Weltkrieg wurde jedoch die anfängliche Begeisterungzerschlagen. Erst im April 1919 wurde der 1. Mai durch dieNationalversammlung zum gesetzlichen Feiertag ernannt,dieser Beschluss bezog sich jedoch nur auf dieses eine Jahr.Negative Schlagzeilen machte der 1. Mai 1929. Die Aggressionenund Konflikte zwischen der SozialdemokratischenPartei Deutschlands (SPD) und der Kommunistischen ParteiDeutschlands (KPD) fanden an diesem Tag ihren blutigstenAusdruck: der Berliner Polizeipräsident verhängte ausAngst vor Ausschreitungen ein Demonstrationsverbot. DieKPD protestierte trotzdem. Es kam zu einer Schießerei, beider 28 Menschen getötet wurden. Nachdem die NationalsozialistischeDeutsche Arbeiterpartei unter Hitler die Machtin Deutschland übernommen hatte, erhielt auch der 1. Maieine neue Färbung: die Gewerkschaftsvertreter wurden in die„nationalistische Volksgemeinschaft“ eingegliedert, um dieBasis der Arbeitnehmervertreter kontrollieren zu können.Am 1. Mai 1933 rief Propagandaminister Goebbels zu einergroßen Demonstration auf, um den „deutschen Volkswillen“zu präsentieren. Einen Tag danach wurden die Gewerkschaftshäuserbesetzt, die Arbeitnehmervertretung verhaftetund gleichgeschaltet. Zum „Feiertag der nationalen Arbeit“ernannte Hitler den 1. Mai im April 1934. „Das ganze Vermögender Arbeiterbewegung wurde beschlagnahmt und damitso genannte „Deutsche Arbeitsfront und Kraft durch Freude“finanziert, berichtet Thomas Stamm-Kuhlmann, Lehrstuhlinhaberder Neuesten Geschichte. Nach 12 Jahren fanden, nochvor der Kapitulation der Wehrmacht, die ersten freien Maifeiernstatt. Ein Jahr später bestätigte der alliierte Kontrollratden 1. Mai als Feiertag mit Auflagen. Die Entwicklung desFeiertages verlief in Ost- und Westdeutschland unterschiedlich:während im Westen die SPD eigene Demonstrationenorganisierte, wurde im Osten der Tag der Arbeit ein in derVerfassung festgeschriebener Feiertag und daraufhin jedesJahr von der Sozialistische Einheitspartei Deutschlands in dieWege geleitet. Zum 100. Jahrestag des 1. Mai 1990 hielt derdamalige Vorsitzende des Deutschen Gewerkschaftsbundeseine Rede vor gesamtdeutschem Publikum. Der Tag der Arbeitist noch immer als Feiertag in jedem Kalender enthalten,doch ist er schon lange nicht mehr das, für was er einst gegründetwurde. Braucht unsere Gesellschaft überhaupt nochden 1. Mai? „Die Menschen brauchen nach wie vor einenTag, an dem sie ihre Unzufriedenheit mit einzelnen sozialenBedingungen ausdrücken können“, meint Stamm-Kuhlmann,„das gilt, auch wenn sich das kulturelle Milieu der Arbeiterbewegungstark aufgelöst hat.“v GreifsWelt | 29


moritzTitelDaten und Informationen zur NPDZusammenstellung: Laura-Ann Schröder // Grafische Gestaltung: Daniel FockeBundesweitMitglieder: 1996 3 5002008 7 0002010 6 600Durchschnittsalter: 37 Jahre(damit niedrigster Wert im Parteienvergleich)Frauenanteil: 27 %Vorsitz:Udo VoigtGründung: 1964staatl. Zuschüsse: 1 176 446 EuroBundestagswahlergebnisse:1965 2,0 % 1990 0,3 %1969 4,3 % 1994 n.a.1972 0,6 % 1998 0,3 %1976 0,3 % 2002 0,4 %1980 0,2 % 2005 1,6 %1983 0,2 % 2009 1,5 %1987 0,6 %Quellen: www.bpb.de; www.bundeswahlleiter.deMecklenburg -Vorpommernmoritz-Grafik: Daniel Focke // Kartenvorlage: Maximilian Dörrbecker (CC-BY-SA-3.0)Landtagswahlergebnisse: 1990 0,2 % 2002 0,8 %1994 0,1 % 2006 7,3 %1998 1,1 %Momentan ist die NPD mit 6 von 71 Abgeordneten im Landtagvertreten. Die nächsten Landtagswahlen sind am 04. 09.2011.Quelle: Statistisches Amt Mecklenburg-VorpommernWissenswertesStraftaten mit rechtsextremistischenHintergrund in MV2003 253 2007 4702004 246 2008 7952005 295 2009 8232006 310Folgen:Von 1000 Befragten haben 7 Prozent aufGrund von rechter Gewalt, Übergriffen aufAusländer und Wahlerfolgen rechtsextremerParteien ihr Urlaubsziel geändert. Etwa400 000 Gäste blieben fern.Ausländische Bevölkerung 2009:Mecklenburg-Vorpommern 2,3 %Bundesweit 8,7 %Quellen: Verfassungsschutzbericht des Landes Mecklenburg-Vorpommern;Statistische Ämter des Bundes und der Länder; www.focus.de30 | GreifsWelt v


» Das Gesetz ist nichtmenschenfreundlich «Wie leben Flüchtlinge in Vorpommern? moritz sprach mit Elena Stoll und CaroMatz vom Psychosozialen Zentrum für Migranten (PSZ) aus <strong>Greifswald</strong> über denAlltag vieler Menschen zwischen Hoffnung und Asylbewerberleistungsgesetz.Interview: Gjorgi Bedzovski & Ole Schwabe // Foto: Gjorgi BedzovskiWas ist das PSZ und was macht ihr konkret?Caro: Das PSZ in Vorpommern ist eine Beratungsstelle fürFlüchtlinge, getragen vom Kreisdiakonischen Werk <strong>Greifswald</strong>Ostvorpommern e.V. In der Beratungsstelle gibt es zurzeitein Projekt, bei dem wir beide angestellt sind. Es heißt„Psychosoziale Beratung und Begleitung von Flüchtlingenund Asylbewerbern in Vorpommern“. Das bedeutet, dass wirin die verschiedenen Asylbewerberheime in Vorpommernfahren und die Leute auch zu uns in die Beratungsstelle nach<strong>Greifswald</strong> kommen können.Seid wann arbeitet ihr beim PSZ und welchen Hintergrundhabt ihr?Caro: Ich habe in <strong>Greifswald</strong> Skandinavistikund Deutsch als Fremdsprachestudiert. Darüber bin ich dann vor fünfJahren in das damalige PSZ gekommen,weil ich einen Deutschkurs im Heimanbieten wollte.Elena: Ich habe in <strong>Greifswald</strong> Psychologiestudiert und arbeite seit einemJahr als Psychologin im PSZ. Davorhabe ich acht Monate als wissenschaftlicheMitarbeiterin am Uniklinikumgearbeitet.Wie sieht euer Arbeitsalltag aus?Elena: Jeder Tag ist anders. Ich beschreibeeinfach mal eine typischeWoche: Montags haben wir meistensBeratungsgespräche, entweder in<strong>Greifswald</strong> oder manchmal auch in anderenStädten, z.B. Anklam. Am Diens-(PSZ) in Vorpommerntag suchen wir Klienten in Demminoder Malchin auf. Ein typischer Mittwoch sieht so aus, dasswir in Jürgenstorf, einer ziemlich großen Gemeinschaftsunterkunftsind. Donnerstag ist Bürotag, da nach einem Besuchwie in Jürgenstorf viele Aufträge anfallen. Am DonnerstagNachmittag fahren wir ungefähr alle zwei Wochen in dieGemeinschaftsunterkunft nach Stralsund. Freitag ist, da wirbeide eine 30-Stunden-Stelle haben, normalerweise frei.Dazwischen versuchen wir noch Bedarfsberatung für das<strong>Greifswald</strong>er Heim anzubieten, sowie Öffentlichkeits- undNetzwerkarbeit zu machen.Caro Matz, 34 und Elena Stoll, 29vom Psychosozialen Zentrum für MigrantenWelche Aspekte eurer Arbeit schätzt ihr und welche nicht?Elena: Absolut bereichernd ist, dass man mit ganz unterschiedlichenLeuten aus verschiedenen Kulturen ins Gesprächkommt. Schwierig finde ich die asylrechtlichen Bestimmungen.Wenn beispielsweise eine schwer depressiveFrau, der es im Kreis ihrer Freunde tausendmal besser gehenwürde, nicht bei diesen in Hamburg leben darf. Es ist schwerdamit umzugehen, dass es Menschen richtig schlecht gehtund das nicht, weil es keine Handlungsmöglichkeiten gibt,sondern weil diese durch die rechtlichen Vorgaben eingeschränktwerden.Caro: Das sehe ich ähnlich. Ich glaube auch, dass man dieseArbeit nicht ewig machen kann, sonderndann auch wieder etwas braucht,wo mehr positive Energie erzeugt wird.Wo liegen die größten Hürden deutscherAmtsbürokratie im Alltag?Caro: Es sind oftmals viele Dinge, diefür uns klein aussehen, aus der Sichteines Menschen, der auf der Fluchtwar und Traumatisierendes erlebt hat,aber unlösbar erscheinen. Viele dürfenkein Konto eröffnen. Die medizinischeVersorgung beschränkt sich auflebenserhaltende und schmerzlinderndeMaßnahmen. Alles Weitere mussnicht vom Sozialamt finanziert werden.Wir hatten den Fall von einem jungenMann aus Togo, der während seinesAufenthalts durch einen Infekt seinGehör verloren hat. Das Einsetzen einesImplantats um seiner Ertaubungentgegen zu wirken, wurde nicht finanziert. Die Leute sindpermanent darauf angewiesen, dass ihnen jemand etwas genehmigt,sie haben kaum eigene Handlungsoptionen. DasGesetz ist schlicht nicht menschenfreundlich und in der Praxisoftmals diskriminierend.Ist das Absicht?Elena: Wenn so etwas unabsichtlich geschieht, wäre es in denletzten 14 Jahren sicherlich geändert worden.Elena und Caro, vielen Dank für das Gespräch!v GreifsWelt | 31


Vom Regenin die TraufeEin Gespenst geht um in Europa – der Flüchtlingsstrom. Von den Tagesschau-Bildern aus Lampedusa in Italien hin zur Lebenswirklichkeit dreier Flüchtlinge in<strong>Greifswald</strong> – eine Reise in eine andere Welt, unweit vom Stadtkern entfernt.Reportage: Ole Schwabe // Fotos: Gjorgi Bedzovski & Ole SchwabeedzovskiAhmed Omar Ali*,31möchte in DeutschlandbleibenWie schnell vergisst man, dass hinter den Zahlenkolonnenin den Medien Menschen mit individuellenEinzelschicksalen stehen. Brechen wir die Problematikeinige Ebenen runter, landen wir direkt vor unsereHaustür. Auch in <strong>Greifswald</strong> steht ein Asylbewerberheim, einesvon vier in ganz Vorpommern. Seit letztem November istes wieder geöffnet und vorläufig neues Zuhause für rund hundertMenschen aus zwölf verschiedenen Ländern. Getragenwird die Einrichtung vom Deutschen Roten Kreuz KreisverbandOstvorpommern, unterstützt von verschiedenen Vereinenund Initiativen, von denen sich einige im Netzwerk fürMigration Vorpommern zusammengeschlossen haben.Ein Donnerstag im April. Sonnenstrahlen fallen auf dieschmutzig-braune Fassade des Hauses in der SpiegelsdorferWende 4, eine jener Hinterlassenschaften des Arbeiter- undBauernstaates, die auch beim schönsten Frühlingswetternoch Tristes und Trostlosigkeit verbreiten.Ich trete ein, kleine Kinder flitzen auf Inline Skates an mirvorbei, es riecht nach Kaffee, kaltem Rauch und Essen. JungeMänner in Jogginghose und Unterhemd, Mütter mit kleinenKindern auf dem Arm. Neonröhren tauchen die verlebtenFlure in fahles Licht. Kulisse und Stimmung gehen hier Handin Hand. Denn trotz zahlreicher Bemühungen ist Perspektivlosigkeitein mächtiger Gegner im Kampf um Zukunft.Mitunter erscheint er, so erzählen mir später Bewohner wieSozialarbeiter, unbesiegbar, da per Asylbewerberleistungsgesetz(AsylbLG) verordnet. Dieses stammt aus dem Jahre1993 und verströmt trotz mehrmaliger Novellierungen immernoch restriktiven Geist. Im ersten Jahr des Aufenthaltsgibt es keine Arbeitserlaubnis, Deutschkurse werden nicht finanziert,der Alltag vieler Flüchtlinge in Deutschland pendeltzwischen nervenaufreibenden Gängen zum Amt und ziellosemWarten. Oftmals erlittene Grausamkeiten im Herkunftslandoder während der Flucht immer im Hinterkopf, fernabvon Familie und vertrauter Umgebung in Gemeinschaftsunterkünftenuntergebracht. Und über allem schwebt beständigdas Damoklesschwert „Abschiebung“. Es bleibt die Frage, obwir satten Mitteleuropäer uns trotz guten Willens in eine solcheLage überhaupt hineinversetzen können.Ich bin mit Ahmed Omar Ali *verabredet. Ich treffe ihn inseinem Zimmer im ersten Stock. Er ist einer der wenigen, dieein Eigenes haben. Ein Spind, ein Tisch, ein Bett, dazwischensurrt monoton ein Kühlschrank. Ein Fernseher mit Kommode,es läuft das Vormittagsprogramm der ARD, ein deutscherHeimatfilm. Ist das Leitkultur? Unbefangenheit fühlt sich andersan, die ersten Gesprächsansätze verlaufen noch schleppend,schließlich beginnt der 31-jährige von seinem Zuhause,Somalia, zu erzählen. Er musste seine Frau und fünf Kinderzurücklassen, saß einige Zeit im Gefängnis, seine Tante gabihm schließlich das Geld für die gefährliche Reise. Über denSudan ging es nach Syrien, von da aus in die Türkei, nachGriechenland, Norwegen, Schweden, Dänemark, schließlichnach Deutschland. Registriert wurde er in Griechenland, dahermüsste er im Fall einer Abschiebung dahin zurück. Dorthabe er auch einen falschen Pass samt Visa sowie gefälschterFahrkarten gekauft. „Die Lage dort ist katastrophal“, sagt er,die Menschen hausen förmlich auf der Straße, polizeilicheWillkür sei an der Tagesordnung. Seit November 2010 lebt ernun in <strong>Greifswald</strong>. Ich frage ihn, wie sein Alltag aussehe. Ergeht täglich in die Moschee oder spazieren, kocht gemeinsammit seinen Landsleuten, lernt Deutsch in der Volkshochschule,finanziert aus eigenen Ersparnissen.32 | GreifsWelt v


Links: Neuanfang auf engstem Raum – Zimmer einer iranischen Familie Rechts: In Beton gegossene Funktionalität – Asylbewerberheim in <strong>Greifswald</strong>Und kulturelle Unterschiede zwischen Somalia und Deutschland?Ja, die gebe es natürlich, aber: „Wenn du diese Kulturnicht magst, dann solltest du wieder nach Hause gehen. Ichmöchte in Deutschland bleiben, meine Familie herbringen.Die Schule nachmachen und vielleicht sogar studieren, hierarbeiten.“Mir fällt ein, was Anett Dahms, Integrationsbeauftragte derStadt <strong>Greifswald</strong> vor ein paar Tagen zu mir gesagt hat: „Arbeitist der beste Weg, um die Menschen zu integrieren!“So denken auch Parastoo und ihr sechzehnjähriger Sohn Parsa. Ich habe in dem Zimmer der Familie Platz genommen,es gibt Tee und Datteln, auf dem Bett sitzt die siebenjährigeTochter. Die Drei sind seit Januar in Deutschland und kommenursprünglich aus dem Iran. Fliehen mussten sie aus politischenGründen. Die Familie gehörte in ihrem Heimatlandzur oberen Mittelschicht, ein Haus, zwei Autos, der Vater besaßeine Fabrik. Sie selbst habe eine eigene Boutique geführt,ihr Sohn eine der besten Schulen des Landes mit Note „sehrgut“ abgeschlossen. Doch dann kamen die landesweiten Unruhen,infolge derer der Vater verfolgt wurde. Drei Monate,in denen er psychisch und physisch gefoltert wurde, saß erim Gefängnis. Er kehrte krank nach Hause zurück, musstewenig später fliehen. „Irgendwann wollten sie meinen Sohnfestnehmen, unsere Bankkonten wurden gesperrt und wirentschieden uns, das Land zu verlassen. Deutschland war unserZiel“. Das Bild von Deutschland habe sich während ihresAufenthalts geändert, fährt die Mutter fort. Immer wieder erzähltsie von der Perspektivlosigkeit ihres Sohnes, der gerneMathematik studieren würde. Man spürt ihre Enttäuschung:„Germany is better than this!“ Ich frage nach ihrem Tagesablauf,viel zu erzählen gibt es da nicht: „ Wir sitzen hier, schauenFernsehen, hören Musik.“ Es sind Momente wie diese, indenen man erkennt, dass der Mangel an Beschäftigung unddie allgegenwärtige Abhängigkeit von einer komplexen Bürokratievielleicht die größten Probleme sind.„Viele kommen mit überzogenen Erwartungen hierher unddenken, Deutschland warte nur auf Sie“, sagt mir Olaf Kiesow,der Heimleiter. Die Situation hier sei eben ganz andersals sie es von zu Hause kennen. Dazu zählt auch, dass sie beispielsweisefür Arzt- oder Familienbesuche Anträge stellenmüssen, deren Bewilligung keinesfalls obligatorisch ist. Unterstützungbei Schwierigkeiten dieser Art hat sich beispielsweisedie Antirassistische Initiative <strong>Greifswald</strong> zur Aufgabegemacht. Die im Dezember 2010 gegründete Gruppe umfasstrund dreißig Personen, darunter auch viele Studierende.Sie setzt, neben Aufklärung und Information, auch auf ganzpraktische Zusammenarbeit mit den Migrantinnen. Hausaufgabenhilfefür Kinder, Deutschkurse oder Arztbegleitungvermitteln „Handwerkszeug“, um sich in Deutschland zurechtzufinden.Solidarität, ohne die Menschen zu bevormundenoder sie pauschal in Schubladen zu stecken.„Bis zur letzten Patrone“ werde er in der Berliner Koalitiongegen „Zuwanderung in die deutschen Sozialsystem“ kämpfen,polterte Horst Seehofer (CSU) am politischen Aschermittwoch.Wer hier lebe wolle, müsse seinen Lebensunterhaltselbst bestreiten. Ahmed Omar Ali, Parastoo, Parsa und vieleandere würden gerne arbeiten und deutsch lernen. Platzfür Ihre Rechte war im politischen Tagesgeschäft bisher nurselten. Das allerdings wären wir den Menschen und unsereneigenen moralischen Ansprüchen schuldig.* Name von der Redaktion geändertOlaf Kiesow, 49arbeitet gern im Ayslbewerberheimv GreifsWelt | 33


FeuilletonKunst per Post | Bei der sogenannten „Mail Art“ spielt die Post eine essentielle Rolle - es gilt Briefe,Karten, Gegenstände, Illustrationen und einfach alles, was in einen Briefkasten passt, zu einem bestimmtenThema anzufertigen und abzuschicken. Die <strong>Greifswald</strong>er Künstlerin Swinx entschied sich fürdie Leitformel „Who I am“ und erhielt dutzende Einsendungen, die im April für jedermann im Falladahausausgestellt wurden. Neben derartigen Postkarten gab es auch Größeres zu sehen.Foto: Maria Strache34 | Feuilleton


kulturnotizenZum 20. Mal NordischerKlangSeit einigen Tagen findet bereitsdas Musikfestival „NordischerKlang“ in <strong>Greifswald</strong> statt, nunmehrzum 20. Mal in der Hansestadt.Noch bis zum 15. Mai lädtdas üppig gestaltete Programm– eine Mischung aus Musik, Tanz,Lesungen, Filmvorführungen, Vorträgenund Theateraufführungen– zum Verweilen und Mitmachenein. Es ist nicht erst seit gesternbekannt wie vielfältig die LänderSkandinaviens unter anderemin kultureller Hinsicht sind. DiesesJahr steht das Festival unterschwedischer Schirmherrschaftund präsentiert sich gewohnt souverändem hungrigen Publikum inund um <strong>Greifswald</strong>. Jedoch ist Eilegeboten, falls auch du noch vondiesem Ereignis profitieren möchtest.Lossa, lossa!Gregor McEwan spielt imCafé KoeppenNachdem im April bereits „SpacemanSpiff“ im Café Koeppen gastierte,erwartet euch am 14. Maiab 20 Uhr an gleicher Stelle einweiterer, empfehlenswerter Singer/Songwriter.Gregor McEwankommt jedoch nicht aus Schottlandoder Irland, wie man bei dem Namenvermuten könnte. Ganz unscheinbarkommt der Musiker ausNordrhein-Westfalen. Doch ohnedie Information lässt sich musikalischsowie äußerlich nicht daraufschließen – ein Mann von Welt!Sein Debütalbum „Houses AndHomes“ ist einfach gehalten, dennochhörenswert. Der sehenswerteMann hinter dem Mikrophon tutsein Übriges. Wer Damien Riceund Ryan Adams mag, sollte sichdiesen Termin im Kalender vormerken.Ausstellung von und in derFleischervorstadtDie Organisatoren Steffi Riechund das Team des QuartiersbürosFleischervorstadt präsentieren abdem 7. Mai einen ganzen Monatlang über die gesammelten Werkedes künstlerisch tätigen Einwohnerdes idyllischen Stadteils Fleischervorstadt.An den einzelnen Tagenzeigen sich die 26 teilnehmendenKünstlerinnen und Künstlermithilfe von selbstgeschossenenFotografien (Kevin Neitzel), Zeichenkursen(Wiesenstraße) oderbeispielsweise musikalischen Darbietungen(Naked Neighbours onTV). Von dieser kulturellen Vielfaltkönnen sich die anderen Stadtteile<strong>Greifswald</strong> ruhig mal eine Scheibeabschneiden, wenigstens sollteaber ein Besuch im Nachbarquartierdie eigenen Impressionen erweitern.Kunstlandschaft VorpommernOffene Kunst? Kunst :Offen. Aufdie Kunst! So, oder so ähnlichwird es am Pfingstwochenendein diversen Museen, Scheunen,Gärten und weiteren Ausstellungsortenauf Rügen, Usedom undzahlreichen ländlichen Städten inder Nähe zugehen. Überall wirdes an den Tagen Kunst aus Papier,Textil, Holz, Keramik etc. zu betrachtengeben. Dabei hat man dieGelegenheit den Künstlern mit eigenenAugen über die Schulter zuschauen. Gekennzeichnet sind dieLokalitäten durch blau-weiße Fahnen,die in der Nähe sichtbar signalisierensollen: hier gibt es Kunstzu sehen, für lau. Genaue Daten,Namen und Objekte kann man aufder gleichnamigen Internetseiteerfahren. Getreu dem Motto, eslebe die Kunst!Opernale – Ein Fest(ival)der KünsteFestivals kennen die meisten unteruns schon aus eigener Erfahrung,aber so etwas wie die Opernale,welche zwischen dem 8. und24. Juli stattfindet, hat wohl nochkaum einer erlebt. Zu erfahren istdas Spektakel nur wenige Kilometervon <strong>Greifswald</strong> entfernt, dasbarocke Schloss und die ParkanlageGriebenow locken mit Charme.In der reizvollen Umgebung gibtes die szenische Aufführung dermusikalischen Komödie „DerSchauspieldirektor“ von WolfgangAmadeus Mozart zu sehen undhören. Daneben gibt es Lesungen,Picknicks, abendliche Dinner, Grillfeuerund weitere Seelenfreuden.Wer mehr dazu wissen bzw. Kartenordern möchte, sollte einenBlick auf www.opernale.de riskieren.Ostseefestspiele Stralsundund <strong>Greifswald</strong>Seit dem Jahr 2003 gehören dieOstseefestspiele mit anspruchsvollemsowie mitreißendem Theaterzum etablierten Programmhöhepunktder Region.Von Juni bisEnde August finden die Sommerfestspieleauch wieder in der Hansestadtunseres Vertrauens statt.Darunter Aufführungen zu „LaTraviata“, „Carmina Burana / SymphonicPink Floyd“ oder „Der Todund das Mädchen“ - also nicht nurTheater, sondern auch Oper undBallett erwarten das Publikum ander sommerlichen Luft. Wer sichdieses kulturelle Highlight nichtentgehen lassen will, dem seienProgramm und Kartenservice aufwww.ostseefestspiele.de ans Herzgelegt. Mit Mama und Papa wirddas Ganze auch für studentischeGeldbeutel erschwinglich. Feuilleton | 35


Kindliches Staunenbeim AuspackenBei der internationalen „Mail Art“ - Ausstellung konnten die Besucher im April diversepostalisch versandte Kunstwerke bestaunen, welche die Grafikerin CindySchmid im Rahmen ihres Aufrufs zum Thema „Who I am“ erhalten hat.Bericht: Maria Strache & Gjorgi Bedzovski // Fotos: Maria StracheTagtäglich enttäuscht der Briefkasten seine Besitzer.Entweder ist er leer oder es liegen unangenehmeBotschaften darin. Manchmal, ja manchmal kramenwir unsere Kiste mit alten Briefen hervor. Durchstöbernsie, gedenken Momenten der Vergangenheit und appellierenan das Kind im Innern. Wäre es nicht schön, wiederBriefe zu bekommen? Die Kunstform der „Mail Art“macht es möglich.Dabei handelt es sich nicht nur um Briefe, der Kreativitätsind in jener unkommerziellen Kunstrichtungkeine Grenzen gesetzt. Das Prinzip von „Mail Art“ist mit drei Worten erklärt: Freiheit, Individualität,Briefmarke! Die Idee von IUOMA, InternationalUnion of Mail-Artists, lässt sich auf das Jahr 1988datieren, dennoch bekamen die Künstler erst 20Jahre später eine eigene Plattform für ihren jeweiligenkreativen Austausch. Bei „Mail Art“ gehtes um das Senden von künstlerischen Werken,um kreative Kommunikation, um das Gestaltenvon Projekten und Shows, um globale Kulturund um Freiheit, Spaß und Humor.Über sieben Monate lang bekam CindySchmid, auch bekannt als „Swinx“, Postvon wildfremden Menschen, als sie imJuni 2010 einen „Mail Art“ - Aufruf unterdem Thema „Who I am“ startete. Wie die<strong>Greifswald</strong>er Grafikerin von ihrer anfänglichenSuche im Internet nach UV-Lackplötzlich auf die Website von „Mail Art“kam, kann sie sich auch nicht mehrgenau herleiten. „Doch es waren dieCollagen, welche ich auf der Websiteerblickte und mich reizten, michweiter umzugucken“, so die Künstlerin.Die Ergebnisse machte sie derAußenwelt bei ihrer internationalen „Mail Art“ - Ausstellungim Falladahaus vom 2. bis zum 15. April zugänglich. Insgesamt80 künstlerische Beiträge, darunter Collagen, Illustrationenund Drucke aus 26 Ländern, durften die Besucherbetrachten und die jeweilige Antwort des Künstlers zum Themabegutachten. <strong>Greifswald</strong>er Beiträge gab es darunter allerdingsnicht. Who I am? „Mich hat interessiert, was das fürLeute sind auf dieser Plattform, da es wirklich bunt gefächertist und zu diesem Thema kann man sich gut austoben“, so dieGrafikerin. Vom Künstler bis hin zum Amateur, bei „MailArt“ gibt es keine Einschränkungen und das ist auch das Gutedaran, denn so entsteht eine unglaubliche Vielfalt. „Ich habebereut, dass ich keine Briefmarken sammele“, konstatiert sielachend. Das gehört mitunter zur Szene, der harte Kern besitztsogar eigens angefertigte Stempel und Briefmarken, welchebei zukünftigen „Mail Art“ - Aktionen einen Wiedererkennungswerthervorrufen. Gelegentlich sind es sogar ganzeBücher, welche den weiten Weg auf sich nehmen und wennman Glück hat, dann bekommt man als Dank der Teilnahmeeventuell eine Kopie des Endproduktes. Kommunikation istder Leitgedanke. Zuerst mit sich selbst und dann mit den jeweilsanderen. Die freiberufliche Künstlerin selber rät, denKunstbegriff nicht allzu ernst zu nehmen, das wichtige sei fürsie, sich selbst und die Welt mit Humor zu nehmen und ohneAnspruch zu verschicken, um des Austobens willen.Wer die Ausstellung unglücklicherweise verpasst hat, derkann die Einsendungen und andere Werke von CindySchmid, hauptsächlich Collagen, bei der Aktion Kunst:Offenim Mai (siehe Kulturnotizen) betrachten. Die Kunstwerkeladen allemal zur Inspiration ein und bringen den einen oderanderen eventuell wieder auf den schon verloren gegangenenkreativen Pfad. Und bevor ihr euch auf die Suche nach UV-Lack im Internet macht, ein Künstlertipp ihrerseits: AnstattUV-Lack die Haarspraydose in die Hand nehmen und seinWerk fixieren.36 | Feuilleton


Links: Ein Teil der kreativen EinsendungenOben: Die junge Künstlerin inmitten der postalischen VielfaltUnten: Wirre Worte begrüßten die Besucher Feuilleton | 37


» Ich habe meinen Elterndas Essen geklaut «Am 16. April gab der Singer/Songwriter „Spaceman Spiff“ im Café Koeppen ein berauschendesKonzert. Der neue Stern am deutschen Musikerfirmament zeigt, dassein Studienabbruch nicht immer die schlechteste Entscheidung sein muss.Interview: Sophie Lagies // Foto: Moritz KörnerDie Standardfrage gleich zu Beginn - erklär doch deinenNamen?Also „Spaceman Spiff “ kommt von meinem absoluten Lieblingscomic„Calvin und Hobbes“ - da geht es um einen kleinenJungen mit seinem Plüschtiger, der immer zum Leben erwacht,wenn keine Erwachsenen dabei sind, und ja, das findeich ganz großartig. Weil Bill Waters, der die Comics schreibt,schafft es mittels weniger Bilder komplexe Situationen einfachtotal auf den Punkt zu bringen. Dieser kleine Junge stelltsich manchmal vor, dass er ein Astronaut ist und dann ist inder Schule sein Pult ein Ufo, die Lehrerin ein Alien, er wirfteine Papierkugel auf sie und das ist dann sein Blaster. Ich fanddas ganz schön, weil er über die echteWelt sozusagen seinen Filter legt undalles mit seinen eigenen Augen sieht.Ich mach ja im Endeffekt so etwas Ähnliches.Du stammst aus Würzburg und hastdort zwei Semester Sport studiert– warum hast du dein Studium abgebrochenund bist ab nach Hamburg?Naja, ich hab mein Leben lang Musikgemacht, also hab acht Jahre lang inBands gespielt und ja, Sport war einfachnicht das Richtige. Ich mach zwarauch gern Sport, aber mit diesen ganzenLehrämtern, die dann alle auchimmer „Pumpen“ gegangen sind.. ichhab mich da einfach nicht ganz wohlgefühlt. In meiner Heimat hab ich inClubs gearbeitet und Konzerte veranstaltetund wollte eigentlich so was inHannes Wittmer alias SpacemanSpiff, 25Hamburger Singer/Songwriter war im CaféKoeppen zu GastHamburg machen. Denn Hamburg hat ja ganz viele Labelsund Booking Agenturen, da wollte ich mich eigentlich reinfinden, aber es ist dann eher durch Zufall so passiert, dassmeine Musik irgendwie gut angekommen ist und ich danndas erste Album („Bodenangst“) aufgenommen hab.Was hat sich für dich dadurch meisten verändert?Naja, ich hab im Endeffekt das Elternhaus verlassen. Selbstals ich noch in Würzburg gelebt hab, hab ich halt noch immerBandproben in der Heimat gehabt und alle zwei Wochen beimeinen Eltern das Essen geklaut(lacht) - also der größte Einschnittist dieses Aus-der-Heimat-wegziehen. In Hamburgbin ich das erste Mal auf mich allein gestellt und verdieneselbst meine Brötchen.Wohnst du da in einer WG?Ja, ich wohne dort zu viert in einer WG in Altona. Da warich in den letzten Monaten nicht wirklich viel, das ist schonschade, aber es gibt dann auch durchaus mal so Zeiten wo ichzwei bis drei Monate am Stück dort bin.Was ist der größte Unterschied zwischen dem Süden unddem Norden Deutschlands?Ich kann dir jetzt natürlich nicht sagen, ob das so eine generelleNord- und Südsache ist, aber es istauf jeden Fall in Hamburg so, dass allesein wenig relaxter und kühler ist, aberauf eine angenehme Art und Weise.Also, wenn ich es mit Berlin vergleiche,ist das alles ein bisschen weniger aufdringlich.Es dauert halt bis du jemandentatsächlich als deinen Freund bezeichnest,aber ich hab das Gefühl, dassdas dafür alles ein bisschen echter ist.Wie beeinflusste Hamburg dein aktuellesAlbum „… und im Fenster immernoch Wetter“?„…und im Fenster immer noch Wetter“ist ein Tagebuch von den zweiJahren, die ich jetzt in Hamburg gelebthabe. Also beeinflusste Hamburgeigentlich nicht nur mein Album, sondernmeine Zeit in Hamburg ist dasAlbum.Deine Texte handeln von der Angst vor den eigenen Entscheidungen,von der Suche nach dem eigenen Ich, Zukunftsvisionenund Verantwortung. Worum geht es in deinerMusik für dich selbst?Ja, das hast du gerade auf jeden Fall alles richtig gesagt, dassind halt alles solche Dinge, die ich durchlaufen habe, die jederMal durchläuft Anfang Zwanzig. Aber es geht in meinerMusik tatsächlich egoistischer Weise sehr viel um mich – ichverarbeite darin Situationen, die ich durchlebt hab. Trotzdem38 | Feuilleton


habe ich beim Texten immer das Gefühl, dass ich gar nicht soviel Einfluss darauf nehmen kann und das eher so eine passiveGeschichte ist. Ich versuche es dabei nur allgemein zugänglichzu machen, damit jeder seine Story rein interpretierenkann.Du nutzt in Zusammenarbeit mit deinem Sidekick FelixWeigt eine riesige Bandbreite von Instrumenten. Wiekommt ihr darauf, dass quietschendes Cellostreichen undWellenrauschen die ideale Ergänzung für ein Lied seinkönnten?Ich höre selber extrem viel Musik und habe festgestellt, esgibt oft Songwriter, die Platten alleine machen und die machendann was zusammen mit Bands. Da passiert es sehrschnell, dass jedes Lied gleich klingt. Davon wollte ich einwenig Abstand nehmen und hatte auch einfach Bock draufganz viel auszuprobieren. Der Plan bei der Platte war es, zuschaffen, dass alle Lieder möglichst verschieden sind und dunicht zwei Mal die gleiche E-Gitarre hörst, es aber gleichzeitigtrotzdem einen Zopf hat und homogen ist.Worüber freust du dich persönlich dabei am meisten?(grinst) Also ganz weit vorne dabei ist (lacht) die „SiemensLady“ - das ist eine Spülmaschine. Die war bei meinem bestenFreund in Würzburg in der WG, und die hat da dann losgelegtund das machte so ein schönes Rauschen, was irgendwiewie Meeresrauschen klingt, aber auch nicht wirklich, undich hab das dann mit meinem MP3-Player aufgenommen.Das wird auf der Platte hinter dem gesamten Lied „Photonenkanonen“abgespielt – ich glaub das ist so mein persönlicherHöhepunkt.Was hältst du davon mit Musikern wie Gisbert zu Knyphausenoder Philipp Poisel in einen Topf geworfen zuwerden?Gisbert zu Knyphausen schätze ich selber sehr, ich finde esgroßartig was er macht und da ist es doch eigentlich schönmit ihm verglichen zu werden, weil er momentan ja schon derbekannteste deutsche Singer/Songwriter ist. Aber es ist alsMusiker natürlich schon so, dass man sich auch freut, wenn esgesehen wird, dass man etwas Eigenes macht. Ich hab selbstdas Gefühl, dass wir musikalisch schon ziemlich unterschiedlichsind. Ich kann das aber auch nachvollziehen, denn ichmach das ja selber auch, damit es für mich fassbar ist. Aberich freu mich natürlich drüber, und es schmeichelt mir.Welche CD hörst du zur Zeit überhaupt?Es ist echt so, dass ich sehr viel weniger Musik höre, seitdemich selbst Musik mache. Das berufliche Musikmachen nimmteinem ein bisschen das Hobby, das ist schade. Was ich selbstgerade sehr viel höre ist Sam Amidon - total großartig! Außerdemhab ich gerade für mich The National entdeckt, dashör ich rauf und runter, und Gustav aus Wien find ich auchtierisch.Was verbindest du mit <strong>Greifswald</strong>?Also vorher hab ich mit <strong>Greifswald</strong> ehrlich gesagt überhauptnicht viel verbunden, ich hab einfach gedacht, ich lass michüberraschen. Und was ich jetzt damit verbinde ist, dass ichheute vor dem Konzert durch die Straßen gelaufen bin undfestgestellt habe, nachdem das letzte Jahr sehr stressig war,dass ich eigentlich doch einen ganz geilen Job hab. Dass ichberuflich in so ein schönes, verschlafenes Städtchen kommehier, ein bisschen rumlaufe und die Stadt angucke und dannein Konzert spielen darf. Das ist eben meine Arbeit, und dasist sehr schön. Diese Erkenntnis hat <strong>Greifswald</strong> für mich heutebewirkt.Im aktuellen Heft geht es in einem Artikel über das Altwerdenund Erwachsensein in dieser Studentenstadt, darumumringt zu sein von den 19-jährigen Sprösslingen und irgendwienicht mehr dazu zu gehören. Auch du stehst nachdem Studienabbruch auf deinen eigenen Beinen, und verdienstdein erstes richtiges Geld. Bist du raus aus der einenGeneration und Teil einer neuen?Ja total, ich mach mir da sehr viele Gedanken drüber. Ich versucheseit längerem ein Lied drüber zu schreiben, aber ichkann das noch nicht so ganz fassen. Ich hab das Gefühl, dassman so ein bisschen desillusionierter und gediegener wird.Man hat vorher irgendwie ständig neue Lieder entdeckt, diefür einen die Welt bedeutet haben und nun wirkt das allesirgendwie so ein bisschen weniger krass. Ich wollte das Lieddeshalb auch „Milchglas“ nennen, weil es alles eben nichtmehr so strahlend ist, man betrachtet alles dumpfer. Wobeidas nichts Schlechtes ist, man bekommt dadurch einen besserenÜberblick und ist nicht auf allen Seiten überfordert.Spaceman Spiff, vielen Dank für das Gespräch.© Mairisch Verlag» und im Fensterimmer nochWetter «Spaceman SpiffMairisch Verlag12 TitelAb 18.03.2011 Feuilleton | 39


Oben: Ensemble und ViolettaUnten Links: Chul-Ho Jang und Kerem Kurk in der Heimat Unten Rechts: Violetta ist krank und zerbrochen, aber doch so sehr verliebt40 | Feuilleton


∙ ∙ ∙ Literatur ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙© Suhrkamp VerlagKeine Hoffnung,nirgends© Dumont VerlagSanfte Schrittegen Isolation» Die Liebe zur Zeit des MahlstädterKindes«von Clemens J. SetzVerlag: Suhrkamp350 Seiten» Karte und Gebiet «von Michel HouellebecqVerlag: DuMont Buchverlag414 SeitenAuf einmal steht sie am Ende einer abgelegenen Sackgasse: eine Kunstfigur aus formbaremLehm, die das „Mahlstädter Kind“ genannt wird. Vom Künstler der Bevölkerungübergeben mit dem Auftrag, es in die „allgemein als vollkommen empfundeneForm eines Kindes“ zu bringen. Tagsüber sammeln sich Kunstkritiker um die zu vollendendeSkulptur, nachts schlagen die Menschen wie im Rausch mit Fäusten, Ketten,Nägeln auf das demütig herabschauende Kind ein.„Er fragte sich, wie viele Menschen schon in ähnlichem Zustand hergekommensein mochten, als Pilger ihrer Wut, zu Tode gedemütigt von der Kunstbegeisterung,die die Stadt erfasst hatte.“Die gleichnamige Geschichte ist die titelgebende und zugleich innovativste des neuerschienenen Buches von Clemens J. Setz. Dann gibt es da noch die Erzählung vonder im realen Leben gescheiterte Frau, die sich in ein Apartment in einem Riesenradzurückgezogen hat, mit dem sie Tag und Nacht hoch und runter fährt. Ein harmloserJunge, der seinen gutmütigen Freund quält; ein sich gegenseitig erniedrigendes Ehepaar;ein greiser, in einem Gitterbett vor sich hinvegetierender Dichter.Die Gewalt und die Einsamkeit scheinen in der Tat das Einzige zu sein, das die 18Kurzgeschichten eint. Immer geht es um dunkle Abgründe, abruptes Ausfallen ausdem harmlosen Alltag, die absurden Aspekte der gar nicht mal so plötzlichen Eruptionenvon Gewalt. Von Ehepaaren bis zu Prostituierten, von Kindern bis Greisenkommen Protagonisten aus allen Winkeln der Gesellschaft vor, so dass sich die Gewaltund die Hoffnungslosigkeit stets aus neuer Perspektive nähern.Nach seinen ersten beiden Romanen „Söhne und Planeten“ sowie „Die Frequenzen“,die beide von der Kritik gefeiert wurden, legt der Österreicher nun einen Band mit„Außerdem konnten die Glocken in einer Stadt die Stimmung der Zeit widerspiegeln,in Krisenzeiten klangen sie anders, wälzten sich unruhiger vonder einen auf die andere Seite, wie Schläfer mit schrecklichen Träumen.“Erzählungen vor. Das Werk des erst 28 Jahre jungen Autors wurde mit dem Preis derLeipziger Buchmesse 2011 ausgezeichnet.Ob diese Ehrung angebracht ist, bleibt abzuwägen. An vielen Stellen blitzt das großesprachliche Talent des Schriftstellers auf, es gibt einige wunderbar groteske undsubtil-humorvolle Sequenzen, manche Konstruktionen lassen Großes erwarten,dann jedoch geraten die Beschreibungen der wiederkehrenden Gewalt-Exzesse überzeichnetund platt, der Sex allzu pornografisch, die literarischen Anspielungen allzugewollt. Postmoderne Literatur, die postmoderner sein will als sie selbst. Die Erzählungenlassen klar das Potenzial des Autors erkennen, der mit mehr Konzentrationauf seinen eigenen Ton, weniger auf den großer schriftstellerischer Vorbilder seineErzählungen konsequenter hätte entwickeln können. So bleibt zum Schluss ein wenigEnttäuschung ob der vielen guten Ansätze, die letztlich zu oft im Leeren auslaufen.Das Mahlstädter Kind wird wochenlang geschlagen und am ganzen Körper geprügelt.Seine Gesichtszüge, die man nur von seinem Schoß aus erkennen kann, bleibendabei fein und unversehrt. Es verschwindet eines Tages genauso plötzlich, wie es gekommenist. An seine Stelle tritt ein Kinderspielplatz. Nach wenigen Tagen sind dieSpielfiguren hoffnungslos zerkratzt und verbeult.4 Sandrina KreutschmannFür seinen neuen Roman „Karte und Gebiet“ hat der französische SchriftstellerHouellebecq den wichtigsten französischen Literaturpreis erhalten – den Prix Goncourt.Es scheint als wäre der „Skandalautor“, wie Houellebecq für seine Werke betiteltwurde, zur Ruhe gekommen im neuen Roman. Keine sexuell frustrierten Großstädterund keine zwischenmenschlichen Affären im neuen Buch, für die der Franzose sonstimmer bekannt war und damit ein ganzes Generationsgefühl ausgelöst hat.Und doch hat es Houellebecq seine analysierende und trockene Sprache in „Karteund Gebiet“ nicht verschlagen, die sich unter dem Mantel der Oberflächlichkeit insmenschliche Denken einschleicht. Sich selbst machte er auch zu einer handelndenFigur in dem rund 400 Seiten umfassenden Roman. Hier stellt er sich als der MichelHouellebecq da, der er auch im wahren Leben sein könnte – ob er dies wirklich ist,bleibt nicht zu hoffen.„Die wenigen ihm verbliebenen Freunde wie auch seine Verleger verziehenihm diese Schwäche, so wie man einem müden, dekadenten Greis praktischalles verzeiht.“Zurückgezogen lebt er auf der irischen Insel, bis er von der Hauptperson des Romans– Jed Martin, einem Künstler, gefragt wird ein Vorwort für dessen Ausstellungsband zuschreiben. Zwischen den beiden entwickelt sich so etwas wie Freundschaft. Jed Martinist zu der Zeit der höchstbezahlte Künstler Frankreichs, eine typisch Houllebecq‘scheFigur, ziemlich erfolgreich, gescheiterte Liebesbeziehung, gleitend im Leben der PariserGroßstadt. Bis es zu einer eigenartigen Wendung in der Geschichte kommt: Houellebecqwird ermordet, jegliche Körperteile von ihm entfernt. Nicht zuletzt endet seinLeben tragischerweise in seinem französischen Landhaus, wo Houellebecq aufwuchsund nun seine letzten Stunden zubrachte.Ob sein Leben so enden mag, sei dahingestellt. Während Jed Martin der Polizei beimAufklären des Mordes helfen muss, wendet sich „Karte und Gebiet“ weg vom Romaneines Künstlers hin zu einer Krimierzählung. Houllebecq begibt sich dieses Mal allerdingslangsam in die Geschichte hinein, mit sanften Schritten – nicht mehr als der Autor,der menschliche Abgründe darstellt und sie dem Leser nicht mit voller Wucht vordie Augen knallt, wie er es in etwa bei „Elementarteilchen“ oder „Plattform“ tat. Er tutes sanfter, ohne zu übertreiben an Psychologismus, die er an Figuren vornimmt, undso bleibt Houellebecq doch derjenige, der aus bloßem Erzählen raus die Wirrungen inunserer heutigen Gesellschaft rauspickt, sie uns vor die Augen führt und letztendlichseine Romanfiguren daran leiden lässt.Damit ist Houellebecq zwar nicht mehr der Skandalautor, der er vorher für manchewar, bleibt aber doch ein Autor mit einem gesunden Blick für die bizarren Details,die uns in unserem Leben umgeben – was wir daraus ziehen, müssen wir selbst entscheiden.„Vermutlich geht es auf Mitgefühl zurück, wenn man alten Leuten eine starkentwickelte Esslust unterschiebt, weil man sich einreden möchte, dass ihnenwenigstens das noch bleibt, dabei sterben bei den meisten Menschen vorgerücktenAlters auch die Gaumenfreuden unweigerlich ab wie alles andere.“4Luisa Pischtschan42 | Feuilleton


∙ ∙ ∙ Musik ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙© Strange WaysSeifenblasenromantikSimon Frontzek dürfte der deutschen Indiepoprockgemeindeeher bekannt sein als verhaltener, aber sehr begabterses bubenhaften Mannes verzückt, der Hörer lauscht jedemWort und jedem Schweigen mit Wohlwollen. Zusätzlich ver-Instrumentalist bei Tomte. Doch davor und danach gibt essprühen Posaune, Xylophon und Akkordeon in Einhelligkeitviel mehr zu entdecken. Als Sir Simon avancierte er bereitsmit E-Gitarre und Schlagzeug einen faszinierenden Charme.vor drei Jahren mit seinem Debüt „Battle“ zum heimlichenDiese spezielle Leichtigkeit findet sich beispielsweise inTalent der leider oft unentdeckten deutschen Musiker. Mit„Comfort Noise“ wieder, zunächst wirkt das Arrangementseinem neuen Werk „Goodnight, Dear Mind…“ führt er denfederleicht, plötzlich steigert sich das Instrumentarium zueingeschlagenen Solopfad fort und zeigt weitere Facetteneinem pompösen Lärmbündel und dann: aus. Unmittelbarseines Könnens. In den zehn Liedern erbaut Frontzek einebevor die Seifenblasenromatik zu platzen droht, kommtSir Simon –eigene kleine Popwelt im Indiegewand, deren Wände dünnSir Simon um die Ecke geschwebt und führt einen wieder„Goodnight, Dear Mind…“sind wie Seifenblasen – jederzeit droht die brutale Realitätzurück. Nach Erklingen des letzten Tons ist die Wärme ver-Label: Strange Ways (Indigo)das flauschige Wohlbefinden der Hörer zu zerstören. Dochschwunden. Man sehnt die Wonne zurück, der Finger wan-10 Titeldas zarte Arrangement fängt die Worte auf und am Endedert auf den Repeat-Knopf und man flüchtet in Sir Simon’sAb 06.05.2011sitzt jeder Ton da, wo er hingehört. Die tenore Stimme die-Seifenblase.4 Sophie LagiesKrautschädl –» GemmaGemma «Label: fm music13 TitelAb 18.02.2011© fm musicMitm Goschnrock zuam WödhitSo ein Kohlkopf ist schon eine feine Sache: leckeres Sauerkrautlässt sich daraus zaubern. Oder Krautnudeln. Oder mehrmaligem Anhören wirft das bei vereinzelten LiedernAlle Texte sind im oberösterreichischen Dialekt. Selbst beiKrautsuppe. Oder man steckt einfach seine Demo-CD rein immer wieder die Frage auf, worüber die Jungs aus Welsund verschickt das Ganze an Plattenfirmen, um sich einen da tatsächlich singen. Für Dialektliebhaber eine helle Freude,für Interpretationsfreunde eine wahre Wonne. Für diePlattenvertrag zu angeln. Genau mit dieser ausgefallenenSelbstvermarktungsidee sind Krautschädl zu ihrem ersten Welser Band genau der Kurs, von dem sie trotz des Labelwechselsnicht abgekommen sind. Mit ihrem „Goschnrock“Vertrag mit Sony BMG Austria gekommen. Mit „Gemma-Gemma“ erschien das dritte Album der Oberösterreicher, lassen sie sich in keine vorhandene Schublade stecken, dienun bei einem kleinen österreichischen Label. Ruhig sitzen rockige Grundnote des Albums wird bei jedem Stück durchbleiben? Fehlanzeige. Man wird buchstäblich aufgefordert den Einfluss anderer Genres variiert. Der oberösterreichischenMundart wird wieder auf herrlicher Weise gefrönt,zum „Donzn am Firn“, „Dreg“ lässt einen ‚abzucken’, sprichabgehen. Gelassener geht es bei „khoids Wossa“ zu. Das was dem Weg zum Welthit vielleicht nur bedingt förderlichBooklet sollte man bei alledem jedoch nicht so weit weglegen.Das ist unabdingbar, vor allem für ungeübte Ohren. Fall schon erreicht.ist. Ihren Gipfel haben die drei Welser Buben aber auf keinen4Katrin Haubold∙ ∙ ∙ Hörbuch ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙» Grosser Bahnhof «von Horst EversRandom House AudioLaufzeit: 78 MinutenAb 25.04.2011© Random House AudioWitzig und dabei nicht subtilOriginell, charmant und sympathisch. Auch das aktuelle Programmvom Berliner Geschichtenerzähler Horst Evers hat Die Geschichten kommen einem schnell bekannt vor undund Probleme mit viel Humor, ohne das es langweilig wird.nichts davon eingebüßt. Allerdings hat „Grosser Bahnhof “ durch seine wunderbaren Beschreibungen kann man sichinhaltlich fast nichts zu bieten, was man aus dem Titel schließenkönnte. Dies erklärt Horst Evers gleich zu Beginn seines vergehen wie im Fluge. Eine nette Beilage ist das Booklet,unmittelbar in das Geschehen einfinden. Knapp 80 MinutenProgramms. Es handle sich einfach um den ganzen großen gefüllt mit weiteren tollen Texten. Horst Evers nutzt zur Einleitungfür seine Geschichten gerne tagesaktuelle Ereignisse.Komplex, die Redewendung „einem einen großen Bahnhofbereiten“ und die Bilder, die an einem Bahnhof entstehen Diese wechseln aber von Auftritt zu Auftritt und hätten seinerMeinung nach den Rahmen der CD endgültig gesprengt.können, zum Beispiel die Willkommensszenen. Es gehe allerdingsnur ganz am Rand um Züge und Bahn. Der andere So findet man eine gelungene Auswahl zum selber lesen undThemenbereich, den er ansprechen möchte ist der der Zukunft.Dieser Punkt kam aber leider schon im vorigen Pro-Seine Stimme bietet die perfekte Ergänzung zu dem Buchverlängert die zu schnell vergehende Zeit etwas.gramm fast wortwörtlich so vor. Eine große Enttäuschung und rundet das Erlebnis Horst Evers erst so richtig ab. Abergleich zu Beginn. Allerdings bleibt dies das einzige Manko natürlich noch nicht so, als ob man das Programm live miterlebt,mit all seiner Gestik und Mimik. Insgesamt aber einedes Liveprogramms, das in Berlin in den Wühlmäusen aufgenommenwurde. Eine sympathische Stimme, von der man sehr runde Sache mit einem schönen ausgewählten Zusammenschnittund einem großartigen Booklet. Ebenfalls origi-sich gerne etwas erzählen lassen möchte, präsentiert danachwunderbare Texte. Diese beschreiben alltägliche Erlebnisse nell und sympathisch.4Johannes Köpcke Feuilleton | 43


∙ ∙ ∙ Kino ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙Nach Fall kommt Aufstieg„Warum ich Boxer bin? Weil ich kein Dichter bin. Ich kann keine Geschichten erzählen.“Der oscarnominierte Film „The Fighter“ basiert auf einer wahren Geschichte desBoxers Micky Ward und hat das Potenzial den obigen Ausspruch von Barry McGuiganzu widerlegen.Micky (Mark Wahlberg) stammt, wie sein BruderDick (Christian Bale), aus der irischen Unterschichtin Lowell. Dick trägt den Beinamen „derStolz von Lowell“, da er einst als erfolgreicherBoxer gegen Sugar Ray kämpfte. Während seinHalbbruder den Drogen verfiel und seine Boxkarrierenicht halten konnte, blieb Micky ehrgeizigam Ball und trainierte konsequent. Der Fall einesDrogenabhängigen, der alles verliert und sichkleinlich wieder hocharbeiten muss, ist mit Dickausdrucksstark und schön dargestellt worden.Er dient als abschreckendes Beispiel und wurdeschauspielerisch wirklich gut umgesetzt. Nach » The Fighter « von David O. Russelmehreren erfolglosen Kämpfen wurde Micky die Darsteller: Mark Wahlberg, Sugar Ray Leonard,Chance seines Lebens angeboten: ein bezahltes Christian Bale, Melissa Leound professionelles Training. Seine Mutter Alice(Melissa Leo) ist wenig davon begeistertLaufzeit: 115 minutenundauch seine neue Freundin Charlene (Amy Adams) wird in der Familie alles andereals herzlich aufgenommen.Micky will endlich aus dem Schatten seines Bruders heraustreten, nimmt das Angebotan und entscheidet sich gegen Dick. Doch dann ist er derjenige ohne den MickyNoch ein außerirdischer Schießfilmnie den Aufstieg in die Weltmeisterklasse geschafft hätte und Micky gerät in Zweifelüber seine Entscheidung.Der Film versetzt den Zuschauer sofort mehrere Jahre in die Vergangenheit zurück.© Senator FilmverleihTelefone mit Wählscheiben, keine Computerund man erhält den Eindruck, der Film wäre miteiner heimischen Videokamera gedreht worden.Die Story gefällt beim Sehen, jedoch ist die Umsetzungeher ein wenig schläfrig. Man hätte dochetwas mehr Spannung erwartet oder zumindestdie Dramatik hätte etwas besser dargestellt werdenkönnen. Lediglich am Ende des Films wirdman als Zuschauer doch nochmal richtig wachund die Spannungskurve steigt endlich wiederan. Dick wird zum Loser gemacht und ist docham Ende der, ohne den Micky nie den strahlendenAufstieg geschafft hätte.Ein herrschender Kontrast zweier Brüder, diedas gleiche wollten, die unterschiedlichstenWege gingen, doch nie voneinander loskamenund am Ende wieder gemeinsam ein Ziel verfolgten.Die Rolle von Mickys Freundin Charlenewirkte eher störend und war allenfalls zur Darstellung des Familienkonfliktes gut.Die dramatischen schicksalhaften Szenen hätte man besser inszenieren können, dennochbewies Micky Ward, dass er nicht nur boxen, sondern auch Geschichten erzählenkann, nur an der Umsetzung muss er noch arbeiten.4Laura-Ann SchröderWer sich mal gefragt hat, wie ein typisch klischeehafter Alienfilm aussieht, brauchtnun nicht mehr danach suchen. „World Invasion: Battle Los Angeles“ bietet dem Zuschaueralles, was er bereits kennt und erwartet.Die Welt wird, wie es schon des Öfteren vorkam,von einer Alienwelle aus heiterem Himmel angegriffen.Sie zerstören und töten bis alles dem Erdbodengleich gemacht ist, doch in Los Angelesgibt es eine kleine militärische Einheit unter SergeantNantz (Aaron Eckhart), die das Blatt wendet.Eigentlich wurde diese Einheit in ein bereitsvon den Außerirdischen eingenommenes Gebietgeschickt, um die verbleibenden lebenden Zivilistenzu evakuieren. Problem dabei ist, dass dieMarines dafür nur drei Stunden Zeit haben, bisdieser Bereich von der Airforce in die Luft gesprengtwird. Sowohl die Story an sich als auch » World Invasion: Battle Los Angeles « von Jonathander Verlauf der Geschichte zeichnen sich durch Liebesmanbesondere Unkreativität aus.Darsteller: Aaron Eckhart, Michelle RodriguezJeder, der „Krieg der Welten“ oder „IndependenceDay“ gesehen hat, kann mit seiner ZeitLaufzeit: 116 Minutenet-rade mit einer Bilderfülle von zerstörten Städten, brennenden Gebäuden und totenMenschen überhäuft wird, darf er sich im Folgenden darauf freuen, dass dies auchso bleiben wird. Es entsteht der Eindruck, dass der ganze Film mit Explosionen undSchusswechseln aufgefüllt wurde, um sich dieMühe zu sparen, eine tiefgründige Handlungaufbauen zu müssen. Genaugenommen handeltes sich hier eher um einen „Schießfilm“ als umeinen Action-Thriller.Auch das Konzept des amerikanischen Traumsist komplett überzogen und lächerlich dargestellt.Zu Anfang sind die Angst- und Panikgefühleder Marines noch realistisch, doch schnellentwickeln sich diese Menschen zu Helden, diefür fremde Zivilisten ihr Leben geben und fürdie Freiheit ganz Amerikas in den Kampf ziehen.Ein wenig Heldentum kann in einem Film auchnie schaden. Als sich die sechs verbleibendenMarines, die bereits auf dem Weg in eine sichereZone waren, jedoch freiwillig in einem völligzerstörten Gebiet absetzen lassen, in dem es vonwas Besseres anfangen. Vollkommen ideenlos steigt die Handlung sofort mit dem Alienangriffein, ohne im weiteren Verlauf darauf einzugehen, woher die Außerirdischen vielseitig behandelt wurden, fällt es eventuell schwer bei diesem Thema überraschen-Aliens nur so wimmelt, erinnert dies eher an Größenwahn. Da Alienstorys bereitskommen, was genau sie eigentlich wollen und wer sie überhaupt sind. Nachdem der de und unerwartete Wendungen einzuflechten, aber dieser Film ist letzten Endes einfachnur außerirdisch einfallslos.Zuschauer also gleich in den ersten Minuten versucht herauszufinden, warum er ge-4 Maria AleffAnzeige© Sony PicturesCineStar <strong>Greifswald</strong>Filmvorschläge sind gerne beireneroemer@cinestar.de einzureichen44 | Feuilleton


∙ ∙ ∙ Heimkino ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙Alter Mann, was nun?© meine Supermaus GmbH» Komm hier haste ne Mark! / Live «Darsteller: Helge Schneider & BandLaufzeit: 120 MinutenMit seinen 55 Jahren ist Helge Schneider mittlerweile ganz klar ein Mannim guten Alter. Dies zeigt er auch ohne Wenn und Aber nach außen: erträgt blauen Anzug mit rosa Strunztuch, karierter 70er Krawatte und Lederschuhen.Dazu die Haare gewohnt wirr und steckdosenartig drapiert.Ungeniert (natürlich) fordert er wiederholt auf der Bühne des AdmiralspalastsBerlin im Minutentakt seinen Tee, den ihm sein Bediensteter Bodo imEiltempo heranträgt. Auch das Hinsetzen scheint ihm schwerer zu fallenals vor ein paar Jahren, so befielt er Bodo ihn hinzusetzen – eindrucksvollwird aus dieser kleinen Mücke ein riesiger Elefant in Form von großem Gelächterim Publikum. Im Übrigen ist dies das ganz große Talent von HerrnSchneider, er versteht es die kleinen, nichtig erscheinenden Sequenzen desAlltags in große Spektakel zu verwandeln wie kaum ein anderer Humoristam deutschen Firmament. Er hat seine Umgebung stets beobachtet und jedesgestische Detail für sich notiert. Dafür liebt ihn sein Publikum seit Jahrenund zelebriert sämtliche Bewegungen und Laute. Daher stört sich auchniemand daran, wenn Helge alte Lieder wieder hervorkramt und in neuerFassung mit seiner Band darbietet. Ganz im Gegenteil, die Darbietungvon „Fitze, Fitze, Fatze“ ist grandios. Die Parodie von deutschen Urgesteinenwie Nena, Peter Maffay, Herbert Grönemeyer und Udo Lindenbergwährend seiner Show ist herrlich. Ganz nebenbei zeigt er sein musikalischvirtuoses Talent, er scheint nahezu jedes Instrument dieser Welt mühelosspielen und darauf sogar noch improvisieren zu können.In wundervollstem Eltern-Englisch schmettert er den „Nonsleeper Blues“oder singt in Spanisch klingendem Singsang mit heiserer Stimme, obligatorischemLispeln und Zupfgitarre in den Händen „De la torseo al campo testo“.Ein Traum – sowohl der Inhalt seiner Werke als auch die improvisatorischeDarbietung. Diese Live-DVD ist empfehlenswert für all diejenigen,die nicht mal eben dazu kommen selbst eine Show von Helge Schneider zubesuchen. Aber mit den kleinen Extras (Kameraführung, Pausenfilmchenund Schluss) ist sie auch für eingefleischte Showbesucher eine Bereicherung.Wenn man diesen Menschen da auf der Bühne so herum hampelnsieht, bekommt man den Eindruck, dass der Spruch „Männer sind wieWeine, mit dem Alter werden sie immer besser“ hier den Nagel auf denKopf trifft. Helge wird nicht nur älter, er wird auch besser.4 Sophie LagiesFilm mit AufarbeitungspflichtEines der größten Propagandawerke von Joseph Goebbels zur Zeit des Nationalsozialismus(NS) war der Film „Jud Süß“. Der Film portraitiert denJuden Joseph Süß Oppenheimer. Er lebte Anfang des 18. Jahrhunderts amStuttgarter Hof. Ziel des Films war es, in der deutsche Bevölkerung denJudenhass zu schüren und letztendlich die Ausrottung eines ganzen Volkeszu legitimieren. Über Zwanzig Millionen Menschen sahen das antisemitischeWerk. Uraufgeführt 1940 und seit dem Ende des Nationalsozialismusverboten. Wie ist dieser Film entstanden? – Dieser Frage geht RegisseurOskar Roehler in „Jud Süß – Film ohne Gewissen“ nach. Joseph Goebbels(Moritz Bleibtreu) möchte gerne, dass der noch relativ unbekannte SchauspielerFerdinand Marian (Tobias Moretti) die Rolle des Juden Joseph SüßOppenheimer übernimmt. Der gebürtige Österreicher zweifelt zunächst.Zu groß ist seine Angst künftig auf die Rolle des Juden festgelegt zu sein.Außerdem lehnt seine Frau Anna (Martina Gedeck) das Drehbuch ab. Siefindet es „grausam, schrecklich“. Goebbels kann ihn trotzdem überreden.Marian nimmt sich allerdings vor den Juden sympathisch zu spielen, damitdie Zuschauer sich auf dessen Seite schlagen. Doch auch die Sympathiehilft nichts und wird Teil dieser volksverhetzenden Propagandamaschinerie.Seine Erkenntnis darüber kommt zu spät. Außerdem zerbricht sein privatesGlück. Der Schauspieler Ferdinand Marian geht zu Grunde.Der Film versetzt den Zuschauer in die NS-Zeit und zeigt authentisch dieRolle des Propagandaministers und dessen Überzeugungskunst. Hervorragendhier Tobias Moretti in der Rolle des Schauspielers Marian. Ihmgelingt es, dass der Zuschauer den schnellen Aufstieg, aber auch Abstiegmitempfinden kann. Der Hass auf diesen Menschen steigt, der solch einWerk mitgestaltet. Durch seine Gewissenbisse und seine eigentliche Idee,© Concorde Home Entertainment» Jud Süss – Film ohne Gewissen « von Oskar RoehlerDarsteller: Tobias Moretti, Moritz Bleibtreu, Martina GedeckLaufzeit: 115 Minutenden Juden sympathisch darstellen zu wollen, wird er aber wieder zugänglichund tut einem auch leid. Eine sehr gute Darstellung der Hauptpersonen,allerdings gehen die vielen kleineren Rollen eher unter. Die Dialogespiegeln wunderbar und erschreckend zugleich den Zeitgeist wieder– propagandistisch, nationalsozialistisch. Sehr gelungen sind die einzelnenKulissen und deren Ausstattung. Eine angemessene Atmosphäre wird verbreitet.Ein gutes Gesamtwerk, das ein schwieriges Thema – den größtenPropagandafilm der NS-Zeit – versucht aufzuarbeiten und damit auf vielKritik gestoßen ist.4 Johannes Köpcke Feuilleton | 45


I sit and watchas years go byWährend die Zahl der studierten Semester sich dem eigenen Alter nähert, sieht derklassische Langzeitstudent Generationen von Junglernern in <strong>Greifswald</strong> um sichherum ein- und ausgehen.Feature: Ferdinand ToddlerUnd plötzlich ist man ein alter Sack. Als ich anfing zustudieren, war der Studierendenausweis noch einrosa Zettel ohne Foto. Ich erschrak, als mich plötzlichdas mit der Immatrikulation eingereichte Jugendfoto aufdem neuen Dokument anstarrte. Und das Rausgefummle ausdem Leporello immer: die alternden Gichtfinger haben jedesMal ihre Müh‘ das Ding da herauszutrennen.Wo andere in rund drei Jahren durchs Studium gescheuchtwerden, wie Hühner über den Hof, lebt der bummelfreudigeRestmagister, stoisch und unbehelligt von irgendwelchenReformen, seinen eigenen Trott weiter. Jahrelang wurde hierrumgedoktort, wurden eigensinnige Forschungsvorhabenangegangen, das Denken von seinen Grundfesten umgekrempeltund philosophisch tief, bis in den Denkapparat, in derNase gebohrt - bis man dem Wesen des Wissens irgendwienäher zu kommen glaubte. Heute sammelt man im StudiumPunkte wie in einer Spielshow. Coins, die man irgendwo sichernochmal irgendwie investieren kann.Heute geht es im Studium um Erfolge, weniger um Erkenntnisse.Soft Skills erlernt man nicht mehr auf der Straße, nein,sie werden in Seminaren antrainiert. Der Bummler alterSchule hingegen begreift die „General Studies“ auf ganz eigeneArt und Weise. Der klassische Langzeitler hat sich um dieJahrtausendwende herum immatrikuliert und in den krudestenKombinationen so ziemlich alle Fachrichtungen durchprobiert,in die man sich einschreiben konnte. Wohlgenährtdurch jahrelange Mensamästung schleift sich der olle Altmagisterbeim Versuch sein wildes Sammelsurium an Scheinenzu einem vorzeigbaren Abschluss zusammenzukondensieren,durch die Hörsäle und Bibliotheken. Die heutige Verlagerungdes Organisatorischen in komplizierte Online-Portale undNeuerfindungen, wie WULVs und Moodle, macht das nichtunbedingt leichter. „Welcher Wolf, was für eine Nudel?“ gehtes dem Langzeitler langsam zwischen den Ohren umher.War ein Studium nicht mal eine wichtige Phase der Menschwerdung,die Zeit der Postpubertät, die Zeit der Denkschulung,ein Trimm-Dich-Pfad fürs Gehirn, den die eine ebenschneller, der andere etwas langsamer beschreitet? Die Langzeitstudierendensind schwammhafte, wissensdurstige, mitder Zeit porös gewordene Gehirne auf Krücken. ManischeThementieftaucher.Der klassische Trödelstudent begreift das Studium wenigerals Sprosse einer Leiter, sondern vielmehr als Teil etwasGanzheitlichen. Er scharwenzelt sich als Bauleiter auf verschiedenenBaustellen durch eine Lebensmelange aus Studium,Selbstverwirklichung, Projekten und Passionen. DerLebenslauf eines Langzeitstudenten ähnelt einem gut bestelltenGemüsegarten. Ein Cluster aus Kraut und Rüben. Etwas,wonach in Zeiten der allseits geforderten Vielheitsflexibilitätjeder Arbeitgeber mit Kusshand Ausschau halten sollte.Sprechstundenbesuche bei den Professoren ähneln dagegenimmer mehr Einigungsgesprächen, die der Schadensbegrenzungdienen.Die alten Säcke gehen natürlich auch noch gerne abends raus.Durch die üblichen Kulturlokalitäten schleifen sie sich inalterszäher Zeitlupe. Saufsaurier. Um sie herum eine stetigfluktuierende, welpenhafte Tobemeute. Ein flirrendes Gewusel,nächtelanges Gewehe durch rauchigen Zeitverflug. GegenseitigeBefeuerung von Jung und Älter. Während die Welpenmorgens wieder juxfidel in der Vorlesung sitzen, zerrt dieBummlerfraktion ihre tauben Leiber nur mit Ach und Krachhinter die Lernbänke. Man wird nicht jünger. Gemeinsamwerden wir alt. Bildet Bummelbanden! Die lange Version des Features findet ihr aufwww.moritz-magazin.de46 | Feuilleton


Sudoku & Fotosuche∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙ ∙Wie immer gibt es auf dieser Seite wieder Such- und Ratespiele für Jedermann, der ein bisschen Zeit oder Langeweile hat.Nicht vergessen: die Mühe wird auch belohnt. Wer rausgefunden hat, wo sich der Ort auf dem rechten Bilde befindet oder dasSodukorätsel gelöst hat, kann die Lösungen einfach an magazin@moritz-medien.de schicken. Viel Spaß beim Nachdenken!1 37 6 55 9 6 8 1 27 4Foto: Johannes Köpcke8 1 4 6 57 61 7 6 5 9 26 9 32 6*Die Kinokarten gelten für alle Aufführungen des CineStar <strong>Greifswald</strong>, außer Vorpremieeren und die Vorfführungen am „Kinotag“ Dienstag.Zur Teilnahme benötigen wir von euch die richtigen Zahlen desmit Pfeilen markierten Bereichs. Viel Erfolg!Anleitung:Ziel des Spiels ist es, die leeren Felder des Puzzles so zu vervollständigen, dass in jederder je neun Zeilen, Spalten und Blöcke jede Ziffer von 1 bis 9 genau einmal auftritt.Zu gewinnen gibt es dieses Mal:2 x 2 Kinokarten im Cinestar <strong>Greifswald</strong>*Einsendeschluss ist der 10. Juni 2011Es ist Mai und MoritzTV platzt fast vor interessanten Beiträgen.Man weiß gar nicht, wo man anfangen soll - vielleicht beim 1.Mai. Hier waren wir bei der NPD-Demonstration und der Gegendemodabei, um euch über alles Wichtige zu informieren. SpektakuläreBilder, die man sich nicht entgehen lassen sollte. Ein weitererLeckerbissen ist unser Beitrag zur Anti-Atom-Thematik. Einegroße Fahrradtour und eine Umfrage auf den Dörfern rund umLubmin - was will man mehr? Fantastisch. Wenn ihr jetzt aberdenkt, dass das alles war, dann habt ihr euch geirrt. Der Mai istnämlich die Zeit des Nordischen Klangs. Aus diesem Anlass produzierenwir für euch wieder eine unglaublich exquisite Sendung,gefüllt mit dem Besten, was das größte nordische Festival außerhalbSkandinaviens zu bieten hat. Soviel Schönes hat man schonlange nicht mehr gesehen. Und falls euch das immer noch nichtreicht, dann haben wir noch ein paar Extrakirschen für euch: einbisschen Unisport, den ein oder anderen Werbespot und vielleichtauch ein paar neue Reihen. Und wem das immer noch nicht reicht,der sollte einfach alles nochmal angucken, und zwar auf www.moritztv.de. Also: auf in den Mai!Wenn ihr den gesuchten Ort kennt, dann schickt unsschnell die Lösung per E-Mail.Die Gewinner der letzten Ausgabe sind:Thabea Ulmers, Lucienne Hack (2 Kinokarten)Anne Hameister (CD von Rainald Grebe)Herzlichen Glückwunsch!ProgrammvorschauSchau vorbei:www.moritztv.deFoto: MoritzTV Feuilleton | 47


m.trifft...Kai-OleHauboldEin Richter der besonderen Art ist Kai-Ole Haubold. Neben seiner hauptberuflichenTätigkeit am Amtsgericht <strong>Greifswald</strong> ist er auch Kunstliebhaber und organisiertregelmäßig die Ausstellung „Kunst im Gericht“. Tipps, wie er sein Hobbyund seinen Beruf unter einen Hut bekommt, gab der ehemalige Berliner auch. ImGespräch mit dem moritz berichtete er über seine Arbeit, die Unterschiedezwischen Berlin und <strong>Greifswald</strong> und den Kontakt mit Studenten.Foto: Luise RöpkeKommen Sie ursprünglich aus<strong>Greifswald</strong>?Nein, ich komme aus Berlin, habe dortmein zweites Staatsexamen absolviert.Seit dem 1. September 1993 bin ichhier, wo es mir sehr gut gefällt und ichmich wohl fühle. Berlin kommt mirmittlerweile laut und stickig vor. Ichkönnte mir jedoch durchaus vorstellenim hohen Pensionsalter wieder dorthinzu ziehen. Die Anonymität in Berlinist teilweise ein Vorteil: Wenn man inBerlin bei rotem Ampellicht über dieStraße geht, interessiert das keinen.Wenn aber in <strong>Greifswald</strong> ein Richterbei Rot über die Straße geht, steht dasim schlimmsten Fall am nächsten Tag inder Ostseezeitung. Die soziale Kontrolleist in einer Kleinstadt einfach größer.Überall wo man hingeht, kennt manjemanden. Was auch ein Vorteil seinkann, denn man ist nie allein.Was gefällt Ihnen im Gegensatz zuBerlin an <strong>Greifswald</strong> besonders gut?Als ich hierher kam, fiel mir als erstesder herbstliche Vogelzug am Himmelauf. So etwas kannte ich aus Berlinüberhaupt nicht. Wenn man in Berlinins Grüne fahren will, muss man ersteine Stunde Auto fahren und dann istman selbst in Brandenburg nirgendwoallein. Hier fährt man aus <strong>Greifswald</strong>raus, auf den Deich und ist alleine. Dasist einfach schön. Auch die Wege sindkurz: Zur Arbeit sind es zehn Minutenund in Berlin dauert es eine Stunde.Das ist einfach auch Lebenszeit, dieman in Verkehrsmitteln zubringt.Wie empfinden Sie das kulturelleAngebot in <strong>Greifswald</strong> im Gegensatzzu Berlin?Es ist anders. Wenn man in <strong>Greifswald</strong>ins Kino gehen will, dann muss man genauaufpassen, wann der Film läuft, dermich interessiert. In Berlin guckt maneinfach in welchem Kino der Film läuft.In <strong>Greifswald</strong> muss man seine kulturellePlanung nach dem Angebot richten.Haben Sie während Ihrer Arbeit amAmtsgericht Kontakt mit Studenten?Nachdem ich 1993 hierher kam, habeich in den folgenden drei Jahren Seminarein Zivilrecht an der Universitätgegeben. Ansonsten ist es so, dass ichals Prüfer beim Justizprüfungsamt fürStudenten beim ersten Staatsexamen,aber auch für Referendare im zweitenStaatsexamen tätig bin. Viele Studentenabsolvieren hier ihr Gerichtspraktikumund nehmen an Verhandlungen teil.Haben Sie einen Studenten schoneinmal in einer Verhandlung wiedergesehen?Eher nicht. Ich hatte mal einen Fall, dawar eine Studentin in Zivilrecht die Beklagte.Sie hatte im Mensaclub einemjungen Mann, der penetrant mit ihrtanzen wollte, eins auf die Nase gegebenund dessen Nasenbein gebrochen.Die Studentin musste daraufhin 1 000Euro Schmerzensgeld zahlen.Seit November 2010 sind Sie imVorstand des „Pommerschen Künstlerverbundes“tätig. Heißt das, Siehaben zwei Leidenschaften: dasSchlichten und das Zeichnen?Ja, ich male selbst schon seit längeremund habe auch schon Ausstellungen inStralsund und Berlin durchgeführt. Seit2010 bin ich nun stellvertretender Vorsitzender.Wie lässt sich das unter einen Hutbringen?Was man wirklich will setzt man auchum. Im Übrigen ist die Kunst meinHobby. Spaß bereitet mir zum Beispieldie Fertigung von Skulpturen. Ich geheauf den Schrottplatz, suche mir dortSchrottteile und schweiße sie zu einerVerbindung mit Holz. Man kann sich janicht nur für die Arbeit interessieren.Seit einigen Jahren organisieren Sienun schon die Ausstellung „Kunst imGericht“. Wie kamen Sie auf dieseIdee?Ein befreundeter Künstler, dessenBilder mir sehr gefielen, suchte einenAusstellungsort. Die Wände hier imGericht sind so groß und kahl, daherdachte ich: das wäre doch mal was!Das hat allen gefallen: Nicht nur denKünstlern und Mitarbeitern am Gericht,sondern auch den <strong>Greifswald</strong>erKunstinteressierten. Im Moment findennur alle drei Monate Ausstellungenstatt, weil es sonst ein zu hoher zeitlicherAufwand ist. Wenn Studenten hierausstellen wollen, können sie sich gernean mich wenden.Herr Haubold, vielen Dank für dasGespräch.Das Gespräch führte Luise Röpke


ImpressumRedaktion & GeschäftsführungRubenowstraße 2, 17489 <strong>Greifswald</strong>Telefon 03834-861759, Telefax 03834-861756E-Mail magazin@moritz-medien.deInternet www.moritz-magazin.dePostanschriftmoritz – Das <strong>Greifswald</strong>er Studentenmagazinc/o AStA <strong>Greifswald</strong>, Domstraße 12, 17487 <strong>Greifswald</strong>Geschäftsführung Erik Schumacher, Franziska VopelAnzeigen Erik Schumacher, Franziska VopelChefredaktion Patrice Wangen (V.i.S.d.P.), JohannesKöpckeRessortleitung Hochschulpolitik Ole SchwabeRessortleitung Uni.versum Laura-Ann SchröderRessortleitung GreifsWelt Luise Röpke und KatrinHauboldRessortleitung Feuilleton Sophie LagiesOnline-Redaktion Florian BonnMitwirkende Redakteure in dieser AusgabeFlorian Bonn, Irene Dimitropoulos, Ferdinand Toddler,Sandrina Kreutschmann, Maria Aleff, Luisa Pischtschan,Gjorgi Bedzovski, Maria StracheLayout & Gestaltung Maria Aleff, Johannes Köpcke,Ronald SchmidtTitelbild Ronald SchmidtTapir Kai-Uwe MakowskiDruck Ostsee Druck RostockHerausgeber Studierendenschaft der Ernst-Moritz-Arndt-Universität <strong>Greifswald</strong>, vertreten durch das Studierendenparlament(StuPa), Domstraße 12, 17487 <strong>Greifswald</strong>moritz – das <strong>Greifswald</strong>er Studentenmagazin, erscheintwährend der Vorlesungszeit monatlich in einer Auflagevon 3 000 Exemplaren.Die Redaktion trifft sich während der Vorlesungszeit immerDienstag um 20 Uhr in der Rubenowstraße 2 (Alte Augenklinik).Redaktionsschluss der nächsten Ausgabe ist der10. Juni 2011. Die nächste Ausgabe erscheint am 27. Juni2011. Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise,nur mit ausdrücklicher Genehmigung der Redaktion.Die Redaktion behält sich das Recht vor, eingereichteTexte und Leserbriefe redaktionell zu bearbeiten. Namentlichgekennzeichnete Artikel und Beiträge geben nicht unbedingtdie Meinung der Redaktion wieder. Die in Artikelnund Werbeanzeigen geäußerten Meinungen, stimmennicht in jedem Fall mit der Meinung des Herausgebersüberein. Alle Angaben sind ohne Gewähr.AnzeigeOSTSEE-DRUCKROSTOCK– Anzeige –

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