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Lehrerbildung weiter in - webMoritz

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moritzH e f t 8 4 Ι M a i 2 0 1 0 Ι w w w. m o r i t z - m a g a z i n . d e<strong>Lehrerbildung</strong> <strong>weiter</strong> <strong>in</strong>Greifswald?TITEL Die Greifswalder <strong>Lehrerbildung</strong> soll nach Rostock verlagert werdenHOCHSCHULPOLITIK Neues Hochschulgesetz • Mieterhöhung StudentenwerkUNI VERSUM Machtmissbrauch am Geo-Institut • Mediz<strong>in</strong>er für e<strong>in</strong>e WocheFEUILLETON Sexismus <strong>in</strong> der Werbung • Krieg, Demokratie und Pazifismus


E<strong>in</strong>stiegEditorialLiebe-Leser<strong>in</strong>nen und Leser,Wonnemonat Mai. Karl der Große dachte sich im achten Jahrhundert, der Mai verdiene den Namen Wonnemond,da alles blüht und es warm wird. Man kann ihn auch Weidenmond nennen, da das Vieh auf die Weiden oder die Almgetrieben wird. Tja. Die durchschnittlichen Studenten haben ke<strong>in</strong> Vieh, ke<strong>in</strong>e Alm und auch ke<strong>in</strong>e Zeit für solch ausschweifendeGedanken. Heute muss man zügig fertig studieren, vor allem als Lehramtstudent, ansonsten landet manvielleicht sehr schnell <strong>in</strong> Rostock. Auch diese Debatte und Idee ist schon alt. Vielleicht nicht so alt wie der Name desWonnemonats, aber auch heute <strong>in</strong>teressiert das Lehramt weder Kaiser noch König. Die durchschnittlichen Studentenmüssen sich mit Mieterhöhungen im Studentenwohnheim, Prüfungsordnungen, Zuständigkeiten <strong>in</strong> Ämtern, plötzlichenneuen Öffnungs- oder Sprechzeiten, Raumänderungen und vielleicht noch mit den Inhalten ihres Studiumsherumschlagen. Allerd<strong>in</strong>gs bietet der Wonnemonat Mai so viele schöne Alternativen. Wie Karl schon wusste, wird eswarm. Der Museumshafen lädt zum flanieren und verweilen e<strong>in</strong>. Die Eiscafésam Markt s<strong>in</strong>d auch vormittags schon gut gefüllt. So viele Touristen auskl<strong>in</strong>gen zu lassen. Um den Curry-Wurstliebhabern unter euch letztereshat Greifswald nie im Leben! Abends ist <strong>in</strong> Greifswald die Auswahl zwischenall den Raucher- und Nichtraucher-Kneipen schwer. Vielleicht zieht sorger von Fleisch am Spieß. Die Vegetarier unter euch sollten jetzt nichte<strong>in</strong> bisschen näherzubr<strong>in</strong>gen traf m. diesen Monat e<strong>in</strong>en der lokalen Ver-es jedoch den e<strong>in</strong>en oder anderen Studenten <strong>in</strong>s „Moul<strong>in</strong> Rouge“, moritzhat für alle, die sich nicht h<strong>in</strong>e<strong>in</strong> trauen, mal geschaut, was es zu ihren Füßen genau ansehen. Für wen das alles nichts ist, der sollte viel-anfangen die Moralkeule auszupacken, sondern sich die Lederschuhe anschauen gibt. Wer sich lieber politisch engagiert <strong>in</strong> der eigenen Freizeit, leicht im nächsten Semester am GreiMUN-Sem<strong>in</strong>ar teilnehmen, um malder kann sich beim AStA <strong>in</strong> dessen neuer Legislatur oder diversen Hochschulgruppenengagieren. Wem das alles noch nicht reicht, der konnte moritz <strong>in</strong> dieser Ausgabe. Aber Vorsicht! New York ist teurer als Greifs-aus Greifswald raus nach New York zu kommen, auch darüber berichtetheraus zum ersten Mai ja nach Kreuzberg zum Ste<strong>in</strong>e schmeißen oder wald. Da ich gerade erst weg war, werde ich hier bleiben. Mal sehen, obnach Rostock zum Nazis blockieren fahren. Die entspannendere Alternativeist es natürlich <strong>in</strong> Greifswald zu bleiben, e<strong>in</strong> bisschen Hochschulsportam Ende me<strong>in</strong> Studium oder der Wonnemonat Mai die Oberhand gew<strong>in</strong>nt.zu betreiben, <strong>in</strong> den Mai zu tanzen und den Tag abends bei e<strong>in</strong>em DönerSabr<strong>in</strong>a A. Schmidtdes MonatsIch habe wiederholt, [...] daß der Teutsche, welcher se<strong>in</strong>e Töchter <strong>in</strong> wälscherSprache unterweisen lasse, sie gleichsam zu Huren der Fremden bilde.Das könnte nun wörtlich verstanden werden, wobei die Angeklagtennoch am besten wegkommen würden; aber das ist eben nicht nöthig. Sondernes ist e<strong>in</strong>e viel schlimmere Hurerei geme<strong>in</strong>t, als die mit den Leiberngetrieben wird, es ist die Hurerei des Geistes geme<strong>in</strong>t, jene, die so oft <strong>in</strong> derBibel angeführt wird, wovon es heißt: Und Israel sündigte und fiel ab undhurete mit den K<strong>in</strong>dern Ammon und Moab und Amalek und ihren Götzen,jene Hurerei, wo Babel die große Hure genannt wird. Jenen sündlichenAbfall von Gott und von ihrem Volke jene Buhlerei mit fremden SpielenGefühlen Sitten und Trieben me<strong>in</strong>ten die wackeren Männer, welche dieteutschen Frauen und Jungfrauen, die zu sehr <strong>in</strong> das Franzöische verliebtwaren, wälsche Huren nannten. Diese Buhlerei ist viel schlimmer, als diemit dem schlechteren Leibe getrieben wird […]ERNST MORITZ ARNDT: Geist der Zeit. Vierther Theil, Berl<strong>in</strong> 1818. S. 351-352Foto: privatEs gibt <strong>in</strong> jeder Ausgabe des moritz den „Arndt des Monats“, <strong>in</strong> dem das jeweils angeführte Zitat e<strong>in</strong>en kurzen, aber erschreckenden E<strong>in</strong>blick <strong>in</strong> die Gedankenweltdieses Mannes geben soll.MORITZ 84 // MAI 20103


E<strong>in</strong>stiegInhaltHOCHSCHULPOLITIK UNI VERSUM GREIFSWELT8Nachrichtenaus der Hochschulpolitik18Nachrichtenaus dem Uni.versum30Nachrichtenaus der GreifsWelt9KommentarAStA-Newsletter19BerichtProblem Projektwoche31BerichtSprung <strong>in</strong> den Ryck101314TITELGreifswalder <strong>Lehrerbildung</strong> amEnde?KommentarKonstruktives StuPa?BerichtMieterhöhung Studentenwerk202223BerichtMachtmissbrauche<strong>in</strong>es ProfessorsBerichtGreiMUN <strong>in</strong> New YorkBerichtPrivatdozent ohne Bezahlung323436FotografieArchitektur: Alt und NeuReportageZu Gast im Moul<strong>in</strong> RougeBerichtGreifswalder Hochschulsport15BerichtNeues Landeshochschulgesetz24ReportageDie fremde Welt der Mediz<strong>in</strong>er16BerichtGrüne Energie an der Uni26BerichtSchwerpunkt Ostseeraum?28Bericht Studieren imAusland: Universität <strong>in</strong> Riga4 MORITZ 84 // MAI 2010


InhaltE<strong>in</strong>stiegFEUILLETON ABSCHIED MORITZ383940Nachrichtenaus dem FeuilletonBerichtDer kle<strong>in</strong>e Unterschied –Sexismus <strong>in</strong> der WerbungTheaterZerbombt474850Gew<strong>in</strong>nspielSudoku & Fotosuchem.trifftim „Bagdad-Döner“Tapir Unter Attentätern649LeserbriefeImpressum42EssayDemokratische Kriege43DVDDer Solist44K<strong>in</strong>oDas Bildnis des Dorian Gray • V<strong>in</strong>centwill meer45Literatur»Gewalten« • »Just Kids«46CDDeftones • Madsen • Sarah BlackwoodIllustration: Mart<strong>in</strong>a GädeMORITZ 84 // MAI 20105


E<strong>in</strong>stiegLeserbriefezu Heft 83 – April 2010Zum Artikel „Wissen rockt! Oder doch nicht?Selten muss man im Moritzmagaz<strong>in</strong> e<strong>in</strong>en teilweiseso vore<strong>in</strong>genommenen, subjektiven undschlecht recherchierten Artikel lesen. Mitnichtenwurde „das Ganze (Wissenrockt 2006) größtenteilsvon der Universität getragen“. Seit Oktober2004 gab es von studentischer SeiteVorüberlegungen zum 550. Jubiläum unsererAlma Mater. Mit der Schaffung des AStA-Referatesfür das Unijubiläum nahmen diese Überlegungenkonkret Gestalt an. Neben dem fastschon legendären Jahrhundertfest, bei demüber 4.000 Menschen durch Greifswald zogen,stellte eben jenes Wissenrockt-Konzert e<strong>in</strong>e<strong>weiter</strong>e der vielen studentischen Aktivitätenzum Uni-Geburtstag dar. So setzte sich das Organisationsteamaus der AStA-Referent<strong>in</strong>, ihrerMitarbeiter<strong>in</strong>, Mitgliedern von Radio 98.1 unde<strong>in</strong>er Vielzahl an studentischen Helfern zusammen.Die Uni selbst war nur <strong>in</strong>sofern <strong>in</strong>volviert,als das sie nach mühsamen Verhandlungen denUni-Innenhof als Veranstaltungsort zur Verfügunggestellt und Wissenrockt <strong>in</strong> den offiziellenVeranstaltungsplan aufgenommen hat. Auchüber e<strong>in</strong>e mangelnde Sponsorenanzahl konntesich das Erstfestival nicht beklagen. Gleichsieben Großunternehmen (unter anderen dieStadtwerke, die HypoVere<strong>in</strong>sbank oder Lübzer)unterstützten das Konzert. Selbstverständlichwar auch das Studentenwerk mit an Bord. Nichtzuletzt sie sorgten dafür, dass die Erstauflagevon Wissenrockt eben nicht, wie oft fälschlichkolportiert, e<strong>in</strong> f<strong>in</strong>anzielles Desaster war. DerHaushaltsplan und alle <strong>weiter</strong>en Auflagen desStudierendenparlaments wurden von den Verantwortlichenh<strong>in</strong>reichend erfüllt. E<strong>in</strong> Blick aufdie Homepage des Parlaments hätte dem Autorhier bei der Wahrheitsf<strong>in</strong>dung dienlich se<strong>in</strong>können. Auch von „vere<strong>in</strong>zelten Grüppchen“zu sprechen, ist nicht korrekt. Da dies e<strong>in</strong> „Umsonstund Draußen“-Konzert war, kamen undg<strong>in</strong>gen die Besucher, wie bei ähnlichen Veranstaltungenüblich, <strong>in</strong> unkontrollierbaren Intervallen.Je nach Beliebtheit der Band. Zeitweisewar der große Uni-Innenhof ansehnlich gefüllt.Jeder, der e<strong>in</strong>e noch nie dagewesene Veranstaltungneu konzipiert, weiß, wie schwer diesist. Alle Kontakte müssen mühsam aufgebautwerden. Bei den Folgeveranstaltungen ist esdann umso e<strong>in</strong>facher, auf diese Pionierarbeitzurückzugreifen. Das relativiert vieles. Da dieseAnfangsarbeit des Jahres 2006 umfassendund nachhaltig betrieben wurde, hätte manohne <strong>weiter</strong>es auch <strong>in</strong> den Jahren nach dere<strong>in</strong>maligen Fortsetzung 2007 e<strong>in</strong> richtig gutesE<strong>in</strong>-Tages-Festival <strong>in</strong> Greifswald dauerhaft implementierenkönnen. Es gibt bei e<strong>in</strong>igen Erstorganisatorennoch immer die Bereitschaft, dieim Jahre 2006 begonnene Entwicklung fortzuführen.Man muss nur fragen, dann hat diese eigentlichwunderbare Konzeption e<strong>in</strong>e Zukunft.Alexander Schulz-Kl<strong>in</strong>gaufZum Artikel „Kulturcocktail ohne Schirmchen“In dem Artikel wird berichtet, dass die Zimmervergabedes Studentenwerks nach Nationalitätenbeziehungsweise nach unklaren Regelnerfolgt. Dem Studentenwerk wird unterstellt,dass es die Durchmischung der Belegung <strong>in</strong>den Wohnheimen als zu aufwendig empf<strong>in</strong>det.Die Aussage e<strong>in</strong>er Bewohner<strong>in</strong> aus Syrien solldies untermauern.Leider ist aus unserer Sicht die Recherche zudiesem Artikel sehr e<strong>in</strong>seitig ausgefallen, beziehunsgweisewurde die Aussage der zitiertenBewohner<strong>in</strong> Mandy Ali nicht überprüft. In demvon Frau Ali zitierten Aufgang wohnen tatsächlichungefähr 30 Prozent arabische und asiatischeStudierende und 70 Prozent deutscheund europäische Studierende.Die Belegung der Wohnheime ist durchwege<strong>in</strong>e sehr komplexe Angelegenheit und unteranderem abhängig von der Anzahl der zur Verfügungstehenden Wohnheimplätze, dem gewünschtenE<strong>in</strong>zugsterm<strong>in</strong> und den Wünschender Studierenden.Das Studentenwerk ist bestrebt, die ausländischenStudierenden möglichst gleichmäßigverteilt auf alle Wohnanlagen unterzubr<strong>in</strong>gen.Die Unterstellung, dass das Studentenwerk dieVermischung der Bewohner als zu aufwendigempf<strong>in</strong>det, ist aus unserer Sicht nicht gerechtfertigt.Ebenso erfolgt durch das Studentenwerkke<strong>in</strong>e Zuweisung nach unklaren Regeln.Dr. Cornelia Wolf-KörnertGeschäftsführer<strong>in</strong> desStudentenwerks GreifswaldDie Redaktion behält sich vor, Leserbriefe <strong>in</strong> gekürzterForm abzudruckenAnzeige6 MORITZ 84 // MAI 2010


HochschulpolitikZu viele Lehrer für MV? | Die Lehramtsausbildung <strong>in</strong> Greifswald wird geschlossen? Alle relevanten Studiengänge werden <strong>in</strong> Rostock zentriert? FürFoto: Carsten Schönebeckdie Demonstranten nicht h<strong>in</strong>nehmbar, für Henry Tesch als Bildungsm<strong>in</strong>ister von Mecklenburg-Vorpommern zukünftig sche<strong>in</strong>bar nicht vermeidbar. DieVerhandlungen um die am meisten betroffene Philosophische Fakultät gehen <strong>in</strong> die nächste Runde und wir haben nachgefragt. Auch andere relevanteEreignisse wollen kritisch begleitet werden: StuPa, AStA, Studentenwerk und e<strong>in</strong>e neue Gesetzgebung haben wir für euch analysiert.Kurznachrichten...................................................................... 8Ke<strong>in</strong>e Neuigkeiten im AStA-Newsletter.............................. 9Das Ende der <strong>Lehrerbildung</strong> <strong>in</strong> Greifswald?...................... 10Das StuPa erneut auf Abwegen...........................................13Mieterhöung beim Studentenwerk....................................14Demokratieverlust durch neues Hochschulgesetz..........15Der Traum vom grünen Campus..........................................16MORITZ 84 // MAI 20107


HochschulpolitikNachrichten aus der HochschulpolitikKurznachrichtenNeues StuPa-PräsidiumKorb<strong>in</strong>ian Geiger (Rechtswissenschaften) wurde<strong>in</strong> diesem Jahr zum zweiten Mal zum Präidentdes Studierendenparlaments (StuPa) gewählt.Als stellvertretende StuPa-Präsidentenstehen ihm im Zukunft Christopher Denda(Evang. Theologie) und Sarah Jung (PoWi./Öffentl.Recht) zur Seite. Die Sitzungen des StuPaf<strong>in</strong>den im Semester immer mittwochs im Zwei-Wochen-Rhythmus ab 20 Uhr im Konferenzsaaldes Universitätshauptgebäudes statt. Die Sitzungsterm<strong>in</strong>edes Sommersemesters s<strong>in</strong>d der11. und 19. Mai, 5., 16. und 30.. Juni sowie der14. Juli.Senatsvorsitz neugewähltIn der ersten Senatssitzung am 21. April wurdeüber den neuen Senatsvorsitz entschieden.Dieser ist identisch mit dem der letzten Legislatur:den Vorsitz übernimmt Frau Prof. Dr. Maria-Theresia Schafmeister, Thomas Schattschneiderund Prof. Dr. Roland Rosenstock s<strong>in</strong>d ihre Stellvertreter.Senat für e<strong>in</strong>e Rückkehr der Mediz<strong>in</strong> <strong>in</strong> dieUniversitätDer Senat hat sich für e<strong>in</strong>e Rückkehr der Hochschulmediz<strong>in</strong>als Ganzes <strong>in</strong> die Universität ausgesprochen.E<strong>in</strong>stimmig wurde am 21. Aprildie Stellungnahme zur Novellierung des Landeshochschulgesetzes(LHG) zustimmend zurKenntnis genommen. Damit wird rechtlich derWeg von der 2003 gegründeten Anstalt öffentlichenRechts zur Integration der Mediz<strong>in</strong> alsTeilkörperschaft der Hochschule bereitet. DieTrennung von Lehre, Forschung und Krankenversorgungwürde damit aufgehoben werden.Zudem würde das Problem der unterschiedlichenEntlohnung <strong>in</strong> der Krankenversorgungund der Forschung gelöst werden. Im Gesetzwerde auch die für e<strong>in</strong>e Universität entscheidendeBedeutung von Forschung und Lehregesichert, die Krankenversorgung bleibe wirtschaftlichselbstständig. Das LHG soll zum 1. Januar2011 <strong>in</strong> Kraft treten. Als nächstes muss dasKab<strong>in</strong>ett entscheiden. (Mehr zur LHG-Novellierungerfahrt ihr auf Seite 15)BAföG-ErhöhungDie Bundesregierung hebt den Bafög-Satz fürStudierende an. Ab dem kommenden W<strong>in</strong>tersemesterbekommen Studierende zwei Prozentmehr Geld, die E<strong>in</strong>kommensfreibeträge werdenum drei Prozent angehoben. Der Höchstsatzliegt dann bei 670 Euro monatlich.Außerdem beschloss die Bundesregierung, dieAltersgrenze flexibler zu handhaben, um Ausbildungund Familie besser vere<strong>in</strong>baren zu können.Für Bachelor-Absolventen, die nach ihremAbschluss erst e<strong>in</strong>mal Erfahrungen im Berufslebensammeln und erst später e<strong>in</strong> Masterstudiumbeg<strong>in</strong>nen möchten, wird e<strong>in</strong>e zweite Altersgrenzevon 35 Jahren e<strong>in</strong>geführt. Zudemwerden im Bafög künftig alle <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er ehelichenLebensgeme<strong>in</strong>schaft oder <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>getragenenLebenspartnerschaft Lebenden gleichbehandelt.Neues Stipendien-ProgrammBundesbildungsm<strong>in</strong>ister<strong>in</strong> Annette Schavanplant die E<strong>in</strong>führung e<strong>in</strong>es nationalen Stipendienprogramms(NaStip). Hochschulen sollen Stipendien<strong>in</strong> Höhe von 300 Euro monatlich nachBegabung und Leistung e<strong>in</strong>kommensunabhängigvergeben können. Bis zu zehn Prozent derStudierenden würden davon profitieren. DieMittel für die Stipendien sollen je zur Hälfte ausprivaten und öffentlichen Mitteln aufgebrachtwerden, der öffentliche Anteil von 150 Euro jeweilszur Hälfte vom Bund und den Ländern.Die Universitäten müssen sich selbst um dieprivaten Geldgeber kümmern. Die Oppositionsieht im NaStip e<strong>in</strong> „Taschengeld für die Elite“,weil es unabhängig vom E<strong>in</strong>kommen der Elternbezahlt werden soll. Zudem fürchten wirtschaftsschwacheLänder, zumal im Osten, dasssie nicht genug Sponsoren auftreiben können.Professor Ra<strong>in</strong>er Westerman, Rektor der Universität,erklärte dem Webmoritz gegenüber:„E<strong>in</strong> Stipendienprogramm dieser Art ist e<strong>in</strong>e gefährlicheFehlkonstruktion. Es ist absolut ungeeignet,die Situation unserer Studierenden angemessenzu verbessern. Und es schiebt dieVerantwortung dafür auf Hochschulen, Wirtschaftund Privatpersonen ab. Würde es umgesetzt,werden sich die Standortnachteileunserer Universität noch stärker bemerkbarmachen.“Das NaStip wurde vom Bundeskab<strong>in</strong>ett beschlossen,die Länder müssen diesem jedochnoch zustimmen. Sollte die Regierung <strong>in</strong> NRWim Mai abgewählt werden, kann das NaStip-Gesetz im Juli im Bundesrat scheitern. Dannkönnte der Bundestag den Vermittlungsausschussanrufen. Wären die Länder kompromissbereit,könnten sie zusätzliche Bed<strong>in</strong>gungenformulieren.VollversammlungAm 23. Juni veranstaltet der AStA die nächsteVollversammlung. Auf dem Tagungsprogrammsteht unter anderem die <strong>Lehrerbildung</strong><strong>in</strong> Greifswald. Zudem wird der Preis für hervorragendeLehre vergeben. Veranstaltungsort istder Innenhof des Universitätshauptgebäudes.Anzeige8 MORITZ 84 // MAI 2010


Me<strong>in</strong>ungHochschulpolitikWo s<strong>in</strong>d die Neuigkeiten?Der Newsletter des AStA kritisch betrachtet.Von Florian BonnGrafik: Daniel FockeDer AStA-Newsletter soll die Studentenunserer Universität über die aktuelle Arbeitdes Allgeme<strong>in</strong>en Studierendenausschusses(AStA) <strong>in</strong>formieren und so für mehr Akzeptanzunter den Studenten sorgen, die vielfach garnicht wissen, was mit ihrem Geld so angestelltwird. Insbesondere bei der neusten Ausgabe(März/April) dürfte dieses Ziel allerd<strong>in</strong>gs eherverfehlt werden, da über die Arbeit des AStA eigentlichnicht sonderlich viel dr<strong>in</strong> steht. Stattdessengibt es Lobhudeleien und Angriffe gegenengagierte Studenten.Doch was steht <strong>in</strong> dem Newsletter eigentlichgenau? Er beg<strong>in</strong>nt mit e<strong>in</strong>em durchaus gelungenBeitrag, der Ankündigung des Klimakonzertesim Dom. Hierbei handelt es sich um orig<strong>in</strong>äreAStA-Arbeit <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er sehr gelungenen undorig<strong>in</strong>ellen Variante.Es folgt e<strong>in</strong> Interview mit dem neuen Dekander Philosophischen Fakultät. Das mag zumTeil ganz <strong>in</strong>teressant se<strong>in</strong>, aber was hat dasmit AStA-Arbeit zu tun? Wurde die <strong>Lehrerbildung</strong>schon im Interview angerissen, wird nune<strong>in</strong> grober Abriss gegeben, wieso die <strong>Lehrerbildung</strong><strong>in</strong> Greifswald bleiben sollte. KonkreteAussagen, was der AStA getan hat und vielwichtiger, was er noch vor hat, gibt es nicht.Stattdessen werden Fächer und Institute durche<strong>in</strong>andergeworfen und so e<strong>in</strong> eher unprofessionellerE<strong>in</strong>druck erweckt. E<strong>in</strong> Beispiel: DasFach Schwedisch würde bei e<strong>in</strong>em Wegfall derLehramtsstudiengänge auf jeden Fall verlorengehen. Allerd<strong>in</strong>gs nicht wegen mangelnderStudenten, sondern weil man Schwedisch <strong>in</strong>Greifswald nur auf Lehramt studieren kann. Mit<strong>in</strong> den Abgrund gerissen würde vermutlich dasInstitut für Skand<strong>in</strong>avistik.Den absoluten Tiefpunkt des Newsletters bildetder „Nachruf zum Bildungsstreik“. Es istdurchaus zu bedauern, dass das Bildungsbündnise<strong>in</strong>geschlafen ist. E<strong>in</strong> Grund dafür könntedurchaus se<strong>in</strong>, dass sich der AStA anfänglichvom Bildungsbündnis distanziert hat. Jetzt zusagen, dass sie ja etwas erreicht hätten, wennsie dem AStA zugearbeitet hätten, ist schlichtund ergreifend pe<strong>in</strong>lich. Wobei etwas Zuarbeitdem AStA nicht geschadet hätte, sonderlichviel Inhaltliches war von diesem im letzten Jahrauch nicht zu vernehmen. So kann man sichkaum erklären, wieso im Newsletter die bevorstehendeÄnderung des Landeshochschulge-setzes absolut unerwähnt bleibt. Es mag zwartrockene Materie se<strong>in</strong>, ist aber für die Studierendenvon großer Bedeutung.Neben zwei Artikeln über Erstsemesterwocheund Umweltwissenschaften gibt es dann noche<strong>in</strong>en Artikel zu Thomas Schattschneider, dersich so liest als wäre dieser vor kurzem gestorbenund dies wäre e<strong>in</strong> wirklicher Nachruf.Der Preis für hervorragende Lehre ist dann tatsächlichwieder AStA-Arbeit, dafür ist das Referenten-Interviewan Langeweile kaum zu überbieten.Dazu gibt es noch Werbung für e<strong>in</strong>enKlimaschutzwettbewerb der Stadt.Der AStA-Newsletter ist im Moment ke<strong>in</strong> Newsletter,sondern eher das Vorpommern-Magaz<strong>in</strong>für Studenten und als solcher durchaus verzichtbar.Akzeptanz für die Arbeit des AStA wirdman so wohl kaum erreichen.MORITZ 84 // MAI 20109


HochschulpolitikTITELSchwarze Kreuze <strong>in</strong> der StadtDas Bildungsm<strong>in</strong>isterium prüft die Konzentration der <strong>Lehrerbildung</strong> <strong>in</strong> Rostock. Verliertdie Universität Greifswald demnächst über 2 500 Studierende?Von Florian Bonn und Daniel FockeStanden sich die Greifswalder Studierendennoch vor e<strong>in</strong>igen Wochen unversöhnlichauf beiden Seiten der Domstraßegegenüber, haben sie nach dem Ende derArndt-Debatte e<strong>in</strong>en Grund gefunden, geme<strong>in</strong>samzu demonstrieren. Auslöser war auch diesmale<strong>in</strong> altes Thema, das kürzlich durch e<strong>in</strong>moritz-Interview wieder aus der Versenkunggeholt wurde. Dr. Thomas Behrens, Abteilungsleiterim M<strong>in</strong>isterium für Bildung, Wissenschaftund Kultur <strong>in</strong> Schwer<strong>in</strong>, bestätigte <strong>in</strong> der letztenAusgabe Pläne, die Lehrerausbildung teilweisevon Greifswald nach Rostock zu verlagern.Kurz darauf wurde die Sprecher<strong>in</strong> des Bildungsm<strong>in</strong>isteriums,Johanna Hermann, <strong>in</strong> der Ostsee-Zeitungzitiert. Nun war von e<strong>in</strong>er vollständigenKonzentration <strong>in</strong> Rostock die Rede.Dieser Artikel, auch mit bestätigenden Aussagenvon Matthias Brodkorb, dem bildungspolitischenSprecher der SPD Landtagsfraktion,hat wieder Bewegung <strong>in</strong> die Debatte um zweiAusbildungsstandorte gebracht. Der GreifswalderStudierendenausschuss (AStA) reagiertemit e<strong>in</strong>er Mahnwache während des Besuchsvon Bildungsm<strong>in</strong>ister Henry Tesch, e<strong>in</strong>er Unter-10 MORITZ 84 // MAI 2010schriftensammlung für den Erhalt und veröffentlichtemehrere Pressemeldungen, <strong>in</strong> denener sich gegen e<strong>in</strong>e Verlagerung positionierte.Um über die Situation zu <strong>in</strong>formieren, wurdeam 10. Mai auch e<strong>in</strong>e Podiumsdiskussion abgehalten(siehe Kommentar auf Seite 12).Der Abbau der Philosophischen FakultätDer Niedergang der <strong>Lehrerbildung</strong> <strong>in</strong> Greifswaldwar bisher e<strong>in</strong> schleichender Prozess.Er begann 2004 mit dem Immatrikulationsstoppdes Instituts für Sportwissenschaft und2005 mit der weitgehenden Abschaffungder Lehramtsausbildung an der Mathematisch-Naturwissenschaflichen-Fakultät.Auchdie Institutsschließungen im Zuge der Zielvere<strong>in</strong>barung2006 brachten e<strong>in</strong>e Reduzierungder Fächervielfalt mit sich, die Komb<strong>in</strong>ationsmöglichkeitenwurden kle<strong>in</strong>er undkle<strong>in</strong>er. Im letzten Jahr erfolgte mit dem komplettenUmzug des Instituts für Psychologie(moritz 80), e<strong>in</strong> <strong>weiter</strong>er Schlag gegen die PhilosophischeFakultät, welche an fast allen Institutenüber 50 Prozent Lehramtsstudentenausbildet. Nun hat das Bildungsm<strong>in</strong>isteriumAnzahl der aus dem Schuldienst ausscheidenden Lehrer an allgeme<strong>in</strong>bildenen Schulen <strong>in</strong> MV<strong>in</strong> den Jahren 2010-2025 (<strong>in</strong> den zu studierenden Fächern an der Universität Greifswald)Quelle: Institut für Bildungswissenschaften/Statistisches Amt Mecklenburg-Vorpommern; Bei der Anzahl der aus dem Schuldienstausscheidenden Lehrer wurde die gegenwärtige Teilzeitbeschäftigung (66 %) <strong>in</strong> Mecklenburg-Vorpommern berücksichtigt.mehrmals öffentlich verkündet, die <strong>Lehrerbildung</strong><strong>in</strong> Greifswald erneut auf den Prüfstand zustellen. E<strong>in</strong>e Abschaffung hätte nicht nur dramatischeAuswirkungen auf die Qualität der<strong>Lehrerbildung</strong> <strong>in</strong> Mecklenburg-Vorpommern,sondern könnte auch für die Philosophische Fakultätals ganzes existenzbedrohend se<strong>in</strong>.Der nicht vorhandene Master of EducationAls Begründung für diesen Schritt wird immerwieder die Zielvere<strong>in</strong>barung von 2006 angeführt.Laut dieser soll die Lehramtsausbildung<strong>in</strong> Rostock zentralisiert werden, allerd<strong>in</strong>gs imRahmen e<strong>in</strong>es Master of Education. Der Masterof Education ist e<strong>in</strong> kurioses Kapitel derjüngeren Geschichte der Universität Greifswald.Er wurde im Oktober 2002 mit großenVorschusslorbeeren e<strong>in</strong>geführt. Das Ziel war,dass angehende Fachwissenschaftler und Lehramtskandidatendas gleiche grundständige BachelorStudium absolvieren sollten. Erst danachsollten sich die Studierenden zwischen Berufstätigkeit,Master of Arts und Master of Educationentscheiden. Der damalige Master of Educationkonnte allerd<strong>in</strong>gs weder Studierendenoch Akkreditierungsagenturen überzeugen.Erstere entschieden sich praktisch ausschließlichfür das traditionelle Lehramtsstudium mitdem alle<strong>in</strong>igen Ziel des Staatsexamens, dieAgentur Acqu<strong>in</strong> entschied sich 2005 endgültigden Master of Education nicht zu akkreditierenund die Immatrikulation wurde zum W<strong>in</strong>tersemester2005/2006 gestoppt. Trotzdem tauchteder Master of Education <strong>in</strong> der Zielvere<strong>in</strong>barung2006 wieder auf. Dies war allerd<strong>in</strong>gs se<strong>in</strong>letzter Auftritt <strong>in</strong> Mecklenburg-Vorpommern.Während andere Bundesländer mittlerweile erfolgreichnach diesem so genannten Y-Modellerfolgreich Lehrer ausbilden, hat sich die Landesregierung<strong>in</strong> Mecklenburg-Vorpommernlaut dem Greifswalder Prorektor für Studiummoritz-Grafik: Daniel Focke


TITELHochschulpolitikFotos: Daniel Focke, Alexander Müller» Wir müssen 30 bis 50 Prozent mehrLehrer ausbilden, als fürMecklenburg-Vorpommernbenötigt werden. «Professor Franz Prüßund Lehre, Professor Michael Herbst, dazu entschlossen,dauerhaft am Staatsexamen als alle<strong>in</strong>igerForm der Lehramtsausbildung festzuhalten.Dies wurde auch von Staatssekretär UdoMichalik <strong>in</strong> der Podiumsdiskussion am 10. Maibestätigt.Das landesweite Festhalten am Staatsexamenkönnte sich aber nun für die PhilosophischeFakultät der Universität Greifswald als großerSchwachpunkt erweisen. Während <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emY-Modell die komplette fachwissenschaftlicheAusbildung und mit ihr die angehenden Lehrerim Bachelor Studium <strong>in</strong> Greifswald verbleibenwürden, wären die Auswirkungen e<strong>in</strong>er Lehramtskonzentration,mit dem aktuellen Staatsexamensmodell,<strong>in</strong> Rostock deutlich dramatischer.Zurzeit stellen die Lehramtsstudentenmehr als die Hälfte der Studierenden der PhilosophischenFakultät. E<strong>in</strong>e Abwanderung sovieler Studenten könnte die PhilosophischeFakultät kaum kompensieren, <strong>weiter</strong>e Institutsschließungenwären kaum zu vermeiden.Langfristig wäre dies wohl das Ende der PhilosophischenFakultät. Laut Professor Herbstwäre auch die Theologische Fakultät bedroht,auch wenn das Land diese laut dem GüstrowerVertrag, welcher die Lehramtsaubildung zwischenStaat und Kirche regelt, erhalten muss.Rostock doch zu kle<strong>in</strong>?Auch die Qualität und Vielfalt der Lehramtsausbildungkönnte kaum erhalten bleiben. ProfessorFranz Prüß vom Institut für Bildungswissenschaftenist der Überzeugung, dass Rostock dieGreifswalder Unikatsfächer Kunst und Gestaltung,Geographie, Russisch, Polnisch, Schwedischund Dänisch nicht ersetzen kann. Währenddes Studiums werden Ausbildungsschulenfür Schulpraktische Übungen und Praktika benötigt.Die Schulen <strong>in</strong> Rostock und Umgebungreichen laut Professor Prüß nicht aus, um alleStudierenden bedienen zu können. Zentralisierungwird geme<strong>in</strong>h<strong>in</strong> mit Kostenersparnisverbunden. Dem wird entgegengehalten, dassum die Greifswalder Lehramtsstudierendenzu übernehmen, e<strong>in</strong> kosten<strong>in</strong>tensiver Ausbauder entsprechenden Institute <strong>in</strong> Rostock nötigwäre. Im Falle der Unikatsfächer müssten dieschon funktionierenden Strukturen aus Greifswalderst wieder neu entstehen. Thomas Behrensvom Bildungsm<strong>in</strong>isterium begründet dieKonzentration jedoch damit, dass <strong>in</strong> Greifswaldviele Gymnasiallehrer ausgebildet werden, diedas Land mittelfristig nicht benötige. Wenn essich um e<strong>in</strong>e Konzentration, also e<strong>in</strong>er Verlagerungvon Greifswald nach Rostock, handelt,ändert dies aber noch nichts an der Menge derStudierenden von Lehramt auf Gymnasium <strong>in</strong>Mecklenburg-Vorpommern. Vonseiten des M<strong>in</strong>isteriumswird aber ansche<strong>in</strong>end e<strong>in</strong>e bessereSteuerungsmöglichkeit erwartet. Die Grundschullehrerausbildungist schon <strong>in</strong> Rostockzentriert, wobei es Rostock nicht geschafft hatgenug, Grundschullehrer auszubilden, um denGesamtbedarf zu decken.Aktuell gibt es nach Professor Prüß 2537 Lehramtsstudierendean der Universität Greifswald,welche größtenteils an der PhilosophischenFakultät studieren. Daher ist es kaum verwunderlich,dass das Problem der <strong>Lehrerbildung</strong>den im April neu gewählten Dekan der PhilosophischenFakultät nach eigenen Aussagenstündlich beschäftigt. Für Dekan AlexanderWöll steht das Schicksal se<strong>in</strong>er komplettenFakultät auf dem Spiel. Er ist zwar mit der Absicht,etwas zu verändern, Dekan geworden.Diese Veränderung will er nun aber überhauptnicht. „Für mich kommt e<strong>in</strong> restloser Abbau der<strong>Lehrerbildung</strong> nicht <strong>in</strong>frage. Wenn man diesenGedanken <strong>weiter</strong>führt, steht am Ende zwangsläufigdie komplette Schließung der PhilosophischenFakultät.“ Er betont aber, dass es sichhierbei um se<strong>in</strong>e persönliche Me<strong>in</strong>ung handelt.Bei den aktuellen Verhandlungen um neueZielvere<strong>in</strong>barungen will er nun massiv Druckaufbauen. Hierfür hat ihm Rektor Ra<strong>in</strong>er Westermannse<strong>in</strong>e persönliche Unterstützung zugesagt.Gerade <strong>in</strong> der letzten Zielvere<strong>in</strong>barung von2006 sieht Dekan Wöll ke<strong>in</strong>en Beschluss, die<strong>Lehrerbildung</strong> <strong>in</strong> Greifswald abzuschaffen, dadort das Wort Schließung nicht erwähnt wird.Diese Zielvere<strong>in</strong>barung sei ke<strong>in</strong> H<strong>in</strong>dernis e<strong>in</strong>erWeiterführung der Lehramtsstudiengänge<strong>in</strong> Greifswald. In den nun veröffentlichten Leitl<strong>in</strong>iender Fakultät werden von der LandesregierungGarantien e<strong>in</strong>gefordert, die Lehramtsausbildung<strong>in</strong> Greifswald <strong>in</strong> ihrer bisherigen Formzu erhalten. Auch sieht sich die PhilosophischeFakultät nach eigener Aussage <strong>in</strong> der Lage, dieseAusbildung bis 2017 aus eigener Kraft zu sichernund will <strong>in</strong> Zukunft verstärkt für die Regionalschulen,die Komb<strong>in</strong>ation von Haupt- undRealschulen, ausbilden. Die Lehramtsausbildungsoll <strong>weiter</strong>h<strong>in</strong> <strong>in</strong> Greifswald bleiben. DieMORITZ 84 // MAI 201011


HochschulpolitikTITELWir suchen ...Studentenfür telefonischeBefragungen derrenommierten Markt- u.Me<strong>in</strong>ungsforschungs<strong>in</strong>stituteEMNIDund InfratestFreie MitarbeitGute BezahlungFreie Zeite<strong>in</strong>teilungGreifswalder Studenten sehen das fakultätsübergreifendähnlich. Bei e<strong>in</strong>er Befragung vonknapp 300 Studierenden bezeichneten über 90Prozent die Abschaffung des Lehramtes als e<strong>in</strong>eSchwächung der Universität. Als Hauptgrundwurde die wegfallende Vielfalt genannt – die<strong>Lehrerbildung</strong> sei essentieller Teil e<strong>in</strong>er Volluniversität.Auch die Schwächung der Stadt unddes kulturellen Angebots sehen viele Studierendeals große Gefahr.Die Schließung oder e<strong>in</strong>e umfassende Verkle<strong>in</strong>erungder Lehramtsstudiengänge hätte dramatischeFolgen für die philosophische Fakultät;ob sie wirklich kommt, ist aber noch sehrfraglich. Wirkliche Befürworter e<strong>in</strong>er Abschaffungf<strong>in</strong>det man kaum und den mit e<strong>in</strong>er Abschaffungder Greifswalder Lehramtsausbildungverbundenen Verlust der Unikatfächer willerst recht niemand. Woher kommt aber die Diskussion?Zur Unsicherheit aller Beteiligten trägtdas Verhalten des CDU geführten Bildungsm<strong>in</strong>isteriumsbei, dass Schließungspläne zwardementiert, aber nicht ausführt, wie die geforderteKonzentration und Umstrukturierungsonst aussehen könnte. E<strong>in</strong>e mögliche Erklärungist strategischer Natur. Die Verhandlungenzu den neuen Zielvere<strong>in</strong>barungen stehen anund unerreichbare, überhöhte Forderungen zustellen, um den Verhandlungspartner letztendlichdie eigenen Ziele als fairen Kompromiss zuverkaufen, war schon immer e<strong>in</strong>e beliebte Verhandlungstaktik.Noch lässt sich niemand ausmachen,der an e<strong>in</strong>er möglichen Verlagerungprofitieren würde. Dafür umso mehr Verlierer.Kommentar zurPodiumsdiskussionvom 10. Maivon Gabriel KordsZwei Ergebnisse hat die Podiumsdiskussionzu verbuchen: E<strong>in</strong>erseits ziehen <strong>in</strong>Greifswald Studierende mit Professorenund Kommunalpolitikern an e<strong>in</strong>emStrang, andererseits ist die Zukunft desLehramts e<strong>in</strong>es der wenigen hochschulpolitischenThemen, bei denen sich derKonferenzsaal mit Studierenden füllenlässt. Alle anderen Punkte, die zur Sprachekamen, waren zu Genüge bekannt: DasM<strong>in</strong>isterium flüchtet sich <strong>in</strong> nebulöse Studien,deren Ergebnisse natürlich (noch)nicht bekannt s<strong>in</strong>d – ähnlich klang dasauch schon vor zehn Jahren. In Greifswalds<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>gegen <strong>in</strong>zwischen allerlei gute Argumentefür den Erhalt der <strong>Lehrerbildung</strong>formuliert worden.Die Podiumsdiskussion hat so noch e<strong>in</strong>malunterstrichen, dass die Planungen,das Lehramt <strong>in</strong> Greifswald abzuschaffen,immer noch sehr unkonkret s<strong>in</strong>d unddurchaus noch geändert werden können.Insofern s<strong>in</strong>d Studierendenschaft undHochschulleitung gut beraten, ihre Positionenlautstark <strong>in</strong> die Landes-Gremienh<strong>in</strong>e<strong>in</strong>zutragen.moritz- Umfrage zur aktuellen DebatteWie siehst du e<strong>in</strong>e mögliche Verlagerung der Greifswalder <strong>Lehrerbildung</strong> für die Uni?Schwächung 91,9 %Verbesserung 8,1 %Befragte Studierende: 283davon:Phil. Fakultät: 140Mat.Nat.Fakultät: 41RSW Fakultät: 52Mediz<strong>in</strong>. Fakultät: 36Theol. Fakultät: 14283 BefragteWarum Schwächung?WittCall GmbH & Co. KGBahnhofstraße 44/4517489 Greifswaldab 16:30 UhrTel.: 03834 773009<strong>in</strong>fo-hgw@wittcall.de40,8 % Verlust von Vielfalt (<strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>äre Fächer, Studienangebote)Anspruch e<strong>in</strong>er Volluniversität und Tradition19,2 % Viele Nachteile für Stadt, örtliche Kultur und Wirtschaft18,1 % Schwächung der Philosophischen Fakultät15,4 % Weniger Studierende, Abwanderung, Regionschwächung21,1 % unterschiedliche Gründe (u.a. ke<strong>in</strong>e Kostene<strong>in</strong>sparungen, fehlendeKapazitäten <strong>in</strong> Rostock, Ausbildungsqualität, Theo. Fakultät)Warum Verbesserung?Spezialisierung/ Schwerpunktbildung; ke<strong>in</strong>e überfüllten Veranstaltungen; eventuell bessere F<strong>in</strong>anzmittelverteilung;stärkere Mathematisch-Naturwissenschaftliche und Mediz<strong>in</strong>ische Fakultätmoritz-Grafik: Daniel Focke; Umfrage: Daniel Focke, Anastasia Statsenko, Sabr<strong>in</strong>a Schmidt12 MORITZ 84 // MAI 2010


KommentarHochschulpolitikIllustration: Daniel FockeHelfende Hände – das Pr<strong>in</strong>zip Hochschulgruppe?Rückbes<strong>in</strong>nung, bitte.von Patrice WangenPünktlich zu Beg<strong>in</strong>n der neuen Legislaturunseres Studierendenparlaments(StuPa) beg<strong>in</strong>nt <strong>in</strong>nerhalb und außerhalb derSitzungen wieder das Intrigieren, Taktierenund Posieren. E<strong>in</strong>er mittelmäßigen Seifenopergleich gibt es Verschwörungen, Affären und(zugegeben politische) Morde. Als Beobachterkönnte man sich Popcorn und Cola besorgenund sich an e<strong>in</strong>em seichten Spiel erfreuen.Wenn da nicht dieser lästige, bedrückende Verdachtwäre, dass es sich bei diesem seltsamenGremium um mehr handelt als um e<strong>in</strong> neuesStück des Monty Python Teams.Grob vere<strong>in</strong>facht kann man das StuPa <strong>in</strong> dreiGruppen e<strong>in</strong>teilen: Wir haben e<strong>in</strong> paar „alte Hasen”,die Ahnung von der Funktionsweise desGremiums haben und denen gerade deswegenwenig Sympathie entgegengebracht wird.Wir haben e<strong>in</strong>en ganzen Haufen hochschulpolitischerNeul<strong>in</strong>ge, denen man zwar den gutenWillen, sich für die Studierendenschaft e<strong>in</strong>zusetzen,zuschreiben kann, die aber noch wenigErfahrung haben wie man das am Besten tut.Und wir haben diejenigen, die schon e<strong>in</strong> gutesJahr dabei s<strong>in</strong>d, die Satzung und Funktionsweisedes StuPas aber mitnichten <strong>in</strong> allen E<strong>in</strong>zelheitenkennen, dies aber im entscheidenenMoment sehr gut auszublenden verstehen.Letztere Gruppe regt sich vor allem über die <strong>in</strong>ihren Augen ungerechtfertigte “Kürzungspolitik”der Alten auf und f<strong>in</strong>det gestärkt durch diepolitische (Über-)Präsenz derselbigen bei denNeul<strong>in</strong>gen Unterstützung. Von der anderen Seitewird munter dagegengehalten und so verlierendie StuPisten wieder e<strong>in</strong>mal unendlich vielZeit, <strong>in</strong>dem sie sich selbst zerfleischen. Als Außenstehenderkönnen e<strong>in</strong>ige die politische Motivationder e<strong>in</strong>zelnen Akteure nachvollziehen,aber wenn man e<strong>in</strong>e Sitzung besucht, kannman mit nicht viel anderem als e<strong>in</strong>em Kopfschüttelnden Saal verlassen.Genauso zu verurteilen ist die Tendenz e<strong>in</strong>igerHochschulgruppen, das StuPa als Profilierungsplattformzu benutzen. Wer kann es e<strong>in</strong>em Studierendenverübeln, dass er nicht zur Wahlgeht, wenn selbst bei oberflächlichem Betrachtenimmer öfter der Ansche<strong>in</strong> erweckt wird,dass die erste Motivation e<strong>in</strong>es Großteils desStuPas unreflektierte Profilierung der eigenenHochschulgruppe ist? Ist es <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em großenParlament wie dem Bundestag nötig, Fraktionenzu bilden, um effektiver arbeiten zu können,braucht man das <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em kle<strong>in</strong>en “Feierabendparlament”wie dem StuPa <strong>in</strong> ke<strong>in</strong>er Weise.Im Gegenteil: solche Tendenzen schaden demAnsehen des Organs und damit der gesamtenStudierendenschaft. Hochschulpolitischen E<strong>in</strong>flusshat das StuPa nur dadurch, dass es vonSeiten des Rektorats und der Landesregierungernst genommen wird. Wenn das StuPa aber<strong>weiter</strong> für solche Spielchen von Hochschulgruppen,ganz egal ob l<strong>in</strong>ks oder rechts, vere<strong>in</strong>nahmtwird, dann steht die ohneh<strong>in</strong> schonmäßige Autorität des e<strong>in</strong>zigen Gremiums aufdem Spiel, das für die gesamte Studierendenschaftsprechen kann. Beim Großteil der Angelegenheitendes StuPa geht es nicht um Wertentscheidungen,wie Arndt oder nicht Arndt,Militärforschung oder nicht, sondern darum,Veranstaltungen zu fördern, Missstände desStudiums zu beheben, die Interessen der Studierendenschaftzu vertreten. Alle StuPistenmüssten also e<strong>in</strong>e weitgehend homogene Zielstellunghaben. Wenn man das Verhalten beiden Sitzungen betrachtet, könnte man aberme<strong>in</strong>en, es säßen sich Christ und Antichrist direktgegenüber. Was <strong>in</strong> großen Teilen daran liegenmag, dass darüber gestritten wird, wie mandie Satzungen und Ordnungen der verfasstenStudierendenschaft nun auslegen soll, wobeie<strong>in</strong>en das Gefühl beschleicht, dass nur wenigewirklich wissen, was <strong>in</strong> diesen überhaupt steht.Will das StuPa auch nur e<strong>in</strong>en Teil se<strong>in</strong>er potentiellenMacht ausnutzen um den Bedürfnissender Studierenden Genüge zu tun, dann müssenalle StuPisten sich erstens mit der Funktionsweisedes StuPas <strong>in</strong>tensiver ause<strong>in</strong>andersetzen,zweitens endlich aufhören gegene<strong>in</strong>ander zuarbeiten und drittens das allgeme<strong>in</strong>e Wohl derStudierendenschaft wieder <strong>in</strong> den Vordergrundund die eigenen E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>teressen zurück stellen.Es wird sich zeigen, ob sich die StuPistendiese Maximen zu Herzen nehmen, aller spätestensbei der nun aktuellen AStA-Neubesetzung.MORITZ 84 // MAI 201013


FHochschulpolitikast hätten wir ihn vergessen. Er riechtauch schon leicht muffig. Und eigentlichist er e<strong>in</strong> Relikt der Vergangenheit. Dochnun erlebt der Sparstrumpf se<strong>in</strong> Comeback.Und das hat se<strong>in</strong>en Grund: Nicht nur die Rückmeldegebührder Universität erhöht sich zumkommenden W<strong>in</strong>tersemester, sondern auchdas Studentenwerk will ab dem Herbst mehrGeld. Um zwei bis zwanzig Euro werden dieMietpreise aller Wohnheime <strong>in</strong> Greifswald,Stralsund und Neubrandenburg angehoben.Und weil das aufs Jahr gerechnet bis zu 240Euro se<strong>in</strong> können, heißt es schon mal sparen!Am schlimmsten erwischt es die Mieter imMax-Kade-Haus. Dort werden je nach Wohnformund Wohnfläche zehn bis zwanzig Euromehr fällig. Der Grund für die Mieterhöhungenseien bereits erfolgte und geplante Sanierungsarbeiten.Daniela Gleich, AStA-Referent<strong>in</strong>für Wohnangelegenheit, kann dies nur zumTeil nachvollziehen. „E<strong>in</strong>ige Wohnheime s<strong>in</strong>dsicherlich nicht mehr zeitgemäß, zum Beispieldas im Ernst-Thälmann-R<strong>in</strong>g.“ Dieses wurdezuletzt 1995 saniert. Im Max-Kade-Haus h<strong>in</strong>gegenist die enorme Preisanhebung nicht nachvollziehbar,wurde es doch erst 2005/06 mitf<strong>in</strong>anzieller Hilfe durch die Max-Kade-StiftungNew York erneuert.Im aktuellen Wirtschaftsplan des Studentenwerkes,gültig für 2009 bis 2011, wurde e<strong>in</strong>edreistufige Preiserhöhung festgeschrieben.Dies sei nun der zweite Schritt. Ob es zu derdritten Stufe kommt, sei derzeit nicht absehbar.„Wir haben signalisiert, dass bereits diezweite Steigerung zwar notwendig war, aberdann auch genug ist“, berichtet Christian Bäz,Student und Vorsitzender des Verwaltungsrates.„Das Studentenwerk hat e<strong>in</strong>en Landesauftragbekommen, für sozialverträglicheMieten zu sorgen. Wenn die Landesregierungdas auch <strong>weiter</strong>h<strong>in</strong> sehen will, müssen auchwieder Fördermittel fließen“, soBerichtSparst du noch oder wohnst du schon?Das Studentenwerk Greifswald erhöht die Mietpreise <strong>in</strong> den Wohnheimen.Von Annegret AdamChristian <strong>weiter</strong>. Daher werde sich der Verwaltungsratmit der Entscheidung schwer tun.Die Landesregierung schiebt die Verantwortungwiederum zurück an die Studentenwerke.„Nach der geltenden Verordnung s<strong>in</strong>d die Studentenwohnheimeso zu bewirtschaften, dassalle erforderlichen Kosten, die für e<strong>in</strong>e ordnungsgemäßeBewirtschaftung notwendigs<strong>in</strong>d, gedeckt werden. Insofern ist es Pflichtdes Studentenwerkes die Mieten entsprechendanzupassen, falls diese Forderung nicht mehrerfüllt wird“, so Ingelore Baudisch vom M<strong>in</strong>isteriumfür Bildung, Wissenschaft und KulturMecklenburg-Vorpommern.Dem Studentenwerk s<strong>in</strong>d also die Hände gebunden.Da es für die Sanierung der Wohnheimeseit 2003 ke<strong>in</strong>e Landesförderung mehrgab, müssen die Studierenden herhalten. Diesteigenden Mietpreise entsprechen dadurchbald nicht mehr dem gewohnten Preisniveauder Stadt. „Was die Studierenden bei den Studienkostensparen, geben sie mittlerweile anLebenserhaltungskosten wieder aus“, so Daniela.Die im Allgeme<strong>in</strong>en gestiegenen Betriebskostenspielen nach Auskunft Christian Bäz <strong>in</strong>den Mieterhöhungen ke<strong>in</strong>e Rolle. Diese wärenauf Grund guter Verträge sogar rückläufig gewesen.Bereits im vergangenen Jahr sollte über dieMieterhöhung entschieden werden. Der Verwaltungsratvertagte die Entscheidung. Erstam 25. Februar wurde dann abgestimmt, zware<strong>in</strong>stimmig, jedoch war nur die Hälfte aller Mitgliederanwesend. Sicherlich ist es schwierig,für die Mitglieder dreier Standorte e<strong>in</strong>en geme<strong>in</strong>samenTerm<strong>in</strong> zu f<strong>in</strong>den, das bestätigtauch Christian Bäz. Enttäuschend ist aber vorallem, dass manche studentische Mitgliederden Sitzungen fernbleiben, obwohl sie ihr Kommensignalisiert hatten. Die Interessen der Studierendenvertreten sie so sicherlich nicht.Auch die Kommunikation zwischen Studentenwerkund Studierendschaft h<strong>in</strong>kte <strong>in</strong> derletzten Zeit. So wurden seit e<strong>in</strong>em Jahr ke<strong>in</strong>eSitzungsprotokolle des Verwaltungsrats mehronl<strong>in</strong>e gestellt. „Das habe ich beim Studentenwerkauch schon mehrmals angesprochen, leiderbis heute ke<strong>in</strong>e Antwort bekommen“, soChristian Bäz.Das Studentenwerk sorgt zurzeit aber auch fürneuen Wohnraum. In der Fleischerwiese sollenzwei neue Wohnheimhäuser entstehen. Am 3.März fanden die Bauanlaufberatungen statt,zwei Wochen später folgte die Grundste<strong>in</strong>legung.Dadurch werden 60 neue Wohnheimplätzegeschaffen Die Zimmervermietung sollzum kommenden W<strong>in</strong>tersemester beg<strong>in</strong>nen.Weniger Handlungsbedarf erkennen derweildie beiden großen Wohnungsgesellschaftender Stadt, die Wohnungsverwaltungsgesellschaft(WVG) und die Wohnungsgenossenschaft(WGG). Stattdessen werden gut 600Wohnungen abgerissen, trotz erheblichenE<strong>in</strong>wohnerwachstums <strong>in</strong> Greifswald. Die WVGwird zum kommenden W<strong>in</strong>tersemester 60neue Wohnungen stellen, aber dies sei „nur e<strong>in</strong>Tropfen auf dem heißen Ste<strong>in</strong>“, kritisiert Daniela.Zudem handelt es sich vorrangig um Wohnungen,die nicht marktfähig s<strong>in</strong>d und demeigenen Abrissplan kurzerhand entnommenwurden.Da sich die Wohnraumsituation trotz jahrelangerBemühungen, immer noch nicht gebesserthat, plant der AStA <strong>in</strong> naher Zukunft geme<strong>in</strong>sammit dem AStA Jena e<strong>in</strong>e Fensterdemo. Dabeisollen die Fenstern der Studierenden mitPlakaten und Bannern, die den Unmut der Studierendenausdrücken, demonstrativ behangenwerden. In Jena sehen die Bed<strong>in</strong>gungenzum Teil sogar noch katastrophaler aus. DenVerantwortlichen die Scheuklappen von denAugen nehmen, das ist das große Ziel. DassStudierende etwas bewirken können, zeigtedie zurückgenommen Preiserhöhung <strong>in</strong> derMensa-Cafeteria nach studentischen Protestenim vergangenen Jahr.Brodaer Str. (Neubrandenburg) + 2-6 €Holzhausen (Stralsund) + 9-12 €Die Mietpreiserhöhungen im Detail14 MORITZ 84 // MAI 2010


BerichtHochschulpolitikGeh mal wieder auf die Straße!Das Landeshochschulgesetz wird geändert – unsere Interessen s<strong>in</strong>d zu verteidigen.Von Florian Bonn und Patrice WangenFoto: Patrice WangenDDas Landeshochschulgesetz Mecklenburg-Vorpommerns(LHG) ist noch jung,erst seit acht Jahren ist es auf der Welt. Dochschon sieben mal haben es se<strong>in</strong>e wechselndenEltern umerzogen. Oft wollten es se<strong>in</strong>e Elternpatriarchalischer und weniger freiheitlich erziehen.Da es sich nicht selbst gegen diese Erziehungsversuchewehren konnte, mussten diesandere übernehmen, oftmals die Studierenden.Jetzt ist wieder euer Widerstandsgeist gefragt,denn die achte Änderung des LHGs stehtan und wieder wollen viele Änderungswünscheunserer Regierung absolut nicht gefallen. Jetztseid ihr und vor allem der AStA gefragt, unseredemokratischen und studienbezogenen Rechteoffensiv zu verteidigen.Wenn sich die Regierung <strong>in</strong> Schwer<strong>in</strong> durchsetzt,werden wir zum Jahresende e<strong>in</strong>engeschwächten Senat und damit auch geschwächteStudierendenvertreter, e<strong>in</strong>e auf dasWohlwollen des Rektors angewiesene Studierendenschaftund ke<strong>in</strong> Recht auf e<strong>in</strong>en Freiversuchmehr haben.Der Freiversuch ist noch e<strong>in</strong>e Pflicht der Hochschulen,nach dem aktuellen Vorschlag wäre esden Hochschulen freigestellt, ob sie e<strong>in</strong>en Freiversuch<strong>in</strong> ihren Prüfungsordnungen anbietenwollen. Unser Rektor hat auf e<strong>in</strong>er der letztenVollversammlungen der Studierendenschaftschon ankl<strong>in</strong>gen lassen, dass er ke<strong>in</strong> besondererFreund des Freiversuches ist. Direkt auf dieStudiengänge würde sich auch die geplanteRahmenprüfungsordnung für die gesamteHochschule auswirken. Zum Bürokratieabbauwürden mit dieser alle Studiengänge <strong>in</strong> wesentlichenPunkten wie Praktika vere<strong>in</strong>heitlicht. DieRücksichtnahme auf die <strong>in</strong>dividuellen Erfordernissejedes Studiengangs würden so erschwert.Im Zuge dieser Reform soll auch die Rechtsformänderungdes Universitätskl<strong>in</strong>ikums umgesetztwerden. Dieses soll wieder direkt <strong>in</strong>die Universität e<strong>in</strong>gegliedert werden, alle Kl<strong>in</strong>ikumsmitarbeiterwären somit auch bei Senats-und Fakultätsratswahlen stimmberechtigtund würden im Senat e<strong>in</strong>en Großteil derWähler stellen. Kritiker s<strong>in</strong>d h<strong>in</strong>gegen der Me<strong>in</strong>ung,dass eher die Mediz<strong>in</strong>ische Fakultät ausder Uni herausgelöst wird, aber gleichzeitig imSenat <strong>weiter</strong>h<strong>in</strong> E<strong>in</strong>fluss auf die restliche Unihat. Über diese Thematik wurde ausführlich aufdem <strong>webMoritz</strong> und im moritz(Ausgabe 79)berichtet.Aber es gibt auch positive Änderungsvorschläge,die man begrüßen und verteidigen sollte.So sollen zum Beispiel während der Vollversammlungke<strong>in</strong>e Lehrveranstaltungen mehrstattf<strong>in</strong>den. Außerdem wird e<strong>in</strong> Kernziel vonBologna, der vere<strong>in</strong>fachte Hochschulwechsel,stärker <strong>in</strong> den Mittelpunkt gerückt. Ebenfalls istdie Hochschule künftig angehalten, mehr aufdie Studierbarkeit zu achten. Neben dem Abiturwerden andere Bildungsabschlüsse wie derMeistertitel stärker als bisher beim Hochschulzugangberücksichtigt.Ergebnisse von Evaluationen wie zum BeispielStudierendenbefragungen sollen <strong>in</strong> Zukunftveröffentlicht werden müssen und E<strong>in</strong>fluss aufdie Mittelverteilung haben. So wäre e<strong>in</strong> starkerAnreiz für gute Lehre gegeben. Dafür könnteman auch die geplanten Professuren mitSchwerpunkt auf der Lehre halten. Diese Stellens<strong>in</strong>d für angehende Professoren aber unattraktiv,sie werden höchstens als Abstellgleis fürerfolglose Bewerber oder als Zwischenstationauf dem Weg zu e<strong>in</strong>er richtigen Professur dienen.E<strong>in</strong>e zweite neue Professorenform soll denSchwerpunkt für nicht näher def<strong>in</strong>ierte Zeiträumeauf der Forschung haben. Die Symbiose vonLehre und Forschung, die bisher dafür sorgte,dass Studierende an den Erfahrungen erfolgreicherForscher teilhaben können, wird soempf<strong>in</strong>dlich gestört.Der Rektor soll <strong>in</strong> mehreren Punkten gestärktwerden. Ke<strong>in</strong> Mitglied der Hochschulleitungsoll ohne se<strong>in</strong>e Zustimmung gewählt werdenkönnen. Er wäre gegenüber den anderen Mitgliedernder Hochschulleitung auch stärkerweisungsbefugt als bisher und könnte Entscheidungendieser übergehen. Rechtlich gesehenträge er die Verantwortung für die gesamteHochschule. Die Stärkung des Rektors bedeutetzum E<strong>in</strong>en e<strong>in</strong>e klarere L<strong>in</strong>ie <strong>in</strong> der Hochschulführung,aber auch weniger Demokratie. E<strong>in</strong>eStärkung der Demokratie wird dagegen durchdie Er<strong>weiter</strong>ung der Befugnisse der Fakultätsrätevorgeschlagen. So sollen diese zukünftigden Haushalt der Fakultät stärker mitbestimmenund Dekane abwählen können.Die Studierendenschaft wird <strong>in</strong> dem Gesetzesvorschlagdem Rektor stärker untergeordnet,so kann dieser <strong>in</strong> Zukunft alle Beschlüsse desStudierendenparlaments aufheben. Der Haushaltsplander Studierendenschaft konnte bishernur <strong>in</strong> sehr engen Grenzen vom Rektor abgelehntwerden, <strong>in</strong> der neuen Fassung würdendiese Grenzen stark ausgeweitet.Positiv wäre die Konkretisierung der Aufgabender Studierendenschaft wie das Betreiben studentischerMedien und die Integration ausländischerStudierenden. Diese Aufgaben werdenbereits wahrgenommen, durch diese Änderungwird e<strong>in</strong>e höhere Rechtssicherheit erzielt.Der Gesetzesentwurf <strong>in</strong> se<strong>in</strong>er jetzigen Formbietet für die Studierendenschaft sowohl Voralsauch Nachteile. Damit <strong>in</strong> der endgültigenVersion die Vor- und nicht die Nachteile überwiegen,seid ihr gefragt. Nach dem Bildungsstreikhaben Politiker betont, dass sie auf Me<strong>in</strong>ungenund Interessen der StudierendenRücksicht nehmen wollen. Für die praktischeUmsetzung dieses Versprechens ist es nötig,unsere Me<strong>in</strong>ung jetzt auf breiter Front auf dieStraßen und <strong>in</strong> die M<strong>in</strong>isterien zu tragen.MORITZ 84 // MAI 201015


HochschulpolitikDer Traum vom grünen CampusGedanken zur Nachhaltigkeit an der Universität Greifswald.Von Annegret AdamBerichtWarum brennt nachts im Audimax eigentlichdas Licht? Und warum wird die Un<strong>in</strong>icht grüner, obwohl doch alle „Nachhaltigkeit“predigen? Während das M<strong>in</strong>isterium für Bildungund Wissenschaft das Jahr der „Zukunftder Energie“ ausruft, h<strong>in</strong>terfragen wir e<strong>in</strong>maldie Energieeffizienz unserer Universität.Die Verwaltung der Universität versucht ihrenBeitrag zum grünen Campus zu leisten. Sosollen <strong>in</strong> naher Zukunft – natürlich abhängigvon der Haushaltslage – die derzeit 25 Kraftfahrzeugeder Universität durch emissionsarmeFahrzeuge ersetzt werden. „Dies könnteim nächsten oder übernächsten Semester soweit se<strong>in</strong>“, erklärt Mike Naujok, Referatsleitersder Allgeme<strong>in</strong>en Verwaltung und Nachhaltigkeitsbeauftragter.Ebenfalls zeitnah sollen zweiFahrrad-Pools errichtet werden. E<strong>in</strong>er soll <strong>in</strong> derAltstadt stationiert werden, der zweite auf demneuen Campus am Beitz-Platz. Mitarbeiter derUniversität hätten so die Möglichkeit, zwischenalten und neuen Campus auf umweltschonendeWeise zu pendeln.Ohne Strom läuft nichts. Nach Angaben desDezernats für Bau und Technik verbrauchtedie Uni im Jahre 2006 7,3 Millionen KilowattstundenElektroenergie. Das entspricht e<strong>in</strong>emVerbrauch von rund 1820 E<strong>in</strong>familienhäusern.In den letzten Jahren sah es ähnlich aus. Undwer glaubt mit der Sanierung von Gebäudenkönnte man die Energieeffizienz positiv bee<strong>in</strong>flussen,der irrt. „Neue Gebäude müssen modernenStandards gerecht werden. Dazu gehörenzum Beispiel aufwendige Belüftungssysteme“,berichtet Udo Ma<strong>in</strong>usch, Mitarbeiter im Referatfür Bau und Technik. War früher die Luft <strong>in</strong> denHörsälen knapp, half nur Fenster öffnen. Heutegenügt das nicht mehr. Nach e<strong>in</strong>er Modernisierungverbraucht e<strong>in</strong> Gebäude daher wesentlichmehr Energie als vorher. Was man tun kann, istden Energieverbrauch auf die wirklichen Bedürfnisseanzupassen. Dafür wird e<strong>in</strong> zentralesSteuersystem verwendet. Dieses analysiert dentatsächlichen Bedarf <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Räumenund stimmt daraufh<strong>in</strong> die Versorgung ab.Wie grün ist unsere Uni?rechtigt ist, dort bis 24 Uhr arbeiten zu können,stellt sich die Frage, ob solche Öffnungszeitenauch <strong>in</strong> der normalen Vorlesungszeit notwendigs<strong>in</strong>d?Strom ist dann grün, wenn er aus nachhaltigenRessourcen stammt, wie dem Sonnenlicht. DieAG UniSolar plant deshalb den Bau e<strong>in</strong>er Photovoltaik-Anlageauf dem Dach der Universität(siehe moritz 80). Die Solaranlage soll e<strong>in</strong>eGröße von 60 bis 300 Quadratmeter erreichen,dies hängt vor allem von der Größe des Dachesab, auf dem die Anlage <strong>in</strong>stalliert wird. Überdieses wird derzeit noch diskutiert. Der Bau sollim kommenden November beg<strong>in</strong>nen. Damit esendlich losgehen kann, sammelte die AG <strong>in</strong> denvergangen Monaten kräftig Gelder. Fast schonwie e<strong>in</strong> Hilfeschrei wirkte das „Konzert für denKlimaschutz“, das mit Hilfe des AStA organisiertwurde. Während der Veranstaltung konntenletztendlich circa zehn <strong>weiter</strong>e Investoren gewonnenwerden und mit den E<strong>in</strong>nahmen desAbends von <strong>in</strong>sgesamt 3230 Euro ist der Baunun f<strong>in</strong>anziell abgesichert.Ernährung an der Universität gehen“, so FlorianGeyder von der GHG. In e<strong>in</strong>em der Workshopssoll versucht werden, e<strong>in</strong> Market<strong>in</strong>gkonzept füre<strong>in</strong>e Biomensa aufzustellen, <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em anderenwird gekocht. „Außerdem versuchen wir möglichste<strong>in</strong>en Referenten für nachhaltige Fischereivon Greenpeace zu engagieren“, verriet Florian.Die Exkursion soll auf e<strong>in</strong>en nahegelegenenBio-Hof gehen.Auch <strong>in</strong> wissenschaftlicher H<strong>in</strong>sicht baut dieUniversität ihre Energie- und Umweltsparte aus.Am 10. März wurde das Institut für Klimaschutz,Energie und Mobilität (IKEM) unter dem Dachder Universität gegründet. Der Sitz bef<strong>in</strong>detsich jedoch <strong>in</strong> Berl<strong>in</strong>, was an den Partner<strong>in</strong>stitutionenliege. „Im Moment laufen Überlegungenan der Universität, e<strong>in</strong> übergeordnetes Zentrumzu gründen. Bei entsprechenden räumlichenMöglichkeiten wäre auch e<strong>in</strong> Umzug denkbar“,erklärt Professor Michael Rodi, Vorstandsmitglieddes IKEM. Mit derzeit sechs Beschäftigtenist das Institut noch relativ kle<strong>in</strong>. Aber auch daskönnte sich ändern.Auch die moderne Architektur ist schuld. Währenddie Architekten des Institutes für Physikmit Preisen ausgezeichnet werden, fluchtdie Verwaltung. Riesige Säle und E<strong>in</strong>gangshallenverschl<strong>in</strong>gen große Mengen an Heizkosten.Ganz zu schweigen von den Re<strong>in</strong>igungskostenfür die großen Fensterfronten. Und wersitzt nachts eigentlich <strong>in</strong> der Uni-Bibliothek?Während es zu Prüfungszeiten durchaus be-Auch die Energie des Menschen sollte aus nachhaltigenRessourcen stammen. Deshalb bietetdie Mensa seit vergangenem Oktober e<strong>in</strong> regelmäßigesBio-Menü an. Und weil niemand grünerist als die Grünen, plant die Grüne Hochschulgruppe(GHG) für die Projektwoche imMai e<strong>in</strong> Angebot von Workshops, sowie e<strong>in</strong>eExkursion zum Thema „BioMensa“. „Es soll dabeiunter anderem um die Grundsatz-Policy fürE<strong>in</strong> „Grüner Campus“ zu se<strong>in</strong>, ist das erklärteZiel der Universität. Doch am Ziel s<strong>in</strong>d wir nochlange nicht. Erst wenn sich jeder selbst h<strong>in</strong>terfragt,kommen wir dem wirklich grünem Grüne<strong>in</strong> entscheidendes Stück näher. Und wenn ihrmal wieder im vollen Hörsaal sitzt und das Gefühlhabt, das Belüftungssystem versagt, dannöffnet doch e<strong>in</strong>fach das Fenster und freut euchüber die Energie, die gerade e<strong>in</strong>gespart wird.Foto: Annegret Adam16 MORITZ 84 // MAI 2010


» Wer mir so etwas glaubt, der tut mir leid. «– Professor Wilhelm Ste<strong>in</strong>grubeUni versumAusgenutzt | Durch e<strong>in</strong>en Zufall erfuhr der moritz von e<strong>in</strong>em gravierenden Fall von Machtmissbrauch am Geografischen Institut. E<strong>in</strong> Professorhat dort e<strong>in</strong> System aus <strong>in</strong>transparenter Notenvergabe und persönlicher Abhängigkeit geschaffen. Für e<strong>in</strong>e gute Note müssen Studenten ganze Tagefür e<strong>in</strong>en privaten Befragungsauftrag im Müritz Nationalpark zubr<strong>in</strong>gen. Sie opfern Feiertage, Wochenenden und andere Vorlesungen, um bloß nichtnegativ aufzufallen. Als Belohnung ernten sie jedoch nur Verachtung. Die ganze Geschichte f<strong>in</strong>det ihr auf Seite 20.Kurznachrichten.................................................................... 18Die Projektwoche <strong>in</strong> der Kritik.............................................19Das System Ste<strong>in</strong>grube..........................................................20Greifswalder Studenten bei den Vere<strong>in</strong>ten Nationen......22Das harte Los von Privatdozenten......................................23Die fremde Welt der Mediz<strong>in</strong>studenten............................24Die Umsetzung des Ostseeraumschwerpunktes.............26Serie osteuropäischer Partneruniversitäten: Riga...........28


Uni versumNachrichten aus dem Uni versumKurznachrichtenSprung <strong>in</strong> den RyckDie Greifswalder erfreuen sich vor allem imFrühl<strong>in</strong>g und im Sommer am schönen noch unberührtenRyck. Jener steht nun im Kontext derVeranstaltungsreihe „Gett<strong>in</strong>g Th<strong>in</strong>gs Done with…“ der Greifswalder NachwuchsforschergruppeGETIDOS. Unter dem Titel „Rhe<strong>in</strong>, Rhône, Ryck –ziviles Engagement für lebendige Flüsse“ wirdauch dieses Jahr wieder das kostbare ElementWasser <strong>in</strong>s Blickfeld der Bürger gerückt. AmDienstag den 18. Mai f<strong>in</strong>det e<strong>in</strong> Vortragsabendum 20 Uhr im St. Spiritus statt, wobei lokale Aspektezum Thema Natur- und Umweltschutzvon Anne Klatt und dem Schweizer AktivistenRoberto Epple angesprochen werden. Den Höhepunktbildet der nächste Tag, Mittwoch, der19. Mai. Start ist hier um 12 Uhr am Tierpark,von wo aus es am Ryckufer entlanggeht biszum Museumshafen. Unterwegs werden derGreifswalder Landschaftsökologe Dr. Wendel<strong>in</strong>Wichtmann, sowie Friedrich Hacker vom örtlichenNABU (Naturschutzbund Deutschland)und Roberto Epple auf aktuelle Umweltproblematikenam heimischen Fluss h<strong>in</strong>weisen. Um 13Uhr stürzen sich dann die Wagemutigen beimRiverjump von den Terrassen am Museumshafen<strong>in</strong> den Fluss.Für H<strong>in</strong>tergrund<strong>in</strong>formationen zu diesem Themasorgt e<strong>in</strong> Artikel im Heft, siehe Seite 31.Mit e<strong>in</strong>er Idee zum SiegUnd wieder e<strong>in</strong>mal ist der Kreativitäts- und Innovationsgedankegefordert. Denn der <strong>in</strong>terneIdeenwettbewerb der Universität Greifswald istgestartet. Studierende und wissenschaftlicheMitarbeiter können nun ihre theoretischen Gedankene<strong>in</strong>er Geschäftsidee aufs Papier br<strong>in</strong>gen,<strong>weiter</strong>entwickeln und damit sogar punkten.Prämien im Gesamtwert von 12.000 Euroerwarten die Gew<strong>in</strong>ner. Zwar hat die Informationsveranstaltungschon stattgefunden, aberviel wichtiger ist, dass Ideenskizzen bis zum21. Mai beim Gründerbüro der Universität e<strong>in</strong>gereichtwerden. Weitere Informationen unterhttp://www.ideen-wettbewerb.de/Strom aus BiomüllDer große Vorteil an solcher Energie ist die CO2-Neutralität und Umweltfreundlichkeit. Dochwie wirtschaftlich kann diese Energie gewon-nen werden? Diese Frage steht im Mittelpunkte<strong>in</strong>es <strong>in</strong>ternationalen Forschungsprojektes, beidem sich auch Greifswalder Professoren beteiligen.Im Rahmen des <strong>in</strong>ternationalen VerbundprojektesHousehold Participation <strong>in</strong>Waste Management wollen die GreifswalderWirtschaftswissenschaftler Professor Dr. ManfredJürgen Matschke und Prof. Dr. He<strong>in</strong>z EckartKl<strong>in</strong>gelhöfer <strong>in</strong> Kooperation mit der StadtverwaltungGreifswald sowie neun <strong>weiter</strong>enPartnern aus Schweden, Deutschland, Russlandund Polen für e<strong>in</strong>e verstärkte Verwertung vonMaterial und Energie aus dem Hausabfall sorgen.Das Projekt beläuft sich auf 1,5 MillionenEuro, wobei 85 Prozent von der EuropäischenUnion gefördert und 15 Prozent von der UniversitätGreifswald zur Verfügung gestellt werden.Im Mittelpunkt des Interesses steht nebender Wirtschaftlichkeit und der praktischenUmsetzung e<strong>in</strong>er solchen Anlage auch die Frage,<strong>in</strong>wieweit dieses Konzept ebenso <strong>in</strong> anderenOstseeregionen umsetzbar ist. Die beidenProfessoren sollen vor allem die Wirtschaftlichkeite<strong>in</strong>er speziellen Biogasanlage für die StadtGreifswald untersuchen.Anzeige18 MORITZ 84 // MAI 2010


Uni versumFoto: Marco HerzogZwischen Wellen, W<strong>in</strong>d und WeiterbildungDie verschiedenen Gesichter der Projektwoche. Von Anja RauDer W<strong>in</strong>d peitscht, Wellen schlagen gegenden Bug, e<strong>in</strong>e Möwe kreischt. DasSegelschulschiff, welches normalerweise imMuseumshafen am Ryck zu bewundern ist,steht mit den Segeln voll im W<strong>in</strong>d. An Deckherrscht gute Stimmung, rege Unterhaltungenwerden geführt. Studenten aller Fakultäten sowieProm<strong>in</strong>enz aus Politik, Wirtschaft und Kulturarbeiten Hand <strong>in</strong> Hand für e<strong>in</strong> geme<strong>in</strong>samesZiel: e<strong>in</strong>en gelungenen Segeltörn auf der SchonerbriggGREIF.In etwa so wie im letzten Jahr wird auch diesmale<strong>in</strong> Tag der Projektwoche, die vom 25. bis28. Mai stattf<strong>in</strong>det, aussehen. Statt e<strong>in</strong>es Segeltörnswird dieses Jahr e<strong>in</strong> Schnuppersegeln,allerd<strong>in</strong>gs ohne Prom<strong>in</strong>enz, vom AkademischenSegelvere<strong>in</strong> Greifswald e.V. veranstaltet. Es gibth<strong>in</strong>gegen auch e<strong>in</strong> anderes Szenario: volle Hörsäleund referierende Dozenten, deren Ausführungenam Ende des Semesters <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Prüfungabgefragt werden. Blockveranstaltungen<strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Zeit voller <strong>in</strong>teressanter Projekte, Vorlesungenund Workshops.Es herrscht e<strong>in</strong> himmel<strong>weiter</strong> Unterschied zwischendiesen Möglichkeiten, dennoch s<strong>in</strong>dbeide erlaubt. Lediglich reguläre Lehrveranstaltungensollen <strong>in</strong> dieser Woche ruhen. DieProjektwoche ist nicht durch e<strong>in</strong>e Regelungim Landeshochschulgesetz Mecklenburg-Vorpommernfestgelegt, sondern ist Eigen<strong>in</strong>itiativeder Universität. Greifswald hat jedoch nichtdie e<strong>in</strong>zige Hochschule mit e<strong>in</strong>er solchen E<strong>in</strong>richtungim Land, auch an der Uni Rostock wirddiese Idee <strong>in</strong> die Tat umgesetzt. Statt sich anverschiedenen Projekten aktiv zu beteiligen,werden die Rostocker Studenten dazu angehalten,sich die Forschungsprojekte der Dozentenanzuschauen, wozu es begleitende Informationsveranstaltungengibt.In Greifswald liegt die Projektwoche traditionell<strong>in</strong> der Woche nach Pf<strong>in</strong>gsten und bietet den Studentendie Möglichkeit, andere Wissenschaftenzu erkunden, mit Kommilitonen auf Exkursionzu gehen oder bei Workshops praktische D<strong>in</strong>gefür den Alltag zu erlernen. Dennoch wirddie Gelegenheit für Blockveranstaltungen vone<strong>in</strong>igen Instituten, wie etwa dem für die Wirtschaftswissenschaftenrege genutzt. An derRechts- und Staatswissenschaftlichen Fakultätwerden mehrere dieser Blockveranstaltungenvon Lehrbeauftragten übernommen, die regulärandernorts lehren und so im laufenden Semesternicht zur Verfügung stehen. Außerdemist <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er freien Woche genügend Zeit, um e<strong>in</strong>Sem<strong>in</strong>ar mit Vorträgen, Diskussionen und e<strong>in</strong>ergeme<strong>in</strong>samen ausführlichen Auswertung abzuschließen.So geschieht es beispielsweise im Sem<strong>in</strong>ar„Forschungsmethoden“ <strong>in</strong> der Kommunikationswissenschaft.Nichtsdestotrotz – dieTeilnahme, gerade an mehrtägigen Projekten,ist erschwert.Dessen ungeachtet werden die meisten Studenten<strong>in</strong> der Woche Zeit haben, sich an denverschiedenen Projekten zu beteiligen. Ausdiesem Grund gibt es auch <strong>in</strong> diesem Jahr wiedere<strong>in</strong> vielfältiges Angebot. Das Spektrum derProjekte der AG Projektwoche, e<strong>in</strong>er Geme<strong>in</strong>schaftder Fachschaftskonferenz, reicht vonmehreren ernährungswissenschaftlichen Vorlesungenüber e<strong>in</strong>en Nähkurs bis h<strong>in</strong> zu Führungendurch den Botanischen Garten. Auche<strong>in</strong> Fahrradreparatur-Kurs steht auf der Veranstaltungsliste.Parallel zur AG s<strong>in</strong>d auch die Institutefür die Durchführung verschiedener Veranstaltungenzuständig. Dennoch lassen vieleFachbereiche diese Möglichkeit verstreichen.Bis zuletzt hatten die wenigsten bereits e<strong>in</strong>ePlanung vorliegen, von e<strong>in</strong>igen wird es auchgar ke<strong>in</strong>e Projekte geben. Dies wird auch seitensdes Rektorats kritisiert: „Die Beteiligung isteher durchschnittlich: Theologen, die PhilosophischeFakultät und die Rechts- und StaatswissenschaftlicheFakultät haben mehr InteresseAusflug mit dem Segelschiff „Greif“ während der Projektwoche 2009gezeigt als andere“, sagt Prorektor Prof. Dr. MichaelHerbst. An anderen Fachbereichen wiederumwerden <strong>in</strong>terne Projekte angeboten, wieetwa am Institut für Kirchenmusik und Musikwissenschaft,das <strong>in</strong> Kooperation mit dem TheaterVorpommern e<strong>in</strong>en Workshop im BereichMusiktheater durchführen wird. Wo nicht dieDozenten selbst aktiv s<strong>in</strong>d, da engagieren sichteilweise die Fachschaften <strong>in</strong> der AG Projektwocheumso mehr. Hervorzuheben ist hier beispielsweiseder FSR Biowissenschaften.Wenn bereits e<strong>in</strong>ige Institute die Projektwochenicht richtig ernst nehmen, wie sollen esdann die Studenten tun? Viele Studierende sehendie Woche als Gelegenheit für e<strong>in</strong>en Kurzurlaub.„Ich werde wohl das letzte Mal vor demPhysikum nach Hause fahren und Donnerstagwiederkommen. Vielleicht gibt es am Freitagja noch e<strong>in</strong> <strong>in</strong>teressantes Projekt“, sagt Mediz<strong>in</strong>student<strong>in</strong>Johanna, 21. Andere möchtendie Zeit verwenden, um sich schon e<strong>in</strong>mal aufdie anstehenden Prüfungen vorzubereiten. Sowie Elena, 21, Lehramtsstudent<strong>in</strong>: „Ich nutze dieZeit zum Lernen und zum Schreiben von Hausarbeiten.“Des Weiteren kritisiert sie die Organisationder Projektwoche: „Ich würde zwar gernean kle<strong>in</strong>eren Projekten teilnehmen, aber ich b<strong>in</strong>noch nicht über das Programm <strong>in</strong>formiert undich weiß leider auch nicht, wie ich an das Programmherankomme. Daher sehe ich die Projektwocheals verfehlt an, da sie weder von denStudenten noch der Uni als solche angesehenwird. Schade!“Die Projektwoche steht direkt vor der Tür, dochInformationen von den Instituten gibt es zumeistnoch nicht. Die AG Projektwoche dagegenhat ihre Programmhefte fertiggestellt, sies<strong>in</strong>d <strong>in</strong> der Mensa sowie bei den Fachschaftsrätenerhältlich. Denn e<strong>in</strong>en Tag auf dem Wassergenießen kann nur derjenige, der auch vondem Angebot weiß.MORITZ 84 // MAI 201019


Uni versumDas System Ste<strong>in</strong>grubeAm Institut für Geografie nutzt e<strong>in</strong> Professorse<strong>in</strong>e Studenten aus. Von Alexander MüllerIn diesem Jahr lief der Ostersonntag fürStefan Richter* anders ab, als <strong>in</strong> denJahren zuvor. Zehn Stunden hat der 21-Jährigean se<strong>in</strong>em Checkpo<strong>in</strong>t im Müritz Nationalparkverbracht. Von dem Zeitpunkt an, als derblaue Transporter ihn am frühen Morgen dortabsetzte, war Menschen zählen und befragense<strong>in</strong>e Aufgabe. „Wie viel haben Sie für sich undIhre Mitreisenden ausgegeben?“, fragte er diespärlich vorbeikommenden Besucher immerwieder. Solange bis der Bus ihn am Abend wiederdort abholte. An diesem Tag hatten sich nurwenige Menschen an se<strong>in</strong>en Checkpo<strong>in</strong>t verirrt.Zehn Stunden auf jemanden warten dervielleicht nie kommt, das kostet Nerven. Stefanwürde se<strong>in</strong>e Zeit an solchen Tagen liebermit Freunden und Familie verbr<strong>in</strong>gen, aberdennoch wird er auch an Pf<strong>in</strong>gsten wieder anse<strong>in</strong>em Checkpo<strong>in</strong>t sitzen und warten. Ebensowird der Geografiestudent so manche Vorlesungwährend der Woche für die zeitaufwendigeBefragung ausfallen lassen müssen. Stefannimmt an der Umfrage im Müritz Nationalparknicht freiwillig teil; er macht es, weil er sonstAngst vor e<strong>in</strong>er schlechten Note haben muss.Am Anfang des diesjährigen Sommersemesterstrafen sich die Bachelorstudenten aus der W<strong>in</strong>tervorlesung„Methoden der empirischen Sozialforschung“im Büro des GeografieprofessorsWilhem Ste<strong>in</strong>grube. Das Testat, mit dem die Vorlesungeigentlich hätte abgeschlossen werdenmüssen, wurde nicht geschrieben. Nun sollteder Professor se<strong>in</strong>en Studenten erklären, wie dieNote stattdessen zu Stande kommen solle.Durch die Teilnahme an e<strong>in</strong>er Umfrage, die er imAuftrag des Müritz Nationalparks zur Erfassungdes Kaufverhaltens der Besucher durchführe,sollen die Studierenden ihr erlerntes Wissenanwenden. Und das nicht zu knapp. Von <strong>in</strong>sgesamtzwanzig Term<strong>in</strong>en, sollen die Studentenm<strong>in</strong>destens zehn wahrnehmen. Abfahrt siebenUhr morgens, Wiederankunft abends um neun.Pro Term<strong>in</strong> <strong>in</strong>sgesamt 14 Stunden, davon zehnStunden re<strong>in</strong>e Arbeitszeit. Für jeden teilgenommenenTerm<strong>in</strong>, erklärt Professor Ste<strong>in</strong>grube,könne die Note um e<strong>in</strong> Zehntel aufgewertetwerden. Wie die zu Grunde liegende Note zuStande kommt, sagt er nicht. „Das ist e<strong>in</strong> Witz,Professor Ste<strong>in</strong>grube kennt nicht e<strong>in</strong>mal alleunsere Namen“, erzählt Stefan resigniert. „Ichbekomme dort e<strong>in</strong>e Bewertung nach Sympathieund wie oft ich zu den Umfragen renne.“Beim Professor beschweren tut er sich allerd<strong>in</strong>gsnicht; er hat Angst am Ende durchzufallen,wenn er negativ auffällt.Mit dieser E<strong>in</strong>stellung ist er nicht alle<strong>in</strong>. Ste<strong>in</strong>grubehat <strong>in</strong> se<strong>in</strong>en Lehrveranstaltungen e<strong>in</strong>System der Unsicherheit geschaffen, zu <strong>in</strong>transparentist se<strong>in</strong>e Bewertung, zu undurchsichtigse<strong>in</strong>e Bemerkungen. Gleich zu Beg<strong>in</strong>n des Studiumsstellte er bei den frischen Erstsemesternklar: rauchende und Knoblauch essende Studentenkann er nicht leiden. Auch rothaarigeFrauen hätten bei ihm e<strong>in</strong>en schweren Stand.Und so rennen Stefan und se<strong>in</strong>e Kommilitonenlieber zu den vielen Umfragen, verbr<strong>in</strong>genStunde um Stunde an ihren Checkpo<strong>in</strong>ts, nurum nicht den Missmut des Professors zu erwecken.„Ste<strong>in</strong>grube ist zwar e<strong>in</strong> etwas sonderbarer Professor,der aber nicht alles ernst me<strong>in</strong>t, was ersagt“, versucht Ulrike Gentzen vom FachschaftsratGeografie zu beschwichtigen. Auch sagt sie,wenn die Studenten e<strong>in</strong> Problem haben, müssensie zu ihnen kommen. Andernfalls könntensie nicht aktiv werden. Dass die StudierendenAngst haben, dass ihre Namen trotzdem amEnde bei Professor Ste<strong>in</strong>grube landen und ihnendadurch Nachteile entstehen könnten,kann sie nicht verstehen.Als Dr. Ursula von der Gönne-Stüb<strong>in</strong>g, Leiter<strong>in</strong>des Prüfungsamtes, durch den moritz vonden Vorwürfen hört, ist sie zunächst sprachlos.„So etwas schreckliches hat es <strong>in</strong> me<strong>in</strong>er gesamtenLaufbahn noch nicht gegeben“, erklärtsie schockiert. Gleichzeitig rät sie jedem Studentenab, sich persönlich zu beschweren. „Derbeste Ansprechpartner <strong>in</strong> so e<strong>in</strong>em Fall ist derProrektor für Studium und Lehre.“Auch im Müritz Nationalpark zeigte man sichvon den schweren Vorwürfen überrascht. UlrichMeßner, Leiter des Parks, erklärt, er wissezwar, dass zur Datenerhebung studentischeKräfte e<strong>in</strong>gesetzt werden. In welcher Form derE<strong>in</strong>satz erfolge, sei allerd<strong>in</strong>gs Sache ProfessorSte<strong>in</strong>grubes. „Das Nationalparkamt Müritz legtjedoch Wert darauf, dass die Studie unter akzeptablenBed<strong>in</strong>gungen erarbeitet wird“, heißtes <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er schriftlichen Stellungnahme.Wilhelm Ste<strong>in</strong>grube selbst kann all die Aufregungnicht verstehen. Die Verbesserung derNote um e<strong>in</strong> Zehntel pro Umfragentag sei nure<strong>in</strong>es se<strong>in</strong>er vielen „abenteuerlichen Denkmodelle“gewesen. „Wenn e<strong>in</strong> Student mir so etwasglaubt, dann tut er mir leid und hat an e<strong>in</strong>erUniversität nichts verloren. Er bekommtmit Sicherheit auch ke<strong>in</strong>en Sche<strong>in</strong> von mir“, er-Foto l<strong>in</strong>ks: André Schnuhr; Foto rechts: Patrice Wangen* Name von der Redaktion geändert20 MORITZ 84 // MAI 2010


BerichtUni versumFoto: wikimedia.org cc-by-sa3.0 Niteshiftklärt der Professor sarkastisch. Neben der Tatsache,dass <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Bachelorstudiengang ke<strong>in</strong>eSche<strong>in</strong>e mehr vergeben, sondern Prüfungengeschrieben werden, muss sich se<strong>in</strong>e Aussagefür Stefan und se<strong>in</strong>e Kommilitonen wie derblanke Hohn anhören.Das System Ste<strong>in</strong>grube, e<strong>in</strong> System der Unsicherheit,wird wieder deutlich. Warum soll e<strong>in</strong>Student, der se<strong>in</strong>en Professor ernst nimmt, diePrüfung nicht bestehen? Warum denkt der Professorvor se<strong>in</strong>en Studenten dermaßen laut undnachdrücklich? Sollte der E<strong>in</strong>druck e<strong>in</strong>es Zusammenhangszwischen der Anzahl der Teilnahmenan der Umfrage und der Endnoteentstehen? Und vor allem: wenn nicht die Umfragebewertet wird, was dann? E<strong>in</strong> Testat wurdenicht geschrieben, auf ihre Noten warten dieStudierenden bis heute. „Die Notenvergabe iste<strong>in</strong>e Sache, die niemand von außen etwas angeht“,erklärt Ste<strong>in</strong>grube. „Die Studierendenhaben mehrheitlich abgestimmt, dass sie statte<strong>in</strong>es Testats an e<strong>in</strong>er Umfrage teilnehmen wollen.Dieser Mehrheit muss ich mich fügen.“ Stefanzu Folge ist diese Abstimmung jedoch imletzten W<strong>in</strong>ter gewesen, zu e<strong>in</strong>em Zeitpunkt, andem das Ausmaß der Umfrage noch überhauptnicht klar war. Außerdem hätte es mehrere Gegenstimmengegeben und e<strong>in</strong>ige Studentenwären gar nicht anwesend gewesen. Wenn esnach Prüfungsamtleiter<strong>in</strong> von der Gönne-Stüb<strong>in</strong>ggeht, wird über Prüfungen überhauptnicht abgestimmt. „Es wird gemacht, was <strong>in</strong>der Prüfungsordnung steht“, stellt sie klar. Fürden Prorektor für Studium und Lehre, MichaelHerbst, spielt noch e<strong>in</strong> <strong>weiter</strong>er Aspekt e<strong>in</strong>ewichtige Rolle. „Bei der Teilnahme von Studierendenan Forschungsprojekten muss das <strong>in</strong>den Modulen genau festgelegte Workload beachtetwerden. Es darf ke<strong>in</strong>e hemmungsloseAusbeutung stattf<strong>in</strong>den“, erklärt er. In dementsprechenden Modul „Methoden I“ s<strong>in</strong>d 330Arbeitsstunden für <strong>in</strong>sgesamt vier Veranstaltungenmit vier Testaten <strong>in</strong> zwei Semestern vorgesehen.Würde e<strong>in</strong> Student die gefordertenzehn Umfragentage erfüllen, wären bereits 140Stunden des Workloads für das gesamte Modulverbraucht, alle<strong>in</strong> für die Datenerhebung. Dazukommen noch Sem<strong>in</strong>arzeiten, Vor- und Nachbereitungdes Lernstoffes, Prüfungsvorbereitungfür drei <strong>weiter</strong>e Veranstaltungen und so<strong>weiter</strong>. Das ist <strong>in</strong> der vorgegebenen Zeit nichtzu schaffen.E<strong>in</strong>e besonders pikante Note bekommt dieganze Angelegenheit bei näherer Betrachtungder Auftragslage der Umfrage. Wie der MüritzNationalpark bestätigt, wurde der Auftragan das „Ste<strong>in</strong>beis Transferzentrum für Freizeit-,Tourismus- und Regionalforschung“ vergeben,welches zur privaten Ste<strong>in</strong>beis Stiftung mit Sitz<strong>in</strong> Stuttgart gehört. Der Geschäftsführer desGreifswalder Zentrums ist Wilhelm Ste<strong>in</strong>grube.Die Ste<strong>in</strong>beis Stiftung ist e<strong>in</strong> Netzwerk aus 778Transferzentren <strong>in</strong> ganz Deutschland. „Die e<strong>in</strong>zelnenTransferzentren s<strong>in</strong>d nicht <strong>in</strong> die Universitäten<strong>in</strong>tegriert, ihre Leiter s<strong>in</strong>d aber <strong>in</strong>der Regel an Hochschulen beschäftigt“, erklärtProfessor Re<strong>in</strong>hard Zölitz, ebenfalls Leitere<strong>in</strong>es eigenen Ste<strong>in</strong>beis Transferzentrums<strong>in</strong> Greifswald. „Ziel ist es, das Know-how e<strong>in</strong>erUniversität Unternehmen zur Verfügung zustellen.“ Wenn e<strong>in</strong> Auftrag erfolgreich verlaufe,verdiene am Ende der Geschäftsführer des Zentrums.Im Jahr 2009 hat die Stiftung e<strong>in</strong>en Gesamtumsatzvon 118 Millionen Euro erzielt.Dass er Studenten unter Prüfungsdruck für se<strong>in</strong>eprivaten Aufträge e<strong>in</strong>spannt, ist für ProfessorSte<strong>in</strong>grube ke<strong>in</strong> moralisches Problem. „DieUmfrage ist e<strong>in</strong>e direkte Anwendung des <strong>in</strong> derVorlesung erlernten Stoffes. Außerdem werdendie Daten auch für andere Zwecke verwendet,wie Diplomarbeiten und Aufsätze“, erklärt er.Tobias Re<strong>in</strong>sch, wissenschaftlicher Mitarbeiterbeim Justitiariat der Universität erläutert, dasse<strong>in</strong>e solche Vermischung rechtlich denkbar sei,aber auf den konkreten E<strong>in</strong>zelfall angewendetwerden müsse. „Der Auftrag müsste im Zusammenhangmit der Forschung des Institutesan der Universität stehen.“ Bei Umfragen zumKaufverhalten der Besucher des Müritz Nationalparksdarf dies zum<strong>in</strong>dest leise bezweifeltwerden; e<strong>in</strong>en unangenehmen Beigeschmackh<strong>in</strong>terlässt e<strong>in</strong>e solche Vorgehensweise allemal.Zumal sich im W<strong>in</strong>ter zunächst ke<strong>in</strong>e Freiwilligenfür das Projekt f<strong>in</strong>den ließen.Im Prüfungsamt denkt man nun über <strong>weiter</strong>eSchritte nach. Prorektor Herbst hat den Fall andie Rechtsabteilung der Universität <strong>weiter</strong>gegeben,die zunächst die rechtlichen Grundlagenprüfen muss. Herbst erklärt: „Sollten wirke<strong>in</strong>e Lösung für das Problem f<strong>in</strong>den, muss iche<strong>in</strong> Gespräch mit Herrn Ste<strong>in</strong>grube führen.“Mittlerweile ist es Mai und die Befragungengehen unaufhörlich <strong>weiter</strong>. Zwölf Stunden hatStefan wieder an se<strong>in</strong>em Checkpo<strong>in</strong>t gesessenund gewartet. Gewartet, gezählt und befragt.Zu Hause <strong>in</strong> Greifswald fanden die Vorlesungenohne ihn statt. Und wie es aussieht, wird er jetztauch noch e<strong>in</strong> Testat schreiben müssen.MORITZ 84 // MAI 201021


Uni versumBericht"Ich war noch niemals <strong>in</strong> New York..."Oder vielleicht doch? moritz sprach mit Studenten der diesjährigenGreifswalder Delegation bei der NMUN-Konferenz <strong>in</strong> NYC. Von Sabr<strong>in</strong>a Schmidt und Luise Röpkeansprucht, sollte man versuchen, die Kostenmöglichst ger<strong>in</strong>g zu halten. Greifswald liegt <strong>in</strong>e<strong>in</strong>er strukturschwachen Region und ist nichtgerade für zahlungskräftige Studenten bekannt.E<strong>in</strong>e Vorleistung von umgerechnet 1000Euro hat hier also wirklich nichts mit e<strong>in</strong>em„Wollen“, sondern viel mehr mit e<strong>in</strong>em „Können“zu tun. Selbst die anteilige Rückzahlungder Kosten er<strong>weiter</strong>t den Kreis der Studenten,die teilnehmen können, nicht wesentlich. Wäre<strong>in</strong> dieser Situation nicht e<strong>in</strong> „Solidaritätsfond“oder ähnliches angebracht? Das Grundkonzeptdes Vere<strong>in</strong>s GreiMUN ist an dieser Stelle e<strong>in</strong>deutigausbaufähig, um allen Studenten die Partizipationzu ermöglichen.Von all den Geldproblemen abgesehen, hatdas GreiMUN-Team die diesjährige Delegationgut vorbereitet. In e<strong>in</strong>em halbjährigen Sem<strong>in</strong>arwurde den 45 Interessierten die grundsätzlichenArbeitsweisen und Prozeduren beiUN-Simulationen beigebracht. „Wie bei jedemanderen vollwertigen Sem<strong>in</strong>ar muss man Haus-Den Anzug noch e<strong>in</strong>mal gerade ziehen.Sitzt die Frisur? Egal. Den Aufzug aushört. Auf dem Weg <strong>in</strong> das UN-Hauptgebäudegenehmige ich mir e<strong>in</strong>en völlig überteuertenarbeiten anfertigen und jede Menge vor- undnachbereiten“, berichtet die 19-jährige StefanieOeckel. Was vielleicht e<strong>in</strong> Grund für vieledem 23. Stockwerk runter <strong>in</strong>s Foyer, vorbei anBagel mit Frischkäse.Studenten war, das Sem<strong>in</strong>ar vorzeitig abzubre-1000-2000 anderen Studenten <strong>in</strong> Bus<strong>in</strong>ess-Dass New York City teuer ist, weiß man, aberchen. Der zusätzliche Druck, der vom Organi-Kleidung, re<strong>in</strong> <strong>in</strong> den zweiten Aufzug, h<strong>in</strong>aufwer träumt nicht von e<strong>in</strong>em Besuch diesersationsteam auf die „Bewerber“ durch Tests,<strong>in</strong>s Konferenzzentrum des Hotels. Der Saal istStadt? Doch wie viel ist jeder e<strong>in</strong>zelne bereit da-Vokabeltra<strong>in</strong><strong>in</strong>g und ständige Beobachtungschon jetzt brechend voll. Es liegt e<strong>in</strong>e gewissefür zu bezahlen? Alle<strong>in</strong>e der Flug kostete rundausgeübt wurde, könnte e<strong>in</strong> <strong>weiter</strong>er Faktor fürSpannung und Vorfreude <strong>in</strong> der Luft. Verschie-450 Euro und wenn man bedenkt, dass für diemanchen Ausstieg gewesen se<strong>in</strong>. Am Ende desdensprachige Wortfetzen dr<strong>in</strong>gen an me<strong>in</strong> Ohr,Verpflegung selbst gesorgt werden musste, dieSem<strong>in</strong>ars waren von den anfänglichen 45 gan-hektisch suche ich me<strong>in</strong>en Mitdelegierten <strong>in</strong>Unterbr<strong>in</strong>gung im Hotel und der Teilnahme-ze 18 Personen übrig geblieben und die Dele-der Menge. Unter all den Menschen <strong>in</strong> Anzügenbeitrag <strong>weiter</strong>e 450 Euro kosteten, wird e<strong>in</strong>emgation musste mit Teilnehmern aus dem Vor-und Kostümen f<strong>in</strong>de ich ihn nicht gleich. Lang-schnell klar, dass für e<strong>in</strong>e NMUN-Teilnahmejahr aufgestockt werden. Andererseits ist dassam werde ich nervös. Es ist kurz vor 20 Uhr undm<strong>in</strong>destens 1000 Euro vorzuleisten s<strong>in</strong>d.Sem<strong>in</strong>ar e<strong>in</strong>e Erfahrung, die e<strong>in</strong>en zwischen-die erste Session soll gleich beg<strong>in</strong>nen. Schließ-„Als geme<strong>in</strong>nütziger Vere<strong>in</strong> ist man auf die För-menschlich und persönlich <strong>weiter</strong>br<strong>in</strong>gt. Daslich entdecke ich ihn <strong>in</strong> der dritten Reihe. Er-derung durch die Universität und Sponsoreneigene Auftreten und Verhandlungsgeschickleichtert lasse ich mich neben ihn auf den frei-angewiesen, man will sich aber auch nicht vonwerden kritisch h<strong>in</strong>terfragt und aus eigenemen Stuhl s<strong>in</strong>ken. Unsere kurze Vorbesprechungder Uni vere<strong>in</strong>nahmen lassen. Immerh<strong>in</strong> s<strong>in</strong>dAntrieb heraus professionalisiert. „Trotz all derwird jäh vom Sitzungsleiter unterbrochen. Diewir e<strong>in</strong> re<strong>in</strong> studentisches Projekt“, so SebastianKosten und Strapazen b<strong>in</strong> ich froh, das alles er-Session wird offiziell eröffnet.Polster, Vorsitzender des GreiMUN e.V. Auchlebt haben zu können. Und dafür habe ich gerneAußer e<strong>in</strong>em sche<strong>in</strong>bar ewig dauernden Aufru-e<strong>in</strong>e Kostenreduzierung durch Anb<strong>in</strong>dung anme<strong>in</strong> komplettes Weihnachtsgeld <strong>in</strong>vestiert“, er-fen jedes e<strong>in</strong>zelnen Landes und der damit e<strong>in</strong>-e<strong>in</strong>en Lehrstuhl oder das Buchen von billigerenklärte Stefanie im Interview mit moritz. „Au-her gehenden Feststellung, ob das Land an-Hostels <strong>in</strong> New York sei nicht möglich.ßerdem war ich vorher noch nie außerhalb vonwesend und wahlbereit ist, f<strong>in</strong>det an diesemIst das nicht eher e<strong>in</strong>e Frage des Wollens alsEuropa – ganz zu schweigen von New York City!Sonntagabend nur die Debatte über die Tages-e<strong>in</strong>e des Könnens? Laut Regelwerk von Nati-Der gewonnene Award war die Krönung diesesordnung statt. Aber auch diese ist eher forma-onal Modell United Nations (NMUN) könnenAuslandsaufenthaltes.“ Neben der Auszeich-ler als <strong>in</strong>haltlicher Natur. Anschließend f<strong>in</strong>detdie Delegationen durchaus ihre Unterkunft fre<strong>in</strong>ung „Outstand<strong>in</strong>g Delegation“ und dem Be-<strong>in</strong> der „Delegate Lounge“ noch e<strong>in</strong>e Party statt,wählen. Es gibt Gründe, die für e<strong>in</strong>e Unterbr<strong>in</strong>-such der Metropole New York City sollte der ei-die ich aber nach e<strong>in</strong>em kritischen Blick <strong>in</strong> mei-gung im „Sheraton“ oder „Mariott“ sprechen.gentliche S<strong>in</strong>n von NMUN nicht aus den Augennen Geldbeutel lieber sausen lasse – außerdemb<strong>in</strong> ich ziemlich müde und geschafft. Auch amnächsten Morgen gilt der erste Gedanke denMoneten, denn von Halb- oder gar Vollpensionhat man im Hotel „Sheraton“ noch nichts ge-Zum Beispiel, dass die Konferenzen <strong>in</strong> den genanntenHotels stattfanden und die anderenDelegationen ebenfalls <strong>in</strong> diesem Hotel übernachteten.Wenn man allerd<strong>in</strong>gs die Partizipationmöglichst vieler Studenten als Maxime be-verloren werden, me<strong>in</strong>t Stefanie: „Das wichtigsteist bei weltpolitischen Problemen Kompromissezu erzielen und Erfahrungen <strong>in</strong> <strong>in</strong>terkulturellerKommunikation zu sammeln. Wie sagt man soschön: Dabei se<strong>in</strong> ist alles!“Foto: Sabr<strong>in</strong>a Schmidt22 MORITZ 84 // MAI 2010


BerichtUni versumDichter Nebel verhüllt die ProfessurWer den Weg der akademischen Laufbahn e<strong>in</strong>schlägt, hat mit vielen H<strong>in</strong>dernissenzu kämpfen. Von Maria StracheLange bevor jeder Deutsche Reserveoffizierwerden wollte, träumte er davon,Privatdozent zu werden“, so schrieb es e<strong>in</strong>stder deutsche Rechtshistoriker und SoziologeEugen Rosenstock-Huessy im Jahre 1950. DieStelle des Privatdozenten verband wesentlicheWünsche bürgerlicher Gesellschafts- und Lebensauffassung:Noch nicht Beamtenverhältnis,gab sie liberalen Bestrebungen Raum und hattezugleich an den offiziellen Würden der Universitätteil – e<strong>in</strong>e geradezu ideale Verb<strong>in</strong>dung vonprivater und öffentlicher Sphäre. Als Grundlagefür künftige Professoren war sie e<strong>in</strong>e Garantieder Freiheit für das akademische Lehramt undsomit Inbegriff bürgerlichen Ansehens.Bürgerliches Ansehen ist heutzutage wohlnicht mehr der richtige Begriff dafür. Denn umdie Situation der Privatdozenten steht es eherschlecht. Mit Promotion und Habilitation entscheidetman sich gewissermaßen für die akademischeLaufbahn. Der Weg nach oben gestaltetsich jedoch komplizierter als viele glauben.Denn bis ganz nach oben, zum Professor, schaffenes die Wenigsten. Bei Betrachtung der Gründes<strong>in</strong>d natürlich viele Aspekte zu beachten.Mit der Habilitation erlangt man nicht, wie vielleichtlandläufig angenommen, den Titel desProfessors. Sondern im Landeshochschulgesetzsteht geschrieben: „Die Habilitation dientder förmlichen Feststellung der Befähigung zurselbständigen Forschung und Lehre <strong>in</strong> e<strong>in</strong>emwissenschaftlichen Fach. Aufgrund der Habilitationwird der akademische Grad e<strong>in</strong>es habilitiertenDoktors (doctor habilitatus) verliehen.Die Verleihung berechtigt zur Führung diesesGrades mit e<strong>in</strong>em den Wissenschaftszweigkennzeichnenden Zusatz anstelle des entsprechendenDoktorgrades.“ Der Blick Richtung Professurwird durch dichten Nebel erschwert. Mitder Habilitation erhält man zudem die Lehrbefähigung,die facultas docendi. Welche jedochvon der Lehrbefugnis zu unterscheiden ist, dervenia legendi. Diese Befugnis wird dem Habilitiertennur auf Antrag vom Senat verliehen.„Die Lehrbefugnis berechtigt die Habilitierteoder den Habilitierten, <strong>in</strong> ihrem oder se<strong>in</strong>emFach Lehrveranstaltungen an der Hochschuleselbständig anzubieten. Mit der Verleihungder Lehrbefugnis ist das Recht zur Führungder Bezeichnung Privatdozent<strong>in</strong> oder Privatdozentverbunden. Die Verleihung begründetke<strong>in</strong> Dienstverhältnis, auch ke<strong>in</strong>e Anwartschaftauf Begründung e<strong>in</strong>es Dienstverhältnisses“, so<strong>weiter</strong>h<strong>in</strong> im Landeshochschulgesetz. Ebensogestaltet es sich bei dem Titel „außerplanmäßigerProfessor“. Hierzu müssen die Privatdozenten<strong>in</strong> der Regel fünf Jahre selbstständigeLehrtätigkeit an e<strong>in</strong>er Universität ausgeübt,hervorragende Leistungen <strong>in</strong> Forschung undLehre erbracht haben, die den Anforderungenan die Berufung als Professor<strong>in</strong> oder Professorentsprechen und durch die Gew<strong>in</strong>nung als außerplanmäßigeProfessor<strong>in</strong> oder außerplanmäßigerProfessor das Lehrangebot wesentlich ergänzt.Zwar steht hier im Titel „Professor“, dochdas Wörtchen „außerplanmäßig“ negiert wiederume<strong>in</strong> Dienstverhältnis.Genau das ist der Schwachpunkt, welcher e<strong>in</strong>hergehtmit e<strong>in</strong>er gewissen Ausnutzung seitensder Universität. Ke<strong>in</strong> Dienstverhältnis, aber dafürewiges Warten. Die Privatdozenten wartenauf e<strong>in</strong>e Berufung zum Professor oder bewerbensich x-mal auf e<strong>in</strong>e Professur und das kann<strong>in</strong> vielen Fällen sehr lange dauern. Sie hängenpraktisch <strong>in</strong> der Schwebe. Um den Titel „Privatdozent“und die venia legendi auch <strong>weiter</strong>h<strong>in</strong>zu behalten, müssen sie regelmäßig Lehrveranstaltungenabhalten oder an Projekten mitarbeiten.„E<strong>in</strong>e ganze Reihe Privatdozenten lebt von Erspartemoder gar von der Sozialhilfe“, sagt KlausLandfried, scheidender Präsident der Hochschulrektorenkonferenz.„Das ist frustrierendund unzumutbar. Besonders <strong>in</strong> den GeistesundKulturwissenschaften spielen sich menschlicheTragödien ab.“ In e<strong>in</strong>em statistischen Berichtzum Personal an Hochschulen <strong>in</strong> MV ausdem Jahre 2008 wird deutlich, dass die UniversitätGreifswald im Jahre 2008 <strong>in</strong>sgesamt 18Privatdozenten und außerplanmäßige Professorenbeschäftigt hat. Auffällig ist hierbei dieVerteilung bei den e<strong>in</strong>zelnen Fachbereichen.So bef<strong>in</strong>den sich vor allem <strong>in</strong> den Sprach- undKulturwissenschaften neun und im Bereich derMathematik und Naturwissenschaften sechsPrivatdozenten. Jedoch muss man bei Betrachtungdes Titels differenzieren. Denn nicht alle,die Privatdozenten heißen, s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> dieser misslichenLage. Manche tragen den Titel aufgrunde<strong>in</strong>er bezahlten Lehrstuhlvertretung. Auch vergüteteLehraufträge erhalten den Titel PD (Privatdozent).Doch es lassen sich auch Privatdozentenf<strong>in</strong>den, die <strong>in</strong> der entgegengesetztenLage s<strong>in</strong>d – darüber sprechen möchten allerd<strong>in</strong>gsnur Wenige.Zwar gibt es noch die Möglichkeit, e<strong>in</strong>en Lehrauftragzu erhalten, doch auch hier hängt dieBezahlung von verschiedenen Kriterien ab. Inden Richtl<strong>in</strong>ien über die Vergabe der Lehraufträgeheißt es: „Bei der Bemessung der Vergütungs<strong>in</strong>d der Inhalt der Lehrveranstaltung, dieerforderliche Vor- und Nachbereitung und dieBedeutung der Lehrveranstaltung im Rahmender Studien- und Prüfungsordnung zu berücksichtigen.Im unteren Bereich des Vergütungsrahmensliegen Sprachkurse und gleich zu bewertendeUnterrichtsveranstaltungen.“ Hierbeifällt vor allem das Kriterium der „Bedeutungder Lehrveranstaltung auf“. Dies ist sehr kritischzu betrachten, denn das Aufwiegen derWichtigkeit von Wissen darf sich eigentlichke<strong>in</strong>er anmaßen. Um den Wettbewerb e<strong>in</strong> wenigzu erleichtern und e<strong>in</strong>en neuen Qualifikationswegzu ermöglichen, wurde die Idee derJuniorprofessur im Jahre 2002 e<strong>in</strong>geführt. DieZulassungsvoraussetzung hierfür ist e<strong>in</strong>e herausragendeQualität e<strong>in</strong>er Promotion. Derlangwierige Weg der Habilitation zum Professorist somit nicht erforderlich. Juniorprofessorenwerden für die Dauer von drei Jahrenzu Beamten auf Zeit ernannt. Sie können aberauch von der Universität zur Professur berufenwerden, wenn sie nach ihrer Promotion e<strong>in</strong>emehrjährige wissenschaftliche Tätigkeit außerhalbder eigenen Hochschule ausgeübt haben.Das ursprüngliche Ziel mit der E<strong>in</strong>führung wardie Abschaffung der Habilitation. Allerd<strong>in</strong>gshat sich e<strong>in</strong>e solche Abschaffung als zu drastischerSchritt herausgestellt. Denn die Habilitationstellt <strong>in</strong> vielen Bereichen e<strong>in</strong> Karriereelementauf dem Weg zur unbefristeten Professurdar und ist folglich unabd<strong>in</strong>gbar. Somit existierendiese beiden Qualifikationswege im Hochschulgesetz.Der Traum des Privatdozenten dürfte <strong>in</strong> denheutigen Tagen sehr verblasst se<strong>in</strong>. Diejenigen,die sich für die akademische Laufbahn entscheidenund damit vom Titel des „Professors“träumen, werden wohl sehr lange auf die Erfüllungwarten müssen und vielleicht auch bitterenttäuscht werden, wenn jener sich nicht erfüllt.Doch wie gestaltet sich der Ausweg ausdiesem Dilemma? Gerade <strong>in</strong> diesen Tagen, <strong>in</strong>denen sich große Zeitungen wie DIE ZEIT demThema angenommen haben, sche<strong>in</strong>t die Problematikan Aufmerksamkeit gewonnen zu haben.So bleibt nur zu hoffen, dass dies auch Veränderungenherbeiführt.MORITZ 84 // MAI 201023


Uni versum„Manchmal wünsche ich mir Langeweile“E<strong>in</strong>e Woche <strong>in</strong> der Parallelwelt der Mediz<strong>in</strong>studenten.Von Gjorgi Bedzovski und Kathar<strong>in</strong>a SchattenbergReportageauch nicht so richtig e<strong>in</strong>stellen. Durch die Abbildungenauf den Folien des Professors kommtmir der Gedanke, dass so e<strong>in</strong>e Vorlesung e<strong>in</strong>egute Therapie für Raucher se<strong>in</strong> könnte. Wennso e<strong>in</strong>e Vorlesung e<strong>in</strong>em Raucher nicht helfenAn diesem Morgen betrete ich den Hörsaal5 im Audimax etwas gehetzt undsuche nach dem e<strong>in</strong>zigen mir bekannten Gesichtim Raum. Alle Studenten haben sich <strong>in</strong>den obersten Sitzplätzen des Hörsaals nebene<strong>in</strong>andergesetzt und dabei die ersten vier bisfünf Reihen von unten frei gelassen. Etwas außerAtem von der Fahrt auf dem Fahrrad, verschaffeich mir e<strong>in</strong>en Überblick über die Leuteim Saal und erkenne das Gesicht von Lydia.Dass im Hörsaal 5 für gewöhnlich die erstenReihen frei bleiben, ist für mich nichts Neues,schließlich hatte ich schon e<strong>in</strong>ige Vorlesungen<strong>in</strong> diesem Hörsaal besucht. Jedoch ist diesesMal etwas anders. Es s<strong>in</strong>d nicht me<strong>in</strong>e Kommilitonen,die dort h<strong>in</strong>ten den Worten des Professorslauschen. Neuer Vorlesungsstoff, vollkommenneue, meistens late<strong>in</strong>ische Begriffe, derenAussprache ich nicht beherrsche und derenBedeutung ich nicht kenne. Das ist also me<strong>in</strong>eerste Mediz<strong>in</strong>vorlesung – Physiologie und Biochemie.Wie sieht die fremde Welt der Mediz<strong>in</strong>eraus? Um diese Frage zu beantworten, begleiteich ab heute Mediz<strong>in</strong>student<strong>in</strong> Lydia undtausche für die kommende Woche me<strong>in</strong>e Kommunikations-gegen Anatomiebücher.Lydia, 22 Jahre aus Lößniz, habe ich vor knappe<strong>in</strong>em Jahr bei dem Geburtstag ihrer Mitbewohner<strong>in</strong>kennen gelernt. Lydia ist im viertenSemester ihres Mediz<strong>in</strong>studiums und steht baldvor dem Physikum, der ersten ärztlichen Prüfung.Mit diesem Semester soll der erste Teilihres Studiums beendet werden, die Vorkl<strong>in</strong>ik,wo sie die Grundlagen der Mediz<strong>in</strong> erlernt, wieAnatomie, Physik, Chemie und Physiologie. Danachfängt der aufregende Teil ihres Studiumsan – die Kl<strong>in</strong>ik. Das bedeutet drei <strong>weiter</strong>e Jahrevoll gestopft mit viel praktischer Erfahrungund Vorlesungsstoff, ärztlichen Visiten an verschiedenenStationen, vielem h<strong>in</strong> und her rennenund mit noch mehr Klausuren. Natürlichmuss das ganze Wissen erst noch durch e<strong>in</strong>enentsprechenden Lernaufwand ver<strong>in</strong>nerlichtwerden. Dann noch e<strong>in</strong> praktisches Jahr undsie kann endlich ihren Beruf ausüben. Mit demPhysikum erwartet sie nun viel Arbeit: Freizeitaktivitätenm<strong>in</strong>imieren; die besten Freundedurch die Lerngruppen ersetzen; Strand undMeer vergessen; die Sonne auf dem Weg zuVorlesungen und Sem<strong>in</strong>aren genießen, die Bibliothekals Wohnung nutzen; Sche<strong>in</strong>e sammeln;viel lesen, nachdenken und lernen: Werhätte gedacht, dass e<strong>in</strong> Studium so anstrengendse<strong>in</strong> kann.Es ist acht Uhr und der Tag beg<strong>in</strong>nt mit den verschiedenenGefäßen des Menschen, koronarerHerzkrankheit und der Adhäsion von Leukozyten.Als Geisteswissenschaftler b<strong>in</strong> ich etwasüberfordert und me<strong>in</strong>e Konzentration will sichkann, dem Tabak abzuschwören, könnte ihmdas Betrachten der Raucherlungen beim Besuchder Anatomie vielleicht helfen.Alle <strong>in</strong> weißen Kitteln, so klassisch wie mansich e<strong>in</strong>en Mediz<strong>in</strong>er vorstellt, beäugen wirdie Körper auf den Tischen. Mittlerweile ist esNachmittag geworden und das Lernen im Präparationssaalsteht auf dem Plan. In dem Saalkomme ich mir wie e<strong>in</strong> Außerirdischer vor. Trotzmuffiger Luft und vieler Leichen, die die verschiedensteSchnitte haben, Längs-, Quer- undFrontalschnitte, versuche ich cool zu bleiben.Während die Mediz<strong>in</strong>studenten vorher auf denPräparationskurs vorbereitet werden, fühle ichmich wie <strong>in</strong> kaltes Wasser geschmissen. OhneHemmungen betrachten sie mit ihren Instrumentendie Organe und Knochen der Leichenaus jedem möglichen Blickw<strong>in</strong>kel und versuchen,bestimmte Nerven oder Gefäße aus ihrenBüchern zuzuordnen. Schließlich müssen sie fürdie Anatomieprüfung alles wissen. Lydia wolltefür das Physikum alles wiederholen. Nach ungefähre<strong>in</strong>er Stunde müssen wir gehen. Lydiamöchte mich auf e<strong>in</strong> Eis e<strong>in</strong>laden, doch ich lehnedankend ab. Bevor ich wieder etwas essenkann, muss ich erstmal das Gesehene verarbeiten.Von Antje, e<strong>in</strong>er anderen Mediz<strong>in</strong>student<strong>in</strong>,erfahre ich, dass man trotz aller Wertschätzungfür die Körperspender manchmal anf<strong>in</strong>g,D<strong>in</strong>ge mit „Lernutensilien“ zu assoziieren. ZumBeispiel <strong>in</strong> der Mensa: „Das Fett der Leiche er<strong>in</strong>nertemich damals an Vanille Pudd<strong>in</strong>g.“Fotos: Kathar<strong>in</strong>a Schattenberg, Gjorgi Bedzovski24 MORITZ 84 // MAI 2010


ReportageUni versumEs ist nicht ungewöhnlich, um acht Uhr morgensVorlesung zu haben. Ungewöhnlich, zum<strong>in</strong>destfür die meisten Geisteswissenschaftler,ist es aber, wenn man jeden Tag, die ganze Wocheum acht Uhr Vorlesungen besuchen muss.Statt nach der ersten frühmorgendlichen Vorlesungan diesem zweiten Tag mit Lydia selbstständigim Präparationssaal zu lernen, steht e<strong>in</strong>vierstündiges Anatomiesem<strong>in</strong>ar auf dem Plan.Vor dem Biochemiesem<strong>in</strong>ar am Nachmittagwerden wir noch etwas Zeit für e<strong>in</strong>e Mittagspausehaben. E<strong>in</strong> Tutorium für das Physikumist für den Abend geplant. „Manchmal wünscheich mir Langeweile“, sagt Lydia auf dem Wegzwischen zwei Veranstaltungen resigniert.Es ist 18 Uhr geworden und e<strong>in</strong> anstrengenderTag neigt sich dem Ende zu. Noch sche<strong>in</strong>t dieSonne und lädt mit ihren letzten warmen Strahlenzum Erholen am Hafen e<strong>in</strong>. Aber e<strong>in</strong>e Auszeitund ke<strong>in</strong>e Vorarbeit für die nächsten Veranstaltungenzu machen, wäre vor dem Physikume<strong>in</strong>e Sünde. „E<strong>in</strong> anderes Mal“, sagt mir Lydia.Sie muss sich für das morgige Praktikum vorbereiten.Denn so e<strong>in</strong>e Vorarbeit ist für Mediz<strong>in</strong>ersehr wichtig. „Sonst lohnt es sich nichtzum Sem<strong>in</strong>ar oder Praktikum zu gehen. Dabeisollte man immer aktiv se<strong>in</strong> und alles verfolgenkönnen. Außerdem kann auch passieren,dass man nach dem Sem<strong>in</strong>ar oder während desPraktikums vom jeweiligen Leiter e<strong>in</strong> überraschendesTestat bekommt“, erzählt sie. Außerdemherrscht bei den Sem<strong>in</strong>aren Anwesenheitspflicht.Am nächsten Tag fahren wir nach Karlsburg.In diesem kle<strong>in</strong>en, von Greifswald etwa 20 Kilometerentfernten Ort, liegt das Institut fürPhysiologie der mediz<strong>in</strong>ischen Fakultät. Es iste<strong>in</strong> wunderbarer Tag, recht warm für den April.Die Sonne hat schon um zehn Uhr geschienen.Wir müssen aber zum Physiologiesem<strong>in</strong>ar undim Anschluss zum Praktikum. Hier machen dieStudenten Selbstversuche: e<strong>in</strong> Student setztsich auf e<strong>in</strong>en Drehstuhl und nach mehrm<strong>in</strong>ütigesDrehen wird se<strong>in</strong> Gleichgewichtsorgangetestet. Für jede Sitzung f<strong>in</strong>det sich dabei e<strong>in</strong>„wissenschaftliches Opfer“ aus der Praktikantengruppe.In der Restwoche erwarten uns noch e<strong>in</strong>e Vorlesungund e<strong>in</strong> Biochemiepraktikum, bis Lydiaund ich endlich <strong>in</strong> das Wochenende entlassenwerden, um die Akkus wieder aufzuladen.Mittlerweile hat Lydia ihr mediz<strong>in</strong>isch-studentischesSchicksal akzeptiert. Schließlich läuft esstressreich seit dem ersten Semester. An die 36Semesterwochenstunden damals musste siesich von Anfang an ohne Widerstand gewöhnen.Wenn die Mehrheit der Geisteswissenschaftlerfeiert, muss sie lernen. Sie verhält sichso, wie die meisten Mediz<strong>in</strong>studenten: sie istselten auf Partys, vor allem nicht wenn „Hochbetrieb“herrscht. Und der hat eigentlich gleichnach der Erstiwoche damals begonnen.Ist Feiern ungesund für das Mediz<strong>in</strong>studium?Wie auch immer die Antwort lautet, als normalerStudent braucht auch Lydia den Ausgleichim studentischen Alltag. Sie besucht Hochschulsportkurse,surft, trifft sich mit Nicht-Mediz<strong>in</strong>erfreunden(die anderen sieht sie ja jedenTag an der Uni), geht <strong>in</strong>s K<strong>in</strong>o oder <strong>in</strong>s Café. „Wirgehen aber auch ab und zu mal <strong>in</strong> den Mensa-Club“, sagt sie mit e<strong>in</strong>em Lächeln. Lydia f<strong>in</strong>detes nur manchmal ärgerlich, wenn sie auch früham Samstag <strong>in</strong> die Anatomie muss, um sich aufPrüfungen vorzubereiten. „Wie dämlich ist es,früh morgens lernen zu gehen und die Ampelns<strong>in</strong>d noch aus. Um halb sieben am Samstagaufstehen, damit man sich früh im PräparationssaalLeichen angucken kann, während dieanderen Schnapsleichen noch aus dem ‚Treffer‘nach Hause wanken“.Schließlich will Lydia Ärzt<strong>in</strong> werden, seitdem sie<strong>in</strong> der vierten Klasse war. Für mich wäre das jedochnichts. Dennoch hat es mir Spaß gemacht,e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>en Blick <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e andere fremde Weltwerfen zu können. Und wenn mir e<strong>in</strong> Mediz<strong>in</strong>eraus me<strong>in</strong>em Freundeskreis sagt, ich sollenicht so viel über me<strong>in</strong> Studium jammern, dannnehme ich das sehr ernst.MORITZ 84 // MAI 201025


Uni versumDer Anker <strong>in</strong> der OstseeDie Umsetzung des Ostseeraumschwerpunkts an der Universität Greifswald.Von Christiane MüllerSchwerpunkt“ ist e<strong>in</strong> Wort mit vielen Bedeutungen.Der geometrische Schwerpunkt,e<strong>in</strong>er dreieckigen Platte beispielsweise,ist derjenige Punkt, „der unterstützt werdenmuss, um die Platte <strong>in</strong> Balance zu halten.“ Dasses sich bei dem mit „Ostseeraum“ betiteltenSchwerpunkt unserer Universität um etwas andereshandelt, dürfte jedem klar se<strong>in</strong> – doch e<strong>in</strong>igeParallelen zu der geometrischen Form desDreiecks lassen sich vielleicht dennoch ziehen.Inwiefern muss auch der Schwerpunkt der Uniunterstützt werden, um sie „<strong>in</strong> Balance“ zu halten– sodass sie nicht kippt?Die Konzentration auf den Ostseeraum beruhtauf langen Traditionen: Schon zu Beg<strong>in</strong>ndes 20. Jahrhunderts wurde der Grundste<strong>in</strong>für e<strong>in</strong>e umfassende Beschäftigung mit nordeuropäischenLändern <strong>in</strong> Greifswald gelegt.Als schließlich der Wende folgend nach möglichenSchwerpunkten für die Uni gesucht wurde,habe man sich an den bereits bestehendenStellenstrukturen und außerdem an der geographischenLage Greifswalds orientiert, berichtetRektor Ra<strong>in</strong>er Westermann. Nicht zuletztwollte man sich <strong>in</strong> Mecklenburg-Vorpommernund auch <strong>in</strong> ganz Deutschland profilieren: „Soe<strong>in</strong>en Schwerpunkt gibt es an ke<strong>in</strong>er anderenUniversität <strong>in</strong> Deutschland!“ Die „Weiterentwicklungdes Schwerpunktes Ostseeraum zue<strong>in</strong>em Alle<strong>in</strong>stellungsmerkmal <strong>in</strong> Forschungund Lehre“ ist auch im Leitbild sowie <strong>in</strong> der Zielvere<strong>in</strong>barungder Universität von 2006 verankert.Doch Worte s<strong>in</strong>d bekanntlich noch lange ke<strong>in</strong>eTaten. Inwieweit hat die Universität nicht nurauf dem Papier ihren Schwerpunkt auf den Ostseeraumumgesetzt, sondern füllt diesen auch<strong>in</strong>haltlich aus? Wie sieht das Verhältnis zwischenAnspruch und Verwirklichung aus?Betrachtet man Institut für Institut, lässt sichdie Umsetzung des Ostseeraumschwerpunktsnoch gut nachvollziehen:E<strong>in</strong>ige Abteilungen, wie die Nordistik und dieBaltistik, s<strong>in</strong>d durch die angebotenen Studienfächerund Sprachen <strong>in</strong> gewisser Weise automatischam Schwerpunkt beteiligt. Die Baltistikbietet neben ihrem Bachelor auch den b<strong>in</strong>ationalenMasterstudiengang „Baltische Regionalstudien/ Baltijos regiono studijos“ an, e<strong>in</strong> <strong>in</strong>Deutschland e<strong>in</strong>maliges Geme<strong>in</strong>schaftsprojektmit der Universität Vilnius (Litauen). Wer sichfür das Programm entscheidet, soll e<strong>in</strong> Jahr <strong>in</strong>Greifswald und e<strong>in</strong>s <strong>in</strong> Vilnius verbr<strong>in</strong>gen unde<strong>in</strong>en doppelten Abschluss erhalten. Doch geradee<strong>in</strong>mal zwei Studenten belegen derzeitdiesen Master.Ähnlich gestaltet sich die Situation bei den Masterstudiengängen<strong>in</strong> der Nordischen Abteilung.Doch dass die Master-Plätze unbesetztbleiben, ist offensichtlich eher e<strong>in</strong> generellesProblem. So s<strong>in</strong>d Skand<strong>in</strong>avistik und Fennistikmit <strong>in</strong>sgesamt 600 Studenten sonst recht gefragteFächer, im Gegensatz zu den derzeit35 Baltisten. Professor Stephan Kessler siehtdie Ursache für die ger<strong>in</strong>ge Nachfrage <strong>in</strong> demeher negativen Image des Baltikums <strong>in</strong>nerhalbvon Europa im Vergleich zu dem der skand<strong>in</strong>avischenLänder.Dass die Nordische Abteilung <strong>in</strong>sofern e<strong>in</strong>e besonderszentrale Rolle für den Schwerpunkte<strong>in</strong>nehmen sollte, steht im Kontrast zu der ger<strong>in</strong>genBeteiligung an Forschungsprojektenzum Ostseeraum. Abgesehen von kulturellenVeranstaltungen wie dem „Nordischen Klang“f<strong>in</strong>den hier momentan ke<strong>in</strong>erlei Zusatzaktivitätenstatt. Abteilungsleiter Professor JoachimSchiedermair begründet dies damit, dass sichdas Institut zurzeit „<strong>in</strong> Erneuerung“ bef<strong>in</strong>detund mehrere Lehrstühle <strong>in</strong> der Vergangenheitnicht besetzt waren.Dass zu den Ostseeanra<strong>in</strong>ern neben den skand<strong>in</strong>avischenund baltischen Ländern auch Polenund Russland zählen, gerät schnell <strong>in</strong> Vergessenheit.Doch die Slawistik <strong>in</strong> Greifswaldbeteiligt sich durch lebhafte Partnerschaftsbeziehungenunter anderem zu Kal<strong>in</strong><strong>in</strong>grad, St.Petersburg und Stett<strong>in</strong> rege am Ostseeraum-Foto: wikimedia.org cc-by-sa3.0 - Re<strong>in</strong>hard Kraasch26 MORITZ 84 // MAI 2010


BerichtUni versumschwerpunkt. Dabei handelt es sich ke<strong>in</strong>eswegsnur um die üblichen Austauschprogramme fürStudenten; auch Lesungen von Autoren undDozentenaustausche bereichern die Lehre fürSlawisten.Sowohl <strong>in</strong> Forschung als auch <strong>in</strong> Lehre werdenam Historischen Institut besonders engagiertAkzente zum Schwerpunkt gesetzt. Von denacht Lehrstühlen haben vier im weitesten S<strong>in</strong>neBezug zur Ostseeregion. Das Studium der nordischenGeschichte wird unterstützt durch regelmäßigeGastvorträge, Dozentenaustauscheund Workshops. Exkursionen zu Orig<strong>in</strong>alschauplätzengeschichtlicher Ereignisse <strong>in</strong> Skand<strong>in</strong>avienlassen den Schwerpunkt hier, sollte mansich für e<strong>in</strong>e Spezialisierung auf die Geschichtedes Ostseeraums entscheiden, bereits sehr lebendigund anschaulich werden.Doch nicht nur die Philosophische Fakultät istan der Umsetzung beteiligt: Auch das Institutfür Geographie und Geologie br<strong>in</strong>gt sich mitSOKRATES-Intensivprogrammen mit Partneruniversitäten<strong>in</strong> F<strong>in</strong>nland, Schweden und denNiederlanden <strong>in</strong> den Forschungsschwerpunkte<strong>in</strong>.In der Rechts- und StaatswissenschaftlichenFakultät wurde für die Bereiche Jura und Wirtschaftje e<strong>in</strong> Stiftungslehrstuhl mit entsprechendemSchwerpunkt e<strong>in</strong>gerichtet. Im Diplom-StudiengangBWL können sich dieStudenten <strong>in</strong> Greifswald für das Wahlpflichtfach„Kultur-, Landes- und Wirtschaftskundedes Ostseeraums“ entscheiden. Dabei ist e<strong>in</strong>erder Schwerpunkte Baltistik, Skand<strong>in</strong>avistik, Fennistikoder Slawistik zu wählen, <strong>in</strong>nerhalb dessensowohl Sprachkenntnisse als auch landeskundlichesWissen der entsprechenden Regionzu erwerben s<strong>in</strong>d. E<strong>in</strong>e solche Konzentrationauf den Ostseeraum hält der verantwortlicheLehrstuhl<strong>in</strong>haber Professor Jan Körnert für sehrnützlich: „Jährlich drängen tausende BWL-Studentenauf den Arbeitsmarkt und man kannsich mit dem Ostseeraum e<strong>in</strong>e <strong>in</strong>teressante,die Aufmerksamkeit erregende Nische erschließen.E<strong>in</strong> solch <strong>in</strong>dividuelles Profil wird vom Arbeitsmarkthonoriert.“ Dazu hat er auch gleiche<strong>in</strong> e<strong>in</strong>leuchtendes Beispiel parat: „So wäre esvermutlich nicht schlecht, wenn man bei Geschäftsverhandlungenmit Nokia weiß, wasdas Kalevala ist, ob es schon e<strong>in</strong>mal e<strong>in</strong>en f<strong>in</strong>nischenNobelpreisträger gab und man sichwomöglich <strong>in</strong> der Landessprache grob verständigenkann.“Dennoch fehlt es dem Großteil an Studentenwohl dennoch an Interesse (oder an Mut?) füre<strong>in</strong>e <strong>in</strong>ternationale Orientierung; dies jedenfallslässt die ger<strong>in</strong>ge <strong>in</strong>dividuelle Nachfrage nachdiesem Angebot vermuten.Doch damit man tatsächlich von e<strong>in</strong>er Gesamtausrichtungder Universität sprechen kann, dieauch das Potential hat, e<strong>in</strong>e Identität zu stiften,bedarf es mehr als dieser zahlreichen E<strong>in</strong>zel<strong>in</strong>itiativenlediglich auf Institutsebene. Es bedarfder Zusammenarbeit, Projekte auch über mehrereFächer und Fakultäten h<strong>in</strong>weg. E<strong>in</strong>e stärkere„Vernetzung“ der Aktivitäten fordert beispielsweiseauch Professor Ulrike Jekutsch vonder Slawistik. Das gilt auch für die re<strong>in</strong> formaleBegründung e<strong>in</strong>es Forschungsschwerpunktes:„Zu e<strong>in</strong>em Forschungsschwerpunkt wird e<strong>in</strong>Bereich erst dann, wenn es m<strong>in</strong>destens e<strong>in</strong> gefördertesVerbundprojekt gibt“, erklärt RektorWestermann. Dieses Verbundprojekt hat dieGreifswalder Uni Professor Michael North vomHistorischen Institut zu verdanken, der zu Beg<strong>in</strong>ndes Jahres das <strong>in</strong>ternationale Graduiertenkolleg„Grenzräume <strong>in</strong> der Ostseeregion: DerWandel kultureller und mentaler Grenzen imOstseeraum“ („Baltic Borderlands“) nach Greifswaldgeholt hat und leitet.In dem Kolleg forschen über 20 Doktorandenund mehrere Postdoktoranden aus verschiedenenLändern geme<strong>in</strong>sam <strong>in</strong> <strong>in</strong>terdiszipl<strong>in</strong>ärerPerspektive zum Thema Grenzräume <strong>in</strong> der Ostseeregion.Neben Greifswald wird das Kollegdurch die Universität Lund <strong>in</strong> Schweden und dieUniversität Tartu <strong>in</strong> Estland getragen. Die DeutscheForschungsgeme<strong>in</strong>schaft (DFG) fördertdas Projekt mit rund zwei Millionen Euro. DieBedeutung des Kollegs für die Uni Greifswaldist nicht zu übersehen: Der proklamierte Forschungsschwerpunkt„Ostseeraum“ wird alle<strong>in</strong>von dem Graduiertenkolleg getragen und <strong>in</strong>stitutionalisiert.„Dass man so den Schwerpunktsichtlich etablieren konnte, ergibt e<strong>in</strong>en großenVorteil <strong>in</strong> der Wahrnehmung Greifswalds <strong>in</strong>der Öffentlichkeit“, erklärt der Koord<strong>in</strong>ator desKollegs Dr. Alexander Drost vom HistorischenInstitut dazu. Auch die <strong>in</strong>ternationalen Dimensionendes Projektes tragen wesentlich zu e<strong>in</strong>erStärkung der Philosophischen Fakultät bei:„Um die F<strong>in</strong>anzierung durch die DFG zu erreichen,musste Greifswald e<strong>in</strong>e exzellente Doktorandenausbildungim <strong>in</strong>ternationalen Vergleichvorweisen und auch als Forschungsuniversitätauf Weltniveau wahrgenommen werden.“ ZurBedeutung für die Umsetzung des Ostseeraumschwerpunkterklärt Drost <strong>weiter</strong>: „Mit der Etablierungdes Graduiertenkollegs hat man es geschafft,dass der Ostseeraumschwerpunkt auchfassbar wird!“Zweifelsohne ist der Schwerpunkt auf dieseWeise sichtbar repräsentiert und „fassbar“: Fürdie DFG, für die Wahrnehmung Greifswalds <strong>in</strong>Mecklenburg-Vorpommern und <strong>in</strong> der deutschenHochschullandschaft. Aber was ist mitden Studenten? Die Projekte und Tagungen desGraduiertenkollegs, die öffentlich s<strong>in</strong>d, werdenkaum von ihnen wahrgenommen. Das Interessean dem Projekt aus studentischer Sicht istmehr als dürftig; dass mit den siebenstelligenFörderungsbeiträgen der DFG auch die Lehregestärkt wird, <strong>in</strong>dem man so beispielsweise Professorenan die Universität b<strong>in</strong>den kann, bleibtunbemerkt. Ob das Profil, das die Uni mit demSchwerpunkt herzustellen versucht, für die Studentenebenso sichtbar wird, bleibt daher fraglich.E<strong>in</strong> Weg dorth<strong>in</strong> würde vielleicht über die Etablierungvon <strong>weiter</strong>en Aktivitäten führen, <strong>in</strong>demman noch deutlich mehr fächerübergreifendeProjekte auch für Studenten aufstellt: „Wirhaben e<strong>in</strong>en deutlichen Mangel an größerenVerbundprojekten, abgesehen von dem Graduiertenkolleg“,me<strong>in</strong>t auch Rektor Westermann.„Da s<strong>in</strong>d andere Unis erfolgreicher; wir müssen<strong>in</strong> Greifswald noch e<strong>in</strong>iges tun <strong>in</strong> der H<strong>in</strong>sicht.“E<strong>in</strong>en <strong>weiter</strong>en Weg sieht er <strong>in</strong> der Konzeptione<strong>in</strong>es <strong>in</strong>tegrativen Studiengangs „Ostseeraum-Studien“, der verschiedene Studiengänge derSkand<strong>in</strong>avistik, Fennistik, Baltistik und Slawistikverb<strong>in</strong>den soll. Seit vielen Jahren seien dazu bereitsVorschläge gemacht worden, doch diesewurden immer wieder wegdiskutiert. So fehltbisher e<strong>in</strong>e „identitätsstiftende, geme<strong>in</strong>sameAktivität zwischen den verschiedenen Instituten“,wie sie sich Westermann wünscht.Ob man mit e<strong>in</strong>er derartigen Ausgestaltungdes Schwerpunkts tatsächlich Studenten anlockenkann, bleibt fraglich: Die ger<strong>in</strong>ge Frequentierungvon Studiengängen wie Baltistikmacht das eher ger<strong>in</strong>ge studentische Interesseam Ostseeraum im Vergleich zu anderen Sprachenund Regionen deutlich. Doch wenn sichdie Ostseeregion im Profil auch nicht als Magnetfür junge Leute herausstellt, besteht immernoch die Chance, Studenten, die es bereitsnach Greifswald verschlagen hat, vor Ortfür den Ostseeraum zu <strong>in</strong>teressieren. GeradeStudenten aus anderen Fakultäten als der Philosophischen,wie Wirtschaftswissenschaftler,könnten die Möglichkeiten <strong>in</strong> Greifswald nutzen,um sich hier für den auf dem Arbeitsmarktzu spezialisieren. Doch um solche Kandidatenzu erreichen, bedarf es tatsächlich e<strong>in</strong>es lebendigenSchwerpunktes, der das Interesse auf sichzieht – und nicht zuletzt auch des Mutes dieserStudenten gerade für die ungewöhnlichen Nischen.Die Konzentration auf e<strong>in</strong>en bestimmtenSchwerpunkt trägt immer zur Profilierung bei,zur Herausbildung von e<strong>in</strong>zigartigen Besonderheiten,zur Abhebung vom Mittelmaß. E<strong>in</strong> solchesAlle<strong>in</strong>stellungsmerkmal ist heute sowohlfür arbeitsuchende Absolventen im <strong>in</strong>dividuellenLebenslauf wichtig, als auch für die UniversitätGreifswald und die Begründung ihrerDase<strong>in</strong>sberechtigung. Gerade <strong>in</strong> Zeiten, <strong>in</strong> denendiese nicht mehr über e<strong>in</strong>e gesicherte Stellung<strong>in</strong> der Hochschullandschaft verfügt undmöglicherweise e<strong>in</strong>en „Anker“ <strong>in</strong> ihr braucht. Sowie bei e<strong>in</strong>em Dreieck, dessen Schwerpunkt unterstütztwerden muss, um es vor dem Kippenzu bewahren.MORITZ 84 // MAI 201027


Uni versumSerieTradition und Moderne,e<strong>in</strong> Rundgang durch RigaUnsere Europareise entlang der Partneruniversitätengeht immer <strong>weiter</strong> nachOsten. Diesmal landet moritz <strong>in</strong> der imposantenlettischen Metropole Riga, wo der so bee<strong>in</strong>druckendeJugendstil auf sozialrealistischeBauten trifft und damit auch die Letten auf dieRussen. Die Hauptstadt des lettischen Staatesist von vielen Kontrasten geprägt, was am bestenan der ethnischen Herkunft der Rigenserzu sehen ist – nur 50 Prozent der Hauptstadte<strong>in</strong>wohners<strong>in</strong>d Letten.Durch die Gassen, Plätze und beste LokalitätenRigas führen zwei Studierende aus Greifswald:Jana Ebell und Ingolf Pätzold.Bevor wir uns aber auf den Rundgang begeben,machen wir noch e<strong>in</strong>en kurzen Stopp im AkademischenAuslandsamt, wo alle Interessiertendetaillierte Auskunft bekommen können.Die Universitätspartnerschaft mit Riga bestehtseit 1992. Schwerpunkte der Zusammenarbeitbilden vor allem die Baltistik, Geschichte, Germanistik,Kirchenmusik sowie Biologie, Physik,Philosophie oder Rechtswissenschaften undMathematik.Die Kontraste prägen RigaAuf die Gegensätze Rigas kommt Ingolf schnellzu sprechen: „Auf der e<strong>in</strong>en Seite ist alles hypermodern:Straßen, Häuser, Parks, richtige Bonzenschleudernfahren durch die Gegend, 20Jahre alte Trolleybusse neben ganz neuen und,und, und. Auf der anderen Seite gibt es die Gegendenmit den „Arbeiterschließfächern“ (geme<strong>in</strong>ts<strong>in</strong>d Wohnsilos, Anm. d. Red.) aus den80ern und da ist wirklich nichts neu gemacht,außer Hypermärkten – dem Rimi aus Estlandoder Maxima aus Litauen. Davor stehen Schigulisund Audi 80, wenn du toll bist hast du e<strong>in</strong>en3er BMW“. Die auffallenden Unterschiede s<strong>in</strong>debenso Jana bewusst geworden, aber wenn esum den Sport geht, sagt sie, s<strong>in</strong>d alle – egal obhiesige Russen oder Letten – Anhänger der lettischenNationalmannschaft.Kultur und Offenheit purWas e<strong>in</strong>em beim Betrachten Rigas gleich klarwird, ist die Zugänglichkeit der Kultur. Janaschwärmt von den preisgünstigen Theater- undMuseumskarten, die <strong>in</strong> Lettland den Zugang zuKultur erleichtern. Es sei e<strong>in</strong> Genuss ebenso dieSportveranstaltungen zu besuchen. „Eishockeyist dort Nationalreligion, Leute pilgern e<strong>in</strong>fachzu den verschiedenen Spielen. Ich habe auchkaum e<strong>in</strong>s an mir vorbei gehen lassen!“, ezähltJana zu den berühmten Hockeyspielen. Ingolfdagegen verne<strong>in</strong>t das Vorurteil, dass die Lettenverschlossen seien. „Letten werden ja immer alsetwas missmutig, griesgrämig und verschlossenbeschrieben, aber das trifft nur auf die erstenTage zu. Wenn man sie e<strong>in</strong>mal näher kennenlernt und auf e<strong>in</strong> Brenģulīts e<strong>in</strong>lädt (imOfengärverfahren hergestelltes Bier aus demInfokasten zur Latvijas Universitāte <strong>in</strong> RigaGründungsjahr: 1919Zahl der Studierenden: 25000Anzahl der Fakultäten: 13Miete: Studentenwohnheim rund 70 EURWG ab rund 250 EURStudieren im Ausland: Lettland wartet!Von Grezgorz Lisekgleichnamigen Ort bei Valmiera, Anm. d. Red.),fangen sie ganz schnell an zu plaudern unds<strong>in</strong>d sehr freundlich.“Viel Grünes hilft beim StudierenRiga besitzt unzählige Plätze und Parks, wo sichnach dem erschöpfenden Tag an der Uni gerneviele Studierende treffen. „Neben der Altstadtkann man sich gut <strong>in</strong> den vielen Parks Rigas entspannen“,erklärt Jana, die das dortige Studiumsehr bereichernd fand. Sie fasst kurz die Unterschiedeim Studium <strong>in</strong> Lettland zum Studium<strong>in</strong> Greifswald zusammen: „Was ich <strong>in</strong> den Sem<strong>in</strong>arenan der Uni <strong>in</strong> Riga erfahren habe, werdeich auf jeden Fall <strong>in</strong> Greifswald gut anwendenkönnen. Neben Sem<strong>in</strong>aren auf Lettisch habeich viele Veranstaltungen auf Englisch besucht.Was <strong>in</strong>teressant ersche<strong>in</strong>t, ist die Form, wie dieLetten geprüft werden. Man schreibt viel mehrals <strong>in</strong> Greifswald. Die Studierenden sollen zahlreichePapers schon im Laufe des Semesterse<strong>in</strong>reichen.“Sowohl Jana als auch Ingolf empfehlen allenStudenten, die e<strong>in</strong> Semester im Ausland planen,nach Riga zu kommen, nicht nur wegendes umfangreichen Sem<strong>in</strong>arangebots, sondernauch wegen der Laima-Uhr, die die Zeit <strong>in</strong> Rigaanzeigt. Laima ist das lettische Wort für Glück.Foto: Jana Ebell28 MORITZ 84 // MAI 2010


Foto: Annegret AdamGreifsWeltBlickw<strong>in</strong>kel | Es kommt immer darauf an, welchen Betrachtungsw<strong>in</strong>kel man wählt. Dafür muss auch mal etwas gewagt werden. Wir nähern uns unberührterNatur und verbrachten e<strong>in</strong>en Abend im Moul<strong>in</strong> Rouge. Welche E<strong>in</strong>drücke wir gesammelt haben, erfahrt ihr auf den folgenden Seiten. Auchnahmen wir die universitäre Architektur unter die Lupe und zeigen euch den Wandel der Universität zwischen den Zeiten. E<strong>in</strong> bisschen mehr Wandel<strong>in</strong> Form von Bewegung tut auch jedem Studenten gut. Die Aufrechterhaltung des Hochschulsports gestaltet sich allerd<strong>in</strong>gs immer schwieriger.Kurznachrichten.................................................................... 30Holt euch den Ryck zurück...................................................31DIe Universität zwischen Historie und Moderne..............32E<strong>in</strong>e Nacht im Greifswalder Moul<strong>in</strong> Rouge........................34Die Suche nach verlorenen Sportlern................................36


GreifsWeltKurznachrichtenNachrichten aus der GreifsweltFertigstellung der BahnparalleleSeit dem 23. April 2010 ist die GreifswalderBahnparallele vollständig fertiggestellt und fürden Verkehr freigegeben. Bei der „OsnabrückerStraße“ handelt es sich um e<strong>in</strong>e zweispurigeVerkehrsader, die kreuzungsfrei die GrimmerStraße und die Gützkower Straße <strong>in</strong> Greifswaldverb<strong>in</strong>det. Bereits im Dezember 2009 solltendie Arbeiten beendet werden, doch wegen desschneereichen W<strong>in</strong>ters hatte sich die Fertigstellungum neun Wochen verzögert. Insgesamt120 Firmen hatten viere<strong>in</strong>halb Jahre an demVerkehrsprojekt mitgearbeitet; die Gesamtkostenfür den Bau betragen 31,1 Millionen Euro.Lediglich e<strong>in</strong>ige kle<strong>in</strong>ere Restarbeiten wie dasAnlegen von straßenbegleitenden Grünflächenverbleiben nun noch. Mit dem Straßennamensoll Greifswalds Partnerstadt Osnabrück gewürdigtwerden.Busl<strong>in</strong>ie Greifswald – Rostock fährt nichtmehrNur 10 Monate nach Eröffnung der Schnellbusl<strong>in</strong>ie„b<strong>in</strong>schonda“ hat die St<strong>in</strong>nes TransportGmbH den Betrieb auf der Strecke Greifswald-Rostockwieder e<strong>in</strong>gestellt. Ursache istlaut Betreiber die zu ger<strong>in</strong>ge Auslastung derStrecke. Seit Juni 2009 hatte die L<strong>in</strong>ie für e<strong>in</strong>edirekte Busverb<strong>in</strong>dung der beiden Hansestädteüber die Autobahn 20 gesorgt. Übernahmegesprächemit dem Greifswalder ReisedienstSchröder, der für die St<strong>in</strong>nes Transport GmbHauf der Strecke tätig war, waren jedoch gescheitert.Ausgliederung der Fußballmannschaft desGreifswalder SVDie Oberliga-Mannschaft des Greifswalder SV04 soll aus dem Vere<strong>in</strong> ausgegliedert werden,sodass die Fußballer zu e<strong>in</strong>em vollkommen neuzu gründenden Vere<strong>in</strong> wechseln können. Bereitsim April hatte der Vorstand des Sportvere<strong>in</strong>sbeschlossen, die erste Männermannschaftzum Saisonende vom Spielbetrieb abzumelden.Nun soll bis zum 31. Mai die Ausgliederungabgeschlossen und e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>sneugründungvorbereitet werden. Ob die rechtlichenund vere<strong>in</strong>s<strong>in</strong>ternen Voraussetzungen zu diesemSchritt erfüllt werden können, bliebt nochzu klären.Neben der sportlichen Krise hatten schwerwiegendef<strong>in</strong>anzielle Probleme für Streit zwischender Vere<strong>in</strong>sführung und der Fußball-Abteilungdes GSV gesorgt, darunter der enorme Berg anAltschulden, der Absprung des HauptsponsorsDong Energy sowie teure Spielertransfers. Dochselbst wenn die f<strong>in</strong>anzielle Rettung der Fußballmannschaftgel<strong>in</strong>gen sollte, ist der sportlicheAbstieg <strong>in</strong> die Verbandsliga angesichts der Tabellensituationkaum noch abzuwenden.Initiative zur Stadthafen-EntwicklungDer jetztige Industriehafen Ladebow soll zue<strong>in</strong>em Seglerhafen mit Häusern und Gaststätteentwickelt und so auch touristisch genutzt werden.Dabei setzt man auf den Leipziger ChristianLeuschner, der <strong>in</strong> Ladebow und Wieck <strong>in</strong>vestierenwill. Allerd<strong>in</strong>gs unterscheiden sich diePläne Leuschners von denen der Bürger<strong>in</strong>itiativeund der Ortsteilvertretung Wieck-Ladebow:Während letztere Wohnhäuser direkt am Wasserbauen und den Hafen selbst unberührt lassenwollen, möchte Leuschner den Bereich zwischenUtkiek und Ölanleger nutzen und Häuserauf dem Deich errichten. Dies halten Ortsratund Bürger<strong>in</strong>itiative wiederum aus gestalterischenund auch ökologischen Gründen fürungünstig.Grafik: Daniel Focke30 MORITZ 84 // MAI 2010


BerichtGreifsWeltHolt euch den Ryck zurück!E<strong>in</strong> Stück unberührte Natur ist <strong>in</strong> unserer heutigen Zeit schwer zu f<strong>in</strong>den. Ziviles Engagementist e<strong>in</strong> bedeutender Faktor, der auch bei unserer Rycklandschaft gefordert ist.Von Markus KatherLebendige Flüsse – so lautet das Motto,unter dem die Arbeit von Roberto Epplesteht. Der Schweizer Aktivist hat das EuropeanRiver Network <strong>in</strong>s Leben gerufen, e<strong>in</strong> Netzwerkvon lokalen und nationalen Initiativen, das essich zur Aufgabe gemacht hat, Flüsse <strong>in</strong> ganzEuropa vor Zerstörung und Degenerierung zuschützen. Um auch auf die Qualitäten unseresheimischen Flusses, des Rycks, aufmerksam zumachen, steht nun e<strong>in</strong> symbolischer Sprung <strong>in</strong>skalte Nass an. Die enorme Bedeutung der Flüsseist vielen Menschen heute kaum noch bewusstund soll durch den Sprung <strong>in</strong>s Wasser zurück<strong>in</strong>s Gedächtnis gerufen werden.„Im 20. Jahrhundert begannen die Menschenihre Flüsse zu vergessen, sie waren zu Abwasserkanälenverkommen, st<strong>in</strong>kend und gefährlichund oft exklusiv genutzt zur Schifffahrt,Energienutzung oder zur Bewässerung von <strong>in</strong>tensivgenutzten Landwirtschaftsflächen undHeute br<strong>in</strong>gt die Organisation 50 Initiativen <strong>in</strong>ganz Europa zusammen. Das Netzwerk fördertdurch den grenzüberschreitenden Austausch<strong>in</strong>novative Ansätze zur Lösung geme<strong>in</strong>samerProbleme. Flussgebietsmanagement heißt dabeie<strong>in</strong> Stichwort: „Es geht darum, das Flussgebietals Ganzes zu betrachten – unabhängigvon bestehenden nationalen oder anderen verwaltungstechnischenGrenzen“, sagt Dr. LenaPartzsch von der Forschungsgruppe GETIDOS,die sich an der Universität Greifswald mit Wasserund nachhaltiger Entwicklung beschäftigt.„Dazu ist es wichtig die Interessen der verschiedenenNutzer, e<strong>in</strong>schließlich Flora und Faunazusammenzubr<strong>in</strong>gen. Zwischen Gruppen amOberlauf und am Unterlauf von Flüssen, wiezwischen allen se<strong>in</strong>en Nutzern, muss etwas wieSolidarität herrschen“.Neben der Vernetzung von lokalen Initiativenist auch der Dialog mit der Öffentlichkeit Teildern auch welche gefahrlos verzehren. Manchmalhört man wieder K<strong>in</strong>derlachen an denUfern, und wer gut h<strong>in</strong>schaut f<strong>in</strong>det an ausgewähltenPlätzen erneut Strandleben, Badendeoder etwa Kanuten.“Den Menschen zu zeigen, dass Flüsse mehr s<strong>in</strong>dals Transportwege, sie als Teil unseres Lebensraumeserlebbar zu machen, dazu spr<strong>in</strong>gen derSchweizer Aktivist, und mit ihm Menschen <strong>in</strong>ganz Europa, <strong>in</strong> die Flüsse. „Der Fluss, der großeTeile des Greifswalder Stadtgebietes durchquert,und die angrenzenden Salzwiesen bildenartenreiche Biotope und s<strong>in</strong>d Erholungsgebietfür viele Greifswalder“, konstatiert Dr. LenaPartzsch. Seit Jahren müssen sie jedoch immerwieder gegen E<strong>in</strong>griffe und Bebauungen verteidigtwerden. Investorendruck durch die Lage<strong>in</strong> der Nähe des Stadtzentrums und e<strong>in</strong> ungeklärterSchutzstatus der Rycklandschaft, diedurch ihre Ursprünglichkeit bereits Caspar Da-Foto: Robert Epplefür <strong>in</strong>dustrielle Zwecke“, sagt Roberto Epple.Die Folgen dieser Entwicklung s<strong>in</strong>d bereits heuteam Verlust von Arten oder an verheerendenHochwässern bemerkbar. Seit den 80er und90er Jahren ist jedoch e<strong>in</strong>e Trendwende e<strong>in</strong>getreten,die Menschen entlang der Flüsse beg<strong>in</strong>nensich wieder für diese zu <strong>in</strong>teressieren undihre Funktion als Lebensraum wahrzunehmen.Überall <strong>in</strong> Europa bildeten sich Gruppen und Initiativen,die aus unterschiedlichster Motivationheraus Flüsse und Flusslandschaften vor ihrerHaustür schützen wollen.Ausgangspunkt für Roberto Epple war se<strong>in</strong>eArbeit Anfang der 90er Jahre <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Initiativean der Loire, die gegen den Bau von Staudämmenund die E<strong>in</strong>deichung des Flusses gerichtetwar. 1994 wurde dann das EuropeanRiver Network gegründet. Die Vernetzung lokalerAktivisten, die an unterschiedlichen Ortenfür ähnliche Ziele kämpfen, war das Ziel.des Programms der Organisation. Der sogenannte„Big Jump“ zählt zu den Strategien desEuropean River Network, um Presse und Öffentlichkeitauf die Umweltzerstörung an EuropasFlüssen aufmerksam zu machen. Im Jahr2002 sprangen Menschen entlang des gesamtenStromes <strong>in</strong> die Elbe. Der erste europaweiteFlussbadetag, der sogenannte „Big Jump“, fand2005 statt und hatte fast 250 000 Teilnehmer <strong>in</strong><strong>in</strong>sgesamt 22 Ländern. In diesem Jahr f<strong>in</strong>det am11. Juli der zweite „Big Jump“ statt. „Die Versöhnungder Bürger mit ihren Flüssen und Seen“ soRoberto Epple, sei das Ziel dieser Aktion. Er erklärt<strong>weiter</strong>h<strong>in</strong>: „Am Rhe<strong>in</strong>, der Elbe, der Rhoneund anderswo erreicht die Wassergüte <strong>in</strong>zwischenwieder hier und dort und immer öfterBadewasserstandards oder man ist auf dembesten Wege dazu. Parallel dazu steigt vielerortsdie Artenvielfalt, Lachse kehren zurück undman kann nicht nur wieder Fische fangen, son-vid Friedrich <strong>in</strong>spirierte, bereiten den UmweltschützernProbleme und machen es nötig, dieSchutzwürdigkeit des Gebietes e<strong>in</strong>er breitenÖffentlichkeit näher zu br<strong>in</strong>gen. E<strong>in</strong> themenübergreifendesBündnis für den Schutz desRyck hat sich <strong>in</strong> Greifswald jedoch noch nichtetabliert.Ziviles Engagement ist heute e<strong>in</strong> wichtiger Wegum auf ökologische Probleme, auch an Flüssenund Flusslandschaften, E<strong>in</strong>fluss zu nehmen.Dazu ist es wichtig, e<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong> <strong>in</strong> der Bevölkerungzu bilden. E<strong>in</strong> Sprung <strong>in</strong> den Ryck, sodie Philosophie von Roberto Epple, kann durchdas unmittelbare Erleben des Elements Wasserzu e<strong>in</strong>er Steigerung dieses Bewusstse<strong>in</strong>s führen.Daher werden alle Greifswalder, die ihrenFluss mal von e<strong>in</strong>er anderen Seite kennen lernenmöchten, dazu aufgerufen, sich mit <strong>in</strong> dieFluten zu stürzen.MORITZ 84 // MAI 201031


Kunst ist immer e<strong>in</strong> Spiegelbildse<strong>in</strong>er Zeit, so auch die Architektur.Die der Universität stehtfür e<strong>in</strong> Nebene<strong>in</strong>ander von Altund Neu. Während im ausgehenden19. Jahrhundert oftmalsverspielte Schnörkeleien dieBauten zierten, dom<strong>in</strong>ieren <strong>in</strong>der modernen Architektur Funktionalitätund Purismus. Sie bestechenvor allem mit viel Raumund geraden L<strong>in</strong>ien. Unter ihnenbef<strong>in</strong>den sich imposante Glaspaläste,die durch große Fensterfrontendas Licht bei Tag fürsich nutzen und bei Nacht mittelskünstlichen Lichts <strong>in</strong> Szenegesetzt werden – wie hier dieneue Zahnkl<strong>in</strong>ik. Doch <strong>in</strong> denälteren Gebäuden ist die Zeitnicht stehen geblieben, so wurdesaniert und modernisiert. Trotzdems<strong>in</strong>d die Zeugnisse frühererZeiten immer noch sichtbar –wie hier im Institut für DeutschePhilologie, wenn man den Blickdenn zulässt.Fotos: Annegret Adam


GreifsWeltReportageTanz für mich!E<strong>in</strong>e Nacht <strong>in</strong> der Greifswalder Ausgabe des Moul<strong>in</strong> Rouge.Von Paul<strong>in</strong>e Mielke und Gjorgi BedzovskiKurz vor zwölf Uhr. Es ist DonnerstagNacht. Partywütige Greifswalder torkelnvon Kneipe zu Kneipe, und wie jeden Donnerstaghat sich e<strong>in</strong>e lange Menschenschlangevor der Mensa gebildet. Wir jedoch schlagendieses Mal e<strong>in</strong>en anderen Weg e<strong>in</strong>. Wartendvor der verspiegelten Tür dauert es nur e<strong>in</strong>enKl<strong>in</strong>geldruck, bis sie sich öffnet. E<strong>in</strong> Bodyguardim schwarzen Anzug bittet uns schließlich here<strong>in</strong>und führt uns <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e uns noch unerkundeteWelt Greifswalds. Als wir endlich an der Barsitzen, lächeln uns die leicht bekleideten Tänzer<strong>in</strong>nenprompt verführerisch an. Weiße gemütlicheLedersofas, rot gestrichene Wände,reizvolle Aktgemälde, Podeste und silberneStangen fluten unsere S<strong>in</strong>neswahrnehmung.Kle<strong>in</strong>e GeheimnisseSusan*, 25 Jahre, groß und schlank, mit schwarzenlangen Haaren gesellt sich <strong>in</strong> ihrem knappen,transparenten rosa Kleid zu uns. Heutehätte sie Lust zu langsameren Songs, etwavon Kylie M<strong>in</strong>oque oder Phil Coll<strong>in</strong>s, zu tanzen.Ihre 18-cm High-Heels würden ihr dabeijedoch schon lange ke<strong>in</strong>e Probleme mehr machen,sie arbeite schließlich schon seit 2004 imMoul<strong>in</strong> Rouge. Cocktails kreierend begann sieihre Karriere h<strong>in</strong>ter der Bar. Nun aber beflügeltsie die Phantasien vieler Gäste mit erotischenBewegungen auf den Podesten der e<strong>in</strong>zigenTabledance-Bar Greifswalds. Während Susanzwei Wochenenden im Monat für ihre Arbeitaufbr<strong>in</strong>gt, um ihren hohen Lebensstandard zuhalten, sitzen viele ihrer Kommilitonen mit rauchendenKöpfen über den Mediz<strong>in</strong>büchern. E<strong>in</strong>enrauchenden Kopf bekommt Susan allerd<strong>in</strong>gsauch. Nicht vom vielen Nachdenken <strong>in</strong>dieser Nacht, sondern von ständig ausgegebenenalkoholischen Getränken seitens der Gäste.Ab Montag dann geht für Susan der ganznormale Uni-Wahns<strong>in</strong>n <strong>weiter</strong>. So tauscht sieihr sexy, eng anliegendes Outfit gegen weit geschnitteneWohlfühlklamotten e<strong>in</strong>. Auch verrätsie uns, dass sie lieber zu Hause lernt, als <strong>in</strong>der Bibliothek und überlege, ob sie sich später<strong>in</strong> der Chirurgie oder Gynäkologie spezialisierensollte. Außerdem trifft sie sich <strong>in</strong>nerhalb derWoche mit Freunden. Freunde, die ihren Job akzeptieren.„Die große Beichte war jedoch ke<strong>in</strong>leichtes Unterfangen“, sagt sie. Um ihren konservativenFreunden zu erklären, womit sie unteranderem ihr teures Hobby – das Reiten – f<strong>in</strong>anzierenkann, benötigte sie e<strong>in</strong> gutes halbesJahr. Den Eltern allerd<strong>in</strong>gs möchte Susan ihrkle<strong>in</strong>es Geheimnis nicht offenbaren.Zu Gast bei Bambi, Schmusi und ChantalWährend Susan uns mit Kuriositäten aus demLeben e<strong>in</strong>er Tabledancer<strong>in</strong> <strong>in</strong> ihren Bann zieht,fängt Melanie* (28 Jahre) im gedimmten dunkelrotenLicht langsam an, sich an der Stangezu räkeln. Für diesen Augenblick unterbrechenwir unser Gespräch mit Susan. Unsere volle Aufmerksamkeitgilt e<strong>in</strong>zig und alle<strong>in</strong> der verführerischenMelanie. Beyoncés „Nasty Girl“ br<strong>in</strong>gtsie schließlich dazu, ihren Rock über ihre vomÖl seidend glänzenden Be<strong>in</strong>e abzustreifen. Wirs<strong>in</strong>d uns sicher: nun kann sie jeden Mann umden Verstand br<strong>in</strong>gen. Der leichte p<strong>in</strong>ke Stoff,der die letzten Geheimnisse verhüllt, schmiegtsich an ihren makellosen Körper. Viele Stundenvergehen. Dann ist auch sie, wie der Großteil ihrerKolleg<strong>in</strong>nen, Student<strong>in</strong>. Außer Melanie, fürBWL e<strong>in</strong>geschriebene Student<strong>in</strong>, tanzen Nachtfür Nacht auch zukünftige Lehrer<strong>in</strong>nen, Jurist<strong>in</strong>nenund andere angehende Akademiker<strong>in</strong>nenbis <strong>in</strong> die frühen Morgenstunden.Noch völlig außer Atem von der heißen Vorstellungkehren wir an unseren Tisch zurück. Dortsitzt immer noch Susan und erzählt uns von derfamiliären Atmosphäre im 2004 eröffneten „Laden“.Sie verstehe sich mit ihren 29 anderen Kolleg<strong>in</strong>nen,die ausgefallene Künstlernamen wieChantal, Bambi, Schmusi und Heidi tragen, sehrgut. Ob kle<strong>in</strong> oder groß, mollig oder zierlich,mit A-Körbchen oder Doppel-D – „jedes Mädchenbekommt im Moul<strong>in</strong> Rouge e<strong>in</strong>e Chanceihre Tanzleidenschaft auszuleben“, erklärt Susan.Dann plaudert sie ganz beiläufig e<strong>in</strong>e erstaunlicheFeststellung aus, die sich aus derTanzerfahrung der Mädels ergibt. Die vorpommerscheMännerwelt lasse sich nicht von Silikonbee<strong>in</strong>drucken, sondern fände die von Gotterschaffenen Körper weitaus begehrenswerter.Dabei beobachten wir, wie ihr Blick auf ihr eigenesDekolleté wandert und wir bemerken:e<strong>in</strong> Hauch von Stolz erfüllt ihre blaue Augen.Auch erzählt sie: „Es gibt viele erfahrene Tänze-Fotos: Paul<strong>in</strong>e Mielke und Gjorgi Bedzovski* Name von der Redaktion geändert34 MORITZ 84 // MAI 2010


ReportageGreifsWeltr<strong>in</strong>nen unter uns, aber die Neul<strong>in</strong>ge bekommennatürlich die Unterstützung von uns allen. WerLust aufs Tanzen hat, sollte e<strong>in</strong>fach ganz ungehemmtvorbeikommen. Es wird sich zeigen, obes das Richtige für das jeweilige Mädchen istoder nicht.“ Blaue Flecken und Katerstimmungam nächsten Morgen bleiben den Mädchenoftmals nicht erspart. Wie so oft angenommen,erweist sich die Arbeit ke<strong>in</strong>esfalls als Zuckerschlecken,sondern ist e<strong>in</strong>e körperliche Herausforderung,bestehend aus vielen akrobatischenElementen. Die waghalsigen Verrenkungen verlangenden Striptease-Künstler<strong>in</strong>nen dabei vielKraft und Kondition ab. Trotzdem nehmen dieMädchen die Anstrengungen gerne <strong>in</strong> Kauf,denn: „Das Tanzen an der Stange macht unendlichviel Spaß und steigert unser Selbstbewusstse<strong>in</strong>“,erklärt uns Susan.Tanz für mich!In ausgelassener Stimmung können die Gästeden 18. Geburtstag, Betriebsfeiern, den Herrentag,Junggesellenabschiede oder gar ihreScheidung zelebrieren. Auch ohne besonderenAnlass können die Gäste die Puppen tanzenlassen. Hierfür schlüpfen die Mädchen gerneauch <strong>in</strong> Polizist<strong>in</strong>nenkostüme, verwandeln sich<strong>in</strong> Krankenschwestern, Lehrer<strong>in</strong>nen oder Dom<strong>in</strong>as.Üblicherweise werden an e<strong>in</strong>em Abend imMoul<strong>in</strong> Rouge vom Besucher „Dollars“ erworben.Wie diese den Mädchen übergeben werden,bleibt dem Gast jedoch selbst überlassen.Die Tanzshow kann der Besucher <strong>in</strong> großerRunde oder aber auch im sogenannten „PrivateRoom“ genießen, <strong>in</strong> dem er die ungeteilte Aufmerksamkeitder Tänzer<strong>in</strong> beanspruchen undauf Tuchfühlung gehen kann. Beim hier vorgeführtenLap-Dance „wird mehr am Gast gearbeitet“,so die Mediz<strong>in</strong>student<strong>in</strong> Susan.Nachdem die Lichter <strong>in</strong> der Mensa erloschens<strong>in</strong>d, erwartet man im Moul<strong>in</strong> Rouge für gewöhnlichden Besuch von Studenten, die ihrenAbend gebührend auskl<strong>in</strong>gen lassen wollen.Auch gehobenes Publikum wie Ärzte, Architektenund Professoren f<strong>in</strong>den den Weg <strong>in</strong> dieTable-Dance-Bar am Schuhagen. Doch nichtnur das männliche Geschlecht ergötzt sich amHochgenuss des tänzerischen Bühnenspiels.E<strong>in</strong> 20-prozentiger Frauenanteil ist Beweis genugfür Ästhetik und Professionalität der Tänzer<strong>in</strong>nen.Eigentlich gab es früher auch malmännliche Tänzer für die weiblichen Wünsche,vor allem bei der „Ladys Night“. Leider hat sichdiese Entkleidungsnummer <strong>in</strong> Greifswald nichtals rentabel erwiesen. „Schade“, f<strong>in</strong>det Susan,„wir hatten sehr gute Tänzer.“Böse JungsVor e<strong>in</strong>igen Monaten tanzte Susan auch schonfür ihren Professor. Mit solch unangenehmsche<strong>in</strong>enden Situationen hat die 25-Jährigetrotz allem ke<strong>in</strong>e Berührungsängste. Sie lernte,dass jeder Kunde „den gleichen Anspruch aufQualität“ hat. So blendet sie während ihresShowtakes alles aus: „Ich denke dann e<strong>in</strong>fach anBrad Pitt oder Antonio Banderas.“ Susan erzähltauch, dass e<strong>in</strong>ige Gäste e<strong>in</strong>fach nur zum Redenkommen. Wetter, Ex-Freund<strong>in</strong>nen und Anekdotenaus der Pubertät stellen dabei häufige Gesprächse<strong>in</strong>stiegedar. Das andere Extrem bildenübermotivierte Gäste, die sich im Eifer desGefechts ihrer Kleider entledigen und zu sexuellenHandlungen übergehen wollen. In diesenseltenen, höchstgradig bedrängenden Momentenmuss die Notbremse gezogen werdenund die hauseigenen Sicherheitsmänner müssenzu Hilfe eilen. Gegen solche Vorkommnisse,aber auch beleidigende Sprüche, muss man immunse<strong>in</strong>. Auf Fragen wie „Hast du de<strong>in</strong>e Brüstezu Hause vergessen?“ reagieren die Mädchenselbstbewusst: „Arschlöcher gibt es überall, obnun beim Bäcker oder hier im Laden.“Au(t)s(ch)gepeitschtAm Ende packt Susan dann noch e<strong>in</strong>e besonderslustige Geschichte aus, die die Gesellschaftan unserem Tisch <strong>in</strong> lautes Gelächterausbrechen lässt. Zwei Tänzer<strong>in</strong>nen übten e<strong>in</strong>egeme<strong>in</strong>same Dom<strong>in</strong>a-Show aus. Im Vorfeldhielten sie wenige Absprachen bezüglich ihrerChoreografie. Es wird besprochen, dass e<strong>in</strong>Dollar-Sche<strong>in</strong> über die Lippen ausgetauschtwerden soll. Während die e<strong>in</strong>e, die Dom<strong>in</strong>a, dieganze Absprache vergisst, möchte die andere,die sexy Sklav<strong>in</strong>, sie auf ihre Vere<strong>in</strong>barung aufmerksammachen. Sie flüstert der halbnacktenÜberlegenen zu: „Dollar! Dollar!“. Diese wiederumversteht „Döller! Döller!“ und peitscht (ihrerDom<strong>in</strong>arolle gerecht werdend) auf den nacktenH<strong>in</strong>tern der anderen e<strong>in</strong>. Nach e<strong>in</strong>igen Momentendes Schmerzes er<strong>in</strong>nert sich die Tänzer<strong>in</strong>schließlich an ihre Übere<strong>in</strong>kunft mit derKolleg<strong>in</strong>. Der Dollar wird ausgetauscht und dieShow kann ihren Lauf nehmen.Die Uhr schlägt e<strong>in</strong> Uhr. Durch die Boxen schallendie Cranberries mit dem Klassiker „Zombie“.Unser Zombie ist ausgetrunken und nach demFeierabendbier beschließen wir, das weiße Ledersofafür kommende Gäste zu räumen. Gäste,die den erotischen Zauber der Nacht nicht vorschnellverurteilen, die Arbeit der Tänzer<strong>in</strong>nenals Kunst ansehen und sich ganz unbefangenauf solche Abenteuer e<strong>in</strong>lassen wollen.MORITZ 84 // MAI 201035


GreifsWeltDie Suche nachverlorenen SportlernWo bleiben die dynamischen und sportlichenStudenten? Von Anastasia StatsenkoBerichtWir suchen ...StudentenIn der DDR war er e<strong>in</strong> fester Bestandteildes Studiums. Nach der Wende eherunbedeutend, wird se<strong>in</strong>e Er<strong>weiter</strong>ung vonÄrzten und Universitätsleitungen heute wiederernst diskutiert. Der Hochschulsport soll wiederleitung schon früh bewusst geworden, jedochhat sich seitdem nicht viel geändert. E<strong>in</strong> Problemliegt auch dar<strong>in</strong>, alle Kurse zu e<strong>in</strong>em funktionierendenStundenplan zusammen zu basteln.„Montag und Freitag s<strong>in</strong>d eher unbeliebt,wichtiger werden. Die großen Universitäten <strong>in</strong>also muss man fast alles auf Dienstag, Mittwochfür telefonischeBefragungen derrenommierten Markt- u.Me<strong>in</strong>ungsforschungs<strong>in</strong>stituteEMNIDund InfratestPotsdam und Berl<strong>in</strong> haben sogar vor, für Sportkursezusätzliche Punkte zu verteilen, die mandann <strong>in</strong> Bücher- und Mensagutsche<strong>in</strong>e umwandelnkann. Damit sollen die Studenten zue<strong>in</strong>em gesünderen Lebensstil animiert werden.Doch das würde <strong>in</strong> Greifswald jedoch nicht e<strong>in</strong>fachso ohne Weiteres funktionieren. Genau ausdem Grund, aus welchem wir am Anfang jedesSemesters vor den Computern sitzen unduns ganz sportlich <strong>in</strong> unserer WLAN-Geschw<strong>in</strong>digkeitmessen. Die ersten 20 E<strong>in</strong>schreibewilli-und Donnerstag verteilen“, erzählt Dr. Schielke.Er sieht im Vormittagszeitraum e<strong>in</strong>e ungenutzteReserve, denn es haben längst nicht alle Studierendenzu dieser Zeit Lehrveranstaltungen.Durch die Schließung vieler Gebäude überall <strong>in</strong>der Stadt, ist man gezwungen, andere Räumeanzumieten, was dieses Semester schon zu Kostenerhöhungim Wassersport-Bereich geführthat. Auch der Kauf von neuen Geräten fließt <strong>in</strong>den neuen Preis mit e<strong>in</strong>.Dr. Schielke hat noch <strong>weiter</strong>e Zukunftspläne. ErFreie MitarbeitGute BezahlungFreie Zeite<strong>in</strong>teilunggen bekommen e<strong>in</strong>en Platz im begehrten Kurs,alle anderen haben Pech gehabt. Der Grund fürden Mangel an Plätzen <strong>in</strong> Sportkursen ist e<strong>in</strong>fach,es fehlen dramatisch die Übungsleiter. ZurZeit können <strong>in</strong> Greifswald 128 Übungsleiter <strong>in</strong>64 Sportarten ungefähr e<strong>in</strong> Drittel der Studierendenbeschäftigen. Der Rest muss sich selbstplant, e<strong>in</strong>en Fördervere<strong>in</strong> für den Hochschulsportzu gründen. Dies eröffne mehr F<strong>in</strong>anzierungsmöglichkeitenfür neue Geräte undRäume. Dadurch könnten Kontakte zu anderenUniversitäten im ganzen Ostseeraum geknüpftwerden. Das studentische Engagementist auch hier gefragt, denn e<strong>in</strong> Vere<strong>in</strong> brauchtBewegung verschaffen. Nicht zuletzt hat auchMitglieder.die Schließung des Instituts für Sportwissen-Momentan wird e<strong>in</strong>e Loslösung aus der Philo-schaften vor sieben Jahren zu diesem Miss-sophischen Fakultät angestrebt, jedoch ist esstand beigetragen. Damals gab es Sportstu-fraglich, ob diese der Fakultät gut tun würde.denten, die Sportkurse gerne übernommenDenn e<strong>in</strong> Institut oder e<strong>in</strong> Bereich weniger be-haben, heute s<strong>in</strong>d es vor allem engagierte Stu-deutet auch weniger Geld für die Fakultät unddierende, die e<strong>in</strong>e Übungsleiterlizenz besit-schwächt sie zusätzlich zur Problematik um diezen, oder solche, die e<strong>in</strong> gewisses Talent dazuLehramtsausbildung und dem Weggang derhaben, andere zu begeistern und im wahrstenPsychologie. Hier hätte Dr. Schielke aber e<strong>in</strong>enS<strong>in</strong>ne des Wortes zu bewegen. Doch diese Hob-kle<strong>in</strong>en Beitrag zum Erhalt der Lehrerausbil-bysportler s<strong>in</strong>d <strong>in</strong> letzter Zeit e<strong>in</strong>e Seltenheitdung <strong>in</strong> Greifswald: „Wir wollen Kurse mit e<strong>in</strong>ergeworden. „Der Zeitfaktor hat im neuen Ba-pädagogischen Basis, wie zum Beispiel Contactchlor/Master System e<strong>in</strong>en hohen Stellenwert,Improvisation, gezielt für angehende Lehreraußerdem ist es e<strong>in</strong> Generationsproblem: vieleanbieten. E<strong>in</strong> Lehrer der mit se<strong>in</strong>er Klasse auchjunge Leute konsumieren viel lieber als sich zuspielen kann, kommt immer gut an, dassel-engagieren“, me<strong>in</strong>t der Hochschulsportbeauf-be betrifft die Theologiestudenten, die spätertragte Dr. Eckard Schielke.kirchliche Jugendarbeit leisten wollen.“ Auf die-WittCall GmbH & Co. KGBahnhofstraße 44/4517489 Greifswaldab 16:30 UhrTel.: 03834 773009<strong>in</strong>fo-hgw@wittcall.deDabei liegt die Lösung für das Problem bei denStudierenden selbst. Jeder, der die Verantwortungfür e<strong>in</strong>en Kurs übernehmen möchte, istwillkommen. Selbst modische Sporttendenzen,wie Meditation oder Aroha bekommen e<strong>in</strong>eChance. Es gibt auch e<strong>in</strong>e Vere<strong>in</strong>barung mitdem Allgeme<strong>in</strong>en Studierendenausschuss, welcheengagierten Studenten e<strong>in</strong>e Weiterbildungzu Übungsleitern ermöglicht. Das Problem derfehlenden Kursleiter war der Hochschulsport-sem Wege möchte man e<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e GreifswalderBesonderheit schaffen. Schon vor sieben Jahrenhatte der Hochschulsport-Beauftragte dieseund viele andere Ideen, e<strong>in</strong>ige davon s<strong>in</strong>dleider auf der Strecke geblieben. Denn ob Pläneund Ideen <strong>in</strong> Erfüllung gehen, hängt unteranderem von der Unterstützung durch die Studentenselbst ab. Also liebe Schreibtischtäter,denkt daran: sportlich ist sexy und Engagementsieht im Lebenslauf immer toll aus.Foto: Anastasia Statsenko36 MORITZ 84 // MAI 2010


FeuilletonDie Menschheit führt Krieg | Seit jeher. Krieg <strong>in</strong> den Köpfen, Krieg auf den Straßen. Wir alle s<strong>in</strong>d uns bewusst, dass jene Kriege aufhören müssen. Abwann wir zum Täter oder Opfer mutieren – diese Frage stellt sich jedem von uns. Das Theater Vorpommern führte uns mit dem Schauspiel „Zerbombt“vor Augen, wie grausam Menschen se<strong>in</strong> können. E<strong>in</strong>en „sauberen“ Krieg kann es nicht geben, denn jeder kämpft mit se<strong>in</strong>en Waffen. Wie der Zusammenhangvon Krieg und Demokratie <strong>in</strong> unserer Gesellschaft heute zustande kommt, führt e<strong>in</strong> Essay auf den folgenden Seiten aus.Foto: V<strong>in</strong>cent LeifertKurznachrichten......................................................................38Rasierte Be<strong>in</strong>e und das ideale Sixpack...............................39Theater: »Zerbombt« im Theater Vorpommern.................40Die Bundeswehranzeige und Afghanistan........................42DVD...........................................................................................43K<strong>in</strong>o...........................................................................................44Literatur....................................................................................45CD..............................................................................................46


FeuilletonKurznachrichtenNachrichten aus dem FeuilletonGrIStuF 2010 startet Ende Mai„response – ability“ – so lautet das Motto fürdas Greifswald International Students Festival(GrIStuF), das vom 16. Mai bis zum 6. Juni <strong>in</strong>der Hansestadt ablaufen wird. Zum fünften Malkommen rund 200 Studierende aus der ganzenWelt, um sich beispielsweise <strong>in</strong> Workshops, Podiumsdiskussionenoder Planspielen über dasThema Verantwortung auszutauschen. In demProgrammheft heißt es dazu: „Wir wollen dasThema Verantwortung unter verschiedenenAspekten betrachten: zum E<strong>in</strong>en als die Fähigkeitund zum Anderen als die Pflicht, unsere Gesellschaftaktiv und bewusst mitzugestalten.“Damit neben der <strong>in</strong>haltlichen Ause<strong>in</strong>andersetzungder Spaß für alle Teilnehmer nicht zu kurzkommt, werden beispielsweise auch Konzerte,das Runn<strong>in</strong>g D<strong>in</strong>ner und Partys organisiert.Um für e<strong>in</strong> geeignetes Warm-Up vor dem zweiwöchigenFestival zu sorgen, wird es am 21. Maie<strong>in</strong>e Countdown-Tofu-Jagd geben. Wer sich fürdas Festival noch als Helper oder Host meldenmöchte, kann <strong>in</strong> das GrIStuF-Büro <strong>in</strong> die Wollweberstraße4 kommen oder sich unter <strong>in</strong>fo@students-festival.de melden.Caspar-David-Friedrich-Denkmal <strong>in</strong> derInnenstadt e<strong>in</strong>geweihtEntgegen zahlreicher Kritik wurde am 8. Maidas Caspar-David-Friedrich-Denkmal <strong>in</strong> derLappstraße e<strong>in</strong>geweiht. Bereits Mitte April wurdedas Denkmal auf dem Grundstück de BürgerschaftspräsidentenEgbert Liskow (CDU)aufgestellt. Schon 1998 beschloss damals dieGreifswalder Bürgerschaft, den berühmtestenMaler der Region auf dem Marktplatz aufzustellen.Die Initiative, um das Denkmal nach überzehn Jahren endlich aufzustellen, ergriff derKunstförderer und Maler Helmut Maletzke zusammenmit Helmut Multhauf (Die L<strong>in</strong>ke). Vorallem an dem Platz, wo das Denkmal steht, wurdeKritik geübt, da der Ort sich nicht für e<strong>in</strong> repräsentativesMerkmal eigne.In der E<strong>in</strong>ladung der Maletzke-Stiftung zur E<strong>in</strong>weihungdes Denkmals wurde Bezug auf dieKritik genommen. Dort hieß es: „Die Fläche sollkünftig noch <strong>weiter</strong> gartenarchitektonisch aufbereitetwerden. Dabei wird u. a. vor die amRand stehenden Müllconta<strong>in</strong>er e<strong>in</strong>e hohe Heckegepflanzt werden.“Ausstellung über pommersche Geschichtewird er<strong>weiter</strong>tAb dem 9. Juni stellt das Pommersche Landesmuseumrund 1200 <strong>weiter</strong>e Exponate zur pommerschenGeschichte aus. Mithilfe von Medien<strong>in</strong>stallationenoder Dioramen soll <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em<strong>weiter</strong>en Stockwerk des Museums die VergangenheitPommerns erlebbar gemacht werden.Besonders die Zeit des schwedischen und preußischenNordostens sollen auf 450 m² dem Zuschauernäher gebracht werden. E<strong>in</strong>en Teil derAusstellung wird auch dem Bäderwesen gewidmet,das sich zwischen dem 19. und 20. Jahrhundertherausgebildet hat.Programmvorschaunach neuen, spannenden Beiträgen. Ihr könntEuch zum Beispiel auf e<strong>in</strong>e Reihe musikalischerund literarischer Events im Rahmen des NordischenKlangs freuen, der vom 6. bis 15. Maistattf<strong>in</strong>det.Wenn Euch die Zeit bis dah<strong>in</strong> zu lang wird,schaut e<strong>in</strong>fach auf unsere neue Homepagewww.moritztv.de vorbei. Hier f<strong>in</strong>det Ihr Wissenswertesüber das Team von MoritzTV undviele Beiträge wie die Kochsendung „Studentenfutter“oder Aktuelles aus der Hochschulpolitik.Das Archiv bietet Sendungen und Beiträgeaus den letzten 10 Jahren, um auch <strong>in</strong> dennächsten Jahren so produktiv zu arbeiten, suchenwir Dich! Ke<strong>in</strong>e Angst, Erfahrung ist nichtnotwendig, das Handwerkszeug erlernst Du direktbei der praktischen Arbeit vor und h<strong>in</strong>terder Kamera.So wie die ersten Sonnenstrahlen des Frühl<strong>in</strong>gs,pellt sich auch MoritzTV wieder aus demEi und legt sich <strong>in</strong>s Zeug, um Euch mit Faktenrund um die Uni und Events <strong>in</strong> der Stadt zu versorgen.Jetzt geht sie also wieder los, die knallharte Arbeit.Der e<strong>in</strong>e oder andere von Euch hat es vielleichtschon bemerkt: häufiger ist unser Moritz-TV-Team schwer bepackt mit Stativ und Kamera<strong>in</strong> der Stadt unterwegs. Immer auf der SucheNeuerd<strong>in</strong>gs f<strong>in</strong>den unsere Redaktionssitzungenimmer Dienstags statt, wie gewohnt zur Primetime20:15 Uhr <strong>in</strong> der Wollweberstraße 4!Euer MoritzTV- TeamFoto: Franziska Vopel38 MORITZ 84 // MAI 2010


Im IKuWo: Sänger<strong>in</strong> „Krikela“ bei der Ausstellungseröffnung zum Thema „Sexismus <strong>in</strong> der Werbung“.Von rasierten Be<strong>in</strong>en und dem idealen SixpackE<strong>in</strong>e Ausstellung setzte sich kritisch mit Geschlechterrollen <strong>in</strong> der Werbung ause<strong>in</strong>ander.Von Luisa PischtschanFotos: Jenny HeymelKonny Reimann ist e<strong>in</strong> wahrhaftiger Mann. „Echte Wurst für echteMänner“, lautet der Slogan für die „Halberstädter Bockwurst“, fürdie der ausgewanderte Neu-Texaner da wirbt. Kräftig, muskelbepackt undvoller Stolz – so soll „mann“ heute also se<strong>in</strong>. Nicht nur, um kräftig Würstchenzu essen, sondern auch, um dem Idealbild unserer heutigen Gesellschaftzu entsprechen. Die Ladyfest-Gruppe aus Greifswald hat sich EndeApril dem Thema angenommen und stellte e<strong>in</strong>e Woche lang Werbung imIKuWo aus, <strong>in</strong> der es um unsere heutigen Idealbilder und Vorstellungenvon Männern und Frauen g<strong>in</strong>g.Für Lilli, die sich auch <strong>in</strong> der Ladyfest-Gruppe engagiert, war es besondersspannend zu sehen, wo die Grenze für jeden E<strong>in</strong>zelnen zum Sexismusüberhaupt anfängt: „Der e<strong>in</strong>e empf<strong>in</strong>det es schon als sexistisch, wenn nurnackte Haut zu sehen ist, für manch andere wird es allerd<strong>in</strong>gs erst grenzwertig,wenn sich Frauen animalisch auf e<strong>in</strong>er Couch räkeln“, beschreibtsie. Die Sexismus-Ausstellung sollte besonders deutlich machen, welcheStereotypen <strong>in</strong> den Köpfen der Leute verankert s<strong>in</strong>d. „Warum rasiert sichbeispielsweise „frau“ die Be<strong>in</strong>e? Weil sie es so möchte oder weil es ihr dieIdealbilder, die vor allem <strong>in</strong> der Werbung Verwendung f<strong>in</strong>den, so suggerieren?“,fragt Lilli. Es gehe nicht nur darum, dass das emanzipatorische Denken<strong>in</strong> den Köpfen ist. Es g<strong>in</strong>ge vor allem auch darum, dass dieses Denkenumgesetzt werden müsse. Dies taten die Ladyfest-Gruppen schon des Öfteren.So wurde beispielsweise e<strong>in</strong>e Anti-Sexismus-Tour durch ganz Mecklenburg-Vorpommernrealisiert, wo es <strong>in</strong> den e<strong>in</strong>zelnen Workshops um Sexismusim Alltag g<strong>in</strong>g. „Wir wollen e<strong>in</strong> Bewusstse<strong>in</strong> schaffen für das Themaund ich merke immer wieder, dass der Begriff ‚Sexismus’ noch nicht angekommenist. Die Leute stellen sich unter dem Wort Ladyfest wahrsche<strong>in</strong>lichirgende<strong>in</strong>e Billigparty vor“, schildert Lilli.Auch im Greifswalder Alltag zeigen sich die „typischen“ Bilder von Frauund Mann. Das fängt schon bei e<strong>in</strong>er gewöhnlichen Schaufensterpuppeim H&M an. Denn die Kleider würden im Rücken mit Stecknadeln gestrafft,sodass sie den überschlanken und großen Frauen passen. Und dann heißtes noch von Seiten der Verkäufer<strong>in</strong>: „Aber das ist doch Größe 36, das iste<strong>in</strong>e ganz gewöhnliche Größe.“ Auch das Männermoden-Geschäft vonJens Krafczyk <strong>in</strong> der Innenstadt fiel schon häufiger durch sexistische Anzeigenauf. So resümierte Blogger Jockel Anfang März diesen Jahres aufse<strong>in</strong>em „Fleischervorstadtblog“ zu den Anzeigen: „Feuchte Träume, dickeHoden – ich kaufe Krafczyks Männermoden!“. Dieser Aspekt, der immerwieder auf rollentypische Merkmale und Idealbilder anspielt, f<strong>in</strong>det auchauf den Flyern von Clubs – ob nun studentischen oder nicht – se<strong>in</strong>e Verwendung.So lud der Mira-Club im Februar unter dem Motto „Busen, Capsund Ärsche“ zum Tanz.„Generell f<strong>in</strong>de ich solche Projekte wie die Ausstellung immer unterstützenswert“,me<strong>in</strong>t Björn Reichel, der beim Allgeme<strong>in</strong>en Studierendenausschuss(AStA) das Gleichstellungsreferat besetzt. Das Gleichstellungsreferatist gleichzeitig auch e<strong>in</strong>e Anlaufstelle für Opfer sexueller Belästigung.Bis jetzt hätte er allerd<strong>in</strong>gs noch ke<strong>in</strong>e konkreten Fälle zum Thema Sexismusan der Uni verzeichnet. „Allerd<strong>in</strong>gs ist gerade <strong>in</strong> diesem Bereich dieHemmschwelle besonders groß, um sich darüber zu offenbaren“, erklärtder Jurastudent, der seit e<strong>in</strong>em Jahr im AStA tätig ist. Würde e<strong>in</strong> solcherFall dem Studentenwerk gemeldet werden, bef<strong>in</strong>de sich dieses <strong>in</strong> derPflicht, solch e<strong>in</strong>en Vorfall zu melden. Derzeit würde e<strong>in</strong>e Umfrage zur sexuellenBelästigung <strong>in</strong> der Geschäftsstelle des Rektorats geprüft werden.„Wir haben die gesamte Uni – ob nun Dozenten, andere Mitarbeiter oderStudierende – per Mails zu diesem Thema befragt“, erklärt der 26-Jährige.Darunter wurde auch erfragt, was jeder E<strong>in</strong>zelne unter dem Begriff Sexismusversteht. Diese Fragebögen würden elektronisch ausgewertet unddemnächst onl<strong>in</strong>e zur Verfügung gestellt werden. Schon vor sechs Jahrenwurde e<strong>in</strong>e Umfrage dieser Art an der Uni gemacht. Damals hätte es allerd<strong>in</strong>gs„ke<strong>in</strong>e akuten Fälle gegeben“, erklärt Björn. Um konkret den Gleichstellungsaspektumzusetzen, gebe es zahlreiche Förderungspläne undRichtl<strong>in</strong>ien. So lautet beispielsweise § 32 der Grundordnung: „Die Universitätstellt nach den Maßgaben des Gleichstellungsgesetzes des Landes(…) Frauenförderpläne auf, die auf die Erhöhung des Frauenanteils <strong>in</strong> Bereichenzielen, <strong>in</strong> denen Frauen unterrepräsentiert s<strong>in</strong>d.“Der Ladyfest-Gruppe wurde während der Ausstellung nicht nur bewusst,wie stark die Auffassungen des E<strong>in</strong>zelnen von Sexismus divergieren, sondernsie bemerkten auch die positive Resonanz der Besucher<strong>in</strong>nen undBesucher. „Für manche war es nicht immer deutlich zu erkennen, was ane<strong>in</strong>em bestimmten Werbeplakat sexistisch se<strong>in</strong> soll“, me<strong>in</strong>t Lilli. Trotzdemwünscht sich die 20-Jährige mehr emanzipatorisches Handeln als nur diebloße Theorie. „Wenn man hier <strong>in</strong> Greifswald auf Partys ist, s<strong>in</strong>d es meistensnur DJs, die auflegen. Ich würde es zum Beispiel gut f<strong>in</strong>den, wenn es malmehr DJanes gibt.“ Zusammen mit dem Interdiszipl<strong>in</strong>ärem Zentrum fürFrauen- und Geschlechterforschung (IZFG) der Uni Greifswald organisiertdie Ladyfest-Gruppe derzeit e<strong>in</strong>en Vortrag. In diesem soll dann Ende Maiüber Geschlechterrollen diskutiert werden und ergründet werden, wiesoes „das“ biologische Geschlecht nicht gibt.


FeuilletonTheater40 MORITZ 84 // MAI 2010


TheaterFeuilletonKommt die Liebe, kommt der KriegAb wann s<strong>in</strong>d wir Täter, ab wann Opfer? Wie der Krieg auf den Straßenund <strong>in</strong> den Köpfen abläuft, wird jetzt <strong>in</strong> „Zerbombt“ gezeigt.Lust und Frust. Sex und Gewalt. Krieg und Liebe. Geradezu zynischzu diesen Thematiken wirkt das helle Licht, das auf die <strong>in</strong> weiß gehalteneBühne fällt. Die Erwartungen, die sich breit machen, sobald manden Titel von Sarah Kanes Stück „Zerbombt“ hört, sieht man den Zuschauern<strong>in</strong> ihren Gesichtern an. Vorstellungskraft ist gefragt, wenn man die Inszenierungvon Jan Böde am Theater Vorpommern nachvollziehen will.Blut, das durch Vergewaltigungen fließt, wird durch e<strong>in</strong>e p<strong>in</strong>ke Flüssigkeitersetzt. E<strong>in</strong> weißer Handschuh ersetzt die Pistole. Wer ist hier das Opfer,wer der Täter?Während draußen vor dem Hotel der Bürgerkrieg herrscht, zündet sich dertodkranke Ian (Jan Bernhardt) im Zimmer noch e<strong>in</strong>e Zigarette an. Voll mitgeballter Entschlossenheit, dass se<strong>in</strong>e Tage gezählt s<strong>in</strong>d. Und während se<strong>in</strong>eehemalige Geliebte Cate (Elke Zeh) bewusstlos im Bett liegt, vergewaltigter sie. Gefüllt mit Frust, dass sie ihm jegliche sexuelle Handlungen verweigert.Und ihn nicht mehr liebt. E<strong>in</strong>e Granate zerstört das Hotelzimmer,wodurch Ians und Cates geteilte E<strong>in</strong>samkeit aufgehoben wird. Der gewalttätigeSoldat, gespielt von Katja Klemt, sche<strong>in</strong>t jetzt zum Täter zu mutieren.Er erzählt ausschweifend, wie er Menschen mit se<strong>in</strong>en Kameraden umgebrachthat, welch Freude es ihm bereitet hat. Und fängt an, schallendzu lachen, als er bemerkt, wie viel Spaß es ihm gemacht hat, als er Männeran ihren Geschlechtsteilen aufhängte. Etwas zu grausam und zu aufgesetztwirkt es manchmal, um das Elend des Krieges und die daraus erwachsendenKonsequenzen darzustellen. Die Gewalt, von der gesprochenwird, spielt sich nicht auf der Bühne ab. Jedenfalls nicht offensichtlich. Primärlaufen die Szenerien im Kopf des Zuschauers ab, wie Ian se<strong>in</strong>e ehemaligeGeliebte vergewaltigt. Textstellen und Handlungen werden teilweisevorgelesen, während die Akteure <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e Art Starre verfallen. Damit wird<strong>in</strong> den Köpfen mehr erreicht, als es manchen lieb se<strong>in</strong> kann. Nicht zuletztauch durch die persönlichen Erfahrungen speziell mit Gewalt, Liebe undAbhängigkeit. Krieg f<strong>in</strong>det nicht nur auf der Straße statt. Krieg f<strong>in</strong>det auchim Kopf statt.Während der Soldat Ian vergewaltigt, dr<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>e sanfte Männerstimmesamt Klavierbegleitung <strong>in</strong>s Ohr. „Zerbombt“ ruft häufig Momente wie diesen– voller Ambivalenz und Zynismus – hervor. Während Ian we<strong>in</strong>end aufdem Bett liegt, fröhnt der Soldat se<strong>in</strong>er Gewalt, die er ausübt. Die sanfteStimme s<strong>in</strong>gt e<strong>in</strong>fach <strong>weiter</strong>. Die Frage nach Täter und Opfer verschwimmt,hat Ian doch M<strong>in</strong>uten vorher „se<strong>in</strong>e“ Cate vergewaltigt. Während das Theaterstück<strong>weiter</strong>läuft, verzweifelt man entweder an der Frage nach derKriegssituation und den daraus erwachsenden Konsequenzen oder manist durch die zahlreichen Gewaltvorstellungen völlig irritiet. Zeitweise istdas Stück sogar etwas zu brutal, sodass die Essenz des Stückes verlorengeht. Geht es nun um Liebe? Um Krieg? Um die zwischenmenschlichenZwiste, die jedem von uns, zu jeder Zeit, widerfahren? Oder ist es doch nurdie Gewalt – als zu oft genutztes Stilmittel – die den großen Bäm-Effekt erzielensoll? Zu bequem ist die Variante, e<strong>in</strong>fach nur Blutvergießen als Hauptelementzu benutzen.Sarah Kane, die sich 1999 erhängte, me<strong>in</strong>te mit „Zerbombt“ wahrsche<strong>in</strong>lichalles mit e<strong>in</strong>mal: „Wenn Menschen nach verstörenden Erfahrungen immernoch lieben können, dann ist die Liebe die größte Macht.“ Die <strong>in</strong> weißgehaltene Bühne, die rosa Farbe – das alles ergibt auf den ersten Blick e<strong>in</strong>verklärtes ruhiges Bild. Gepaart mit der ernsten Kriegsthematik und denGewaltvorstellungen entsteht e<strong>in</strong> Stück, das nur vollendet werden kann,wenn der Zuschauer bereit ist, sich se<strong>in</strong>er Vorstellungskraft h<strong>in</strong>zugeben.Dass das Thema auf Dauer trotzdem zu geballt verpackt ist durch das häufigeErzählen von Gewalt hier, Gewalt da, schreckt zeitweise ab. Was bleibt,ist e<strong>in</strong>e Feststellung, die jedem von uns bewusst ist. Der Krieg <strong>in</strong> den Köpfenwird nie aufhören.lzFotos: V<strong>in</strong>cent LeifertMORITZ 84 // MAI 201041


EssayFeuilletondie Bevölkerung dafür sensibilisiert und ihreEntscheidung begründet. Denn nicht Soldatenentscheiden über Krieg und Frieden, sonderndie Politik. Dazu gehört es vor allem, den Krieg<strong>in</strong> Afghanistan beim Namen zu nennen, mit allse<strong>in</strong>en Konsequenzen.Öffentliche Me<strong>in</strong>ung kann Kriege verlängernE<strong>in</strong>en viel größeren Aufschrei der Entrüstungals beim Abdruck der Bundeswehranzeigen immoritz, löste e<strong>in</strong> von der Website Wikileaksveröffentlichtes Kriegsvideo aus. Die Banalitätdes Tötens zeigte sich gnadenlos aus der Perspektivee<strong>in</strong>es US-Hubschraubers im Irak. Es istzu sehen, wie amerikanische Soldaten e<strong>in</strong> DutzendMenschen, darunter zwei Reuters-Reporter,töten und zwei K<strong>in</strong>der <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Transporterschwer verletzen. Nach getaner Arbeit beglückwünschensie sich zu ihren Abschüssen: „Niceshot“. Nach Bekanntwerden dieses lange geheimgehaltenen Videos, g<strong>in</strong>g e<strong>in</strong>e Erschütterungum die Welt. Wie können Menschenso grausam se<strong>in</strong> und auch noch Freude daranempf<strong>in</strong>den? Den Grund für diese Erschütterungsieht die Journalist<strong>in</strong> Beate Lakotta im Unverständnise<strong>in</strong>er demokratischen Gesellschaftfür die irrationale Gewalt des Krieges. „Die Zivilgesellschaftnährt den Mythos vom sauberenKrieg, weil sie sonst Probleme bekommt mit ihremSelbstverständnis, das Gewalt zum Tabu erklärt.Tatsächlich präsentieren westliche Streitkräfteihre Aktionen vor der Weltöffentlichkeitzunehmend als humanitäre Hilfse<strong>in</strong>sätze. Aberder Kern des Krieges s<strong>in</strong>d nicht das Brunnenbohrenoder die Polizeiausbildung. Der Kerndes Krieges ist das Töten“, schreibt Lakotta imMagaz<strong>in</strong> DER SPIEGEL (Ausgabe 15/2010).Es gibt also verschiedene Formen von Bewusstse<strong>in</strong>,die durch die Umwelt des Menschen konstituiertwerden. In e<strong>in</strong>er Demokratie ist es dasGewalttabu, im Krieg ist es die Gewalt als legitimesMittel zum Zweck, unabhängig davon obdie Soldaten aus e<strong>in</strong>em demokratischen oderautoritären Entsendeland kommen. Das Paradoxeist aber, dass das sich dem Frieden verpflichtetfühlende demokratische Bewusstse<strong>in</strong>,moderne Kriege wie <strong>in</strong> Afghanistan am Laufenhält. Organisationen wie die Taliban wissen, wieDemokratien funktionieren und dass jedes Opfer,besonders jedes deutsche Opfer, den <strong>in</strong>nenpolitischenDruck erhöht. Der bekannte PolitikwissenschaftlerHerfried Münkler nennt dasdie Asymmetrie des Krieges. „Die e<strong>in</strong>en müssen,wenn sie Erfolg haben wollen, die Köpfeund Herzen der Bevölkerung im E<strong>in</strong>satzgebietgew<strong>in</strong>nen; die anderen zielen vermittelstder getöteten Soldaten auf die Stimmungslageder Bevölkerung im Entsendeland, der dieFortführung des E<strong>in</strong>satzes vergällt werden soll“,schreibt Münkler <strong>in</strong> e<strong>in</strong>em Aufsatz im SPIEGEL(Ausgabe 44/2008). Es gäbe somit zwei Fronten,an denen um die Zustimmung der Bevölkerunggekämpft würde: e<strong>in</strong>e <strong>in</strong> Afghanistan und e<strong>in</strong>e<strong>in</strong> den westlichen Gesellschaften. „Das machtdiese Kriege kompliziert und hat dazu geführt,dass <strong>in</strong> ihnen Bilder und Begriffe zu Waffen gewordens<strong>in</strong>d“, erklärt er <strong>weiter</strong>. Münkler verwendetauch für den Kampf zu Hause bewusst militärischeBegriffe, weil auch das Handeln imEntsendeland Teil des Krieges ist.Die Kraft solcher Bilder sieht Münkler <strong>in</strong> derpostheroischen Gesellschaft begründet.„Postheroische Gesellschaften s<strong>in</strong>d durchausbereit, sich auf militärische Pazifizierungsprojektee<strong>in</strong>zulassen, wie Bosnien, Kosovo oderAfghanistan. Aber sie s<strong>in</strong>d darauf angewiesen,dass die Verluste <strong>in</strong> sehr engen Grenzen bleiben.Das aber weiß der Gegner <strong>in</strong>zwischen undhier hat er den Schwachpunkt der Interventenausgemacht. Hier setzt er an und hier verläuftdie entscheidende Frontl<strong>in</strong>ie. Die Anschläge<strong>in</strong> Afghanistan zielen auf die labile Psyche unsererpostheroischen Gesellschaft. Die Soldatenwerden getötet, um uns zu treffen.“ Nur soist es möglich, dass militärisch völlig unterlegeneGegner immer <strong>weiter</strong> kämpfen und derKrieg <strong>weiter</strong>geht. Das Herausreißen von Bundeswehranzeigenaus dem moritz ist ausunserer demokratischen Perspektive vertretbar.Wir lehnen Gewalt im Alltag zur Konfliktlösungab. Doch funktionieren solche Denkmuster auf<strong>in</strong>ternationaler Ebene nicht. Im Gegenteil. Sietragen ihren kle<strong>in</strong>en Teil dazu bei, dass Kriegewie <strong>in</strong> Afghanistan e<strong>in</strong>e nicht enden wollendeZahl an Opfern hervorbr<strong>in</strong>gen und es amSchluss nur Verlierer gibt. Letztendlich spielt jedernur se<strong>in</strong>e Rolle.DVDStraßenmusik à la Beethoven» Der Solist « von Joe WrightKonzentriere dich auf de<strong>in</strong> Talent – übe, bauede<strong>in</strong>e Stärken aus und teil das Ergebnis mitdem Rest der Welt. Dieser Grundgedanke istfest <strong>in</strong> unser Gesellschaft verankert. In Zeitenvon DSDS, Popstars und Co. hofft jeder zu denGesegneten zu gehören. Doch die wahren Virtuosenfallen eben nicht aus heiterem Himmel.Auch Nathaniel Anthony Ayers (Jamie Foxx) ausL.A. musste täglich Stunde um Stunde üben,um so e<strong>in</strong> herausragender Cellist zu werden,wie er es heute ist. Das e<strong>in</strong>stige Wunderk<strong>in</strong>d istjedoch über die Jahre verrückt geworden undan Schizophrenie erkrankt. Mit den Stimmen imKopf frönt er tage<strong>in</strong>, tagaus se<strong>in</strong>em Obdachlosendase<strong>in</strong>auf den Straßen der Großstadt. Alle<strong>in</strong>und für sich bespielt er die Straßentunnelder Stadt. Erst der L.A.-Times-ZeitungskolumnistSteve Lopez (Robert Downey Jr.) br<strong>in</strong>gt dasmusikalische Talent des passionierten Beethoven-Spielerswieder zum Vorsche<strong>in</strong>. Er schreibtüber ihn und hilft ihm se<strong>in</strong>en Weg <strong>in</strong> die Gesellschaftzum<strong>in</strong>dest teilweise wieder zurückzuf<strong>in</strong>den.Ungewollt entsteht aus dieser Zweckbeziehunge<strong>in</strong>e wahre Freundschaft zwischenden Beiden.Regisseur Joe Wright wollte die Geschichtemöglichst detailgetreu und trotzdem konkretvermitteln. Durch den E<strong>in</strong>satz von Jamie Foxxals geisteskranken Virtuosen gel<strong>in</strong>gt ihm diestatsächlich. Bemerkenswert ist die Authentizitätdes Films, da er auf e<strong>in</strong>er wahren Geschichteberuht. Das Geschehene ist real, die Moral griffig.Es geht zum E<strong>in</strong>en darum, an se<strong>in</strong>e Träumezu glauben und mit H<strong>in</strong>gabe zu leben. Egal <strong>in</strong>welcher Schicht der Gesellschaft du dich bef<strong>in</strong>dest,mit Herz und Leidenschaft schaffst du esnach ganz oben. Das ist wieder die „vom Tellerwäscherzum Millionär Philosophie“, die demZuschauer zum hundertsten Mal vorgegaukeltwird. Aber erstaunlicherweise ersche<strong>in</strong>t sienicht so ausgelutscht, wie vielleicht zu erwar-ten wäre. „Der Solist“ besticht durch die Darstellungder Macht, die Musik auf uns alle ausübt.Musik erreicht e<strong>in</strong>fach jeden, egal woher oderwie alt man ist. Selbst der taube Ludwig van Beethovenkonnte sich dieser Fasz<strong>in</strong>ation nichtentziehen. Zum Anderen zeigt Wright die unbekannten,versteckten Seiten der MillionenstadtLos Angeles. Denn neben Stars, endlosemSonnensche<strong>in</strong> und hippen Trends gibt es dortauch 80000 obdachlose Menschen <strong>in</strong> der LampCommunity, dem Armenviertel der Stadt. Sierauchen Crack, stehlen oder vegetieren nebenRatten vor sich h<strong>in</strong>. Der Film versucht darzustellen,dass diese Menschen nicht psychisch krankgeboren wurden, sondern dass jeder E<strong>in</strong>zelnevon ihnen e<strong>in</strong>e Geschichte hat. Man sollte se<strong>in</strong>eScheuklappen abstreifen und die Augen für unbekannteTerra<strong>in</strong>s öffnen. Das ist ke<strong>in</strong>e Gefühlsduselei,das ist e<strong>in</strong>fach nur ehrlich.slDarsteller Jamie Foxx, Robert Downey Jr.Laufzeit 117 M<strong>in</strong>utenMORITZ 84 // MAI 201043


FeuilletonDas Kostbarste im Leben ist vergänglich» Das Bildnis des Dorian Gray « von Oliver ParkerK<strong>in</strong>oE<strong>in</strong> schlecht beleuchtetes Schlafzimmer, teure Vorhänge, Frauen <strong>in</strong> hauchdünnenKleidern. Mitten unter ihnen e<strong>in</strong> e<strong>in</strong>zelner junger Mann. Szenendieser Art gibt es e<strong>in</strong>ige <strong>in</strong> dem neuen Film von Oliver Parker.Dorian Gray hat alles, wovon e<strong>in</strong> Mann nur träumen kann: Geld, Jugendund Schönheit. Die Frauen und Männer des Londons im 19. Jahrhundertliegen ihm zu Füßen und er kann se<strong>in</strong> Leben gestalten, wie immer er eswünscht. Dazu gehört auch das Malen e<strong>in</strong>es lebensechten Porträts se<strong>in</strong>erselbst, das ihm vor Augen hält, dass er e<strong>in</strong>es Tages altern und verfallen wird– e<strong>in</strong> Alptraum. Doch irgendwann merkt auch er, dass das, was unser Lebenkostbar macht, ausgerechnet die Vergänglichkeit ist.Oliver Parker ist nicht der Erste, der sich an e<strong>in</strong>er Verfilmung von OscarWildes Roman versucht, doch sche<strong>in</strong>t sie wie ihre Vorgänger Anklang zuf<strong>in</strong>den. Schließlich ist das Thema von ewiger Jugend und Schönheit e<strong>in</strong>es,das die Menschheit seit Jahrhunderten bewegt.Ben Barnes spielt Dorian rücksichtslos, lebenslustig und am Ende von Reueerfüllt und ist mit se<strong>in</strong>em jugendlichem Aussehen e<strong>in</strong>e perfekte Besetzungfür den Aristokraten, der auch schon im Roman durch se<strong>in</strong>e makelloseSchönheit Aufsehen erregt.Dorians bester Freund und Gönner Lord Henry Wotton (Col<strong>in</strong> Firth) wiederumist e<strong>in</strong> verheirateter, alternder Mann, der sich se<strong>in</strong>e Jugend zurückwünscht. In Dorian sieht er die Erfüllung dieses Wunsches, er verführt denunschuldigen Jungen zu Alkohol, Drogen und Sex und macht ihn damit zudem rücksichtslosen Mann, der er später ist. Wie der Teufel e<strong>in</strong>st Eva verführte,verleitet Henry Dorian, sich dem Genuss h<strong>in</strong>zugeben, den der jun-ge Mann selbst als Sündesieht, dem er sichjedoch nicht entziehenkann. In se<strong>in</strong>er Situation,wer wäre nicht bereit,se<strong>in</strong>e Seele zu verkaufen,um ewig schönund jung zu bleiben,während e<strong>in</strong> Bild anse<strong>in</strong>er statt altert? Besonders die Kameraführung und die Schnitttechnik,die besonders bei den vielfachen Sex- und Drogenszenen e<strong>in</strong>gesetzt werden,erzeugen am Ende auf ihre Art e<strong>in</strong> grausames Gesamtbild. Die Szenen,<strong>in</strong> denen aus Sicht des Gemäldes und <strong>in</strong> schwarz-weiß gefilmt wurde,s<strong>in</strong>d bee<strong>in</strong>druckend und erhöhen den leichten Gruselfaktor, der nur nochdurch den Ekel getoppt wird, dem man beim Anblick des Bildes ausgesetztwird, je mehr Zeit vergeht.Es gibt ke<strong>in</strong>e perfekten Buchverfilmungen, auch diese kann diesen Titelnicht für sich verlangen. Doch wer braucht Perfektion, wenn der Produzent<strong>in</strong> der Lage ist, aus e<strong>in</strong>em sehr guten Buch e<strong>in</strong>en sehr guten Film zu machen,auch ohne alle E<strong>in</strong>zelheiten punktgenau zu übernehmen? Und dasist Oliver Parker def<strong>in</strong>itiv gelungen.jmDarsteller Ben Barnes, Col<strong>in</strong> Firth, Rebecca Hall, Ben Chapl<strong>in</strong>Laufzeit 112 M<strong>in</strong>utenDer Clown im Kopf» V<strong>in</strong>cent will meer « von Ralf HuettnerE<strong>in</strong> Gespräch führen und dabei ständig niesen zu müssen. Es kaum bee<strong>in</strong>flussenoder kontrollieren zu können. Täglich, <strong>in</strong> jeder möglichen Situation,das ganze Leben lang. Auffallen ohne es zu wollen. Aber anstatt zu niesen,wird obszön geschrien, beleidigt und nervös gezuckt. Der Körper gehorchtnicht.V<strong>in</strong>cent (Florian David Fitz) lebt und leidet am Tourette-Syndrom, welchesihn und se<strong>in</strong>e Umgebung mit unkontrollierbaren Anfällen überfordert.E<strong>in</strong>e Kirchenszene um e<strong>in</strong>e Urne dient als E<strong>in</strong>stieg: die Trauerzeremoniefür se<strong>in</strong>e verstorbene Mutter und se<strong>in</strong> dort unpassendes Verhalten zeigengleich zu Beg<strong>in</strong>n den starken Konflikt zwischen V<strong>in</strong>cents ungewollten impulsivenBewegungen und den Reaktionen se<strong>in</strong>er Mitmenschen.Der junge Mann wird von se<strong>in</strong>em gefühlskalten und distanzierten Vater(He<strong>in</strong>o Ferch) <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e trostlose bayrische Anstalt gebracht, aus welcher ermit der Magersuchtkranken Marie (erschreckend: Karol<strong>in</strong>e Herfurth) unddem ängstlich neurotischen Alexander (Johannes Allmayer) kurz daraufentflieht.Se<strong>in</strong> Ziel ist die italienische Küste, um den Wunsch se<strong>in</strong>er Mutter nach e<strong>in</strong>erSeebestattung zu erfüllen. Mit dem Auto unterwegs, lernen die Flüchtendensich und ihre krankhaften Eigenheiten näher kennen.Das wechselnde Wetter und die durchreisten Orte spiegeln die Empf<strong>in</strong>dungenvon V<strong>in</strong>cent, Marie und Alexander wider. So bef<strong>in</strong>det sich derStimmungsbogen der Handlung auf se<strong>in</strong>em glücklichen Höhepunkt alsdas Trio euphorisch e<strong>in</strong>en hohen Gipfel der Alpen erreicht, die Verfolgerabgehängt und ihr noch geme<strong>in</strong>sames Ziel, das Meer, glitzernd am Horizontsieht. Doch schon beim Abstieg erfolgt der emotionale Niedergangder doch so hilfesuchenden Drei, welcher schlussendlich eskaliert.Hier liegt auch die Stärke des selbstgeschriebenen Drehbuchs von Haupt-darsteller Florian David Fitz, welches zwar anfänglich droht <strong>in</strong> e<strong>in</strong>e klischeehafteKomödie mit oberflächlicher Problemlösung abzugleiten, zumEnde jedoch mit ernsthaftem Tiefgang und ungeschönten Bildern den zugrundeliegenden Wahrheiten <strong>in</strong>s Gesicht blickt.Diese f<strong>in</strong>den sich glaubhaft <strong>in</strong> den zuckenden und zurückweichendenKörperbewegungen der beiden männlichen Darsteller, vor allem aber <strong>in</strong>den ausgezehrten Augen und dem zerbrechlichen Äußeren Maries, welchesich e<strong>in</strong>em „Mehr“ bis zum möglichen Tod verweigert. Bei dem Filmtitelwird sich, gerade hier an der Küste, e<strong>in</strong>es oft schon übermäßig gebrauchtenWortspiels bedient. Und doch sche<strong>in</strong>t neben der Reise zumMittelmeer eher V<strong>in</strong>cents Drang nach dem Mehr an Liebe, Leben undGlück das eigentliche Ziel.E<strong>in</strong> e<strong>in</strong>fühlsamer Roadmovie, welcher <strong>in</strong> kurzen tragischen, wie teils komischenEpisoden und mit überzeugenden schauspielerischem Könnender Hauptdarsteller e<strong>in</strong>en ehrlichen Blick auf den Kampf zwischen Körperund gestörtem Geist wirft.dfDarsteller Florian David Fitz, Karol<strong>in</strong>e Herfurth, Johannes AllmayerLaufzeit 95 M<strong>in</strong>uten44 MORITZ 84 // MAI 2010


LiteraturFeuilletonNeuesvom Fuchs» Gewalten «von Clemens MeyerDer Meyer schreibt Geschichte. Se<strong>in</strong>e, unsere, die von 2009. „Gewalten“ iste<strong>in</strong> Tagebuch, das des vergangenen Jahres. Die elf Teile lesen sich so gut,dass dir der faulige Atem vom letzten Jahr Satz für Satz <strong>in</strong> die Nase kriecht.Clemens Meyer hat da aber auch den richtigen Riecher für. Fürs Derbe, Grobe,„gewaltig“ Ästhetische. Se<strong>in</strong>en Riechkolben steckt er den Großteil der223 Seiten vorwiegend <strong>in</strong> ostdeutsche Luft: Leipzig, Magdeburg, aber auchmal Hannover, bisschen Bielefeld, Guantanamo und die Welt des Islams.Der Ich-Erzähler (Meyer sagt, dass das schon irgendwie er selbst sei) säuft,wettet auf Gäule, verliert, gew<strong>in</strong>nt mal, erbaut Ego-Shooter-Wahns<strong>in</strong>ns-Komplott-Welten und ist dabei, wenn die Hools beim Leipziger FußballderbyKrieg spielen. Gewalt. Gewalt. Gewalt. Schönes 2009. Meyer, e<strong>in</strong>er derneuen Bosse im deutschen Literaturbetrieb, erhielt unter anderem schonden Preis der Leipziger Buchmesse 2008 für „Die Nacht, die Lichter“. Warumist der so erfolgreich?„Alkohol, Drogen, Tod, und ke<strong>in</strong> Weg raus aus diesem beschissenen Viertel.“Das ist der Ton, den Meyer immer wieder trifft, auch <strong>in</strong> „Gewalten“. Unddass ihm das so gel<strong>in</strong>gt, den Ton der Verlierer, Randständigen und Kle<strong>in</strong>krim<strong>in</strong>ellenzu treffen, liegt nicht auch zuletzt daran, dass Meyer lange Zeitzu genau diesen gehörte. Jugendanstalt Zeitha<strong>in</strong> und nach zunächst erfolgloserVerlagssuche Sozialhilfe. Meyer kennt das, über was er schreibt.Davon könne man ja eh am besten schreiben, so der Hallenser, der jetzt<strong>in</strong> Leipzig wohnt. Jenem Schauplatz se<strong>in</strong>es neuen Buches, wo sich Flüssezu mystisch dunklen Urwaldgewässern verwandeln. Mit unheimlich aufgeblähtenKokonen, schlammigem und undurchschaubarem Wasser. Mitallem drum und dran eben.Dass Meyers Tagebuch e<strong>in</strong> Auftragswerk ist und sich <strong>in</strong> 50 Jahren sichergerne als Zeitdokument lesen möchte, zeigt der plötzliche Hang des Autorszur Technik. Da wird auf „Touchscreens“ rumgefummelt, da hat man„W<strong>in</strong>dows XP“ und natürlich: Pferdewetten kann man auch per Internet abschließen.Das kann man ihm ja aber eigentlich gar nicht vorwerfen. So istes nun mal.Immer wieder verschwimmen die erzählten Ebenen. Was ist Traum? Was istjetzt gedacht, was wörtliche Rede, was jenseits, was diesseits?„Gewalten“ ist e<strong>in</strong> Buch das bleibt. Das legt man nicht e<strong>in</strong>fach so weg. Dasist Geschichte, das ist Realität, das ist die tote Michelle, das ist der Amoklaufvon W<strong>in</strong>nenden. Das zeigt er, damit provoziert er, so sehr, dass du nichtruhig auf der Couch liegen kannst, wenn du „Gewalten“ liest. Das ist schockierendgut. Der Meyer, der ist e<strong>in</strong> Fuchs.mj„Niemandsieht, wie wirsehen, Patti.“» Just Kids «von Patti SmithVerrückte Kleidungsstile treffen aufe<strong>in</strong>ander, der Rock ’n’ Roll erlebt e<strong>in</strong>ense<strong>in</strong>er Höhepunkte, die Kunstszene ist am Aufleben und e<strong>in</strong> Gefühl desUmbruchs liegt <strong>in</strong> der Luft. In dieser Szenerie spielt sich das autobiografischeWerk der begabten Dichter<strong>in</strong> und Punkrock-Ikone Patti Smith ab.Das Buch ist e<strong>in</strong> Ausschnitt aus jener aufregenden Epoche des New Yorkder 60er und 70er-Jahre.Die Erzählung beg<strong>in</strong>nt mit Pattis Jugendjahren <strong>in</strong> Chicago, die geprägts<strong>in</strong>d von e<strong>in</strong>er frühen Schwangerschaft, die letztlich <strong>in</strong> der Freigabe ihresK<strong>in</strong>des zur Adoption endet; vom Abbruch der Schule und ihrer religiösenFamilie, <strong>in</strong> die Patti nicht re<strong>in</strong>zupassen sche<strong>in</strong>t. Schon als Jugendliche vonder Kunst und dem Künstlerdase<strong>in</strong> begeistert, hegt sie den Wunsch nachNew York zu gehen. Und an diesem Ort beg<strong>in</strong>nt nun die <strong>in</strong>nige Geschichtee<strong>in</strong>er unvergleichlichen und lebenslangen Freundschaft mit RobertMapplethorpe, e<strong>in</strong>em beliebten aber zugleich kontroversen Fotografender damaligen Zeit. Beide begegnen sich re<strong>in</strong> zufällig, doch es sche<strong>in</strong>t Liebeauf den ersten Blick zu se<strong>in</strong>. Beide von der Kunst mitgerissen, widmensich ihr voll und ganz und opfern dafür zusammen viel. Von ärmlichen Verhältnissenund Hunger geplagt, halten sie an ihrem Traum fest und gebensich gegenseitig Inspiration, die sie bestärkt <strong>in</strong> der harten Ellenbogengesellschaftder Kunstszene <strong>weiter</strong>zumachen. Aus e<strong>in</strong>er anfänglichen Beziehungentwickelt sich dann allmählich e<strong>in</strong>e Freundschaft, da Robert langsamse<strong>in</strong>e Homosexualität und die Drogen entdeckt. Mapplethorpe, derdurch se<strong>in</strong>e „krassen“ Bilder bekannt wurde, stellte e<strong>in</strong>en Gegensatz zuPatti dar, die damals nur Gedichte verfasste und malte. Doch auf RobertsDrängen h<strong>in</strong> und durch e<strong>in</strong> Schlüsselerlebnis bei e<strong>in</strong>em „Doors“-Konzert,wo sich Patti endlich e<strong>in</strong>gesteht, dass sie zum Rockerdase<strong>in</strong> fähig wäre,traut sie sich ihre Texte auf der Bühne zu präsentieren.Viele bekannte Namen tauchen <strong>in</strong> dieser sehr ehrlichen und offenen Erzählungauf, wie zum Beispiel Janis Jopl<strong>in</strong> und Andy Warhol, um nur e<strong>in</strong>igezu nennen. Deshalb eignet sich gerade dieses Buch für alle, die vonjener chaotischen und aufregenden Zeit des Wandels und der Rebellionerfahren wollen. Auch wegen der schönen Bilder, die teilweise von RobertMapplethorpe und Patti Smith stammen und sehr e<strong>in</strong>drucksvoll s<strong>in</strong>d, lohntsich die Lektüre. E<strong>in</strong>es der berühmtesten ist wohl das von Robert gemachteschwarz-weiß Portrait Pattis, die im Anzug zu sehen ist. Die Idee, die Geschichteihrer Freundschaft niederzuschreiben, verdankt sie Robert selbst,der 1989 an AIDS starb. Alle, die die andere Seite von Patti Smith und demtalentierten Fotografen Robert Mapplethorpe erleben wollen, sei diesesBuch ans Herz gelegt. Man ist erstaunt, dass diese Punkrocklady, die aufder Bühne wütet, doch so zerbrechlich und sensibel se<strong>in</strong> kann und so sanftschreibt. Sie selber sagt über die damalige Zeit, dass sie nicht diese zornigePerson auf der Bühne war, sondern eher e<strong>in</strong>e Tagträumer<strong>in</strong> ist, wasihr Buch beweist.idC<strong>in</strong>eLady im C<strong>in</strong>eStar GreifswaldFilme, die Frauen lieben!Mittwoch, 26. Mai „Sex and the City 2“Vorpremiere, 19:45 UhrMORITZ 84 // MAI 201045


FeuilletonRund undlangweiligLiebe goesCountryBlockade imLabyr<strong>in</strong>thCDDeftones – » Diamond Eyes «Sarah Blackwood – » Wast<strong>in</strong>g Time « Madsen – » Labyr<strong>in</strong>th «E<strong>in</strong>e weiße Eule auf schwarzen H<strong>in</strong>tergrund.Ke<strong>in</strong> Staubkorn ist zu entdecken, sie erglänzt <strong>in</strong>strahlendem weiß. In Verb<strong>in</strong>dung mit dem Titel„Diamond Eyes“ macht das Album e<strong>in</strong>en edlenE<strong>in</strong>druck. Schlägt man die <strong>weiter</strong>en Seitendes Booklets auf, zeigt sich der wahre Charakterdes sechsten Albums der Deftones: SchwarzeSchrift auf schwarzem Grund, nur die weißenKonturen zeigen an, wo der Übergang zwischenleerem H<strong>in</strong>tergrund und <strong>in</strong>haltlicher Leereist. Die Texte selbst stehen dürr <strong>in</strong> der Wüsteaus schwarzer Langeweile und regen zum umblätternan. Auf der vorletzten Seite steht noche<strong>in</strong>mal der mit e<strong>in</strong>er ambitionierten Historiegefüllte Name der Band und darunter der <strong>in</strong>haltsloseName des Albums. Auf der letzten Seitebef<strong>in</strong>den sich e<strong>in</strong>ige blass goldene Striche,die wohl e<strong>in</strong>en Diamanten darstellen sollen. Inböser Vorahnung legt man die CD e<strong>in</strong> und lässtsich erst mal von der S<strong>in</strong>gle-Auskopplung beschallen.Im Refra<strong>in</strong> lässt sich e<strong>in</strong>e Melodie erahnen,die über den Standard h<strong>in</strong>ausgeht. Nachdem zweiten Hören sche<strong>in</strong>t sie aber eher e<strong>in</strong>evon denen zu se<strong>in</strong>, die man als Musiker schnellverwirft, weil sie e<strong>in</strong>em selbst auf die Nervengeht. Der Rest des Albums versucht erst garnicht, sich von nichtssagendem H<strong>in</strong>tergrundgeräuschzu unterscheiden.Was bleibt, ist der E<strong>in</strong>druck e<strong>in</strong>es sterilen Verkaufsproduktes,das vom Songwrit<strong>in</strong>g überHookl<strong>in</strong>es, Soundexperimente, Albumkonzeptund grafische Aufmachung nichts zu bietenhat, außer Langeweile und dem dumpfen Gefühl,dem erloschenen Licht e<strong>in</strong>es Vorreiters desmodernen Rocks begegnet zu se<strong>in</strong>. pwAnzeigeLicht aus, Kerzen an und dazu e<strong>in</strong> Glas We<strong>in</strong>.Genau dieses Feel<strong>in</strong>g entsteht, wenn man sichdurch das zweite Soloalbum „Wast<strong>in</strong>g Time“von Sarah Blackwood hört. Bekannt gewordendurch die Psychobilly Band „The Creepshow“aus Ontario, beweist die Kanadier<strong>in</strong> erneut,dass es auch ganz anders geht. Wie bereits <strong>in</strong>ihrem Debütalbum „Way Back Home“ weichtder Horrorpunk den Country- und Folkklängenvon Akustikgitarre und Klavier. E<strong>in</strong>e kle<strong>in</strong>e zierlicheFrau mit e<strong>in</strong>er unverkennbaren Stimmeöffnet auf den elf Songs die Pforten ihres Herzens.Während sie <strong>in</strong> „Way Back Home“ persönlicheNiederschläge und Probleme verarbeitete,geht es im aktuellen Album schlicht und ergreifendum Liebe und Gefühle: „We all know brokenhearts put up a fight, shed a hundred moretears when we had to say goodbye.“Mit Daniel Flamm von den „Sewer Rats“ holtesich die Songwriter<strong>in</strong> und Sänger<strong>in</strong> e<strong>in</strong> Allround-Talent<strong>in</strong>s Boot. Der Ex-Gitarist von„Heartbreak Eng<strong>in</strong>e“, der auch privat mit ihr liiertist, übernimmt viele musikalische Parts mitGitarre, Klavier oder Banjo. Zusammen Mit „I’ llkeep on wait<strong>in</strong>g“ und „These are the days“ lieferndie beiden zwei wunderschöne Duetteab. Obwohl sie so manchem aus der Seelesprechen wird, wirken die Texte mit den Herzschmerzrhythmen,wie <strong>in</strong> „Diamond Eyed Evil“,teils etwas gefühlsüberladen. „Drags me down“bildet mit Ukulele und Chor e<strong>in</strong>en passendenAbschluss des Albums. Trotzdem bleibt die Erwartungnach mehr Power auf „Wast<strong>in</strong>g Time“leider unerfüllt.lasDie Jungs von Madsen stehen tief im Innerene<strong>in</strong>es großen Labyr<strong>in</strong>ths. Auf der Suchenach dem Ausweg halten sie sich mit Liedernüber Liebe, Freundschaft und e<strong>in</strong>er niemals endendenJugend bei Laune. Am Ende haben siesich verirrt.Wer hofft, die Band ist nach der längeren Pauseseit dem letzten Album, ähnlich wie bei e<strong>in</strong>erSuche aus e<strong>in</strong>em Labyr<strong>in</strong>th, auf ihre Grenzengestoßen und gereift, der wird leiderenttäuscht. Die Stücke ketten sich vielmehr andie Songs der letzten Alben. Fans werden es ihnenvielleicht verzeihen, schließlich merkt man,dass Madsen noch immer so s<strong>in</strong>d und se<strong>in</strong> wollen,wie sie als Kellerband begonnen haben.Trotzdem: „Blockade“ er<strong>in</strong>nert mit dem Geschreides Frontmannes Sebastian Madsenan die alte Nummer „Panik“. E<strong>in</strong> Déjà-vu bekommtman auch bei „Me<strong>in</strong> Herz bleibt hier“,weist es doch starke Parallelen mit „Ich kommenicht mit“ aus dem Album „Goodbye Logik“ auf.Schlimmer noch, f<strong>in</strong>det sich auf dem Albumke<strong>in</strong> Stück, das es mit ihren Erfolgen „Vielleicht“und „Immer mehr“ aufnehmen kann.E<strong>in</strong>zige Überraschung des Albums: OrganistFolker „Folli“ Jahncke hat die Band verlassen.Verstärkung bekommen die Jungs nun durchLisa Nicklisch. Die bisher Unbekannte machtsich <strong>in</strong> „Obenunten“ bemerkbar, <strong>in</strong> dem sie dieBand auch gesanglich unterstützt. Ihre Stimmeer<strong>in</strong>nert sehr an Judith Holoferners, Frontfrauvon „Wir s<strong>in</strong>d Helden“. Und irgendwie passt dasGesangsduett, das für die Band eher untypischist, <strong>in</strong>s verirrte Konzept des Albums. anaPromotion im TeamFür fl exible Werbetätigkeit <strong>in</strong> den Bereichen Soziales und Umweltschutz suchen wirselbstsichere, offene und zuverlässige Menschen. Fließendes Deutsch erforderlich.Tel: 07643 9 14 14 1346 MORITZ 84 // MAI 2010


Abschiedm.trifft... Hamid Al-KhamasiSeit 2003 wohnt Hamid Al-Khamasi hier<strong>in</strong> Greifswald. Ursprünglich kommt der53-Jährige aus dem Irak, wo er 1979 se<strong>in</strong>Studium zum Elektro<strong>in</strong>genieur abgeschlossenhat. Bevor er <strong>in</strong> die kle<strong>in</strong>e Hansestadtkam, arbeitete er 20 Jahre bei derMar<strong>in</strong>e als Elektro<strong>in</strong>genieur. Mit se<strong>in</strong>endrei K<strong>in</strong>dern – zwei von ihnen studierenauch hier <strong>in</strong> Greifswald – und se<strong>in</strong>er Fraubetreibt er seit 2003 se<strong>in</strong>en Laden „BagdadDöner“ <strong>in</strong> der Innenstadt.moritz Wann s<strong>in</strong>d Sie nach Deutschlandgekommen?Hamid Al-Khamasi Ich kam 2000 nach Deutschland.Erst verbrachte ich drei Monate <strong>in</strong> Boizenburg(Landkreis Ludwigslust, Anm. d. Red.),dann kam ich nach Greifswald.moritz Wie s<strong>in</strong>d Sie darauf gekommen, e<strong>in</strong>enDönerladen zu eröffnen?Al-Khamasi Durch me<strong>in</strong>e vorherige Erfahrungbeim Militär war es sehr schwierig für mich, hiere<strong>in</strong>e Stelle als Elektro<strong>in</strong>genieur zu bekommen.Dann hatte ich die Überlegung, <strong>in</strong> Greifswalde<strong>in</strong>en Dönerladen zu eröffnen und habe 2003dann mit dem Verkauf angefangen. Me<strong>in</strong>e ganzeFamilie hilft im Laden aus.moritz Wie sieht denn e<strong>in</strong> normaler Arbeitstagbei Ihnen aus?Al-Khamasi Ab elf Uhr habe ich geöffnet, bisich dann um Null Uhr den Laden schließe. AberDonnerstag, Freitag und Samstag habe ich e<strong>in</strong>wenig länger auf, weil dann die ganzen Partyss<strong>in</strong>d. Aus der Mensa und von anderen Partyskommen die Leute dann zu mir.moritz S<strong>in</strong>d Ihnen <strong>in</strong> der Zeit als Dönerverkäuferschon mal skurile Geschichten widerfahren?Al-Khamasi Die Leute hier s<strong>in</strong>d alle nett, damitb<strong>in</strong> ich sehr zufrieden. Auch wenn <strong>in</strong> der Nachtwelche kommen, die betrunken s<strong>in</strong>d, sie bleibenalle immer höflich. Da gibt es ke<strong>in</strong>e Probleme.Ich b<strong>in</strong> der e<strong>in</strong>zige, der nachts um zweiUhr noch auf hat, die restlichen Gaststättens<strong>in</strong>d ja geschlossen.moritz Wie gefällt Ihnen Greifswald?Al-Khamasi Die Stadt gefällt mir sehr gut, dieLeute s<strong>in</strong>d alle höflich. Wir haben hier ke<strong>in</strong>e Nazis.Me<strong>in</strong>e K<strong>in</strong>der s<strong>in</strong>d auch sehr froh darüber,<strong>in</strong> Greifswald zu wohnen. Sie haben viele deutscheFreunde. Es ist schön ruhig hier, es gibte<strong>in</strong>e große Universität und e<strong>in</strong> großes Kl<strong>in</strong>ikum.moritz Haben Sie e<strong>in</strong> spezielles Verhältniszu den Greifswalder Studenten?Al-Khamasi Viele me<strong>in</strong>er Kunden s<strong>in</strong>d Studenten,ich würde sogar fast sagen 80 Prozent.Sie wissen ja selbst, die Studenten s<strong>in</strong>d gelehrtund verhalten sich selbst sehr gut. Sonst ist mirnie was aufgefallen.moritz Was machen Sie sonst gern <strong>in</strong> IhrerFreizeit?Al-Khamasi Im Sommer gehen wir viel spazieren.E<strong>in</strong>mal im Jahr machen wir auch Urlaub,so um die zwei Wochen lang. Letztes Jahr zumBeispiel waren wir <strong>in</strong> Österreich, <strong>in</strong> Wien. DieseRuhe brauche ich e<strong>in</strong>mal im Jahr.moritz Wie ist Ihre Beziehung zum Irak?Al-Khamasi Ich hab mich Deutschland schongut e<strong>in</strong>gelebt. Außerdem ist es zurzeit sehr gefährlich,<strong>in</strong> den Irak zu fliegen. Es gibt ke<strong>in</strong>e Sicherheitund vieles ist dort durche<strong>in</strong>ander. Ichhabe allerd<strong>in</strong>gs per Telefon Kontakt zu me<strong>in</strong>enFreunden im Irak.moritz Wie s<strong>in</strong>d Sie auf den Namen „BagdadDöner“ gekommen?Al-Khamasi Es gibt dazu e<strong>in</strong>e Geschichte. Wirhaben Bagdad ja schon verloren, denn dieAmerikaner haben es quasi für sich „e<strong>in</strong>genommen“.Deshalb wollte ich zeigen, dass hier e<strong>in</strong>„neues Bagdad“ entsteht.moritz Haben Sie e<strong>in</strong> Liebl<strong>in</strong>gsgericht?Al-Khamasi Wir machen viele arabische Gerichte.Sehr mag ich gefüllte Ente. Mit Gewürzen,Zwiebeln und Reis, das esse ich sehr gern.moritz Haben Sie auch e<strong>in</strong>en Liebl<strong>in</strong>gsplatz<strong>in</strong> Greifswald?Al-Khamasi Ich fahre oft nach Eldena. Gern gehich auch <strong>in</strong>s Ballhaus, wo klassische Musik läuft.Auch <strong>in</strong> Wiek gibt es viele schöne ruhige Plätze,wo ich gern mal b<strong>in</strong>. Aber am liebsten b<strong>in</strong> ichoben im Ballhaus.Das Gespräch führte Luisa Pischtschan.Foto: Luisa Pischtschan48 MORITZ 84 // MAI 2010


AbschiedImpressumRedaktion & GeschäftsführungWollweberstraße 4, 17489 GreifswaldTelefon 03834-861759, Telefax 03834-861756E-Mail magaz<strong>in</strong>@moritz-medien.deInternet www.moritz-magaz<strong>in</strong>.dePostanschriftmoritz – Das Greifswalder Studentenmagaz<strong>in</strong>c/o AStA Greifswald, Domstraße 12, 17487 GreifswaldFreie Redakteure Markus Kather, Gabriel Kords, Matthias JüglerSchlussredaktion Patrice Wangen, Florian Bonn, Martha Kunhenn,Annegret Adam, Luise Röpke, Anja RauLayout & Gestaltung Mart<strong>in</strong>a Gäde, Daniel FockeTitelbild Daniel FockeTapir Kai-Uwe MakowskiDruck Ostsee Druck RostockGeschäftsführung Erik SchumacherAnzeigen Erik SchumacherChefredaktion Alexander Müller (V.i.S.d.P.) , Daniel FockeRessortleitung Hochschulpolitik Annegret AdamRessortleitung Uni.versum Maria StracheRessortleitung GreifsWelt Christiane MüllerRessortleitung Feuilleton Luisa PischtschanOnl<strong>in</strong>e-Redaktion Florian BonnMitwirkende Redakteure <strong>in</strong> dieser Ausgabe Anastasia Statsenko (as),Annegret Adam (ana), Christiane Müller (cm), Daniel Focke (df), PatriceWangen (pw), Grzegorz Lisek (gl), Luise Röpke (lr), Jelena Mädler (jm),Florian Bonn (fb), Gjorgi Bedzovski (gb), Alexander Müller (amü) MariaStrache (mst), Anja Rau (ar), Kathar<strong>in</strong>a Schattenberg (ks), Paul<strong>in</strong>e Mielke(pm), Sophie Lagies (sl), Irene Dimitropoulos (id), Sabr<strong>in</strong>a Schmidt (sas),Luisa Pischtschan (lz), Laura-Ann Schröder (las)Herausgeber Studierendenschaft der Universität Greifswald, vertretendurch das Studierendenparlament (StuPa)Domstraße 12, 17487 Greifswaldmoritz – das Greifswalder Studentenmagaz<strong>in</strong>, ersche<strong>in</strong>t währendder Vorlesungszeit monatlich <strong>in</strong> e<strong>in</strong>er Auflage von 3 000 Exemplaren.Die Redaktion trifft sich während der Vorlesungszeit immer donnerstagsum 18 Uhr <strong>in</strong> der Wollweberstraße 4. Redaktionsschluss der nächstenAusgabe ist der 5. Juni 2010. Die nächste Ausgabe ersche<strong>in</strong>t am 14. Juni2010. Nachdruck und Vervielfältigung, auch auszugsweise, nur mit ausdrücklicherGenehmigung der Redaktion. Die Redaktion behält sich dasRecht vor, e<strong>in</strong>gereichte Texte und Leserbriefe redaktionell zu bearbeiten.Namentlich gekennzeichnete Artikel und Beiträge geben nicht unbed<strong>in</strong>gtdie Me<strong>in</strong>ung der Redaktion wieder. Die <strong>in</strong> Artikeln und Werbeanzeigengeäußerten Me<strong>in</strong>ungen, stimmen nicht <strong>in</strong> jedem Fall mit derMe<strong>in</strong>ung des Herausgebers übere<strong>in</strong>. Alle Angaben s<strong>in</strong>d ohne Gewähr.Ostseedruck RostockMORITZ 84 // MAI 201049


50 MORITZ 84 // MAI 2010Abschied


Greifswald International StudentsFestival 201026. Mai- 6. Juni29.MaiWelcome PartyHallen am BahnhofDie Welt zu Gastauf de<strong>in</strong>er Couch!30.MaiDINCHMarktplatzJuni01.Juni03.05.GrIStuF e.V.Wollweberstraße 4Runn<strong>in</strong>g D<strong>in</strong>nerJuniTreffen derKont<strong>in</strong>enteUni - Innenhof31.Hallen am BahnhofForumInstitute für Physikund BiochemieShip & ChillMuseumshafenGrIStuFOpen AirMai02.Kulturmeile17489 GreifswaldGreifswaldWorld-CaféRubenowplatzJuni05.JuniStrandbad EldenaJuni04.Werde Host beim 5. GreifswalderInternational Students Festival!26. Mai bis 6. Juni 2010Mehr Infos und Anmeldung unter26.5. - 6.6. 2010Triff sie vor de<strong>in</strong>er Haustür!www.students-festival.de!GrIStuF e.V.Die Welt zu Gast<strong>in</strong> GreifswaldVom 26. Mai bis zum 6. Juni 2010 werden über 200Studierende aus der ganzen Welt unsere Hansestadt <strong>in</strong>e<strong>in</strong>en multikulturellen Begegnungspunkt verwandeln.Geme<strong>in</strong>sam mit GreifswalderInnen werden sie sich <strong>in</strong>Workshops unter dem Motto „Response-Ability“ mitden Themen Society, Policy Impact, Global Change undScience and Ethics ause<strong>in</strong>andersetzen. Sie werdendabei e<strong>in</strong>ander ihre Kulturen näherbr<strong>in</strong>gen und diskutieren,welche Rolle Verantwortung <strong>in</strong> ihrem Leben undihrer Gesellschaft spielt.Hast du Lust unsere Gäste aus allen Erdteilen kennenzu lernen?Zahlreiche Lesungen, Vorträge, Kulturveranstaltungenund Konzerte mit <strong>in</strong>terkulturellem Flair bieten dieGelegenheit dazu. Ob als Host, Helper, TeilnehmerInoder BesucherIn, sei dabei!Neugierig geworden?Mehr Infos auf dem Webmoritz, <strong>in</strong> unseremProgrammheft und natürlichauf students-festival.de


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