Aeschenpopulationen Nationaler Bedeutung - Informationen zu ...
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Äschenstrecken von nationaler <strong>Bedeutung</strong><br />
1. Einleitung<br />
Die Erhaltung bedrohter Tier und Pflanzenarten ist auf<br />
verschiedene Weise möglich. Nebst dem rechtlichen<br />
Schutz durch Gesetze und Vorschriften dient die Ausscheidung<br />
wichtiger Lebensräume als Reservate sowie<br />
- in Ausnahmefällen - die künstliche Nach<strong>zu</strong>cht gefährdeter<br />
Organismen diesem Ziel. Zur Realisierung<br />
dieser Vorgabe müssen <strong>zu</strong>sätzlich Schutzprogramme<br />
mit ganz gezielten, auf eine Art ausgerichteten Massnahmen<br />
entwickelt werden. Eine immer wichtigere<br />
Stellung erhält auch der Schutz vorhandener, noch natürlicher<br />
Lebensräume sowie die Renaturierung beeinträchtigter<br />
Habitate. Sind Lebensweise und Umweltansprüche<br />
spezialisierter und gefährdeter Arten bekannt,<br />
können Renaturierungen gezielt auf die Bedürfnisse<br />
dieser Arten ausgerichtet werden.<br />
Das Bundesgesetz über die Fischerei (BGF) vom 21. Juni<br />
1991 legt in Artikel 5 fest:<br />
(4 Der Bundesrat bezeichnet die Arten und Rassen von Fischen<br />
und Krebsen, die gefährdet sind. Die Kantone<br />
ergreifen die erforderlichen Massnahmen <strong>zu</strong>m Schutz<br />
der Lebensräume von gefährdeten Arten und Rassen.))<br />
In Artikel 5 der Verordnung <strong>zu</strong>m BGF (VBGF) vom<br />
24. November 1993 werden in Anhang 1 die bedrohten<br />
Fischarten mit ihrem Gefährdungsgrad namentlich<br />
aufgeführt. Aber auch im Bundesgesetz über den Schutz<br />
der Gewässer (GSchG) vom 24. Januar 1991 und in anderen<br />
Gesetzgebungen im Umweltbereich wird die Erhaltung<br />
natürlicher Lebensräume für die einheimische<br />
Tier- und Pflanzenwelt und die Erhaltung von Fischgewässern<br />
als wichtiger Auftrag hervorgehoben.<br />
Zur Erhaltung und Förderung der meisten Fischpopulationen<br />
steht primär die Wiederherstellung ihrer Lebensräume<br />
im Vordergrund. Für wirtschaftlich durch Berufsund<br />
Angelfischerei genutzte Arten müssen <strong>zu</strong>sätzlich<br />
die Fischereivorschriften und die Bewirtschaftung der<br />
aktuellen Gefährdungssituation angepasst werden.<br />
Schutzprogramme, die auf sogenannte ((keystone species»<br />
oder «Schlüsselarten» ausgerichtet sind, können<br />
<strong>zu</strong>dem <strong>zu</strong>r Erhaltung ganzer Artengemeinschaften<br />
beitragen.<br />
Nicht nur in der Schweiz, sondern in ganz Mitteleuropa<br />
sind die Mittelläufe grösserer Flüsse die am stärksten<br />
bedrohten aquatischen Lebensräume. Ein Gefälle<br />
von 1-6 % o bei einer mittleren Breite von 10 - 100 m,<br />
mittlere bis starke Strömung und dementsprechend ein<br />
kiesiger Untergrund, Sommertemperaturen unter 20 "C,<br />
gute Sauerstoffversorgung, geringe Schwebstofffrachten<br />
sowie eine geringe bis mässige organische Belastung<br />
zeichnen diese Flussabschnitte aus. In der fischereibiologischen<br />
Zonierung werden diese Flussstrecken<br />
als «Äschenregion» bezeichnet. Bewohnt werden diese<br />
Flussabschnitte von einer ganzen Reihe hoch spezialisierter<br />
Arten, die sich ausschliesslich unter diesen<br />
Umweltbedingungen richtig entfalten können. Als<br />
wichtigste Vertreter finden wir Äsche (Thymallus thymallus),<br />
Nase (Chondrostoma nasus), Strömer (Leuciscus<br />
soufia) oder Schneider (Alburnoides bipunctatus),<br />
aber auch Bachforelle (Salmo trutta), Gründling<br />
(Gobio gobio) und Groppe (Cottus gobio). Durch spezifische<br />
Anpassungen an den Lebensraum erschliessen<br />
diese Fischarten funktionelle Nischen, die ihnen<br />
erlauben, dem grossen Konkurrenzdruck anderer Arten<br />
aus<strong>zu</strong>weichen. Daneben finden aber auch eine ganze<br />
Reihe Generalisten mit einem breiten Spektrum an<br />
Überlebensstrategien Möglichkeiten in diesen Flüssen<br />
<strong>zu</strong> bestehen. Gründe für diese Artenvielfalt und den hohen<br />
Anteil spezialisierter Arten liegen in der unter natürlichen<br />
Bedingungen sehr vielfältigen morphologischen<br />
Strukturierung (unregelmässige Ufer, verzweigter<br />
Lauf, Strömungsvielfalt, grosse Mengen an Totholz,<br />
Kies und Sandbänke etc.) und der Vernet<strong>zu</strong>ng<br />
mit den flussbegleitenden Auen.<br />
Auf Grund der geographischen Lage am Übergang der<br />
hügeligen Voralpen <strong>zu</strong>m flachen Mittelland, häufig in<br />
breiten Schwemmebenen mit nährstoffreichen Böden,<br />
wurde ein Grossteil dieser Lebensräume im letzten Jahrhundert<br />
durch die umfangreichen Meliorationen Zerstört:<br />
Flussläufe wurden begradigt oder sogar in künstliche<br />
Kanäle verlegt. Die flussbegleitenden Auen und<br />
Schwemmebenen wurden durch Trockenlegung der<br />
landwirtschaftlichen Nut<strong>zu</strong>ng <strong>zu</strong>geführt oder durch<br />
unterschiedlichste Infrastrukturanlagen erschlossen. Das<br />
relativ grosse Gefälle bei gleichzeitig grosser Wasserführung<br />
förderte ab Ende des letzten Jahrhunderts den<br />
Bau grosser Laufkraftwerke <strong>zu</strong>r Nut<strong>zu</strong>ng der potenziellen<br />
Energie dieser Wassermassen. Die da<strong>zu</strong> errichteten<br />
Stauwehre hatten wiederum tiefgreifende Auswirkungen<br />
auf die Lebensräume der Äschenregion: die rasch<br />
strömenden Flüsse mit lockerer kiesiger Sohle verfielen<br />
<strong>zu</strong> träge dahinfliessenden Staustrecken mit verschlammtem<br />
Untergrund. Weiter entstanden durch die unzähligen<br />
neuen Wehre für die Fische unüberwindbare Wanderhindernisse.<br />
Als Folge dieser Entwicklung verzeichneten viele für<br />
die Äschenregion charakteristische Fischarten grosse<br />
Bestandesrückgänge. So wird auch die Leitart dieser<br />
Flussabschnitte, die Äsche, in der Schweiz als «gefährdet»<br />
(Rote Liste, Kategorie 3) eingestuft (KIRCHHOFER<br />
et al. 1994). Die Erhaltung der Äsche als «key-stone<br />
species)) kann gleichzeitig einer ganzen Reihe Begleitarten<br />
dieser Flussregionen <strong>zu</strong>m Überleben helfen.<br />
Mit der vorliegenden Studie sollen gesamtschweizerisch<br />
die bedeutendsten Äschenstrecken charakterisiert, die<br />
wichtigsten Defizite aufgezeigt und Vorschläge <strong>zu</strong>r Aufwertung<br />
des Lebensraumes und <strong>zu</strong>r Bewirtschaftung<br />
der Äschenpopulationen dargestellt werden.