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Keine Liebe mit Kristin

Als Nick und Familie aus dem Urlaub in Frankreich zurückkamen, stand fest, Frau Dr, Rosenbach verlässt das Institut. Im nächsten Monat wird sie gehen. „Warum, Kristin, warum?“entfuhr es Nick als sie sich zum ersten Mal trafen. „Nick, lass es uns heute Abend im Café besprechen, oder du müsstest dir ein wenig Zeit nehmen.“ Selbstverständlich hatte Nick Zeit. „Nick, ich kann so nicht mehr leben.“ erklärte Kristin, „Es würgt mich. Es macht mich konfus. Dich fast jeden Tag treffen, wühlt immer alles Mögliche in mir auf. Ich kann keine klare Vorstellung entwickeln, keine Perspektive sehen, du bist immer da­zwischen. Ich denke an irgend etwas und fange einfach an zu weinen, weil ich es auf irgendwelche Erlebnisse mit dir beziehe. Alles, alles, alles hat immer mit dir zu tun. Wenn ich neben meiner Tochter sitze fällt mir ein früheres Erlebnis ein, natürlich wie ich dir davon erzählt habe. Ich sehe dich zuhören, höre deine Kommentare. Nick ich werde verrückt an dir. Zu Anfang habe ich mich ja noch gefreut, wenn ich öfter mal an dich dachte, aber jetzt ist es störend bis uner­träglich. Ich träume gar nicht sehnsüchtig davon, wie schön es wäre, wenn wir zusammen sein könnten. Du hast einfach mein Denken okkupiert. Der Nick in mir will mich nicht lieben, sondern dominieren. Weißt du Nick, ich will nicht versuchen, dich zu vergessen, keinesfalls, ich muss nur ein wenig Abstand ge­winnen, ein wenig Klarheit bekommen, wieder normal werden, und das geht hier so nicht. Ich steige in Freiburg in eine Praxis für Innere ein und kann sie in einem halben Jahr übernehmen.

Als Nick und Familie aus dem Urlaub in Frankreich zurückkamen, stand fest,
Frau Dr, Rosenbach verlässt das Institut. Im nächsten Monat wird sie gehen.
„Warum, Kristin, warum?“entfuhr es Nick als sie sich zum ersten Mal trafen.
„Nick, lass es uns heute Abend im Café besprechen, oder du müsstest dir ein
wenig Zeit nehmen.“ Selbstverständlich hatte Nick Zeit. „Nick, ich kann so
nicht mehr leben.“ erklärte Kristin, „Es würgt mich. Es macht mich konfus.
Dich fast jeden Tag treffen, wühlt immer alles Mögliche in mir auf. Ich kann
keine klare Vorstellung entwickeln, keine Perspektive sehen, du bist immer
da­zwischen. Ich denke an irgend etwas und fange einfach an zu weinen, weil
ich es auf irgendwelche Erlebnisse mit dir beziehe. Alles, alles, alles hat
immer mit dir zu tun. Wenn ich neben meiner Tochter sitze fällt mir ein
früheres Erlebnis ein, natürlich wie ich dir davon erzählt habe. Ich sehe dich
zuhören, höre deine Kommentare. Nick ich werde verrückt an dir. Zu Anfang
habe ich mich ja noch gefreut, wenn ich öfter mal an dich dachte, aber jetzt
ist es störend bis uner­träglich. Ich träume gar nicht sehnsüchtig davon, wie
schön es wäre, wenn wir zusammen sein könnten. Du hast einfach mein
Denken okkupiert. Der Nick in mir will mich nicht lieben, sondern dominieren.
Weißt du Nick, ich will nicht versuchen, dich zu vergessen, keinesfalls, ich
muss nur ein wenig Abstand ge­winnen, ein wenig Klarheit bekommen,
wieder normal werden, und das geht hier so nicht. Ich steige in Freiburg in
eine Praxis für Innere ein und kann sie in einem halben Jahr übernehmen.

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Frieda Kahlo. Wieso weißt du so etwas alles?<br />

Lesepersönlichkeit<br />

Ich habe früher auch sehr viel gelesen, Belletristik. Heute kann ich das gar<br />

nicht mehr. Diese ganze Medizinliteratur hat meine Lesepersönlichkeit zerstört.<br />

Ich kann nur noch Kunstbücher, Dokumentationen, Geschichtsbücher und so<br />

etwas Ähnliches, also Sachliteratur, lesen. Poetisches, Literarisches kann ich<br />

gar nicht mehr genießen. Ich fange an zu blättern, um zu suchen, worauf's<br />

denn letztendlich hinaus läuft. Es ist entsetzlich. Du hast das doch auch alles<br />

genauso gemacht. Wie ist das denn bei dir.“ antwortete ihr Nick. „Tscha,“<br />

meinte <strong>Kristin</strong>, „ich habe es nie so alternativ betrieben, wie sich das bei dir anhört.<br />

Ich habe immer beides gemacht. In meinem Garten wurden die Runkelrüben<br />

fürs Futter gezüchtet, aber mir war es genauso wichtig, das die Blumen<br />

nicht verdorrten. Und das ist immer noch so. Es ist doch traurig, wenn ein Gedicht<br />

in dir keine Emotionen mehr hervorrufen kann. Das ist doch so, als ob du<br />

taub geworden wärest. Ich denke du bist ein netter empfindsamer Mensch, du<br />

solltest das zu ändern versuchen. Wenn du ein Gedicht ließt, dann musst du es<br />

genießen, da gibt es keine Sachinformationen am Schluss. Da<strong>mit</strong> solltest du<br />

mal anfangen, dann wirst du sicher bald auch wieder die literarische Kunst in<br />

Erzählungen und Romanen entdecken und genießen können, ohne darüber hinwegblätternd<br />

nach Sachinformationen zu suchen. Vielleicht solltest du dir auch<br />

mal etwas vorlesen lassen, <strong>mit</strong> Hörbüchern oder so Ähnlichem, da<strong>mit</strong> du wieder<br />

lernst, dass ebenso wie bei der Musik nicht der Schlussakkord das Ziel ist,<br />

auch in der Literatur der Weg das Entscheidende ist und nicht das Endergebnis.“<br />

„Ich weiß es <strong>Kristin</strong>. Ich möchte gern, dass es anders wäre. Deshalb bin<br />

ich ja der Ansicht, dass die Medizinliteratur dafür verantwortlich ist, die dafür<br />

sorgt, dass ich <strong>mit</strong> queren Emotionen mir Bücher aussuche, die primär Sachinformationen<br />

zu bieten haben. Ich denke nicht nur in der Musik, auch in Gesprächen<br />

ist es ja so, dass du Lust daran hast, ganz vieles aufzunehmen, was<br />

keine weiterführenden Sachinformationen sind, oder wenn du ein Bild betrachtest,<br />

wie wichtig sind denn da die Sachinformationen. Ich denke ich werde<br />

mich mal intensiver da<strong>mit</strong> beschäftigen müssen.“ erläuterte Nick. Über ihr Verhältnis<br />

zur Literatur kamen sie auf andere kulturelle Themen zu sprechen. Sie<br />

unterhielten sich darüber, wann sie sich wo<strong>mit</strong> befasst hatten und berührten<br />

dadurch viele Stationen aus ihrem bisherigen Leben. Als sie nach zehn Stunden<br />

in Chikago ankamen, kannte jeder detailliert die Biographie des anderen. Nick<br />

wusste auch, dass <strong>Kristin</strong> eigentlich <strong>Kristin</strong>a hieß, aber warum sie nicht so genannt<br />

wurde, hatte <strong>Kristin</strong> ihm nicht verraten. Das dürfe er nicht wissen, das<br />

sei zu privat. Niemandem außer ihren Eltern und ihr selbst sei das bekannt. Sie<br />

hatten sich Ernsthaftes aber auch viel Lustiges erzählt. Zehn Stunden lang hatten<br />

sie sich interessiert zugehört, erzählt und gelacht. Müde war keiner der<br />

beiden geworden, sie schienen beide gute Erzähler zu sein und Lust daran zu<br />

haben, dem anderen zuzuhören. Sie hatten sich so gegenseitig bei der Arbeit<br />

noch nie erlebt, hatten auf dem Flug den anderen Menschen entdeckt, über<br />

Medizinisches hatten sie nur im Rahmen biografischer Ereignisse gesprochen.<br />

Vorher meinten sie sich gut zu verstehen, als sie in Chikago O'Hare ausstiegen,<br />

<strong>Keine</strong> <strong>Liebe</strong> <strong>mit</strong> <strong>Kristin</strong> – Seite 9 von 54

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