Stadtmagazin Neue Szene Augsburg 2012-01
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Ursprünglich sollte an dieser Stelle ein Interview mit dem Vorsitzenden<br />
des <strong>Augsburg</strong>er Integrationsbeirats, Ahmet Akcay, erscheinen,<br />
Thema: Integrationspolitik und Spannungen innerhalb des Beirats.<br />
Doch dann überschlugen sich die Ereignisse.<br />
Nur wenige Tage nachdem Akcay knapp einen Misstrauensantrag überstand, wurde er wegen einer<br />
Straftat im Zusammenhang mit Schwarzarbeit verhaftet. Dies war der vorläufige Tiefpunkt eines Aufstiegs,<br />
der viele Fragen aufwirft und Kulturbürgermeister Peter Grab wegen dessen Nähe zu Akcay zunehmend<br />
in Bedrängnis bringt. Die <strong>Neue</strong> <strong>Szene</strong> berichtete online als erstes Medium ausführlich über<br />
Akcays Aufstiegs und die Rolle Peter Grabs.<br />
VORSPIEL<br />
Im Jahr 2009 fiel der Polizei während einer Anti-Israel-Demo<br />
in <strong>Augsburg</strong> ein junger Demonstrant auf,<br />
der ”Mörder Israel” skandierte und andere Teilnehmer<br />
dazu aufforderte, in diese Rufe einzustimmen. Die<br />
Menge war schließlich so aufgebracht, dass Demonstranten,<br />
die mit einer Israelflagge am Rand des Protestzugs<br />
standen, nur mit Mühe von der Polizei<br />
geschützt werden konnten. Anwesende Polizeikräfte<br />
fotografierten den auffälligen Wortführer und stellten<br />
seine Identität fest: Es handelte sich um Ahmet Akcay,<br />
den Sohn des früheren Ausländerbeauftragten der<br />
Stadt, Hasan Akcay, einer grauen Eminenz der türkischen<br />
Community, insbesondere in sunnitischen Kreisen.<br />
AUFSTIEG<br />
Anfang 2<strong>01</strong>0 zog es Akcay dann wieder in die Öffentlichkeit.<br />
Er wurde als Kandidat der Islamischen<br />
Liste zum Vorsitzenden des Integrationsbeirats gewählt,<br />
wie der Ausländerbeirat nun hieß. Seine Aufgabe<br />
sollte es sein, ”die Interessen der <strong>Augsburg</strong>er<br />
mit Migrationshintergrund überparteilich zu vertreten<br />
und dabei deren Vielfalt und Heterogenität zu berücksichtigen”,<br />
wie es die Satzung des Gremiums formuliert.<br />
Bei Vertretern säkularer türkischer Gruppen,<br />
Teilen der Rathausopposition und in Polizeikreisen<br />
herrschten indes schon vor der Kandidatur Akcays<br />
Zweifel an dessen Eignung für den Posten. Von Bedenken<br />
eines hochrangigen Polizeibeamten Akcay betreffend<br />
hatte Peter Grab nach eigener Aussage<br />
keinerlei Kenntnis. In einem Schreiben und mehreren<br />
Telefonaten äußerte ein ranghoher Polizist dem OB-<br />
Referat gegenüber Bedenken bezüglich Akcay und<br />
dessen dubiosen Verbindungen und verwies auf die<br />
aktive Rolle während der Anti-Israel-Demo. Die folgende<br />
Reserviertheit von OB Gribl gegenüber Akcay<br />
wird dadurch erklärbar.<br />
Weniger reserviert zeigte sich Kulturbürgermeister<br />
Grab. Der ist zwar nicht für den Integrationsbeirat zuständig,<br />
der Bereich Kultur hat aber gewisse Schnittpunkte<br />
mit dessen Arbeit. Grab bestritt auf<br />
Nachfrage, von der Existenz oder dem etwaigen Inhalt<br />
des Briefs und der Anrufe des Polizeibeamten<br />
Kenntnis gehabt zu haben, und konnte sich an sonstige<br />
rathausinterne Informationen nicht erinnern. Laut<br />
einem Insider soll es jedoch mindestens ein informelles<br />
Treffen zwischen Mitgliedern der türkischen Community<br />
und Grab gegeben haben, bei dem dieser über<br />
Akcays Nähe zu nationalistischen Gruppen informiert<br />
wurde. Grab kann sich an ein solches Treffen nicht erinnern.Unstrittig<br />
ist, dass Akcays Verbindungen und<br />
seine Vergangenheit in der türkischen Community und<br />
bei jenen, die mit der Thematik vertraut sind, bekannt<br />
waren. Diese Verbindungen schien Grab also entweder<br />
nicht ganz so kritisch gesehen zu haben, oder es<br />
fehlte ihm tatsächlich an entsprechenden Informationen.<br />
Dabei hätte er sich nur über den Verein erkundigen<br />
müssen, den er am 15. Mai 2<strong>01</strong>1 wie auch Akcay<br />
besuchte. Denn der “Türkisch-Islamische Kulturverein<br />
<strong>Augsburg</strong>” wird den “Grauen Wölfen” zugerechnet,<br />
einer ultranationalistischen Organisation. Bilder des<br />
Besuchs wurden der <strong>Neue</strong>n <strong>Szene</strong> anonym zugesandt.<br />
Über weitere mögliche Gründe für Grabs Wohlwollen<br />
gegenüber Akcay wird bereits seit längerem spekuliert.<br />
Es gibt Meinungen, Grab habe darauf gesetzt,<br />
Akcay als Kandidaten für seine Pro-<strong>Augsburg</strong>-Liste zu<br />
gewinnen und mit ihm die Stimmen von Bürgern mit<br />
türkischem Migrationshintergrund. Sollte er sich<br />
schlicht blauäugig verhalten haben, stellt sich die<br />
Frage nach der rathausinternen Kommunikation. Das<br />
OB-Referat und der städtische Integrationsbeauftragte<br />
Vogl wussten jedenfalls über Akcays Umfeld Bescheid.<br />
Wieso aber wurde Grab davon nicht in Kenntnis gesetzt?<br />
Ein möglicher Grund mag darin liegen, dass der<br />
Draht zwischen dem OB und seinem Kulturbürgermeister<br />
nicht der beste sein soll.<br />
Akcays Karriere ging indes weiter ihren eigenwilligen<br />
Lauf. Kaum im Amt, nahm er wieder an Demonstrationen<br />
teil, einmal gegen die kurdische PKK, einmal<br />
gegen Israel, diesmal war Akcay Vorsitzender des Integrationsbeirats.<br />
Das hinderte ihn nicht daran, zusammen<br />
mit Vertretern der islamischen Vereinigung<br />
“Milli Görus”, die der Verfassungsschutz als antidemokratisch<br />
einstuft, aufzutreten. Als Ordner und Mitveranstalter<br />
fungierten Anhänger der “Grauen Wölfe”.<br />
Fotos, die dies belegen, liegen der <strong>Neue</strong>n <strong>Szene</strong> vor.<br />
Kritiker Akcays sahen in diesen Auftritten einen Beleg<br />
seiner mangelnden Eignung für das Amt.<br />
EKLAT IM GOLDENEN SAAL<br />
Ende Oktober 2<strong>01</strong>1 stand der Vorsitzende des Integrationsbeirats<br />
schließlich vor seinem bislang größten<br />
Auftritt. Im Goldenen Saal des <strong>Augsburg</strong>er Rathauses<br />
wurde das Jubiläum des Anwerbeabkommens zwischen<br />
der Türkei und Deutschland gefeiert. Die perfekte<br />
Kulisse für eine repräsentative Feier, für<br />
bedeutsame Reden und zudem eine gute Chance für<br />
Akcay, sich als moderater Vorsitzender zu zeigen.<br />
Nachdem der stellvertretende türkische Ministerpräsident<br />
wegen eines Erdbebens nicht teilnehmen<br />
konnte, sprangen Abgeordnete des türkischen Parlaments<br />
ein. Seltsamer Zufall: Alle gehörten der nationalistisch-religiösen<br />
Regierungspartei AKP an.<br />
Dementsprechend fielen dann auch ihre Redebeiträge<br />
aus, die sie auf Türkisch hielten, und deren Inhalte<br />
viele Anwesende zum Kopfschütteln bzw. Verlassen<br />
der Feier veranlassten. So wurden von den AKP-Abgeordneten<br />
die Friedfertigkeit des Osmanischen Reiches<br />
und die Integration religiöser Minderheiten<br />
gerühmt.<br />
Statt sich in Schadensbegrenzung zu versuchen, kritisierte<br />
Akcay in seiner Rede die Abwesenheit deutscher<br />
Bundestagsabgeordneter und erklärte später,<br />
die Parlamentarier seien lediglich falsch übersetzt<br />
worden. Was freilich nicht ganz erklären konnte,<br />
wieso sich auch und gerade Zuhörer, deren Muttersprache<br />
Türkisch ist, empörten. Sogar OB Gribl gab<br />
seine Zurückhaltung auf und kritisierte den Ablauf der<br />
Veranstaltung in einem offenen Brief. Die Behauptung<br />
Akcays, er habe die Politiker der AKP vorher nicht gekannt,<br />
wurde spätestens dann unglaubwürdig, als<br />
sein Vater zugab, mindestens einen der Parlamentarier<br />
persönlich zu kennen. Nach dem Eklat im Goldenen<br />
Saal war das Klima im Integrationsbeirat derart<br />
vergiftet, dass ein geplantes Schlichtungsgespräch bei<br />
Kulturbürgermeister Grab abgesagt wurde.<br />
MISSTRAUEN<br />
Stattdessen kam es im Dezember zum Misstrauensantrag<br />
in der Vollversammlung des Integrationsbeirats.<br />
Neben Akcays diversen Fehltritten wurde vom<br />
demokratisch-säkularen Block kritisiert, dass Akcay<br />
und die Islamische Liste nicht die Integration der Menschen<br />
mit Migrationshintergrund zum Ziel hätten, sondern<br />
die Propagierung von Türkentum und Islam.<br />
Bevor die entscheidende Sitzung stattfand, versuchten<br />
Akcay und dessen Vater noch einmal auf eher robuste<br />
Weise, die Kritiker zum Einlenken zu bewegen.<br />
Während eines Telefonat seines Sohnes mit einem der