Albvereinsblatt_2013-02.pdf
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Benjamin Waldmann<br />
Wie ein Fenster in vergangene Zeit<br />
Wanderung zu den Waldweiden bei Waldenburg<br />
Von Benjamin Waldmann<br />
Für jeden Reisenden auf der Autobahn weithin sichtbar liegt<br />
hoch über der Hohenloher Ebene das Städtchen Waldenburg<br />
mit seinem wuchtigen Schloss auf markantem Bergsporn. Somit<br />
ist Waldenburg vielen ein Begriff, wenn auch nur wenige,<br />
geschweige denn die Fernreisenden, dem Städtchen je einen<br />
Besuch abgestattet haben. Wer den steilen Anstieg von rund<br />
150 Höhenmeter von Norden her am Bahnhof vorbei hinauf<br />
nach Waldenburg auf sich nimmt, wird oben mit einem fantastischen<br />
Ausblick ins Hohenlohische belohnt.<br />
Für den naturinteressierten Wanderer liegen die eigentlichen<br />
»Schätze« nicht hinter den bis zu 1,5 Meter dicken Mauern<br />
des Schlosses, sondern einige Kilometer südlich versteckt im<br />
Schwäbisch-Fränkischen Wald. Hier finden sich in Waldlichtungen<br />
Paradiese, Relikte einer längst aufgegebenen Nutzungsform<br />
zwischen Fichtenaufforstungen und Brombeergestrüpp:<br />
Waldweiden oder Hutewälder - Zeugnisse einer Zeit,<br />
in der das Vieh zur Mast in den Wald getrieben wurde, um<br />
sich an Eicheln und Bucheckern den »Bauch voll zu schlagen«.<br />
Diese Nutzung hatte im Wald ihre Spuren hinterlassen.<br />
Einzelne Eichen wuchsen zu großen, ausladenden Bäumen<br />
heran, während andere Baumarten und die Krautschicht<br />
durch Verbiss und Tritt kurz gehalten wurden. So entstanden<br />
hallenartige, offene Wälder, die eher an großzügige, alte<br />
Parkanlagen erinnern als an unser gewohntes Bild heimischer<br />
Wirtschaftswälder.<br />
Diese Art der Nutzung verschwand zusehends im 18. und 19.<br />
Jahrhundert, als das Vieh immer häufiger im Stall gehalten<br />
wurde. Für die Stallhaltung wurden allerdings große Mengen<br />
an Einstreu benötigt, weshalb intensiv Laub- und Grasstreu,<br />
auch in den ehemaligen Waldweidegebieten, gerecht und verwertet<br />
wurde. Dies führte zu einem weiteren Nährstoffentzug,<br />
der wiederum den aufkommenden Gehölzen, allen voran der<br />
Buche, das Leben schwer machte. So behielten die ehemaligen<br />
Hutewälder weiterhin ihren offenen Charakter.<br />
Heute sind die meisten dieser früher in weiten Teilen<br />
Deutschlands verbreiteten Waldweiden aus dem Landschaftsbild<br />
verschwunden. Nur selten erinnern alte Eichen oder Buchen<br />
in Waldbeständen an die frühere Nutzungsform, oder<br />
man findet Hinweise in den Gewannnamen auf alten Flurkarten.<br />
Eher fündig wird man bei den Bildern der romantischen<br />
Landschaftsmalern wie Caspar David Friedrich (1774-1840)<br />
oder Carl Gustav Carus (1789-1869), die häufig mächtige Altbäume<br />
und die Landschaft der Hutewälder in ihren Bildern<br />
verewigten. Der Anblick solcher Landschaften fasziniert bis<br />
heute, weshalb es sich lohnt, zu Fuß diese besonderen Gebiete<br />
zu erkunden.<br />
16 • Blätter des Schwäbischen Albvereins • 2 /<strong>2013</strong>