Das Erdbeben von Lissabon_Bordat.pdf - History-Blog
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Gottes zu denken bzw. des Menschen, der sich für technische Systeme und ein bestimmtes<br />
Verhältnis zur Natur und ein bestimmtes Verhalten zueinander entscheidet? 2. auf der Ebene<br />
der ethischen Dimension. Wer hat angesichts dieses Wahlaktes wofür Verantwortung? Wenn<br />
Gott für die Schöpfung verantwortlich ist, welche Menschen und Menschengruppen sind dann<br />
für die Technik verantwortlich? Wer ist verantwortlich für den Erhalt der Natur und wieweit<br />
sind wir füreinander verantwortlich? 3. auf der Ebene der moralischen Dimension. Was<br />
bedeuten »gut« und »böse«, bezogen auf die relevanten Beziehungen Gottes zu den<br />
Menschen, des Menschen zur Technik, zur Natur, zueinander? Die erste Ebene bleib<br />
analytisch, die Ebenen zwei und drei entwickeln eine normative Position, als deren Ergebnis<br />
ein bestimmtes Gott-Mensch-, Mensch-Technik-, Mensch-Natur- und Mensch-Mensch-<br />
Verhältnis steht, so dass schließlich auch der pädagogische Effekt des leibniz-wolffschen<br />
Theodizeetopos’ bei dessen Transformation erhalten bleibt.<br />
Der Wandel vorherrschender Deutungsmuster<br />
Die authentische Theodizee<br />
Die authentische Theodizee verzichtet auf eine Lösung des Theodizeeproblems, wissend, dass<br />
man über den Ursprung des Übels nichts wissen kann. Unlösbarkeit führt in der Strategie der<br />
Kontingenzbewältigung zu bedingungslosem Vertrauen auf Gott. <strong>Das</strong> Postulat des<br />
bedingungslosen Vertrauens auf die Fügungen Gottes angesichts seiner Unergründlichkeit<br />
zerfällt in zwei Teile. Erstens in die Erkenntnis und Akzeptanz der tiefen Unergründlichkeit<br />
Gottes, die Hiob im eigenen Leben vehement erfuhr und der Apostel Paulus so eindrücklich<br />
beschrieb: »O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie<br />
unergründlich sind seine Entscheidungen, wie unerforschlich seine Wege!« (Röm 11,33). In<br />
diesem Sinne gibt es keine Lösung des Theodizee-Problems. Wir sind nicht berechtigt, Gott<br />
anzuklagen. Daraus folgt dann, wenn man weiter an Gott glauben will, zum zweiten das<br />
bedingungslose Vertrauen auf Gott.<br />
Hans Küng führt dazu in Christ sein aus, dass unbedingtes und restloses Vertrauen zu Gott,<br />
trotz der Unfähigkeit, das Rätsel des Leids und des Bösen lösen zu können, dem leidenden,<br />
zweifelnden, verzweifelten Menschen einen letzten Halt gebe und sich das Leid damit zwar<br />
nicht ursächlich »erklären«, aber doch bestehen lasse (Küng 1974, 357), mehr noch: »Durch<br />
Leiden soll der Mensch zum Leben gelangen. Warum das so ist, warum das für den Menschen<br />
gut und sinnvoll ist, warum es nicht ohne Leid besser ginge, das kann keine Vernunft<br />
erweisen. <strong>Das</strong> kann aber vom Leiden, Sterben und neuen Leben Jesu im Vertrauen auf Gott<br />
schon in der Gegenwart als sinnvoll angenommen werden, in der Gewissheit der Hoffnung<br />
auf ein Offenbarwerden des Sinnes in der Vollendung.« (Küng 1974, 528).<br />
Im Anschluss daran betreibt die Theologie des späten 20. Jahrhunderts den <strong>von</strong> Kant<br />
eröffneten Perspektivwechsel <strong>von</strong> der Ursachenproblematik als Thema der Reflexion zur<br />
tätigen Überwindung des Übels und nimmt dabei den Menschen angesichts einer »unfertigen«<br />
Schöpfung (Berger 1999) und der »Ohnmacht« Gottes (Sölle in Christiansen / Thiele 1988,<br />
25: »Gott [...] hat keine anderen Hände als unsere.«), die sich nicht zuletzt in Auschwitz<br />
gezeigt habe (Jonas 1984) in die (Mit-)Verantwortung. Was einerseits als<br />
»Umgehungsversuch« kritisiert wird, um weiterhin »ohne Gewissensbisse die Existenz eines<br />
gütigen Gottes« behaupten zu können (Streminger 1992, 179), erscheint andererseits als die<br />
eigentliche Essenz theologischen Denkens: »nicht Erklärung des Bösen, sondern seine<br />
Überwindung« (Geyer 1992, 32).<br />
Die Technodizee