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Erläuterungen zur Bewertung der normativen Sprachrichtigkeit - Bifie

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Internationale Arbeitsgruppe „Schriftliche standardisierte<br />

kompetenzorientierte Reife- und Diplomprüfung Deutsch“<br />

Erläuterungen <strong>zur</strong> <strong>Bewertung</strong> <strong>der</strong> <strong>normativen</strong><br />

<strong>Sprachrichtigkeit</strong> im Rahmen <strong>der</strong><br />

schriftlichen Reife- und Diplomprüfung in<br />

Deutsch<br />

Stand: März 2013<br />

Grundsätzliches<br />

Kompetenzorientierung und Fehlerkategorisierung: Auch für die Beurteilung innerhalb dieser Dimension<br />

ist <strong>der</strong> Gesamteindruck entscheidend, den die beurteilende Lehrkraft gewinnt. Hilfreich dafür sind die für<br />

die Dimension genannten Kriterien <strong>der</strong> Beurteilungsskala: Sie lenken den Blick <strong>der</strong> Lehrkraft in erster Linie<br />

darauf, was die Schülerin/<strong>der</strong> Schüler kann, nicht darauf, was sie/er nicht kann.<br />

Wenn Verstöße in den Bereichen Rechtschreibung, Zeichensetzung und Grammatik festgestellt worden<br />

sind, werden sie Fehlerkategorien zugeordnet. Somit zählen für die Einschätzung <strong>der</strong> Kompetenz im Bereich<br />

<strong>der</strong> <strong>normativen</strong> <strong>Sprachrichtigkeit</strong> vorrangig die beherrschten Kategorien und es zählt nicht die Anzahl<br />

<strong>der</strong> Einzelverstöße. Hinter einer solchen Vorgangsweise steckt die Überzeugung, dass die Kompetenz<br />

<strong>der</strong> Schüler/innen im Bereich <strong>der</strong> <strong>normativen</strong> <strong>Sprachrichtigkeit</strong> damit zutreffen<strong>der</strong> erfasst wird als mit<br />

<strong>der</strong> Verrechnung von Einzelfehlern. Der korrigierenden Lehrkraft bleibt es überlassen zu entscheiden,<br />

wann eine Kategorie als beherrscht einzuschätzen ist.<br />

Eine generelle Antwort auf die Frage, welche Fehler als schwer zu gewichten seien, ist nicht möglich.<br />

Immerhin können die folgenden Überlegungen das Problem <strong>der</strong> Gewichtung von Fehlern lösen helfen:<br />

• Wirkt sich <strong>der</strong> Fehler auf das Textverständnis aus?<br />

• Liegt ein Verstoß gegen grundlegende grammatische o<strong>der</strong> orthografische Gesetzmäßigkeiten<br />

vor?<br />

• Wurde das fehlerhafte Phänomen im Unterricht schwerpunktmäßig behandelt?<br />

(Diese Überlegung wird im Rahmen <strong>der</strong> SRPD keine Rolle spielen, bei Schularbeiten sehr wohl.)<br />

Und wichtig ist noch: Vor allem bei <strong>der</strong> Beurteilung von Schularbeiten wird man bedenken müssen, dass<br />

es vom situativen Ansatz her Textsorten gibt, in denen „Regelverstöße“ in Orthografie und Grammatik<br />

einen deutlich höheren Stellenwert haben als in an<strong>der</strong>en (vgl. etwa Bewerbungsschreiben …).<br />

Rechtschreibung (LBVO: Schreibrichtigkeit)<br />

Das entscheidende Kriterium für die Beurteilung <strong>der</strong> Rechtschreibkompetenz im Rahmen <strong>der</strong> neuen<br />

SRPD stellt die Anwendung <strong>der</strong> Regeln <strong>der</strong> deutschen Schreibung seitens <strong>der</strong> Schüler/innen dar. Der<br />

Terminus Regel zielt hier auf die mittlere <strong>der</strong> drei Ebenen ab, die sich innerhalb einer Beschreibung des<br />

Systems <strong>der</strong> deutschen Rechtschreibung unterscheiden lassen: Als eine Art Basis lassen sich die Prinzi-


Erläuterungen <strong>zur</strong> <strong>Bewertung</strong> <strong>der</strong> <strong>normativen</strong> <strong>Sprachrichtigkeit</strong> im Rahmen <strong>der</strong> SRPD in Deutsch 2<br />

pien <strong>der</strong> Rechtschreibung auffassen, allgemeine Grundsätze, denen Menschen gefolgt sind, lange bevor<br />

es Regeln gab; auf <strong>der</strong> Basis <strong>der</strong> Prinzipien sind Regeln formuliert worden und dort, wo diese nicht ausreichten,<br />

Einzelfestlegungen (die das Wörterbuch aufführt). 1<br />

Exkurs: Die Prinzipien <strong>der</strong> Rechtschreibung im Überblick<br />

• Lautprinzip<br />

• Stammprinzip<br />

• grammatisches Prinzip<br />

• semantisch-pragmatisches Prinzip<br />

• Homonymieprinzip<br />

• ästhetisches Prinzip<br />

Die Prinzipien <strong>der</strong> deutschen Rechtschreibung im Detail (vereinfacht):<br />

• Lautprinzip: „Schreibe, wie du sprichst!“ Das Lautprinzip bezieht gewissermaßen gesprochene<br />

und geschriebene Sprache unmittelbar aufeinan<strong>der</strong>. Gleich Ausgesprochenes wäre danach im<br />

Prinzip gleich zu schreiben; entsprechend spielt es die Hauptrolle bei den Laut-Buchstaben-<br />

Zuordnungen.<br />

• Stammprinzip: „Schreibe Gleiches möglichst gleich!“ Das Prinzip zielt ab auf Gleichbehandlung<br />

gleicher Sprachelemente (z. B. Stämme) auch dort, wo die Aussprache ungleich ist – z. B. <strong>der</strong><br />

Tag und des Tages, auch wenn man bei <strong>der</strong> Tag eine Auslautverhärtung des Stammes hört, bei<br />

des Tages nicht.<br />

• Grammatisches Prinzip: „Mach den grammatischen Aufbau deines Textes deutlich.“ O<strong>der</strong> etwas<br />

genauer: Teile von Texten können nach grammatischen Gesichtspunkten geglie<strong>der</strong>t und<br />

mit geeigneten Mitteln beson<strong>der</strong>s gekennzeichnet werden. Beispiel: Substantive werden (im<br />

Deutschen) großgeschrieben.<br />

Dieses Prinzip beeinflusst (neben <strong>der</strong> genannten Substantivgroßschreibung) folgende Bereiche<br />

entscheidend:<br />

o Getrennt- und Zusammenschreibung<br />

o Zeichensetzung<br />

o Großschreibung am Satzanfang<br />

• Semantisch-pragmatisches Prinzip: „Hebe für den Leser wichtige Textstellen hervor!“ Teile von<br />

Texten können nach inhaltlichen (semantischen) und kommunikativen (pragmatischen) Gesichtspunkten<br />

geglie<strong>der</strong>t und mit geeigneten Mitteln beson<strong>der</strong>s gekennzeichnet werden.<br />

Dieses Prinzip beeinflusst vor allem<br />

o die Großschreibung von Eigennamen und<br />

o die Großschreibung <strong>der</strong> Anredefürwörter bei einer höflich-distanzierten Anrede.<br />

• Homonymieprinzip: „Schreibe Ungleiches ungleich!“ Gleichlautendes mit unterschiedlicher Bedeutung<br />

kann in geschriebener Sprache unterschiedlich behandelt werden. Beispiele: Lid – Lied,<br />

Lerche – Lärche.<br />

1<br />

Diese Erläuterungen orientieren sich eng an: Gallmann, P. & Sitta, H. (2004). Handbuch Rechtschreiben. 5. Auflage.<br />

Zürich: Lehrmittelverlag.


Erläuterungen <strong>zur</strong> <strong>Bewertung</strong> <strong>der</strong> <strong>normativen</strong> <strong>Sprachrichtigkeit</strong> im Rahmen <strong>der</strong> SRPD in Deutsch 3<br />

• Ästhetisches Prinzip: „Vermeide verwirrende Schriftbil<strong>der</strong>!“ Dieses Prinzip ist eine Art Reparaturprinzip,<br />

das dort eintritt, wo bei konsequenter Anwendung von Prinzipien (und dann: Regeln)<br />

irritierende Schriftbil<strong>der</strong> entstehen würden.<br />

Es wirkt u. a. bei<br />

o<br />

o<br />

den Satzzeichen (kein Schlusspunkt nach drei Auslassungszeichen) und<br />

<strong>der</strong> Regelung <strong>der</strong> Schreibung von Wörtern mit bestimmten Endungen (Seen statt Seeen).<br />

Wichtige Regeln <strong>der</strong> Rechtschreibung, mit denen rational umzugehen von den Schülerinnen und Schülern<br />

im Rahmen <strong>der</strong> schriftlichen Reife- und Diplomprüfung in Deutsch erwartet werden muss, beziehen<br />

sich auf folgende Bereiche:<br />

1. Laut-Buchstaben-Zuordnung<br />

Laute <strong>der</strong> gesprochenen Sprache und Buchstaben <strong>der</strong> geschriebenen Sprache sind einan<strong>der</strong> nicht<br />

regellos zugeordnet. Falsche, fehlende, überflüssige Buchstaben können Ergebnis einer falschen Zuordnung<br />

sein. Beson<strong>der</strong>e Berücksichtigung in diesem Regelbereich erfährt die Beachtung des<br />

Stammprinzips, denn zu seiner Umsetzung kann mit Absicht vom Lautprinzip abgewichen werden.<br />

Die Laut-Buchstaben-Beziehungen werden von den Schülerinnen und Schülern im Rahmen <strong>der</strong><br />

schriftlichen Reife- und Diplomprüfung meistens korrekt beachtet, also gekonnt, sodass es in diesem<br />

Bereich wohl nur zu einzelnen Fehlern kommen wird. Die Anwendung des Stammprinzips stellt die<br />

Schüler/innen vor wesentlich größere Herausfor<strong>der</strong>ungen, weil sie ein entsprechendes Maß an grammatischem<br />

Wissen voraussetzt (etwa das Erkennen von Morphemen und Wortfamilien).<br />

2. Groß- und Kleinschreibung<br />

Die zentrale Regel <strong>zur</strong> Großschreibung umzusetzen, wonach man Nomen großschreibt, bereitet den<br />

Schülerinnen und Schülern im Rahmen <strong>der</strong> Reife- und Diplomprüfung nur in vereinzelten Fällen<br />

Schwierigkeiten.<br />

Wesentlich häufiger werden die Schreiber/innen Probleme mit <strong>der</strong> Nominalisierung von Wörtern und<br />

Wendungen haben. Beurteilungsrelevant sollen hier nicht Spezialfälle wie Farb- und Sprachbezeichnungen<br />

o<strong>der</strong> durchgekoppelte Fügungen wie das Von-<strong>der</strong>-Hand-in-den-Mund-Leben sein, son<strong>der</strong>n<br />

Fälle, in denen klar wird, dass das Prinzip <strong>der</strong> Nominalisierung nicht beherrscht wird, wie etwa: beim<br />

Schreiben, ohne Zögern, mit Bedauern o<strong>der</strong> etwas Gutes.<br />

3. Markierung von Kurzvokalen<br />

Die Markierung <strong>der</strong> Vokalkürze ist durch die Regel zuverlässig erklärbar, dass auf einen betonten<br />

Kurzvokal immer zwei Konsonantenbuchstaben folgen. Verstöße sind daher eher selten.<br />

4. Markierung von Langvokalen<br />

Die Markierung des Langvokals erfolgt in unterschiedlicher Form.<br />

o<br />

o<br />

o<br />

o<br />

Den Standardfall stellt das Fehlen einer speziellen Markierung des Langvokals dar (z. B. wir, Tal,<br />

malen, Biber, dämlich, nämlich, Name ...).<br />

Relativ verlässlich ist in ursprünglich deutschen Wörtern die ie-Schreibung geregelt.<br />

Der Doppelvokal als Ausdruck <strong>der</strong> Vokallänge beschränkt sich auf eine nicht allzu große Gruppe<br />

von Wörtern (weniger als 100 Stämme).<br />

Überhaupt nicht geregelt ist die Verwendung des Dehnungs-hs.


Erläuterungen <strong>zur</strong> <strong>Bewertung</strong> <strong>der</strong> <strong>normativen</strong> <strong>Sprachrichtigkeit</strong> im Rahmen <strong>der</strong> SRPD in Deutsch 4<br />

Am fehleranfälligsten sind die Schüler/innen sicher im zuletzt genannten Bereich. Beurteilungsrelevant<br />

sollten solche Verstöße vor allem dann sein, wenn sich Bedeutungsunterschiede ergeben (mahlen :<br />

malen).<br />

5. s-ss-ß-Schreibung sowie das/dass<br />

In diese Gruppe fallen die häufigsten Fehlschreibungen – unabhängig von Alter und Bildungsstand. Bei<br />

<strong>der</strong> Schreibung von ss vs. ß kann einerseits eine nicht aufgenommene Rechtschreibreform <strong>der</strong> Hintergrund<br />

sein, an<strong>der</strong>erseits aber auch die Tatsache, dass für viele Schreibende mit an<strong>der</strong>en Muttersprachen<br />

als Deutsch (aber auch bei vielen österreichischen Dialektsprecherinnen und -sprechern) Vokalkürze<br />

und Vokallänge keine distinktive Rolle spielen. Obwohl die das-/dass-Schreibung aus Gründen<br />

<strong>der</strong> Vereinfachung im Rahmen <strong>der</strong> Rechtschreibung bewertet wird, stellt die unterschiedliche Schreibung<br />

von Artikel/Demonstrativum und Konjunktion eigentlich ein grammatisches Problem dar.<br />

6. Getrennt- und Zusammenschreibung<br />

Die Schüler/innen haben wie die meisten Schreiber/innen mit diesem Regelbereich große Probleme,<br />

weil echte Regeln fehlen. Fehler sollten daher vor allem nur dann bewertet werden, wenn die Getrennt-<br />

bzw. Zusammenschreibung eine Bedeutungsdifferenzierung ausdrückt, wie etwa bei zu<br />

schauen und zuschauen. Im Gegensatz dazu spielt es kommunikativ keine Rolle, ob Not leiden in zwei<br />

Wörtern o<strong>der</strong> in einem geschrieben wird.<br />

7. Schreibung gebräuchlicher und fachsprachlich erfor<strong>der</strong>licher Fremdwörter<br />

Dieser Regelbereich bezieht sich auf Fremdwörter, <strong>der</strong>en korrekte Schreibung die Schüler/innen beherrschen<br />

sollten, weil sie entwe<strong>der</strong> als Bestandteil ihres Weltwissens angesehen werden dürfen, in<br />

<strong>der</strong> alltäglichen Kommunikation häufig vorkommen, wie etwa Engagement o<strong>der</strong> Regisseur, o<strong>der</strong> zum<br />

gängigen Fachvokabular des Deutschunterrichts gehören, wie Metapher o<strong>der</strong> Rhythmus.<br />

Grammatik (LBVO: <strong>Sprachrichtigkeit</strong>)<br />

Vorbemerkung: Bei <strong>der</strong> Korrektur von Schülertexten, die in Prüfungssituationen entstanden sind, ist das<br />

verständliche Bedürfnis <strong>der</strong> korrigierenden Lehrkraft groß, die grammatische Korrektheit eines Textes<br />

ausschließlich an „richtigem“ Sprachgebrauch zu messen, wie er in bestimmten Grammatiken dargestellt<br />

wird. Die Komplexität des Systems Sprache impliziert jedoch Unterschiede, manchmal sogar Wi<strong>der</strong>sprüche<br />

zwischen verschiedenen <strong>Bewertung</strong>en und Beurteilungen desselben sprachlichen Phänomens. Auch<br />

generationsbedingte Auffassungsunterschiede können sich ergeben – im Allgemeinen wertet man als<br />

Lehrer/in das als richtig, was man selbst als richtig kennengelernt hat. Wie die einzelnen Auflagen des<br />

Duden, Band 9 (Richtiges und gutes Deutsch. Wörterbuch <strong>der</strong> sprachlichen Zweifelsfälle) aber deutlich<br />

zeigen, gibt es beträchtliche Verän<strong>der</strong>ungen in dem, was die Sprachgemeinschaft als „richtig und gut“<br />

einschätzt.<br />

Eine Konsequenz daraus für die korrigierende Lehrkraft muss daher sein, Sprache nicht nur als ein strenges<br />

Regelsystem zu sehen, das für die Schüler/innen bindenden Vorschrifts-Charakter hat, son<strong>der</strong>n auch<br />

als Funktionssystem, das sprachliche Äußerungen unter dem Aspekt ihrer kommunikativen Leistungen im<br />

Text versteht. Eine Ellipse in einem Text etwa per se als Fehler zu bewerten, weil sie einen unvollständigen<br />

Satz darstellt, ist im Sinn einer solchen Herangehensweise nicht vertretbar. Die Frage muss vielmehr<br />

sein, ob sie die Kommunikation zwischen Schreiber/in und Leser/in stört, ob ihr Anschluss an den vorangegangenen<br />

Satz korrekt ausgeführt ist und ob sie <strong>zur</strong> Textsorte passt (in einer Meinungsrede wird sie<br />

an<strong>der</strong>s zu bewerten sein als in einer Zusammenfassung).


Erläuterungen <strong>zur</strong> <strong>Bewertung</strong> <strong>der</strong> <strong>normativen</strong> <strong>Sprachrichtigkeit</strong> im Rahmen <strong>der</strong> SRPD in Deutsch 5<br />

Die <strong>Sprachrichtigkeit</strong> <strong>der</strong> zu bewertenden und beurteilenden Arbeit wird auf drei Ebenen überprüft: auf<br />

<strong>der</strong> Ebene<br />

• des Wortes,<br />

• des Satzes,<br />

• des Textes.<br />

Folgende Bereiche werden auf den unterschiedlichen Ebenen als beson<strong>der</strong>s wichtig angesehen:<br />

• Wortebene<br />

<br />

<br />

Wortbildung<br />

Genus/Numerus/Kasus<br />

Wortbildung: Dazu gehören alle Verän<strong>der</strong>ungen, mit denen man neue Wörter bildet, etwa die Bildung<br />

eines neuen Wortes mit Hilfe eines Ablauts (gehen → Gang, binden → Band) bzw. einer Voro<strong>der</strong><br />

Nachsilbe (betteln → Bettler, heiter → Heiterkeit).<br />

Probleme bei <strong>der</strong> Wortbildung könnten sich am ehesten bei Schülerinnen und Schülern mit einer an<strong>der</strong>en<br />

Muttersprache als Deutsch zeigen.<br />

Genus: Jedes Nomen hat im Allgemeinen ein festes grammatisches Geschlecht (Genus). Dieses bestimmt<br />

Genus und Form von Artikeln, Pronomen und Adjektiven, die vor dem Nomen stehen o<strong>der</strong><br />

das Nomen ersetzen.<br />

Numerus: Damit ist beson<strong>der</strong>s die korrekte Bildung von Pluralformen mit Hilfe beson<strong>der</strong>er Endungen<br />

und/o<strong>der</strong> des Umlautes gemeint. Beispiele: Tag → Tage, Kalb → Kälber, Brunnen → Brunnen, Bus<br />

→ Busse.<br />

Kasus: Nomen werden im Satz in verschiedenen Kasus (Fällen) verwendet. Der Kasus kann zum Teil<br />

an bestimmten Endungen abgelesen werden, vor allem aber an Artikeln, Pronomen und Adjektiven,<br />

die vor dem Nomen stehen.<br />

Diese drei grammatischen Eigenschaften des Nomens werden u. a. deswegen in einer Kategorie zusammengefasst,<br />

weil in <strong>der</strong> Korrekturpraxis immer wie<strong>der</strong> Fälle auftreten, wo sie schwer auseinan<strong>der</strong>zuhalten<br />

sind. Beispiel: „Der Kranke sieht kein Grund, seinen Lebenswandel zu än<strong>der</strong>n.“ (kein: Kasusfehler?<br />

Falsches Geschlecht des Nomens?)<br />

• Satzebene<br />

<br />

<br />

Satzbau<br />

Kongruenz<br />

Satzbau: Dieser <strong>Bewertung</strong>sbereich bezieht sich auf die Fähigkeit <strong>der</strong> Schüler/innen, grammatisch<br />

korrekte und inhaltlich vollständige Sätze zu bilden.<br />

Als Verstöße gegen den korrekten Satzbau zählen die unübliche und den Sinn eines Satzes / einer<br />

Aussage verfälschende Wortstellung, die Auslassung notwendiger Elemente, falsche Satzkonstruktionen,<br />

Satzabbrüche und unpassende Präpositionen.<br />

Beispiele:<br />

<br />

Unpassende Wortstellung: „Er behauptet, dass die Firma noch heuer wirtschaftlichen Erfolg haben<br />

wird mit den ergriffenen Maßnahmen.“


Erläuterungen <strong>zur</strong> <strong>Bewertung</strong> <strong>der</strong> <strong>normativen</strong> <strong>Sprachrichtigkeit</strong> im Rahmen <strong>der</strong> SRPD in Deutsch 6<br />

<br />

<br />

Auslassung notwendiger Elemente: „Die ergriffenen Maßnahmen helfen o<strong>der</strong> nur wenig.“ Die Negationspartikel<br />

nicht fehlt.<br />

Falsche Satzkonstruktion: „Die Regierung ergriff zwar Maßnahmen, weswegen sich die Besserung<br />

<strong>der</strong> wirtschaftlichen Lage in absehbarer Zeit einstellen wird.“<br />

Kongruenz: Die beson<strong>der</strong>e Beziehung des Subjekts zum Prädikat äußert sich in seiner Übereinstimmung<br />

mit <strong>der</strong> finiten Verbform des Prädikats in Person und Numerus.<br />

In diesem Bereich gibt es zahlreiche Spezialfälle. 2 Deswegen erscheint es angebracht, allfällige Verstöße<br />

tolerant zu behandeln. Sie werden nämlich selten im Unterricht thematisiert und stören die<br />

Kommunikation kaum.<br />

Beispiele:<br />

„Ein Drittel <strong>der</strong> Eingeladenen ist/sind gekommen.“<br />

„Zeit und Geld fehlt/fehlen mir <strong>zur</strong> Verwirklichung des Plans.“<br />

„We<strong>der</strong> <strong>der</strong> Lenker des Unfallautos noch sein Beifahrer wurde/wurden verletzt.“<br />

„Die Schuhfabrik ist die größte Arbeitgeberin/<strong>der</strong> größte Arbeitgeber <strong>der</strong> Region.“<br />

• Textebene<br />

<br />

<br />

Konnektoren/Verweise<br />

Tempus und Modus<br />

Konnektoren/Verweise: Sie verbinden Satzteile und Sätze. Hierher gehören Konjunktionen, Pronomen<br />

und (in einem eingeschränkten Sinn) Adverbien. Erstere stellen die Satzverknüpfungsmittel<br />

schlechthin dar, sowohl innerhalb von zusammengesetzten Sätzen als auch zwischen selbstständigen<br />

Sätzen. Die gleiche Rolle können Adverbien spielen, doch sind diese nicht allein auf die Aufgabe<br />

<strong>der</strong> Satzverknüpfung festgelegt.<br />

Probleme <strong>der</strong> Satzverbindung und <strong>der</strong> Verweise finden sich bei vielen Schreiberinnen und Schreibern,<br />

wobei beson<strong>der</strong>s Fälle, in denen die sprachlichen Mittel dem Sinn <strong>der</strong> Verknüpfung nicht entsprechen<br />

(z. B. falsche/fehlende aber, jedoch, auch …) häufig sehr störend sind. Es erscheint wichtig, darauf<br />

beson<strong>der</strong>es Augenmerk zu legen. Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang auch die falsche Verwendung<br />

von bestimmtem und unbestimmtem Artikel.<br />

Beispiele:<br />

<br />

<br />

„Die Veranstaltung wird verschoben, obwohl sie krank geworden ist.“ (Inhaltlicher Kontext: Eine<br />

Fortbildungsveranstaltung an einer Pädagogischen Hochschule musste wegen <strong>der</strong> Erkrankung<br />

<strong>der</strong> Referentin abgesagt werden.)<br />

„Der Zieleinlauf einer Goldmedaillengewinnerin über die Marathondistanz begeisterte gestern die<br />

Massen im Stadion.“<br />

Tempus: Bei <strong>der</strong> Reife- und Diplomprüfung verfassen die Schüler/innen Texte, in denen etwas dargestellt<br />

wird o<strong>der</strong> in denen sie argumentieren, analysieren und interpretieren. Sie besprechen etwas,<br />

daher ist die Haupttempus-Form <strong>der</strong> zu verfassenden Texte das Präsens.<br />

Da die einzelnen Tempora nicht strikt auf eine Bedeutung festgelegt sind und da es im Deutschen eine<br />

consecutio temporum im strengen Sinne nicht gibt, stehen den Schreiberinnen und Schreibern<br />

dort mehrere Möglichkeiten offen, Vergangenes wie<strong>der</strong>zugeben (Präteritum und Perfekt). Das in Mit-<br />

2<br />

Siehe etwa die entsprechende Darstellung im Duden-Band Richtiges und gutes Deutsch. Wörterbuch <strong>der</strong> sprachlichen<br />

Zweifelsfälle.


Erläuterungen <strong>zur</strong> <strong>Bewertung</strong> <strong>der</strong> <strong>normativen</strong> <strong>Sprachrichtigkeit</strong> im Rahmen <strong>der</strong> SRPD in Deutsch 7<br />

tel- und Süddeutschland in den Dialekten und darüber hinaus in <strong>der</strong> gesprochenen Sprache insgesamt<br />

nicht verankerte Präteritum drückt aus, dass etwas vergangen ist, betont dabei eher dessen<br />

Verlauf, weniger seine Abgeschlossenheit. Diesen Aspekt, also das Ergebnis, streicht das Perfekt e-<br />

her hervor. Das Perfekt ist auch dann angebrachter, wenn das dargestellte Geschehen in die Gegenwart<br />

reicht.<br />

Modus: Von den vier Modus-Formen Indikativ, Konjunktiv I und II sowie Imperativ spielen bei <strong>der</strong> Korrektur<br />

vor allem Fragen <strong>der</strong> korrekten Anwendung von Indikativ und Konjunktiv in <strong>der</strong> indirekten Rede<br />

eine Rolle. Ein Problem hier ist, dass die Regeln für die Moduswahl in indirekter Rede über den ganzen<br />

deutschen Sprachraum gesehen sehr unterschiedlich sind, ein an<strong>der</strong>es, dass die strenge For<strong>der</strong>ung<br />

nach Konjunktiv in indirekter Rede immer mehr verblasst. Vor diesem Hintergrund sollten bei <strong>der</strong><br />

Korrektur Verstöße nur dann schwer gerechnet werden, wenn Äußerungen Dritter wie<strong>der</strong>gegeben<br />

werden und dies nicht eindeutig erkennbar ist.<br />

Wichtig: Wenn die indirekte Rede mit den Konjunktionen dass und ob o<strong>der</strong> einem Fragewort eingeleitet<br />

wird, kann auch in <strong>der</strong> indirekten Rede <strong>der</strong> Indikativ stehen, solange die „Indirektheit <strong>der</strong> Rede“ /<br />

die „Referiertheit“ etc. durch an<strong>der</strong>e sprachliche Mittel deutlich zum Ausdruck gebracht ist.<br />

Beispiele:<br />

„Er hat versprochen, dass er erscheinen wird/werde.“<br />

„Sie fragte, ob <strong>der</strong> Zug pünktlich kommt/komme.“<br />

(Beide Möglichkeiten sind jeweils korrekt.)<br />

Zeichensetzung<br />

• Satzendezeichen<br />

• Kommasetzung: grammatische Kommasetzung bei<br />

o Aufzählung von Wörtern und Wortgruppen<br />

o zusammengesetzten Sätzen<br />

zwischen Hauptsätzen<br />

zwischen Haupt- und Nebensatz<br />

unter bestimmten Bedingungen zwischen Hauptsatz und satzwertigen Infinitiv- und<br />

Partizipialgruppen<br />

• Anführungszeichen (v. a. bei Zitaten)<br />

Satzendezeichen: Mit Satzendezeichen sind Punkt, Rufzeichen und Fragezeichen gemeint, also diejenigen<br />

einfachen Satzzeichen, die das Ende eines Ganzsatzes/Gesamtsatzes markieren. Von Ganzsatz o<strong>der</strong> Gesamtsatz<br />

spricht man vor allem dort, wo ein komplexer Satz aus mehreren Teilsätzen (grammatischen<br />

Sätzen) besteht. Diese Teilsätze sind entwe<strong>der</strong> Hauptsätze (= Teilsätze, die keinem an<strong>der</strong>en Teilsatz<br />

grammatisch untergeordnet sind) o<strong>der</strong> Nebensätze (= Teilsätze, die einem an<strong>der</strong>en Teilsatz grammatisch<br />

untergeordnet sind). Natürlich kann man auch einen Satz, <strong>der</strong> lediglich aus einem einzigen (Haupt-)Satz<br />

besteht, als Ganzsatz/Gesamtsatz bezeichnen.<br />

Bei den Satzendezeichen unterscheidet man:<br />

– Der Punkt als Satzschlusszeichen ist gleichsam das neutralste Zeichen, er markiert eine gewöhnliche<br />

Aussage und Auffor<strong>der</strong>ungen ohne beson<strong>der</strong>en Nachdruck.


Erläuterungen <strong>zur</strong> <strong>Bewertung</strong> <strong>der</strong> <strong>normativen</strong> <strong>Sprachrichtigkeit</strong> im Rahmen <strong>der</strong> SRPD in Deutsch 8<br />

– Das Rufzeichen verleiht dem Inhalt des Gesamtsatzes einen beson<strong>der</strong>en Nachdruck, sodass es bei<br />

nachdrücklichen Behauptungen, Ausrufen, Auffor<strong>der</strong>ungen usw. gesetzt wird.<br />

– Das Fragezeichen kennzeichnet den Gesamtsatz als Frage.<br />

Beistrichsetzung in zusammengesetzten Sätzen: Ein zusammengesetzter Satz besteht aus mehreren<br />

Teilsätzen, Hauptsätzen und/o<strong>der</strong> Nebensätzen. Die Beistrichsetzung zwischen gleichrangigen (nebengeordneten)<br />

Teilsätzen (Hauptsätzen) ist in einer Reihe von Fällen freigestellt (vor und, o<strong>der</strong>, beziehungsweise,<br />

entwe<strong>der</strong> – o<strong>der</strong>, nicht/we<strong>der</strong> – noch). Da innerhalb eines Textes eine möglichst einheitliche Vorgangsweise<br />

wünschenswert ist, sollte den Schülerinnen und Schülern empfohlen werden, in solchen<br />

Fällen grundsätzlich einen Beistrich zu setzen. Dies gilt auch für jene Fälle <strong>der</strong> Beistrichsetzung bei Infinitiv-<br />

und Partizipialgruppen, wo die Beistrichsetzung freigegeben ist.<br />

Sinnstörend sind fehlende Beistriche vor allem dort, wo sie (z. B. im Fall eines eingeschobenen Nebensatzes)<br />

nicht o<strong>der</strong> nicht paarig gesetzt werden (d. h., wo ein obligatorischer Beistrich nicht gesetzt worden<br />

ist).<br />

Beistrichsetzung bei Wörtern und Wortgruppen: Mit <strong>der</strong> Beistrichsetzung zwischen gleichrangigen Wörtern<br />

und Wortgruppen kommen die Schülerinnen und Schüler erfahrungsgemäß gut zu Rande. Bei Verstößen<br />

gegen die Ausnahmen (kein Beistrich, wenn die Konjunktionen und, sowie, beziehungsweise,<br />

sowohl … als auch o<strong>der</strong> we<strong>der</strong> … noch die Teile <strong>der</strong> Aufzählung verbinden) ist Toleranz angebracht. Dies<br />

gilt vor allem für die Fälle <strong>der</strong> schwierigen Entscheidung, ob in einer Aufzählung zwei Adjektive vor einem<br />

Nomen gleichrangig sind o<strong>der</strong> nicht.<br />

Anführungszeichen: Fehlende Anführungszeichen bei wörtlich wie<strong>der</strong>gegebenen Textstellen verfälschen<br />

möglicherweise die Aussage eines Textes und stören den Lesefluss.

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