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Die Osterhusumer Wassermühle - Husum-Stadtgeschichte

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Häuser und Plätze in <strong>Husum</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle<br />

<strong>Die</strong> <strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle<br />

Ein Denkmal vorindustrieller Wasser- und Mühlenbautechnik<br />

Uwe Iben<br />

<strong>Die</strong> jetzt offenbar vor dem konkreten<br />

Baubeginn [1983] stehende <strong>Husum</strong>er<br />

Umgehungsstraße lenkt den Blick wieder<br />

einmal auf das Gebiet des <strong>Husum</strong>er<br />

Mühlenteiches und damit auf ein bemerkenswertes<br />

Denkmal mittelalterlicher<br />

Wasser- und Mühlenbautechnik. Gemeint<br />

ist die <strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle<br />

mit ihrem weitgefächerten, dem Kundigen<br />

noch heute in der Landschaft erkennbaren<br />

System von Stauteichen.<br />

Wenn auch die Großartigkeit der Anlage,<br />

der heute entwässerten Teiche, nur noch<br />

erahnbar ist, wird doch bei näherer Betrachtung<br />

des Systems im Gelände<br />

deutlich, daß hier ehemals ein hervorragendes,<br />

der Landschaft angepaßtes<br />

Wasserbauwerk vorhanden war. Leider<br />

fiel dieses mit einfachsten technischen<br />

Mitteln geplante und erbaute Werk, das<br />

ein Zeugnis vom technischen und handwerklichen<br />

Können unserer Vorfahren<br />

und von deren enormer Arbeitsleistung<br />

ablegt, bereits der sogenannten „Ersten<br />

industriellen Revolution“ im vorigen<br />

Jahrhundert weitgehend zum Opfer.<br />

<strong>Die</strong>se Anlage ist jedoch nicht nur ein<br />

beachtenswertes Baudenkmal, sondern<br />

auch ein geschichtliches Objekt, das mit<br />

der Stadt <strong>Husum</strong> vom Beginn seiner datierten<br />

Existenz an eng verbunden ist.<br />

Der erste datierte Hinweis auf die Mühle<br />

stammt aus dem Anfang des 15. Jahrhunderts.<br />

Damals wurde auf dem Höhepunkt<br />

einer länger andauernden Fehde<br />

zwischen den Nordfriesen und den Dithmarschern<br />

neben der „kercke tho Milstede“<br />

auch die „watermöhle tho <strong>Husum</strong>“<br />

von den Dithmarschern im Zuge von<br />

Vergeltungsmaßnahmen niedergebrannt.<br />

Über dieses Ereignis berichtet<br />

besonders ausführlich Anton Heimreich<br />

in seiner „Nordfriesischen Chronik“, der<br />

das Ereignis auf den Montag nach Matthäi<br />

im Jahre 1416 datiert und damit wesentlich<br />

mit Laß (1413) und Boetius<br />

(1417) differiert.<br />

<strong>Die</strong>ses Ereignis ist aus zwei Gründen<br />

bemerkenswert, wobei man über die Genauigkeit<br />

der eng zusammenliegenden<br />

Daten der Chronisten nicht weiter zu diskutieren<br />

braucht:<br />

- Es ist der erste schriftliche Hinweis auf<br />

die Existenz der <strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle.<br />

- Der Streit zwischen Dithmarschern<br />

und Friesen deutet darauf hin; daß der<br />

Raum <strong>Husum</strong>-Mildstedt zu dieser Zeit<br />

wahrscheinlich noch von einer friesischen<br />

Bevölkerung besiedelt war.<br />

„Hauptstadt Nordfrieslands“ wird das<br />

nicht mehr friesische <strong>Husum</strong> erst einige<br />

Jahrhunderte später, am 25. April 1970!<br />

Doch nun zurück zur <strong>Osterhusumer</strong><br />

Wassermühle, über ihre Vergangenheit<br />

vor dem 15. Jahrhundert ist nichts bekannt.<br />

Wir wissen nicht, wer diese Anlage<br />

erdachte, noch wer sie erbaute.<br />

Wahrscheinlich sind die Mühle und ihre<br />

Stauteiche zu dieser Zeit schon ziemlich<br />

alt, und den Vermutungen des bekannten<br />

Heimatgeschichtlers Magnus Voß,<br />

1


Häuser und Plätze in <strong>Husum</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle<br />

daß die Anlage der Bauwerke in die Mitte<br />

des 13. Jahrhunderts zu datieren sei,<br />

ist bis zum Vorliegen besserer Erkenntnisse<br />

nicht zu widersprechen. <strong>Die</strong>se<br />

These besitzt sogar gute Gründe, die für<br />

ihre Richtigkeit sprechen: In dieser Zeit<br />

werden in Nordfriesland eine Menge<br />

hervorragender Bauwerke, die sowohl<br />

einen relativen Wohlstand wie auch einen<br />

funktionierenden Gemeinsinn voraussetzen,<br />

errichtet, es entstehen viele<br />

der friesischen Kirchen, und der Deichbau<br />

beginnt sich in unserer Landschaft<br />

zu entwickeln!<br />

Daß die Anlage der Wassermühle mit<br />

ihren Stauteichen sowohl von ihrer Größenordnung<br />

wie auch vom Schwierigkeitsgrad<br />

der Erstellung her mit den<br />

vorgenannten Bauwerken zu vergleichen<br />

ist, zeigt ein Blick auf einen Kartenausschnitt<br />

von Johannes Mejers „Landtcarte<br />

Von Nordgoesherde, Ambt <strong>Husum</strong><br />

...“ in der „Neuen Landesbeschreibung“<br />

von Caspar Danckwerth, 1652:<br />

Dargestellt sind neben dem <strong>Osterhusumer</strong><br />

Mühlenteich drei Oberteiche.<br />

Ein ungefährer Abgriff aus den Topographischen<br />

Karten 1520 <strong>Husum</strong> und<br />

1521 Ostenfeld ergibt für den Mühlenteich<br />

ca. 70 bis 80 Hektar Staufläche, für<br />

den „Hübbrückenteich“ ca. 40 bis 50<br />

Hektar, für den Aucksbroer Teich ca. 25<br />

bis 30 Hektar und für den dritten Oberteich<br />

ca. 10 bis 15 Hektar, zusammen<br />

145 bis 175 Hektar.<br />

<strong>Die</strong> Staudämme aller Teiche sind,<br />

wenn auch zum Teil erheblich beschädigt,<br />

noch gut im Gelände zu erkennen.<br />

Leider wurde in den 60er Jahren die<br />

historische Hübbrücke aus wasserwirtschaftlichen<br />

Gründen zerstört, so daß<br />

bauliche Merkmale ihrer Staufunktion<br />

<strong>Die</strong> Zeichnung rekonstruiert die Lage der Stauteiche der beiden Wassermühlen aufgrund der<br />

Topographischen Karten Nr. 1520 <strong>Husum</strong> und Nr. 1521 Ostenfeld.<br />

2


Häuser und Plätze in <strong>Husum</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle<br />

nicht mehr erkennbar sind. Deutlich<br />

sichtbar ist jedoch auch heute noch die<br />

Einbindung der Brücke in einen Damm,<br />

der zusammen mit der kartographischen<br />

Darstellung in der bereits zitierten Karte<br />

des Amtes <strong>Husum</strong> von Mejer einen<br />

sicheren Hinweis auf den ehemaligen<br />

ersten Oberteich oberhalb der Hübbrücke<br />

gibt.<br />

In Mejers Karte wird der Standort der<br />

<strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle durch das<br />

Symbol eines Wasserrades gekennzeichnet.<br />

Ein weiteres Wasserrad in dieser<br />

Karte zeigt den Standort der längst<br />

im Dunkel der Vergangenheit entschwundenen<br />

Stampfmühle nahe dem<br />

Dorf Rosendahl. Von ihrer Existenz wissen<br />

wir hauptsächlich durch einen Hinweis<br />

in der „Sammlung einiger <strong>Husum</strong>ischen<br />

Nachrichten“ von Johannes Laß<br />

(Teil I, S. 119).<br />

Ob diese Mühle auch zu dem „herrschaftlichen<br />

Mühlenbesitz in <strong>Husum</strong> (neben<br />

der Wassermühle zeitweilig vier<br />

Windmühlen) gehörte, ist nicht bekannt.<br />

<strong>Die</strong> bloße Tatsache, daß <strong>Husum</strong> Reparaturkosten<br />

des Dammes zu tragen hatte,<br />

besagt nicht viel.<br />

<strong>Die</strong> Stampfmühle besaß, wie die<br />

<strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle, oberhalb<br />

des „Stampfmühlenteiches“ (Flurbezeichnung<br />

nach dem Urkataster von<br />

1874) nach Johannes Mejer zwei Oberteiche.<br />

Eine Ortsbesichtigung durch den<br />

Verfasser ergab, daß beide Oberteiche<br />

noch im Gelände erkennbar sind.<br />

Ausschnitt aus Johannes Mejers „Landtcarte Von Nordgoesherde, Ambt <strong>Husum</strong>“ in der „Neuen<br />

Landesbeschreibung“ von Caspar Danckwerth aus dem Jahr 1652. Rechts von <strong>Husum</strong> sind die<br />

Stauteiche abgebildet.<br />

(Foto Kreisarchiv NF)<br />

3


Häuser und Plätze in <strong>Husum</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle<br />

Der Stampfmühlenteich entstand<br />

durch die Abdämmung eines kleinen<br />

Wasserlaufes zwischen <strong>Husum</strong> und Rosendahl.<br />

Über diesen Damm führt heute<br />

die Landstraße von <strong>Husum</strong> nach Rosendahl<br />

bzw. Ipernstedt. Weiter oberhalb,<br />

d. h. nördlich, wurde annähernd parallel<br />

zum Stampfmühlendamm eine weitere<br />

Stauung vorgenommen, über diesen<br />

ersten Oberteichsdamm führt heute die<br />

Bundesstraße <strong>Husum</strong>-Schleswig. <strong>Die</strong>ser<br />

Damm wurde in unserem Jahrhundert<br />

durch die Bahnstrecke <strong>Husum</strong>-<br />

Flensburg gekreuzt. Der Bahndamm teilt<br />

den ehemaligen ersten Oberteich in<br />

zwei Hälften. Der zweite Oberteich der<br />

Stampfmühle schließt unmittelbar an<br />

den ersten an. Er verläuft jedoch in<br />

West-Ost-Richtung. <strong>Die</strong> Flurbezeichnung<br />

„Hohlacker“ oder Plattdeutsch<br />

„Hollacker“ deutet auf die niedrige Lage<br />

des Geländes hin. Am südlichen Ende<br />

dieses trockengelegten Stauteiches ist<br />

als Grenzwall deutlich der alte Stauteich<br />

mit der Durchlaßöffnung erkennbar.<br />

<strong>Die</strong> Dimension der Stampfmühlenteiche<br />

sind erheblich geringer als die der<br />

Staubecken der <strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle.<br />

Während der Stampfmühlenteich<br />

ca. 10 bis 14 Hektar bedeckt, ist der erste<br />

Oberteich mit ca. 4 Hektar besonders<br />

klein, während der zweite Oberteich etwa<br />

mit dem Hauptteich übereinstimmt.<br />

<strong>Die</strong> Gesamtfläche der Stampfmühlenteiche<br />

dürfte zwischen 24 und 32 Hektar<br />

liegen. Verglichen mit den Teichen der<br />

<strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle ist auch<br />

die Wassertiefe in diesen Becken erheblich<br />

geringer, so daß die Stampfmühle<br />

nur sehr klein gewesen sein kann. <strong>Die</strong>s<br />

erklärt vielleicht den Mangel an geschichtlichen<br />

Zeugnissen über dieses<br />

Bauwerk - es war offenbar nicht sehr bedeutsam,<br />

ja vermutlich schon sehr früh<br />

unwirtschaftlich. Der <strong>Husum</strong>er Chronist<br />

J. Laß kennt die Stampfmühle nicht<br />

mehr aus der Örtlichkeit, sondern weiß<br />

über sie nur aus Kämmereiakten zu berichten.<br />

Frenz Bertram, der sich seit Jahren<br />

mit den Mühlen Nordfrieslands beschäftigt,<br />

meinte in einem Gespräch, daß wegen<br />

der geringen Wassermenge und der<br />

niedrigen Fallhöhe bei der Stampfmühle<br />

ein horizontal beschicktes Wasserrad<br />

verwendet worden sein dürfte.<br />

Über den Betrieb der <strong>Osterhusumer</strong><br />

Wassermühle wissen wir besser Bescheid.<br />

Ein im Schleswig-Holsteinischen<br />

Landesarchiv befindliches „Jnventarium<br />

über die <strong>Husum</strong>ische Waßer- und Beyde<br />

Windtmühlen...“ vom 1. April 1699, auf<br />

das der Verfasser von Holger Borzikowsky<br />

hingewiesen wurde, berichtet<br />

über fünf Gangwerke (mit fünf Wasserrädern),<br />

bezeichnet: 1. das oberste und<br />

größte Gangwerk, 2. bei der Sichtmühle,<br />

3. bei der Westertreppmühle, 4. bei der<br />

Ostertreppmühle, 5. bei der Maltzmühle.<br />

Das Inventar hebt den schlechten Allgemeinzustand<br />

der Mühle hervor.<br />

Eine von Holger Borzikowsky im Landesarchiv<br />

aufgefundene Darstellung der<br />

Mühle von 1733 zeigt in einem Teillängsschnitt<br />

und einer Teildraufsicht vier Wasserräder<br />

in halb versetzter Anordnung.<br />

Wo sich das fünfte, vermutlich das große<br />

Wasserrad befand, ist nicht bekannt. Interessant<br />

ist in dieser Darstellung auch<br />

eine Westansicht der Wassermühle. Sie<br />

zeigt das auch heute noch imponierende<br />

Gebäude mit einem verbreiterten Giebelfeld<br />

ohne das - wahrscheinlich im 19.<br />

Jahrhundert - aufgesetzte Obergeschoß.<br />

4


Häuser und Plätze in <strong>Husum</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle<br />

Ist in einer früheren Darstellung von<br />

Iven Knutzen noch ein Satteldachgiebel<br />

- angeblich aus der Zeit vor 1489 - erkennbar,<br />

so erscheint in einer anderen<br />

Zeichnung des gleichen Verfassers um<br />

1588 an der Westfront des Gebäudes<br />

ein Treppengiebel. <strong>Die</strong>s könnte, sofern<br />

man den Zeichnungen eine gewisse<br />

Realität unterstellt, die Folge eines Neubaus<br />

der Wassermühle im Jahre 1587<br />

durch Herzog Friedrich II. sein, über den<br />

Anton Heimreich in seiner „Nordfriesischen<br />

Chronik“ berichtet. <strong>Die</strong> Verbretterung<br />

des Giebels in der oben genannten<br />

Darstellung von 1733 ist offensichtlich<br />

das Ergebnis einer im Inventariuim von<br />

1699 vorgeschlagenen Reparaturmaßnahme,<br />

die an dem den zerstörenden<br />

Seewinden ausgesetzten Giebel bereits<br />

nach gut hundert Jahren schon wieder<br />

erforderlich wurde.<br />

Doch nicht nur das Klima bedrohte<br />

die <strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle in früheren<br />

Jahrhunderten, sie war auch lange<br />

Zeit dem Einfluß hoher Fluten der<br />

Nordsee ausgesetzt. Nicht umsonst ist<br />

deshalb wohl auch der untere Teil der<br />

Mühle aus schweren Granitquadern aufgeführt,<br />

die aus gewaltigen Findlingen<br />

unserer Urlandschaft geschlagen wurden.<br />

Bis zum Ende des Mittelalters war<br />

die Mühle wahrscheinlich den schweren<br />

Älteste bekannte Darstellung der Gegend um <strong>Husum</strong> von Iven Knutzen (Norden ist unten - oben<br />

sind Teile von Eiderstedt zu sehen). <strong>Husum</strong> liegt ganz unten und ist gekennzeichnet durch die<br />

große Kirche. Das Gebäude links daneben stellt die <strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle dar.<br />

(HN-Repro)<br />

5


Häuser und Plätze in <strong>Husum</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle<br />

Fluten der Nordsee schutzlos preisgegeben.<br />

Sehr früh jedoch dürfte durch einen<br />

Paralleldamm zum Mühendamm ein<br />

Schutz für die Wassermühle herbeigeführt<br />

worden sein. <strong>Die</strong>ses in alten Akten<br />

mit „Steindamm“ bezeichnete Bauwerk<br />

ist heute noch als Abzweigung von der<br />

<strong>Osterhusumer</strong> Straße als erster Teil der<br />

Mildstedter Landstraße vorhanden. Das<br />

Wort „Steindamm“ deutet auf eine Steinschüttung<br />

bzw. eine steinerne Fußsicherung<br />

hin, die später offenbar, vergleicht<br />

man die vorliegenden Unterlagen im <strong>Husum</strong>er<br />

Stadtarchiv, durch die Vorsetzung<br />

einer sogenannten Stackonstruktion verstärkt<br />

wurde.<br />

Da dieser Damm durch eine „Kleine<br />

Schleuse“ geschlossen werden konnte,<br />

bot er der Wassermühle Schutz vor hohen<br />

Fluten und Eisgang. Wie sehr dies<br />

nötig war, geht aus den Archivunterlagen<br />

hervor: Der Steindamm mußte im<br />

Laufe der Jahrhunderte mehrfach ausgebessert<br />

werden. Daran änderte auch<br />

kaum etwas, daß 1484 ein Damm<br />

von <strong>Husum</strong> nach Rödemis geschlagen<br />

worden war. <strong>Die</strong>ser hatte zwei Funktionen:<br />

- Er nahm zum einen die 1483 durch<br />

Einwirkung der Nordsee zerstörte<br />

Straße von <strong>Husum</strong> nach Rödemis auf<br />

(die ursprüngliche Trasse dieser Straße<br />

verlief von der Hohlen Gasse in<br />

Richtung Rödemis).<br />

- Zweitens wurde er zu Stauzwecken<br />

gebaut und deshalb mit einer Spülschleuse<br />

versehen, durch die bei hohem<br />

Wasser das untere Autal geflutet<br />

werden konnte, um bei Niedrigwasser<br />

durch Öffnen des Stauschotts den<br />

schon damals ständig durch Verschlikkung<br />

bedrohten Hafen zu spülen.<br />

<strong>Die</strong>ser Damm hatte jedoch keine echte<br />

Schutzfunktion gegenüber Sturmfluten,<br />

seine Kronenhöhe von knapp vier<br />

Meter über NN verlieh ihm gerade die<br />

Wirksamkeit eines guten Sommerdeiches.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle war<br />

jedoch nicht nur durch die Nordsee<br />

gefährdet, sondern auch durch den eigenen<br />

Mühlenteich! <strong>Die</strong>ser brach, vermutlich<br />

durch Überlaufen nach einer<br />

Schneeschmelze, am 4. März 1610. Der<br />

Schaden war groß: <strong>Die</strong> Häuser in der<br />

Süderstraße wurden teilweise überflutet,<br />

der Rödemisser Damm barst unter dem<br />

Druck der einströmenden Wassermassen,<br />

die Zingelschleuse mit einem nahe<br />

liegenden Haus wurde weggerissen.<br />

Schaden entstand auch auf der Rödemisser<br />

Seite: Bei der Hofstelle Poggenburg<br />

wurde das „Planckwerck und Brüg-<br />

Gerüst“ weggerissen, ebenso zwei Wohnungen<br />

bei der Schmiede. Sämtliche im<br />

Hafen liegenden Schiffe mußten unter<br />

Segel gehen!<br />

Als Lehre aus diesem Schaden wurde<br />

„ein „Freyschütt“ (d. h. Überlaufsiel)<br />

in den Galgenbergdamm eingebaut (Gabelung<br />

Mildstedter Landstraße-Mühlendamm,<br />

Nachfolgebauwerk aus dem 19.<br />

Jahrhundert noch vorhanden). <strong>Die</strong> Anlage<br />

des Bauwerks an dieser Stelle - und<br />

nicht etwa weiter nördlich in der Nähe<br />

der Wassermühle, was bedienungstenisch<br />

einfacher gewesen wäre - läßt die<br />

Vermutung aufkommen, daß der Steindamm<br />

sich bei dem Unglück als eine<br />

tückische Falle erwiesen hatte. Denkbar<br />

ist, daß hohe Wasserstande im unteren<br />

Autal das Stemmtor der sogenannten<br />

„Kleinen Schleuse“ im Steindamm geschlossen<br />

hielten und somit ein Freilauf<br />

6


Häuser und Plätze in <strong>Husum</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle<br />

Darstellung der <strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle von 1733: oben rechts die Westansicht mit einem<br />

verbreiterten Giebelfeld, links nach unten versetzt anschließend ein Teillängsschnitt mit vier<br />

Wasserrädern und unten eine Teildraufsicht, die die versetzte Anordnung der Räder zeigt.<br />

(Foto: Landesarchiv)<br />

7


Häuser und Plätze in <strong>Husum</strong>: <strong>Die</strong> <strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle<br />

des Mühlenteiches nicht<br />

möglich war. Hierdurch kann<br />

es zu einer Überstauung<br />

des Mühlendammes gekommen<br />

sein und damit zur<br />

Katastrophe! <strong>Die</strong>se These<br />

könnte durch Auffinden von<br />

Reparaturrechnungen in<br />

den Kämmereiakten aus<br />

dem Jahre 1610 vielleicht ihre<br />

Bestätigung finden.<br />

Heute ist der Wassermühle<br />

und dem Autal die bewegte<br />

Vergangenheit nicht mehr anzusehen.<br />

1867 wurde der Mühlenteich abgelassen.<br />

Das Zeitalter der maschinenbetriebenen<br />

Mühlen hatte begonnen.<br />

<strong>Die</strong> Wassermühle wurde in eine<br />

Dampfmühle umgewandelt. Der Betrieb<br />

erwies sich jedoch bald als zu teuer -<br />

der damalige Besitzer ging 1873 in Konkurs.<br />

Im gleichen Jahr versuchte ein neuer<br />

Unternehmer noch einmal das Rad<br />

der technischen Entwicklung anzuhalten<br />

bzw. zurückzudrehen, und setzte auf die<br />

Wassermühle eine Windmühle. Doch<br />

auch diese Maßnahme erwies sich als<br />

Fehlschlag - 1885 war auch der neue<br />

Besitzer wieder am Ende. <strong>Die</strong> Windmühle<br />

stand noch bis 1925 auf der Wassermühle.<br />

<strong>Die</strong> vier ehemalig herrschaftlichen<br />

Windmühlen waren bereits nicht<br />

mehr vorhanden. Als letzte in dieser Reihe<br />

war 1920 die Margarethenmühle oder<br />

auch Süderwindmühle abgebrochen.<br />

<strong>Die</strong> <strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle hat<br />

dies alles - wenn auch nicht ohne Schäden<br />

- überlebt. Und so könnte sie eigentlich<br />

das Dasein eines anscheinend geretteten,<br />

wenn auch nicht unlädierten<br />

Kulturdenkmals führen, wenn nicht auch<br />

heute noch immer wieder Schäden und<br />

8<br />

<strong>Die</strong> <strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle in ihrem heutigen Zustand<br />

[1983]. (HN-Foto)<br />

Zerstörungen durch technische Maßnahmen<br />

an der alten Mühlenanlage zu<br />

verzeichnen wären. Vor rund 15 Jahren<br />

wurde der Aulauf reguliert und die Wassermühle<br />

von ihrem Element, dem Wasser,<br />

abgeschnitten. Wenn diese Maßnahme<br />

dem Wasserbauer auch in<br />

hydraulischer Hinsicht einzuleuchten<br />

vermag, so zeigt sie doch andererseits<br />

kaum glaubliche Defizite der planenden<br />

Techniker in den Disziplinen Technikund<br />

Heimatgeschichte.<br />

Ein schwerer Verlust steht der imponierenden<br />

Anlage der Wasser- und<br />

Mühlenbaukunst jedoch noch erst bevor:<br />

der Bau der Umgehungsstraße, die<br />

durch das Gebiet des ehemaligen Mühlenteiches<br />

geführt werden wird. Es<br />

scheint, daß die bereits 1928 von Schulz<br />

und Clausen in ihrem Heft „<strong>Die</strong> Geschichte<br />

der <strong>Osterhusumer</strong> Wassermühle<br />

und des Mühlenteiches“ abgeschriebene<br />

Wassermühle nun endgültig nach<br />

ungefähr 700 Jahren durch die Einwirkungen<br />

unserer vor nichts haltmachenden<br />

Technik auf das Konto „unwiederbringlicher<br />

kulturgeschichtlicher Verlust“<br />

gebucht werden kann!<br />

Aus: <strong>Husum</strong>er Nachrichten, 27. 8. 1983

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