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Dauergifte – Die globale Bedrohung

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Autoren:<br />

Dr. Ralph Ahrens, Köln<br />

Manfred Krautter, Hamburg<br />

1. Auflage, August 1999<br />

Greenpeace e.V.<br />

Große Elbstraße 39<br />

D - 22767 Hamburg<br />

Tel.: 040-30618-0<br />

Fax: 030-30618-100<br />

e-mail: mail@greenpeace.de<br />

Internet: www.greenpeace.de<br />

V.i.S.d.P.: Manfred Krautter<br />

Zur Deckung der Herstellungskosten bitten wir um eine Spende: Postbank Hamburg, BLZ 200 100 20,<br />

Konto-Nummer: 97 338-207<br />

1


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Inhaltsverzeichnis<br />

Vorwort 4<br />

1 Zusammenfassung: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> die <strong>globale</strong>n Umweltschadstoffe 6<br />

Summary: Persistent Organic Pollutants (POPs), the Global Poisons 13<br />

2 Steckbrief: <strong>Die</strong> Gefahren der <strong>Dauergifte</strong> 20<br />

2.1 Herkunft der <strong>Dauergifte</strong> 23<br />

2.2 Der Makel der Langlebigkeit 24<br />

2.3. Gifte ohne Grenzen 25<br />

2.3.1 Giftalarm in der Arktis: die <strong>globale</strong> Destillation 26<br />

2.3.2 Alarm auch in den Bergen 30<br />

2.3.3 Endlager Meere 31<br />

2.4. Anreicherung in Fett und Speck 33<br />

2.4.1 Gründe für die Anreicherung 34<br />

2.4.2 Großteil der Belastung mit <strong>Dauergifte</strong>n ist unbekannt 36<br />

2.4.3 Wale werden Sondermüll 36<br />

2.4.4 Stärkere Anreicherung bei männlichen Tieren 37<br />

2.4.5 Gewichtsverlust mobilisiert <strong>Dauergifte</strong> 38<br />

2.4.6 Chlor und Brom fördern Anreicherung 38<br />

2.4.7 Entwarnung für den Menschen? 39<br />

2.4.8 Neue <strong>Dauergifte</strong>: <strong>Die</strong> unerkannte Gefahr 40<br />

3 Wirkungen der <strong>Dauergifte</strong> auf Menschen und Tiere 42<br />

3.1 Wie <strong>Dauergifte</strong> auf Lebewesen wirken 42<br />

3.1.1 Wie Organismen auf Umweltgifte reagieren 42<br />

3.1.2 Krebs und Mutationen 43<br />

3.1.3 Störung der Fortpflanzungsfähigkeit und der Entwicklung 44<br />

3.1.4 Störung des Hormonsystems 44<br />

3.1.5 Störung des Immunsystems 47<br />

3.1.6 Störung des Nervensystems 48<br />

3.1.7 Mit dem Chlorgehalt steigt die Giftigkeit 49<br />

3.2 Schädliche Wirkungen auf Menschen 50<br />

3.2.1 Krebs 50<br />

3.2.2 Fortpflanzungsfähigkeit 51<br />

3.2.3 Besondere Gefahr für Kinder 52<br />

3.2.3.1 Dauerbrenner PCB 53<br />

3.2.3.2 Pestizidbelastung bei Yaqui-Indianern 54<br />

3.2.3.3 Weichmacher in Kinderspielzeug 55<br />

3.2.4 Chemisch Verletzte: das Frühwarnsytem Mensch 56<br />

3.2.5 Inuit <strong>–</strong> Opfer der <strong>Dauergifte</strong> 57<br />

3.2.6 Dauergift-Katastrophen 61<br />

3.3 Vergiftete Wildnis <strong>–</strong> Schadwirkungen bei Tieren 62<br />

3.3.1 Schäden und ihre Auslöser 62<br />

3.3.2 Wale 63<br />

3.3.3 Robben 64<br />

3.3.4 Fischotter und Nerze 66<br />

3.3.5 Eisbären 67<br />

3.3.6 Wellhornschnecke 68<br />

2


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

3.3.7 Fledermäuse 69<br />

4 Blinde Wissenschaft 70<br />

5 Umweltpolitik 71<br />

5.1 Das dreckige Dutzend der UNEP 76<br />

5.1.1 Problemstoff DDT 77<br />

5.1.2 Problem Dioxin 78<br />

5.1.3 Chemiealtlasten: tickende Zeitbomben 79<br />

5.2 <strong>Die</strong> zweite POP-Konvention 80<br />

5.3 <strong>Dauergifte</strong> der neuen Generation 82<br />

5.3.1 Chlorparaffine <strong>–</strong> vielseitig eingesetzte <strong>Dauergifte</strong> 82<br />

5.3.2 Lindan <strong>–</strong> noch immer ein Problemstoff 83<br />

5.3.3 Moschusverbindungen: synthetische Duft-Plagiate 84<br />

5.3.4 Phthalate <strong>–</strong> weich und gefährlich 85<br />

5.3.5 Polybromierte Flammschutzmittel <strong>–</strong> <strong>Dauergifte</strong> aus Computern 85<br />

und Fernsehern<br />

5.3.6 Tributylzinn <strong>–</strong> Biozid aus Schiffsanstrichen 87<br />

5.4 <strong>Die</strong> 16 <strong>Dauergifte</strong> der Industrieländer 88<br />

5.5 Vorsorgepolitik: Das neue Ziel der OSPAR-Staaten 88<br />

5.6 EU-Chemiepolitik <strong>–</strong> Russisch Roulette mit Gesundheit und Umwelt 90<br />

5.6.1 Chemikalien <strong>–</strong> überall verwendet, kaum untersucht 90<br />

5.6.2 Chemikalienrecht <strong>–</strong> Ignoranz der Probleme 92<br />

5.6.3 Risikobewertung für Chemikalien <strong>–</strong> ein Risiko für die Umwelt 93<br />

5.6.4 Bewertung im Schneckentempo <strong>–</strong> noch 15.000 Jahre warten? 96<br />

5.6.5 EU läßt erkannte Umweltgifte unangetastet 97<br />

5.7 Andere Länder - bessere Chemiepolitik 97<br />

5.7.1 USA: Öffentlicher Druck sorgt für Bewegung bei der 97<br />

Altstoffbewertung<br />

5.7.2 Dänische Gruppenbewertung 98<br />

5.7.3 Schweden: Dem Vorsorgeprinzip verpflichtet 100<br />

5.8 Deutschland <strong>–</strong> kein Vorreiter in der Chemiepolitik 101<br />

5.9 Chemieindustrie: Zweifelhafte ‘Responsible Care’-Politik 102<br />

6 Aus der Geschichte der <strong>Dauergifte</strong> 104<br />

7 Glossar: <strong>Dauergifte</strong> im Profil 106<br />

8 Was Greenpeace fordert 111<br />

9 Das können Sie tun 113<br />

9.1 Fordern Sie ein Stopp der <strong>Dauergifte</strong> 113<br />

9.2 Produkte ohne <strong>Dauergifte</strong> 113<br />

9.3 Gesunde Ernährung 113<br />

9.4 Sind Schadstofftests sinnvoll? 114<br />

10 Literaturempfehlungen, Internet-Links 115<br />

11 Literaturverzeichnis 116<br />

Anhang: Abbildungen und Grafiken 126<br />

3


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Vorwort<br />

<strong>Die</strong> Arktis gilt als eine der letzten von Menschenhand noch weitgehend unberührten<br />

Regionen der Erde. Ihre Eislandschaften, Tausende von Kilometern entfernt von<br />

Industriestandorten und Großstädten, vermitteln uns den Eindruck unverdorbener Reinheit.<br />

<strong>Die</strong> Ergebnisse internationaler Forschungsprogramme aus den letzten Jahren zeugen jedoch<br />

von einem anderen Bild der Arktis: In der Muttermilch von Inuitfrauen fanden sich Schadstoffkonzentrationen,<br />

die die Grenzwerte der Weltgesundheitsorganisation WHO deutlich<br />

überschritten und erheblich über den in Westeuropa oder Nordamerika üblichen Werten<br />

lagen. In Nordkanada fanden sich Menschen, die so hoch mit Polychlorierten Biphenylen<br />

(PCBs) belastet sind, wie sonst nur Menschen nach schweren Chemieunfällen. Auch die<br />

Tierwelt ist nicht minder betroffen: Eisbären, so zeigten Gewebeuntersuchungen, gehören zu<br />

den am höchsten mit Umweltgiften belasteten Tieren der Erde. Auf Spitzbergen und<br />

Grönland gebären immer mehr Eisbärweibchen mißgebildete Junge.<br />

<strong>Dauergifte</strong> - in der Wissenschaft als “Persistent Organic Pollutant’s” oder kurz “POPs”<br />

bekannt <strong>–</strong> sind die wichtigste Ursache für den “Giftalarm in der Arktis”.<br />

Greenpeace beschloß, den Kampf gegen die <strong>Dauergifte</strong> ins Zentrum seiner internationalen<br />

Toxics-Kampagne zu stellen. Mit diesem Report wollen wir der deutschsprachigen<br />

Öffentlichkeit erstmals einen Überblick über den Stand des Wissens zum Thema “<strong>Dauergifte</strong>”<br />

geben: über ihre Herkunft, ihre Ausbreitung, ihre Wirkung auf Mensch und Umwelt und über<br />

Gegenmaßnahmen. Zusammen mit dem Chemiker und Wissenschaftsjournalisten Dr. Ralph<br />

Ahrens habe ich hierfür in den letzten Monaten zahllose Untersuchungen und<br />

Informationsquellen zusammengetragen und ausgewertet.<br />

<strong>Dauergifte</strong> sind Gifte, die in die Kälte ziehen. Sie werden nach einer oft monate- oder<br />

jahrelangen Wanderung in der Luft oder mit den Meeresströmungen bevorzugt in den kalten<br />

Regionen der Erde ablagert. “Globale Destillation” nennt die Wissenschaft den hierfür<br />

verantwortlichen Effekt, der erst seit kurzem belegt und bisher in der Öffentlichkeit und<br />

Umweltpolitik kaum bekannt ist. <strong>Die</strong>ser Effekt kommt einer “Giftpumpe” gleich, die die<br />

<strong>Dauergifte</strong> von den Industrieländern der warmen und gemäßigten Teile der Erde in die Kälte<br />

der Arktis und Hochgebirge transportiert. Dabei gelangen die langlebigen Umweltgifte<br />

ausgerechnet in die Regionen der Erde, in denen die Abbaubedingungen für die<br />

Schadstoffe, bedingt durch Kälte, geringe Sonneneinstrahlung und geringe mikrobielle<br />

Aktivität, am schlechtesten sind.<br />

<strong>Die</strong> in der Umwelt sehr schwer abbaubaren <strong>Dauergifte</strong> sind jedoch nicht nur eine Gefahr für<br />

die Arktis. Da sie wegen ihrer Langlebigkeit Tausende von Kilometern transportiert und<br />

überall auf der Erde abgelagert werden, sind <strong>Dauergifte</strong> wahrhaft <strong>globale</strong><br />

Umweltschadstoffe. <strong>Die</strong> klassischen Vertreter wie PCBs, DDT oder Dioxine sind heute<br />

bereits allgegenwärtige Stoffe, die im Eis der Arktis, im Atlantikfisch, in der Muttermilch der<br />

4


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Frauen auf allen Kontinenten bis hin zum Regen im Amazonasgebiet gefunden werden.<br />

Nach ihrem langen Weg um die Erde werden die Meere schließlich zum Endlager dieser<br />

Schadstoffe.<br />

Hinzu kommt heute die Belastung mit <strong>Dauergifte</strong>n der neuen Generation, die zum Teil<br />

dramatisch ansteigt. Hierzu gehören bromierte Flammschutzmittel aus Computern,<br />

Chlorparaffine, die die Chemieindustrie als PCB-Ersatzstoff einsetzt, Tributylzinn (TBT) aus<br />

Schiffsanstrichen, künstliche Moschusduftstoffe aus Waschmitteln oder Phthalate aus<br />

Weich-PVC-Produkten.<br />

Einmal in die Umwelt freigesetzt, reichern sich <strong>Dauergifte</strong> stark in Lebewesen an. Menschen<br />

und Tiere am Ende der Nahrungskette werden dabei am stärksten belastet.<br />

<strong>Die</strong>se Faktoren <strong>–</strong> Giftigkeit, Langlebigkeit, Anreicherung in Lebewesen und weltweite<br />

Verbreitung <strong>–</strong> machen die <strong>Dauergifte</strong> zu den in <strong>globale</strong>r Hinsicht gefährlichsten<br />

Umweltschadstoffen unserer Zeit.<br />

“Taten statt warten” ist unser Motto auch im Kampf gegen die <strong>Dauergifte</strong>: Wir müssen<br />

verhindern, daß sich die bei PCBs, Dioxinen und DDT zu beklagende <strong>globale</strong><br />

Umweltverseuchung bei den <strong>Dauergifte</strong>n der neuen Generation wiederholt. <strong>Die</strong> UNO will<br />

zwar im Jahr 2000 eine internationale POPs-Konvention verabschieden, doch damit sollen<br />

zunächst nur zwölf klassische <strong>Dauergifte</strong> gebannt werden. <strong>Die</strong> Verantwortung für die<br />

wachsende Gefahr durch die <strong>Dauergifte</strong> der neuen Generation liegt bei deren<br />

Hauptproduzenten und <strong>–</strong>verwendern, den westlichen und östlichen Industrienationen.<br />

Greenpeace kämpft weltweit gegen die Gefahren der <strong>Dauergifte</strong> und für den Schutz der<br />

Gesundheit der Menschen und der Umwelt. Unser Ziel ist eine giftfreie Zukunft. Mit diesem<br />

Report wollen wir Ihnen auch eine Handlungsanleitung geben, mit der Sie zum Erreichen<br />

dieses Zieles beitragen können. Wir bitten Sie dabei um Ihre Unterstützung.<br />

Dipl. Ing. chem. Manfred Krautter Hamburg, August 1999<br />

Chemiebereich, Greenpeace e.V.<br />

5


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

1 Zusammenfassung<br />

<strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> die <strong>globale</strong>n Umweltschadstoffe<br />

Unsere Welt ist ein Dorf. Das gilt auch für Chemikalien. So gelangen Schädlingsbekämpfungsmittel,<br />

die auf asiatischen Reisfeldern verspritzt wurden, auf den Speiseplan der Inuit<br />

(Eskimos) in Grönland, ebenso wie Dioxine aus deutschen Müllverbrennungsanlagen,<br />

bromierte Flammschutzmittel aus unseren Computern und Weichmacher aus Weich-PVC.<br />

<strong>Die</strong>se Gifte reichern sich in der Arktis an, obwohl die dort lebenden Inuit weder Pestizide<br />

einsetzen noch Müllverbrennungsanlagen betreiben oder in großen Mengen Industriechemikalien<br />

benötigen. Damit werden Menschen zu Leidträgern der modernen Chemiewelt, die<br />

diese Gifte weder herstellen noch benutzen. Der bislang kaum bekannte Effekt der „Globalen<br />

Destillation“ ist dafür verantwortlich, daß diese Schadstoffe in die Kälte ziehen. Global<br />

betrachtet findet ein riesiger Destillationsprozeß statt. Verdampfbare Schadstoffe werden wie<br />

mit einer Giftpumpe in die Kältekammern der Erde befördert und dort konzentriert <strong>–</strong><br />

Tausende Kilometer entfernt von Industrieanlagen.<br />

Schwer abbaubare organische Schadstoffe, die als POPs („Persistent Organic Pollutants“)<br />

oder als „<strong>Dauergifte</strong>“ zusammengefaßt werden, sind global gesehen wohl die gefährlichsten<br />

Umweltgifte unserer Zeit. Vor allem ihre Langlebigkeit, ihre Anreicherung in der Nahrungskette<br />

und ihre giftige Wirkung sind es, die sie in Verbindung mit den weltweit hohen<br />

Produktions- und Freisetzungsmengen so gefährlich machen.<br />

Das Sevesogift Dioxin, die als Trafo-Kühlmittel eingesetzten PCBs, das Holzschutzmittel<br />

Pentachlorphenol (PCP), DDT und andere Insektengifte sind die „Klassiker" unter den<br />

<strong>Dauergifte</strong>n. Ihr Einsatz bzw. ihre Produktion wurde teilweise schon stark eingeschränkt.<br />

Doch auf der Produktliste der Chemieindustrie stehen heute neuere, ebenso gefährliche<br />

Chemikalien. Zu den „Newcomern“ gehören halogenierte Flammschutzmittel, die aus<br />

Computern und Autositzen ausdünsten, künstliche Moschusverbindungen, die Waschmittel<br />

und Kosmetika duften lassen, Phthalate, die als Weichmacher in PVC-Produkten dienen<br />

oder TBT (Tributylzinn), das als Schiffsanstrich den Bewuchs von Schiffen mit Algen,<br />

Seepocken und Muscheln verhindern soll.<br />

Immer neue Gifte<br />

<strong>Die</strong> chemische Industrie hat den Teufel mit Beelzebub ausgetrieben, indem sie viele der<br />

gebannten <strong>Dauergifte</strong> nicht durch umweltverträgliche Alternativen, sondern durch ebenso<br />

gefährliche Nachfolger ersetzte: Für PCBs in Dichtungsmassen etwa kamen Chlorparaffine,<br />

DDT wich synthetischen Pyrethroiden. Während die Belastung von Mensch und Umwelt<br />

durch die „klassischen“ <strong>Dauergifte</strong> teilweise wieder rückläufig ist, nimmt die Belastung durch<br />

die „neuen“ <strong>Dauergifte</strong> zum Teil dramatisch zu. So verdoppelt sich die Konzentration<br />

bromierter Flammschutzmittel in der Muttermilch derzeit alle fünf Jahre. Trotz des<br />

6


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Bekenntnisses der chemischen Industrie zu „Responsible Care“ für Mensch und Umwelt: Sie<br />

hat ihre Lektion aus DDT, PCBs & Co. bis heute nicht gelernt.<br />

Viele der neueren <strong>Dauergifte</strong> bleiben selbst dann lange Zeit unerkannt, wenn sie schon in<br />

hohen Konzentrationen in der Umwelt auftreten. <strong>Die</strong> Umweltforschung an Instituten und<br />

Universitäten trägt zu wenig zur Aufklärung von Belastungen und Auswirkung der neueren<br />

Umweltschadstoffe bei. Sie konzentriert sich bis heute überwiegend auf die Untersuchung<br />

weniger klassischer Umweltschadstoffe und betreibt damit in zunehmendem Maß Umwelthistorienforschung.<br />

Doch zur Prävention neuer Schäden ist die analytische und toxikologische<br />

Untersuchung solcher Chemikalien besonders wichtig, die gegenwärtig und nicht in<br />

der Vergangenheit in unserer Industriegesellschaft in großen Mengen ein- und freigesetzt<br />

werden.<br />

Belastende Langlebigkeit<br />

Das herausragendste Merkmal der <strong>Dauergifte</strong> unter den organischen Umweltschadstoffen<br />

ist, daß sie im menschlichen Körper und in der Umwelt schwer abbaubar sind. So können<br />

Jahrzehnte vergehen, bis sich die Konzentration eines <strong>Dauergifte</strong>s in Luft, Wasser und<br />

Boden durch biotische und abiotische Abbauprozesse auch nur halbiert. Erst einmal von<br />

Mensch oder Tier aufgenommen widerstehen sie meist auch hartnäckig den körpereigenen<br />

Abbaumechanismen. <strong>Die</strong>se „Dauerpräsenz“ der POPs in unserem Körper hat Konsequenzen,<br />

denn für Schadstoffe gilt: Je länger die Expositionszeit, desto größer ist das Risiko einer<br />

Schädigung.<br />

Wenn erst einmal Dauergift-Schäden in der Natur oder an der menschlichen Gesundheit<br />

bemerkt werden, ist es für ein Eingreifen meist schon zu spät. Denn einmal in die Umwelt<br />

freigesetzt, sind diese Schadstoffe nicht mehr rückholbar, ihre Wirkung ist nicht mehr zu<br />

stoppen.<br />

<strong>Dauergifte</strong> können <strong>–</strong> einmal freigesetzt <strong>–</strong> wegen ihrer Stabilität große Entfernungen<br />

zurücklegen ohne abgebaut zu werden. Sie entfalten ihre Wirkung also nicht nur dort, wo sie<br />

hergestellt und eingesetzt werden, sondern auch Tausende von Kilometern entfernt.<br />

Giftalarm in der Arktis<br />

Der erst vor wenigen Jahren entdeckte Effekt der sogenannten „Globalen Destillation“ sorgt<br />

dafür, daß <strong>Dauergifte</strong> vor allem in die kalten Regionen der Erde transportiert werden <strong>–</strong> in die<br />

Arktis und in die Hochgebirge. Dadurch gelangen die <strong>Dauergifte</strong> ausgerechnet in jene Teile<br />

der Erde, wo sie am schlechtesten abgebaut werden: Bei extremer Kälte, geringer<br />

Sonneneinstrahlung und geringer mikrobieller Aktivität werden die Schadstoffe kaum<br />

angegriffen. Heute weiß man, daß die vermeintlich unbelasteten Weiten der Arktis enormen<br />

Gifteinträgen ausgesetzt sind. In der polaren Nahrungskette reichern sich die <strong>Dauergifte</strong><br />

7


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

stark an: Arktisbewohner wie die Eisbären gehören zu den am stärksten mit <strong>Dauergifte</strong>n<br />

belasteten Tiere der Welt.<br />

<strong>Die</strong> Langlebigkeit („Persistenz“) vieler <strong>Dauergifte</strong> ist auf die Halogenatome Brom und Chlor<br />

zurückzuführen. So sind Chloratome im organischen Grundgerüst aller POPs-Klassiker<br />

enthalten. <strong>Die</strong> Langlebigkeit durch Chloratome ist gewollt. <strong>Die</strong> chlorhaltigen Insektengifte<br />

<strong>Die</strong>ldrin und DDT werden gerade wegen ihrer anhaltenden Wirksamkeit geschätzt. Oder<br />

PCBs: Elektrizitätswerke schätzten diese Öle wegen ihrer thermischen und chemischen<br />

Stabilität, ihrer geringen Entflammbarkeit sowie ihrer guten elektrischen Isoliereigenschaften.<br />

Ein zweites Merkmal vieler <strong>Dauergifte</strong> ist die „aromatische Struktur“: <strong>Die</strong> Stoffe enthalten<br />

sogenannte „Benzolringe“, die chemisch ebenfalls sehr stabil sind. Beispiele hierfür sind die<br />

Polycyclischen Aromatischen Kohlenwasserstoffe (PAKs), die zum Beispiel in <strong>Die</strong>selruß<br />

enthalten sind und stark krebserregend sind.<br />

Stoffe, in denen beide Merkmale zusammentreffen - Halogengehalt und aromatische Struktur<br />

- sind besonders langlebige und gefährliche <strong>Dauergifte</strong>: so etwa Dioxine, PCBs und<br />

bromierte Flammschutzmittel.<br />

<strong>Dauergifte</strong> reichern sich im Körper von Menschen und Tieren an<br />

Organische <strong>Dauergifte</strong> lösen sich meist schlecht in Wasser. Mit anderen Worten: Sie sind<br />

fettfreundlich (lipophil) und wasserfeindlich (hydrophob). Da jeder Organismus Körperfette<br />

und lipidreiche Membranen, Nervenzellen und Organe enthält, reichern sich <strong>Dauergifte</strong> vor<br />

allem in Lebewesen an <strong>–</strong> etwa im Milchfett der Muttermilch, in den Fettdepots, im Gehirn und<br />

der Leber.<br />

Durch ihr Anreicherungsvermögen (Bioakkumulation und Biomagnifikaton) werden organische<br />

<strong>Dauergifte</strong> im Laufe der Nahrungskette von kleinsten Organismen bis zu Menschen<br />

weitergereicht und summieren sich in der Nahrungskette zu immer höheren Konzentrationen<br />

auf: So werden Mikroorganismen, die diese Stoffe aus Wasser und Sediment aufnehmen,<br />

vom Plankton aus dem Wasser gefiltert. Vom Plankton leben Wasserflöhe und viele Fische.<br />

Fische wiederum sind Nahrungsgrundlage von Seevögeln, Walen, Robben und Menschen.<br />

Eisbären, die sich hauptsächlich von Robben ernähren, stehen genauso am Ende der<br />

Nahrungskette wie die bei den arktischen Gewässern lebenden Inuit, die sich überwiegend<br />

von dem ernähren, was das Meer ihnen bietet. <strong>Die</strong> Konzentration von PCBs etwa steigt vom<br />

Meerwasser bis zum Menschen oder Eisbären um das 10.000.000-fache an.<br />

<strong>Dauergifte</strong> werden von den Eltern an die Kinder weitergereicht und schädigen so auch die<br />

Nachkommen von Menschen und Tieren: Für PCBs und viele andere <strong>Dauergifte</strong> bilden<br />

Mutterkuchen und Nabelschnur kein Hindernis. Auch nach der Geburt werden sie <strong>–</strong> über die<br />

Muttermilch <strong>–</strong> in erheblichen Mengen auf die Kleinkinder übertragen. Dadurch ist die Belastung<br />

des Nachwuchses in den ersten Lebensabschnitten, wo man gegenüber Umweltgiften<br />

besonders empfindlichen ist, außergewöhnlich hoch.<br />

8


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Vor fast 40 Jahren hat Rachel Carson in ihrem Buch ‘Der stumme Frühling’ die Gefahren von<br />

Pestiziden wie DDT beschrieben. Seither ist bekannt, daß <strong>Dauergifte</strong> nicht nur einzelne Tiere<br />

oder Menschen gefährden können, sondern ganze Tierarten.<br />

Wie <strong>Dauergifte</strong> exakt den Organismus schädigen, ist jedoch bis heute in vielen Fällen ungeklärt.<br />

Häufig zu finden sind krebserzeugende, immuntoxische, fortpflanzungsschädigende,<br />

nervenschädigende und hormonähnliche Wirkungen. Bei diesen meist langfristigen<br />

Wirkungen treten Schäden typischerweise zeitlich verzögert auf. Gegenmaßnahmen sind,<br />

wenn die Schäden erst einmal eingetreten sind, nur noch bedingt möglich.<br />

Von großer Bedeutung ist die Tatsache, daß gerade die Faktoren, die <strong>Dauergifte</strong> so schwer<br />

abbaubar machen <strong>–</strong> ihr Gehalt an Halogenen oder ihre aromatische Struktur <strong>–</strong> gleichzeitig<br />

Faktoren sind, die i.d.R. die Toxizität deutlich erhöhen. Durch diese „Kombinationswirkung“<br />

wird das Gefahrenpotential der „Dauer-Gifte“ oftmals potenziert.<br />

Bedrohte Menschen<br />

Menschen sind ständig einem Giftcocktail aus organischen <strong>Dauergifte</strong>n und anderen Schadstoffen<br />

wie Schwermetallen ausgesetzt. Weil sich Menschenversuche von selbst verbieten,<br />

ist es sehr aufwendig und oft unmöglich, eindeutige Beziehungen zwischen einem Dauergift<br />

und einer Krankheit nachzuweisen. Zahlreiche Untersuchungen deuten jedoch darauf hin,<br />

daß zwischen der Belastung mit <strong>Dauergifte</strong>n und vielen Krankheitssymptomen ein Zusammenhang<br />

besteht. Dazu zählen neurologische Störungen wie verminderte intellektuelle<br />

Leistungsfähigkeit, kindliche Hyperaktivität und Konzentrationsschwächen, seelische<br />

Veränderungen, Fruchtbarkeitsstörungen sowie Defekte des Immunsystems und verkürzte<br />

Stillzeiten. Zu den schlimmsten Erkrankungen, von denen angenommen wird, daß sie mit auf<br />

<strong>Dauergifte</strong> zurückgeführt werden können, zählen hormonabhängige Tumore wie Brust-,<br />

Hoden- und Prostatakrebs sowie Mißbildungen männlicher Fortpflanzungsorgane und die<br />

Endometriose, eine schmerzhafte Erkrankung der Gebärmutter, die häufig zur<br />

Unfruchtbarkeit führt <strong>–</strong> all diese Erkrankungen haben in den letzten Jahrzehnten erheblich<br />

zugenommen.<br />

Organische <strong>Dauergifte</strong> können auch Auslöser von Chemikalien-Unverträglichkeit sein (kurz<br />

MCS: multiple chemical sensitivity). Wissenschaftler wie Nicholas Ashford vom<br />

renommierten Massachusetts Institute of Technology (MIT) sprechen hier von einer ganz<br />

neuen Klasse von Krankheiten. Es sind Krankheiten, die nicht wie bakterielle oder virale<br />

Infektionen einzelne Organe angreifen, sondern bei denen wenige Chemikalien ganze<br />

Systeme wie das Nerven-system, das Immunsystem, das Hormonsystem und das<br />

Reproduktionssystem, also die Fruchtbarkeit von Frau und Mann, stören.<br />

Besonders gefährdet durch die <strong>Dauergifte</strong> sind Föten und Kinder. Denn <strong>Dauergifte</strong>, die unter<br />

anderem das Hormon-, Immun- und Nervensystem stören, können gerade während der<br />

9


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Entwicklungsphase starke Schäden hervorrufen. Viele <strong>Dauergifte</strong> können in Konzentrationsbereichen,<br />

die bei erwachsenen Menschen keine feststellbaren Effekte auslösen, bei Föten<br />

und Kindern unwiderrufliche Schäden hervorbringen.<br />

Ironischerweise sind heute Chemikalien, die zur Bekämpfung von Krankheiten, zur Steigerung<br />

der Nahrungsmittelproduktion und Verbesserung des Lebensstandards entwickelt<br />

wurden, selbst eine Gefahr für die menschliche Gesundheit und die Bewahrung der<br />

Artenvielfalt. <strong>Die</strong> Schäden und Risiken dieser Stoffe übersteigen ihre Vorteile bei weitem.<br />

Bedrohte Tierwelt<br />

Wissenschaftler haben als Folge von Dauergiftbelastungen Fruchtbarkeitsstörungen bei<br />

Vögeln, Fischen, Schalentieren und Säugetieren beobachtet sowie verringerte Bruterfolge<br />

bei Vögeln, Fischen und Schildkröten. Stoffwechselanomalien bei Vögeln, Fischen und<br />

Säugern sowie Verhaltensstörungen bei Vögeln. Männliche Fische, Vögel und Säuger<br />

verweiblichen, weibliche Fische und Vögel werden männlicher. Wissenschaftler führen auch<br />

Störungen des Immunsystems bei Vögeln und Säugern sowie der Schilddrüsenfunktion bei<br />

Vögeln und Fischen auf <strong>Dauergifte</strong> zurück.<br />

Am besten dokumentiert sind die Schäden dort, wo sich organische <strong>Dauergifte</strong> besonders<br />

stark aufkonzentrieren. Etwa in der Arktis und in Gewässern, die besonders stark verschmutzt<br />

sind. Dazu gehören stark belastete Flüsse, die Ostsee, die Nordsee und das<br />

Mittelmeer sowie die nordamerikanischen Großen Seen und der St. Lorenz-Strom.<br />

Bei Tieren scheinen die <strong>Dauergifte</strong> vor allem Beeinträchtigung des Fortpflanzungsvermögens<br />

sowie Schäden am Immun- und Nervensystem hervorzurufen. Häufig werden<br />

Unfruchtbarkeit und damit verbunden Rückgänge der Populationen bis hin zum Aussterben<br />

einer Tierart beobachtet, so zum Beispiel bei den Fischottern. Bei den hochbelasteten<br />

Eisbären in Spitz-bergen und Grönland stellten Wissenschaftler vor kurzem eine Zunahme<br />

von hermaphroditischen Eisbärjungen (Zwittern) fest.<br />

<strong>Die</strong> Belastung vieler Meeressäuger mit <strong>Dauergifte</strong>n ist erschreckend hoch: So müssen die<br />

Körper in Deutschland gestrandeter Pottwale aufgrund der hohen Belastung mit Umweltschadstoffen<br />

als „Sondermüll" angesehen und behandelt werden. Bei mehreren <strong>Dauergifte</strong>n<br />

wie z.B. den PCBs werden im Fett und Fleisch der Wale nicht nur die Grenzwerte für<br />

Lebensmittel, sondern selbst die für Klärschlamm zulässigen Grenzwerte deutlich<br />

überschritten.<br />

Der Ausstieg ist möglich<br />

Der Ausstieg aus den <strong>Dauergifte</strong>n ist ein zähes Geschäft. Denn jeder Hinweis über die<br />

ökolo-gischen und gesundheitlichen Problemen dieser Stoffe führt zu Kontroversen. So<br />

beharren einige Entwicklungsländer darauf, das Insektizid DDT weiterhin nutzen zu dürfen.<br />

10


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Von anderen Problemstoffen wie den halogenierten Flammschutzmitteln, den Phthalaten und<br />

den Chlorparaffinen will die Industrie in den Industriestaaten nicht ablassen.<br />

Greenpeace und andere Umweltverbände kämpfen seit Jahren weltweit für die Substitution<br />

der <strong>Dauergifte</strong> durch umwelt- und gesundheitsgerechte Produkte. Dank dieses Drucks gibt<br />

es bei einigen Stoffen wie DDT, PCBs, PCP und Dioxinen in zahlreichen Ländern wirksame<br />

Restriktionen, so daß die Belastung der Umwelt mit diesen Stoffen in Teilen der Erde wieder<br />

abnimmt.<br />

Der tatkräftige Einsatz von engagierten Menschen und Umweltverbänden wird auch international<br />

anerkannt: „Es sind viele, die sich Sorgen machen, die diese Sorgen in intensives<br />

Mitwirken umsetzen, die uns etwas Feuer unter dem Hintern machen“, meint Klaus Töpfer,<br />

ehemaliger Deutscher Umweltminister und heutiger Chef der UNEP (United Nations Environmental<br />

Programme), der Umweltbehörde der Vereinten Nationen.<br />

<strong>Die</strong> Gefahren, die <strong>Dauergifte</strong> mit sich bringen, werden inzwischen weltweit von mehr und<br />

mehr Politikern erkannt: „Ich glaube, es kann bei der klaren, wissenschaftlich dokumentierten<br />

Schadensgröße solcher Stoffe gar nicht darum gehen, das Risiko dieser Stoffe besser zu<br />

managen, sondern es muß darum gehen, so schnell wie möglich aus der Verwendung dieser<br />

Stoffe auszusteigen und dort wo sie als Beiprodukte entstehen, die technischen Verfahren<br />

so zu ändern, daß man sie nicht mehr als Probleme vor sich hat„, so Klaus Töpfer zum Plan<br />

der Vereinten Nationen, zwölf „Klassiker“ der organischen <strong>Dauergifte</strong> weltweit zu bannen.<br />

Dazu trafen sich im Sommer 1998 erstmals Vertreter von knapp hundert Regierungen. Bis<br />

Ende 2000 soll die „POP-Konvention“ unterschriftsreif sein. Das Ziel: Zehn <strong>Dauergifte</strong><br />

(PCBs, Hexachlorbenzol (HCB) und acht Insektengifte wie DDT) zu bannen und die<br />

Emissionen von Dioxinen und Furanen drastisch zu senken.<br />

EU-Chemiepolitik <strong>–</strong> kein wirksamer Schutz für Mensch und Umwelt<br />

Während die Vereinten Nationen über den Ausstieg aus 12 Umweltgiften verhandeln, nimmt<br />

die Chemisierung der Umwelt weiter zu. Wurden 1950 weltweit noch 7 Millionen Tonnen<br />

Chemikalien hergestellt, so waren es 1995 etwa 400 Millionen Tonnen. In der EU <strong>–</strong> mit<br />

einem Anteil von 33 Prozent an der Weltproduktion die wichtigste Chemieregion der Welt <strong>–</strong><br />

sind etwa 50.000 Chemikalien auf dem Markt. <strong>Die</strong> EU-Bürger kommen heute, so schätzt das<br />

Bundesinstitut für Verbraucherschutz und Veterinärmedizin, mit zigtausenden Chemikalien in<br />

Kontakt. Doch die meisten dieser Stoffe sind ohne Prüfung auf dem Markt <strong>–</strong> nur für einige<br />

hundert sind ausreichende Daten über ihre möglichen Wirkungen auf Gesundheit und Umwelt<br />

verfügbar. <strong>Die</strong> gegenwärtige Vermarktung und Freisetzung zehntausender ungeprüfter<br />

Stoffe ist ein Russisches Roulette mit unserer Gesundheit und der Umwelt. Substanzen wie<br />

die FCKW und PCBs, die lange Zeit als ungefährlich galten und nicht gründlich untersucht<br />

wurden, können zu einer großen Gefahr werden: Nicht das Unschuldsprinzip, das für<br />

Menschen vor Gericht gilt, muß auf Chemikalien angewendet werden, sondern das Vorsorgeprinzip.<br />

Stoffe, die nicht ausreichend untersucht sind, müssen wie gefährliche Stoffe<br />

11


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

behandelt werden: Sie dürfen, genauso wie erkannte Umweltgifte, nicht für umweltoffene<br />

Verwendungen vermarktet und in die Natur freigesetzt werden.<br />

Hauptquellen der Verschmutzung in Westeuropa sind heute weniger die Schornsteine oder<br />

Abwasserrohre der Industrie. Es sind „diffuse" Emissionen aus den Produkten, die die<br />

Werkstore der Betriebe bereits verlassen haben. Kunststoffe, Lacke und Leder zählen dazu,<br />

aber auch Biozide und Pestizide, die in Gebäuden bzw. auf Äckern und Feldern eingesetzt<br />

werden. Typische Punktquellen von Schadstoffen, wie Fabrikschornsteine und Abwasserrohre,<br />

tragen heute, so Schätzungen in den USA, zu weniger als 25 Prozent der gesamten<br />

Schadstofffreisetzung bei. Gegen die diffusen Emissionen von Chemikalien hat der Gesetzgeber<br />

bisher keine brauchbare Handhabe, und auch die chemische Industrie fühlt sich nicht<br />

verantwortlich für die Chemikalien, die aus den Endprodukten beim Konsum austreten.<br />

Greenpeace ist durch die Gefährdung von Mensch und Umwelt durch alte und neue <strong>Dauergifte</strong><br />

und die Vielzahl der unbekannten Umweltchemikalien alarmiert. Mit Einzelstoffmaßnahmen<br />

läßt sich das Problem der Vielstoff-Chemisierung der Umwelt und unserer Körper<br />

nicht mehr Herr werden.<br />

Vorsorge statt Nachsorge<br />

Fünfzehn west- und nordeuropäische Staaten sowie die Europäische Kommission kündigten<br />

im Juni 1998 an, in Zukunft einen Schritt weiterzugehen: In der portugiesischen Stadt Sintra<br />

erklärten deren Umweltminister sowie die EU-Umweltkommissarin auf dem Ministertreffen<br />

der Oslo-Paris-Konvention (OSPAR-Konvention), in Zukunft das Vorsorgeprinzip anwenden<br />

zu wollen. Sie verpflichteten sich, bis zum Jahr 2020 den Eintrag gefährlicher Chemikalien in<br />

den Nordostatlantik auf Null zu bringen. Das „Sintra-Protokoll" ist damit ein umweltpolitisch<br />

wegweisender Beschluß, der neben organischen <strong>Dauergifte</strong>n auch Schwermetalle und deren<br />

Verbindungen einbezieht. Bislang scheitert allerdings die Umsetzung dieses Beschlusses<br />

am Widerstand der chemischen Industrie und dem falsch konzipierten EU-Chemikalienrecht.<br />

Greenpeace hat daher im Februar 1999 ein umfassendes Reformkonzept für das EU-<br />

Chemikalienrecht vorgelegt und die EU-Umweltminister aufgefordert, ihr Versprechen von<br />

Sintra in die Tat umzusetzen: <strong>Die</strong> Freisetzung von <strong>Dauergifte</strong>n muß auf Null gebracht<br />

werden. <strong>Die</strong>s gilt für Stoffe aus Abwasserrohren, Abfällen und Schornsteinen genauso wie<br />

für Produkte des Alltags oder landwirtschaftliche Spritzmittel. Auch die chemische Industrie<br />

und die Anwender von Chemikalien müssen sich diesen Grundsatz zu eigen machen.<br />

Greenpeace wird weiterhin für den Ausstieg aus den <strong>Dauergifte</strong>n und eine nachhaltige<br />

Chemie streiten: Für den Erhalt der Lebensgrundlagen unseres Planeten brauchen wir eine<br />

Chemiewirtschaft, die effizient und sparsam Rohstoffe und Energie nutzt, vermehrt erneuerbare<br />

Rohstoffe einsetzt, ihre Stoffe weitgehend im Kreislauf führt, keine schädlichen Stoffe in<br />

die Umwelt freisetzt und Unfallrisiken vermeidet.<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Summary<br />

Persistent Organic Pollutants (POPs), the Global Poisons<br />

Our world is a village. This is also true for chemicals. So pesticides sprayed on Asian paddy<br />

fields end up on the menu of the Inuit (Eskimos) in Greenland, likewise dioxins from German<br />

refuse incinerators, brominated flame retardants from our computers and softeners from soft<br />

PVC. These poisons accumulate in the Arctic, although the Inuit living there do not employ<br />

pesticides or refuse incinerators or need large amounts of industrial chemicals. Thus those<br />

people are suffering from the modern chemical world who neither produce or use these<br />

poisons. The effect of “Global Distillation”, hardly known as yet, is responsible for these<br />

pollutants moving into the cold areas. From a global point of view a gigantic distillation<br />

process is taking place. Vaporisable pollutants are pumped, as it were, to the cold regions of<br />

the Earth and concentrated there, thousands of kilometres from industrial plants.<br />

Organic pollutants which degrade with difficulty - which can be summarised as POPs<br />

("Persistent Organic Pollutants") - are, from a global point of view, probably the most<br />

dangerous environmental pollutants of our time. Most of all it is their durability, their<br />

concentration in the food chain and their poisonous effects that makes them so dangerous in<br />

connection with the large amounts produced and released world-wide.<br />

The Seveso poison, dioxin, the PCBs employed as transformer coolant, the wood<br />

preservative penta-chlorophenol (PCP), DDT and other insecticides are the “classics” among<br />

the persistent organic pollutants. The application and production of these has, in part,<br />

already been greatly limited. But today the product list of the chemical industry contains more<br />

modern chemicals which are just as dangerous. The “newcomers” include halogenated flame<br />

retardants which are given off by computers and car seats, artificial musk compounds which<br />

make detergents and cosmetics smell nice, phthalates which act as softeners in PVC<br />

products or TBT (tributyl tin), which used as ship's paint ought to prevent the growth of algae,<br />

barnacles and mussels.<br />

More and more new pollutants<br />

The chemical industry has replaced one evil with another by not replacing many of the<br />

banned POPs with environmentally compatible alternatives but with successors which are<br />

equally dangerous: PCBs in sealing compounds, for example, were replaced by chlorinated<br />

paraffins, DDT gave way to synthetic pyrethroids. While the burden on humans and the<br />

environment with the “classic” persistent pollutants is, in part, on the way down again, the<br />

burden with the “new” persistent pollutants is increasing dramatically in some areas. The<br />

concentration of bominated flame retardants in breast milk has been doubling every five<br />

years. Despite the avowal of the chemical industry to "Responsible Care" for humans and the<br />

environment, they still haven't learnt their lessons from DDT, PCBs and the rest today.<br />

Many of the newer persistent organic pollutants still remain unrecognised for a long time<br />

13


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

even when they occur in the environment in high concentrations. Environmental research at<br />

institutions and universities contributes too little to the clarification of the burden involved and<br />

the effects of the newer environmental pollutants. Even today, research concentrates mainly<br />

on the investigation of a few classic environmental pollutants and thus goes in more and<br />

more for historical environmental research. But analytic and toxicological investigation of<br />

those chemicals that are employed and released in large amounts in our industrial society<br />

now and, not those released in the past, is particularly important for the prevention of new<br />

damage.<br />

The burden of durability<br />

The most prominent characteristic of the persistent pollutants from among the organic<br />

environmental pollutants is that they degrade only with difficulty in the human body and in the<br />

environment. Thus decades may pass before the concentration of a persistent pollutant in<br />

air, water and soil is only halved by biotic and abiotic degrading processes. Once taken up by<br />

humans or animals they mostly resist obstinately the body's own degrading mechanisms.<br />

This “permanent presence” of the POPs in our bodies has consequences for us, because the<br />

following is true for pollutants: the longer the time of exposure the greater the risk of damage.<br />

When persistent pollutant damage is recognised in the nature or due to detrimental effects<br />

on human health, it is usually too late to do anything. Once these pollutants have been<br />

released into the environment they cannot be recaptured, their effects cannot be stopped<br />

any more.<br />

Once released, persistent pollutants can, due to their stability, travel long distances with out<br />

degrading. Their effects develop not only where they are manufactured and employed but<br />

even thousands of kilometres away.<br />

Poison alarm in the Arctic<br />

The so-called “Global Distillation” effect was discovered only a few years ago. It causes<br />

persistent pollutants to be transported most of all to cold regions of the earth, to the Arctic<br />

and to high mountains. Thus of all places, the persistent organic pollutants get to those parts<br />

of the Earth where they degrade the least: with extreme cold, low amounts of sun radiation<br />

and low amounts of microbe activity the pollutants are attacked hardly at all. Today it is wellknown<br />

that the expanses of the Arctic that were though to be untouched are exposed to<br />

enormous input of poisons. The persistent pollutants are being strongly concentrated in the<br />

polar food chain: Arctic inhabitants such as polar bears are among those animals which are<br />

the most contaminated with persistent pollutants in the world.<br />

The durability (“persistency”) of many persistent pollutants can be traced back to the halogen<br />

atoms, bromine and chlorine. Chorine atoms are contained in the organic framework of all<br />

classic POPs. The longevity due to chlorine atoms is intentional. The insecticides <strong>Die</strong>ldrin<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

and DDT are valued because of their long-tem effectiveness. Or PCBs - electric power<br />

stations valued these oils for their thermal and chemical stability, their low flammability and<br />

their good electrical insulating properties. A second characteristic of many persistent<br />

pollutants is the “aromatic structure”: The materials contain so-called “benzene rings” which<br />

are likewise chemically very stable. Examples for these are the polycyclic aromatic<br />

hydrocarbons (PAHs) which can be found for example in diesel soot and are extremely<br />

carcinogenic.<br />

Materials which unite both characteristics - halogen content and aromatic structure - are<br />

particularly long-lived and dangerous persistent pollutants, such as dioxins, PCBs and<br />

brominated flame retardants.<br />

Persistent pollutants are concentrated in the bodies of humans and animals<br />

Organic persistent pollutants are generally difficult to dissolve in water. In other words, they<br />

are very fat-soluble (lipophilic) and water-insoluble (hydrophobic). As every organism<br />

contains body fats and lipid-rich membranes, nerve cells and organs, persistent organic<br />

pollutants concentrate most of all in living beings, for example in the milk fat of breast milk, in<br />

fat stores, in the brain and in the liver.<br />

Due to their ability to concentrate (bio-accumulation and bio-magnification), persistent<br />

organic pollutants are passed on from the smallest organism right through to humans in the<br />

course of the food chain and add up in the food chain to ever greater concentrations: in this<br />

way micro-organisms which take up these materials from water and sediment, are filtered by<br />

plankton out of the water. Water fleas and many fishes live from plankton. Fishes again are<br />

the staple diet of sea birds, whales, seals and humans. Polar bears who feed mainly off<br />

seals, are at the same end of the food chain as the Inuit living on the Arctic waters who<br />

mainly live on what the sea provides them with. The concentration of PCBs, for example,<br />

increases from the sea water to humans or polar bears 10,000,000 fold.<br />

Persistent pollutants are passed on by parents to their children and thus damage the<br />

offspring of humans and animals; the placenta and the umbilical cord are no barrier for PCBs<br />

and many other persistent pollutants. Even after birth they are transferred to babies in<br />

excessive amounts thorough the breast milk. This makes the burden on the offspring<br />

exceptionally high in the first years, at the very time when they are particularly sensitive to<br />

environmental poisons.<br />

Almost 40 years ago Rachel Carson described in her book Silent Spring the dangers of<br />

pesticides such as DDT. Since then it has been well-known that persistent pollutants not only<br />

pose a danger to individual animals or humans but also to entire species.<br />

However, in many cases it still has not been clarified exactly how persistent pollutants<br />

damage the organism. It is common to find carcinogenic and immunotoxic effects,<br />

reproductive damage, nerve-damage and effects similar to hormones. With these mostly<br />

long-term effects, damage typically occurs with a time-delay. Countermeasures are only<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

possible to a limited extent, once the damage has occurred.<br />

It is an important fact that it is just those factors that make persistent pollutant so difficult to<br />

break down - their halogen content or their aromatic structure - are simultaneously factors<br />

that, as a rule, clearly increase toxicity. This “combination effect” often multiplies the potential<br />

danger of the “persistent pollutants”.<br />

Humans under threat<br />

Humans are continually exposed to a poisonous cocktail of organic persistent pollutants and<br />

other pollutants such as heavy metals. Because human experiments are forbidden by their<br />

very nature, it is very expensive and is often impossible to prove clear connections between<br />

a persistent pollutant and an illness.<br />

Numerous investigations imply, however, that there is an interconnection between burdening<br />

with persistent organic pollutants and many disease symptoms. These include neurological<br />

disorders such as reduced intellectual ability, child hyperactivity and lack of concentration,<br />

psychic changes, fertility disorders as well as defects to the immune system and shortened<br />

breast feeding periods. The worse illnesses assumed to be traceable back to permanent<br />

include hormone-dependent tumours such as breast, testicle and prostate cancer as well as<br />

malformation of male reproductive organs and endometriosis, a painful disease of the uterus,<br />

which often leads to sterility. All these illnesses have increased significantly over the last few<br />

decades.<br />

Organic persistent pollutants can also trigger off multiple chemical sensitivity (abbreviated as<br />

MCS). Scientists such as Nicholas Ashford of the renowned Massachusetts Institute of<br />

Technology (MIT) speak of a completely new class of illnesses. These are illnesses which do<br />

not attack individual organs like bacterial or viral infections, but in which a few chemicals<br />

disturb whole systems such as the nerve system, the immune system, the hormone system<br />

and the reproductive system, i.e. the fertility of man and woman.<br />

Foetuses and children are particularly endangered by the persistent pollutants. Because<br />

persistent pollutants which disturb, among other things, the hormone, immune and nerve<br />

systems can cause great damage particularly in the stage of development. Many persistent<br />

pollutants can induce irreparable damage in foetuses and children at concentrations which<br />

do not have any measurable effect in adults.<br />

Ironically, chemicals which were developed to fight disease, to increase food production and<br />

improve living standards are themselves a threat to human health and protection of diversity<br />

of species today. The damage caused by and the risks involved are much greater than their<br />

benefits.<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Fauna under threat<br />

Scientist have observed fertility disturbances in birds, fishes, crustaceans and mammals as<br />

well as reduced breeding success with birds, fish and turtles in cases of high POPs pollution.<br />

There are metabolism anomalies with birds, fishes and mammals as well as behaviour<br />

disorders with birds. Male fishes, birds and mammals become more female, female fishes<br />

and birds become more male. Scientists also trace disorders of the immune system in birds<br />

and mammals as well as thyroid disorders in birds and fishes back to persistent pollutants.<br />

The damage is best documented where organic persistent pollutants are particularly strongly<br />

concentrated. For example, in the Arctic and in waters which are particularly polluted. These<br />

include heavily polluted rivers, the Baltic Sea, the North Sea and the Mediterranean Sea as<br />

well as the North American Great Lakes and the St. Lawrence River.<br />

In animals the persistent pollutants seem most of all to cause disturbances to fertility as well<br />

as damage to the immune and nerve systems. Infertility and the decrease in population<br />

connected with that are commonly observed, which often lead to extinction of a species, as<br />

was the case with the European otter, for example. Scientists recently identified an increase<br />

in the number of hermaphrodite polar bear young in the highly-affected polar bears in<br />

Spitzbergen (Northern Norway) and Greenland.<br />

The contamination of many marine mammals is extremly high. Sperm whales stranded on<br />

North Sea coasts contan such high concentrations of POPs as PCBs that their carcasses<br />

have to be regarded as hazardous waste. In the meat and the blubber of these whales<br />

concentrations of e.g. PCBs clearly exceed not only the maximum permitted German limits<br />

for foodstuffs but even those for sewage.<br />

There is a way out<br />

The way out of persistent organic pollutants is a difficult business. As every hint at the<br />

ecological and health-related problems of these materials leads to controversy. Many<br />

developing countries insist on being allowed to continue using the insecticide DDT.<br />

Industrial companies in the industrialised states will not desist from producing and using<br />

other problematic substances such as halogenated flame retardants, phthalates and<br />

chlorinated paraffins.<br />

Greenpeace and other environmental organisations have been fighting for years for the<br />

persistent pollutants to be substituted with environmentally compatible products which are<br />

not detrimental to health. Thanks to this pressure, effective restrictions have been introduced<br />

in many countries on many substances such as DDT, PCBs, PCP and dioxins, so that the<br />

burden on the environment with these substances is decreasing in some parts of the world.<br />

The dangers that persistent pollutants bring with them are being recognised the world over<br />

by more and more politicians: “I believe that with regard to the clear, scientifically<br />

documented scale of damage of such substances this must not be reduced to a case of<br />

17


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

managing the risk of these substances better, but it must become a question of dispensing<br />

with the use of these substances as quickly as possible and, where they occur as byproducts,<br />

of altering the technical procedure in such a way that they do not remain a problem<br />

for the future”, say Klaus Töpfer regarding the plan of the United Nations to ban twelve<br />

“classic” organic persistent pollutants world-wide. Representatives of just under one hundred<br />

governments met for the first time to this end in summer 1998. By the end of 2000 the “POP<br />

Convention” should be ready for signing. The aim is to ban ten persistent pollutants (PCBs,<br />

hexachlorobenzene (HCB) and eight insecticides such as DDT) and to drastically lower the<br />

emission of dioxins and furanes.<br />

EU policy on chemicals: not an effective protection for humans and the<br />

environment<br />

While the United Nations are negotiating about opting out of 12 environmental poisons, the<br />

poisoning of the environment with chemicals continues. Seven million tonnes of chemicals<br />

were manufactured in 1950, but this figure had increased to around 400 million tonnes by<br />

1995. In the EU, with its share of 33 percent of the world production being the one most<br />

important area for chemicals in the world, there are around 50,000 chemicals on the market.<br />

The Federal German Institute for Consumer Protection and Veterinary Medicine estimates<br />

that the citizens of the EU come into contact with many thousands of chemicals today. But<br />

most of these substances entered the market without any tests being made - there is<br />

sufficient data on the possible effects on health and the environment for only a few hundred<br />

of these. The present marketing and release of tens of thousands of untested substances is<br />

like playing Russian Roulette with our health and the environment. Substances such as CFC<br />

and PCBs, which were considered harmless for a long time and were not thoroughly<br />

investigated can still become a great danger: it is not the principle of assumed innocence<br />

applied to humans in court that must be applied to chemicals but the principle of prevention.<br />

Substances which have not been investigated sufficiently must be treated as dangerous<br />

substances: they must not, just as with recognised environmental poisons, be marketed for<br />

applications open to the environment and released into the nature.<br />

The main sources of pollution in Western Europe are not so much industrial chimney and<br />

waste water pipes. These are the “diffuse” emissions from the products which have already<br />

left the premises of the companies. Plastics, paints and leather belong to this group, but also<br />

biocides and pesticides which are employed in buildings or on fields and meadows.<br />

According to estimations in the USA, typical point sources of pollutants such as factory<br />

chimneys and waste water pipes make up less than 25 percent of total pollutant release. The<br />

legislator has no useable weapon against the diffuse emissions of chemicals and even the<br />

chemical industry does not consider itself responsible for the chemicals which emerge from<br />

the final products at the final consumer.<br />

Greenpeace has been alarmed by the danger to humans and the environment through old<br />

and new persistent organic pollutants and the number of the unknown chemicals in the<br />

environment. The problem of the release of multiple chemicals in the environment and in our<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

bodies can no longer be mastered with measures concerning individual substances.<br />

Prevention instead of cure<br />

Fifteen western and northern European state as well as the European Commission<br />

announced in June 1998 that they would go one step further in future. In the Portuguese<br />

town of Sintra their ministers for the environment and the EU environment commissioner<br />

declared at the minister conference of the Oslo-Paris Convention (OSPAR Convention) that<br />

they wanted to apply the prevention method in future. They obliged themselves to reduce the<br />

input of dangerous chemicals into the Northeast Atlantic to zero by the year 2020. So, the<br />

“Sintra Protocol” is a path-finding environmental political decision which includes heavy<br />

metals and their compounds as well as persistent organic pollutants. Up to now<br />

implementation has, however, failed due to the resistance of the chemical industry and the<br />

EU chemical legislation which is based on a false concept.<br />

For this reason, Greenpeace presented a comprehensive reform concept for the EU<br />

chemical legislation in February 1999 and called upon the EU ministers for the environment<br />

to implement their promise made at Sintra: the release of persistent pollutants must be<br />

reduced to zero. This is valid for substances from waste water pipes, waste in general and<br />

chimneys as well as every-day products or agricultural sprays. Even the chemical industry<br />

and those who use chemicals must make this principle their own.<br />

Greenpeace will continue to fight for a way out of the persistent organic pollutants and for<br />

sustainable chemicals: for the preservation for the basis for life on our planet we need a<br />

chemical economy that uses raw materials and energy economically, increasingly employs<br />

renewable raw materials, keeps its substances as much as possible in a cycle of reuse, does<br />

not release damaging substances into the environment and avoids the risk of accidents.<br />

19


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

2 Steckbrief: <strong>Die</strong> Gefahren der <strong>Dauergifte</strong><br />

<strong>Dauergifte</strong> sind Weltenbummler <strong>–</strong> so auch die polychlorierten Biphenyle. Ein PCB-Molekül,<br />

das nach Ende des zweiten Weltkrieges in Anniston, Alabama, von Monsanto oder in<br />

Leverkusen von der Bayer AG hergestellt wurde, könnte heute an nahezu jedem beliebigem<br />

Ort anzutreffen sein: im Sperma eines Mannes, im besten Kaviar, im Körperfett eines Babys,<br />

in Pinguinen der Antarktis, im Thunfisch einer Sushi-Bar in Tokyo, in der Milch einer<br />

stillenden Mutter, in einem Pottwal, in einem reifen Käselaib und und und. Eine nach vielen<br />

wissenschaftlichen Studien plausible Reiseroute zeigt die folgende imaginäre Wanderung<br />

eines PCB-Moleküls (nach Colborn et al., 1996).<br />

Ein PCB-Molekül auf Weltreise<br />

Für Elektrizitätsversorger waren PCBs ideale Isolierflüssigkeiten für Transformatoren, denn<br />

sie sind nur schwer entflammbar. Das PCB-Molekül wurde mit vielen anderen in einem<br />

Transformator eingesetzt. Doch bei einem schweren Unwetter mit Donner und Blitz traf ein<br />

Spannungsstoß den Transformator und zerstörte dessen Spulen. Einen Tag später<br />

schleppte ein Arbeiter ihn zum Parkplatz, beim Aufladen versickerte der ölige Inhalt mit dem<br />

PCB-Molekül im Sand. Dem Unwetter folgten heftige Böen. Das Staubkorn wurde in die<br />

nächste Stadt geweht und blieb auf dem Fußboden eines Hauses liegen. <strong>Die</strong> Hausfrau<br />

kehrte es in den Mülleimer, und die Müllabfuhr brachte den Abfall zur nächsten Deponie.<br />

Im nächsten Frühjahr verließ das PCB-Molekül das Staubkorn und stieg in die Luft empor.<br />

Es wurde von einer warmen Brise erfaßt und gen Norden geweht, bis die warme Luftmasse<br />

mit einer Kaltfront kollidierte. <strong>Die</strong> Wolken entließen einen kalten Regenschauer, der das<br />

Molekül wieder auf die Erde hinunterspülte. Es landete am Ufer der Elbe auf einem Blatt, das<br />

allmählich verweste. Wochen später siebte ein Wasserfloh die Reste der Pflanze mitsamt<br />

dem anhaftenden PCB-Molekül aus dem Fluß. Im Laufe seines kurzen Lebens von zehn<br />

Tagen frißt der Floh reichlich kleine Pflanzen, und in seinem Körperfett reichern sich PCBs<br />

und andere Gifte an. Als der Floh von einer Garnele verspeist wurde, vermachte er dem<br />

Räuber sein aus fettliebenden Giften bestehendes Erbe. <strong>Die</strong> Garnele wurde schließlich<br />

Beute eines Stints, der von einer Forelle verspeist wurde, die später einem Angler an den<br />

Haken ging. Wegen einer Autopanne schmolz jedoch das Eis in der Kühlbox und der Angler<br />

warf die verderbende Forelle mitsamt PCB-Molekül in den Müll.<br />

Auf der Mülldeponie stritten sich Möwen um die Forelle. Das Molekül landete im Körperfett<br />

eines Möwenweibchens, das sich im nächsten Frühjahr am Ufer der Nordsee im Herzen<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

einer Möwenkolonie niederließ und eine Kuhle in den Sand scharrte, in die es zwei große,<br />

leicht gesprenkelte Eier legte und ausbrütete. Sechs Wochen später brach ein winziger<br />

Schnabel durch die Schale eines der Eier, doch das Küken pickte nur schwach und starb an<br />

Erschöpfung. In dem anderen Ei regte sich überhaupt kein Lebenszeichen. Das PCB-<br />

Molekül hatte zusammen mit DDT, Dioxinen und anderen Schadstoffen den Tod verursacht.<br />

Eine Ratte bemächtigte sich der faulenden Eier, besann sich eines Besseren, fraß sie nicht,<br />

sondern ließ sie ins Wasser hinunterrollen. Das PCB-Molekül befand sich wieder am Anfang<br />

einer Nahrungskette. <strong>Die</strong> erste Station war jetzt ein Flußkrebs, der das Eigelb im seichten<br />

Uferbereich flugs verzehrte. Der Krebs schmeckte Monate später einem Flußaal, der am<br />

Ende seines Lebens zu seiner letzten Reise in das Sargassomeer im Atlantik östlich der<br />

Bahamas startete. Er laichte dort und starb den Erschöpfungstod. In den warmen<br />

Gewässern verfiel der Aal rasch, und das PCB-Molekül wurde mit einem Fettstückchen an<br />

die Wasseroberfläche getrieben, dem gleißenden Sonnenlicht entgegen. Das Molekül<br />

verdunstete erneut und ritt auf den Winden gen Norden. In den nördlichen Breiten sank die<br />

Temperatur, und für das Molekül wurde es immer schwieriger, in der Luft zu bleiben.<br />

Schließlich trieb es auf einer winzigen im Golfstrom treibenden Pflanze weiter gen<br />

Nordosten.<br />

Dreihundert Kilometer östlich von Island erwischte ein garnelenartiger Springschwanz die<br />

Pflanze samt PCB-Molekül. <strong>Die</strong> Strömung trieb den Garnelenschwarm zum Packeis, wo<br />

bereits ein Kabeljauschwarm auf das angeschwemmte Festmahl wartete. In einem jüngeren<br />

Fisch machte sich das PCB-Molekül auf zu dessen Fettgewebe am Schwanzende, wo es auf<br />

eine beträchtliche Zahl anderer Schadstoffe traf. Zwei Jahre später wurde dieser Kabeljau<br />

Opfer einer hungrigen Ringelrobbe. <strong>Die</strong> PCB-Konzentration in der Robbe ist bereits<br />

384.000.000 mal höher als die PCB-Konzentration im umgebenden Wasser. Zwei Jahre<br />

später tauchte die Robbe zum Atmen auf und wurde von einer fünfjährigen Eisbärin<br />

erschlagen, die am Atemloch lauerte. <strong>Die</strong> Bärin paarte sich im nächsten Frühling das erste<br />

Mal und gebar mitten im Winter zwei winzige rosa Bärchen. Eines der jungen Weibchen sog<br />

heftig an der Zitze, und mit einem Schwall dicker, warmer Bärenmilch rutschte das PCB-<br />

Molekül in sein Mäulchen. Zwar weiß bislang niemand, auf welche Art und Weise und ab<br />

welcher Konzentration PCBs und andere <strong>Dauergifte</strong> Eisbären schädigen. Doch<br />

möglicherweise gehörte eines der beiden jungen Weibchen zu jenen Eisbärenweibchen, die<br />

später ohne eigenen Nachwuchs die Winterhöhlen verließen (siehe Kap. Eisbären).<br />

21


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

<strong>Dauergifte</strong> haben meist vier Eigenschaften gemeinsam:<br />

∗ Sie sind schwer abbaubar und so langlebig, daß sie Jahrzehnte und noch länger in der<br />

Umwelt verbleiben. <strong>Die</strong>ses ist das wichtigste Merkmal, das organische <strong>Dauergifte</strong> von<br />

anderen Umweltschadstoffen unterscheidet. In internationalen Fachkreisen spricht man<br />

daher von „persistenten organischen Schadstoffen" (persistent organic pollutants: POPs),<br />

siehe Kaptel 3.2.<br />

∗ Sie reichern sich im Laufe der Nahrungskette in Mensch und Tier an, das heißt sie bioakkumulieren<br />

(s. Kap. 2.4). <strong>Die</strong> <strong>Dauergifte</strong> werden dabei auch von der Eltern- und an die<br />

Nachwuchsgeneration weitergegeben.<br />

∗ Sie verbreiten sich weltweit, sie machen vor keiner Grenze halt und treten auch dort auf,<br />

wo sie weit und breit weder industriell noch landwirtschaftlich genutzt werden. <strong>Dauergifte</strong><br />

sind typischerweise mittel- bis schwerflüchtige Stoffe (Semivolatilität), die allmählich in die<br />

Luft verdampfen (Bard 1999, Klein 1999). Eine besondere Rolle spielt daher die<br />

Ausbreitung über die Atmospähre. Viele <strong>Dauergifte</strong> sind heute überall auf unserem<br />

Planeten nachweisbar (Ubiquität). Eine besondere Gefahr droht der Arktis. Wie man seit<br />

einigen Jahren weiß, wandern <strong>Dauergifte</strong> durch die „<strong>globale</strong> Destillation“ aus warmen und<br />

mittleren Breiten in die kalten Regionen der Erde (siehe 2.3).<br />

∗ Sie sind giftig und können durch ihre Langlebigkeit ihre Giftwirkung sehr lange auf ihre<br />

Opfer entfalten. Dadurch besitzen sie ein sehr hohes Schädigungspotential (s. Kap. 3).<br />

<strong>Die</strong>se vier Eigenschaften, gekoppelt mit weltweit großen Freisetzungsmengen, machen<br />

<strong>Dauergifte</strong> zu den global wohl gefährlichsten Umweltgiften unserer Zeit.<br />

Vielfach werden organische Stoffe, deren Halbwertszeit in der Umwelt mehr als zwei Tage<br />

beträgt, zu den schwer abbaubaren Stoffen hinzugezählt. Doch die quantitative Festschreibung,<br />

wann ein Stoff schwer abbaubar, bioakkumulierend oder toxisch ist, ist in der Fachwelt<br />

umstritten. <strong>Die</strong> bisher von Industrie und Wissenschaftlern vorgeschlagenen Kriterien haben<br />

sich in der Praxis bisher nicht als besonders tauglich erwiesen. So haben sich auch Umweltgifte<br />

wie die Phthalate, die bisher meist nicht zu den <strong>Dauergifte</strong>n gezählt wurden, weltweit<br />

verbreitet (Ubiquität).<br />

Bei chlorierten Kohlenwasserstoffen, die einen Großteil der <strong>Dauergifte</strong> stellen, wurde bei 20<br />

Grad Celsius im Boden eine Halbwertszeit zwischen 9 und 116 Jahren gemessen (Katalyse,<br />

1993). So beträgt die Halbwertszeit von PCBs in der Luft zwischen drei Wochen und zwei<br />

Jahren <strong>–</strong> sie ist abhängig von dem einzelnen Kongener. In Aerosolen werden PCBs fast<br />

überhaupt nicht abgebaut, und die Halbwertszeit einer bestimmten PCB-Verbindung (PCB-<br />

153) beträgt in Aalen mehr als zehn Jahre (AMAP, 1998, S. 187).<br />

Bei den POPs-Verhandlungen der Vereinten Nationen werden derzeit lediglich 12 (UNEP)<br />

beziehungsweise 16 (UN-ECE) <strong>Dauergifte</strong> behandelt (Kapitel 5). <strong>Die</strong>se Stofflisten basieren<br />

22


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

jedoch nicht auf wissenschaftlichen Kriterien. Kriterien für die Aufnahme weiterer POPs in die<br />

Verhandlungen werden derzeit entwickelt (Kapitel 5.2).<br />

Greenpeace stuft als <strong>Dauergifte</strong> vor allem organische Stoffe <strong>–</strong> einschließlich ihrer Abbauprodukte<br />

<strong>–</strong> ein, wenn sie folgende Eigenschaften haben:<br />

- Persistenz in der Umwelt und/oder in Lebewesen oder<br />

- Anreicherung in der Nahrungskette und<br />

- gefährlich/giftig für Wildtiere und/oder Menschen oder<br />

- die aus sonstigen Gründen Anlaß zur Besorgnis geben.<br />

2.1 Herkunft der <strong>Dauergifte</strong><br />

So vielfältig wie die <strong>Dauergifte</strong>, so zahlreich sind ihre Quellen und Einsatzgebiete.<br />

Grundsätzlich gibt es verschiedene <strong>Dauergifte</strong>:<br />

−<br />

−<br />

−<br />

<strong>Dauergifte</strong>, die bewußt als Chemikalie, Zubereitung oder für den Einsatz in Endprodukten<br />

hergestellt und eingesetzt werden (z.B. bromierte Flammschutzmittel, PVC-Weichmacher,<br />

Pestizide oder Moschusduftstoffe aus Waschmitteln). <strong>Die</strong> Freisetzung erfolgt<br />

hier räumlich weit verteilt und zeitlich über lange Zeiträume aus den Endprodukten <strong>–</strong> sog.<br />

diffusen Quellen.<br />

<strong>Dauergifte</strong>, die als Emissionen, z.B. im Abwasser, Abfall oder Abgas auftreten, z.B. als<br />

AOX (adsorbierbare halogenierte organische Abwasserbestandteile) oder CSB (Chemischer<br />

Sauerstoffbedarf). Hier handelt es sich meist um sogenannte Punktquellen.<br />

<strong>Dauergifte</strong>, die als <strong>–</strong> oft unerwünschtes <strong>–</strong> Nebenprodukt etwa bei der Produktion von<br />

Chemikalien (z.B. HCB <strong>–</strong> Hexachlorbenzol) oder bei Verbrennungsprozessen (z.B.<br />

Dioxine und PAKs) entstehen.<br />

Hauptquellen der POPs in Westeuropa sind heute weniger die Schornsteine oder Abwasserrohre<br />

der Industrie, sondern „diffuse“ Emissionen aus den Produkten, die die Werkstore der<br />

Betriebe bereits verlassen haben. Zusätze in Kunststoffen, Lacken und Leder zählen dazu,<br />

aber auch Biozide und Pestizide, die in Gebäuden bzw. auf Äckern und Feldern eingesetzt<br />

werden. Typische Punktquellen von Schadstoffen, wie Fabrikschornsteine und Abwasserrohre,<br />

tragen heute, so Schätzungen in den USA, zu weniger als 25 Prozent der gesamten<br />

Schadstofffreisetzung bei (EEA 1998b). Während in den letzten Jahrzehnten zum Teil<br />

umfassende Gesetze zur Minderung von Punktemissionen geschaffen wurden (z.B.<br />

Bundesimmissionsschutzgesetz, Abwasserabgabengesetz) hat der Gesetzgeber gegen die<br />

diffusen Emissionen von Chemikalien bisher keine brauchbare Handhabe, und auch die<br />

chemische Industrie und die Chemikalienanwender fühlen sich kaum verantwortlich für die<br />

Chemikalien, die aus den Endprodukten bei den Konsumenten austreten.<br />

23


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Nur für wenige <strong>Dauergifte</strong> sind die Herkunft und die Hauptexpositionspfade eindeutig geklärt.<br />

Bei den klassischen POPs ist dies meist der Fall, bei den POPs der neueren Generation gibt<br />

es in der Regel erhebliche Wissensdefizite über Einsatzbereiche, Freisetzungspfade und<br />

-mengen. <strong>Die</strong> chemische Industrie kennt oft selbst nicht die Hauptanwendungsbereiche für<br />

ihre Produkte. <strong>Die</strong> Kunden der Chemieindustrie wiederum verweigern oft unter dem Hinweis<br />

auf das „Betriebs-, Rezeptur- und Produktionsgeheimnis" die Veröffentlichung der<br />

Zusammensetzung ihrer Zubereitungen und Produkte. Eine Voraussetzung für wirksame<br />

Maßnahmen zur Emissionsminderung von <strong>Dauergifte</strong>n ist jedoch die exakte Kenntnis der<br />

Einsatzbereiche und möglichen Freisetzungsquellen.<br />

In neueren Untersuchungen (z.B. UBA 1998b) wird versucht, auch für POPs der neueren<br />

Generation die Emissionsquellen zu ermitteln und Minderungsmaßnahmen abzuleiten.<br />

2.2 Der Makel der Langlebigkeit<br />

Umweltchemikalien, die langlebig sind, haben besonders verheerende Wirkungen. Und<br />

<strong>Dauergifte</strong> sind <strong>–</strong> wie der Name schon sagt <strong>–</strong> langlebig, das heißt sie werden langsam<br />

abgebaut. Das hat weitreichende Konsequenzen:<br />

∗ Aufgrund ihrer hohen chemischen Stabilität passieren sie teilweise selbst Kläranlagen und<br />

viele Abluftreinigungen.<br />

∗ In den Flüssen und Meeren und auch im mikrobenreichen Sediment der Gewässer<br />

werden sie nur sehr langsam zersetzt. Sedimente werden <strong>–</strong> gegenüber dem offenen<br />

Wasser <strong>–</strong> meist besonders stark mit <strong>Dauergifte</strong>n belastet. In tieferen Sedimentschichten<br />

erfolgt kaum noch ein Abbau, die Schadstoffe werden dort aber <strong>–</strong> zumindest eine zeitlang<br />

<strong>–</strong> der Ökosphäre entzogen.<br />

∗ Selbst der harten UV-Strahlung der Sonne können viele <strong>Dauergifte</strong> lange standhalten, so<br />

daß sie auch in der Luft über weite Strecken wandern können.<br />

∗ Schließlich sind auch die Abbaumechanismen im Körper der Tiere und der Menschen<br />

überfordert, auch sie können diese Stoffe nicht oder nur sehr langsam knacken.<br />

Meist sind es zwei Faktoren, die <strong>Dauergifte</strong> so stabil machen (Swedish EPA, 1998):<br />

∗ Der Gehalt an Halogenatomen (Chlor, Brom oder Fluor). <strong>Die</strong> meisten bekannten<br />

<strong>Dauergifte</strong> sind Produkte der Chlor-, der Brom- oder der Fluorchemie.<br />

∗ Der Benzolring als Grundbaustein ihres Molekülgerüstes (sog. „aromatische Struktur“) wie<br />

bei Dioxinen, DDT, PCBs, PAKs und Phthalaten.<br />

S. Abbildung 1 (Anhang)<br />

<strong>Dauergifte</strong> können daher Jahrzehnte und Jahrhunderte in der Umwelt zirkulieren. <strong>Die</strong> Zahl<br />

der Halogenatome hat auch einen direkten Einfluß auf die Toxizität (Kap. 3.1.7) und die<br />

Lipophilie (und damit auf das Anreicherungsvermögen der <strong>Dauergifte</strong>): Dioxine<br />

24


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

beispielsweise, die acht Chloratome tragen, haben ein 10.000 Mal höheres<br />

Anreicherungspotential als Dioxine, die keine Chloratome tragen.<br />

Konsequenzen aus der Langlebigkeit:<br />

∗ <strong>Dauergifte</strong> sind Wandergifte. Nur aufgrund ihrer Langlebigkeit können sich diese Gifte in<br />

der Umwelt weiträumig, global ausbreiten und sich in der Nahrungskette der Lebewesen<br />

anreichern;<br />

∗ <strong>Dauergifte</strong> haben Langzeitwirkung. Im Gegensatz zu anderen Umweltgiften, die in<br />

unserem Körper schnell abgebaut werden, können <strong>Dauergifte</strong> lange Zeit ihre Wirkung<br />

entfalten. Je länger aber die Exposition gegenüber einem Giftstoff, desto größer ist das<br />

Risiko eines Schadens. Mit anderen Worten: Von einem leicht abbaubaren Giftstoff<br />

müßten wir jeden Tag aufs neue eine gewisse Menge einnehmen, um den gleichen Effekt<br />

zu erreichen wie durch einmalige Aufnahme eines <strong>Dauergifte</strong>s (Swedish EPA, 1998, S.<br />

23).<br />

∗ <strong>Dauergifte</strong> sind Generationengifte, denn sie werden von Eltern auf Kinder übertragen.<br />

Beim Wachstum des Fötus im Mutterleib und beim Stillen des Kindes.<br />

Vor allem im Rahmen internationaler Konventionen wird über Kriterien für <strong>Dauergifte</strong><br />

nachgedacht. Mit Hilfe dieser Kriterien sollen synthetisch hergestellte organische<br />

Verbindungen durchleuchtet werden, um die wichtigsten für entsprechende Verbote oder<br />

Beschränkungen herauszufiltern (s. Kap. 5.2).<br />

2.3 Gifte ohne Grenzen<br />

Daß die Erde sich ständig bewegt, Berge entstehen und vergehen, Flüsse fließen, Meere<br />

strömen und Winde wehen, ist eine Binsenweisheit. Ebenso sind auch <strong>Dauergifte</strong> ständig in<br />

Bewegung und vergiften Mensch und Natur nicht nur dort, wo sie freigesetzt werden.<br />

Inzwischen gibt es eindeutige Belege für den <strong>globale</strong>n Ferntransport (‘longe-range-transport’)<br />

von <strong>Dauergifte</strong>n.<br />

Beispiel Schweden: In Europa herrschen Westwinde vor, die viele Schadstoffe aus Industrieregionen<br />

der britischen Inseln und Mitteleuropas nach Skandinavien tragen, und zwar<br />

überwiegend in den Süden Skandinaviens. So enthalten die Luftmassen über Südschweden<br />

sehr viel mehr an Dioxinen und Furanen als die Luftmassen über Nordschweden. Und in<br />

südschwedischen Seen ist die Konzentration des Insektengiftes DDT, aber auch der Industriechemikalien<br />

PCBs höher als in nordschwedischen Seen (Swedish EPA, 1998, S. 46f).<br />

Alljährlich fällt im Frühjahr im kanadischen Distrikt Keewatin an der Hudson Bay ‘brauner<br />

Schnee’. <strong>Die</strong> Farbe stammt von Erde, die mit einem Cocktail aus <strong>Dauergifte</strong>n belastet ist. <strong>Die</strong><br />

Mischung enthält PAKs, PCBs, DDT, HCH, Toxaphen sowie das Herbizid Trifluralin und die<br />

Insektizide Methoxychlor und Endosulfan. Ende April 1988 machten sich Wissenschaftler<br />

25


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

daran, der Herkunft des Schnees auf die Spur zu kommen. Der Analyse der Erde in der<br />

Eiskruste zufolge vermuten sie, daß die Erdkrumen überwiegend aus trockenen Gegenden<br />

Westchinas stammen: Wenn Landwirte dort im Frühjahr die Felder pflügen, fällt wenig<br />

Regen, und schnelle Winde fegen übers Land, die Tausende Staubpartikel emporwirbeln, die<br />

dann mit Westwinden gen Osten bis an die Hudson-Bay geweht werden. Auch die meisten<br />

<strong>Dauergifte</strong> im braunen Schnee stammen wohl aus Asien. Einige Pestizide können aber auch<br />

von nordamerikanischen Feldern hinübergeweht sein. (Welch et al., 1991)<br />

<strong>Dauergifte</strong> finden sich auch in der Eisdecke Zentralgrönlands und im arktischen Nebel. So<br />

fanden Wissenschaftler durchschnittlich 1.360 Pikogramm (pg) PAKs pro Kilogramm (kg)<br />

Eis. Sie konnten zeigen, daß die PAKs an feinste Staubpartikel gekoppelt waren, die eine<br />

lange Reise aus russischen und osteuropäischen Industrieregionen zurückgelegt hatten<br />

[Hoyau, 1996]. Im arktischen Meeresnebel konnten Wissenschaftler die Insektengifte<br />

Chlorpyrifos und Terbufos, die Pflanzengifte Metolachlor und Trifluralin sowie das Pilzgift<br />

Chlorthalonil nachweisen. (Rice, 1997)<br />

2.3.1 Giftalarm in der Arktis: die <strong>globale</strong> Destillation<br />

<strong>Dauergifte</strong> wie PAKs, PCBs, DDT, HCH, Toxaphen, Trifluralin, Endosulfan, bromierte<br />

Flammschutzmittel und viele andere lassen sich in polaren Regionen nachweisen. 1996<br />

veröffentlichten die Forscher Frank Wania und Donald Mackay ein Modell, mit dem der<br />

weltweite Transport organischer <strong>Dauergifte</strong> von niedrigen und mittleren Breiten zu höheren<br />

Breiten, also von wärmeren zu kälteren Zonen, erklärt werden kann. Der Transport der<br />

<strong>Dauergifte</strong> durch die Luft spielt dabei die entscheidende Rolle. Sie nannten den gefundenen<br />

Effekt „Globale Destillation“ (Wania & Mackay, 1996). Das Prinzip ist, daß selbst schwerflüchtige<br />

Stoffe wie DDT, hochchlorierte PCBs und Dioxine allmählich verdunsten. Sie<br />

verflüchtigen sich allerdings wesentlich langsamer als Benzin und Verdünnungslösungen für<br />

Farben, Lacke oder Tipp-Ex. Ein Maß für das Verdunsten ist der „Dampfdruck“: Je höher der<br />

Dampfdruck ist, desto leichter verdunstet eine Flüssigkeit. Auch die Temperatur entscheidet<br />

darüber, wie schnell sich eine Flüssigkeit verflüchtigt: je wärmer, desto höher der Dampfdruck<br />

und umgekehrt. Daher begünstigen tropische Bedingungen das Verdunsten. Eisige<br />

Temperaturen bewirken das Gegenteil: die Kondensation der Schadstoffe. Sie gehen dann<br />

mit den Niederschlägen und feinen Partikeln zu Boden. In mittleren Breiten wie in Mitteleuropa<br />

hängt es oft von der Jahreszeit ab, welcher Prozeß überwiegt. Im Sommer machen<br />

sich viele <strong>Dauergifte</strong> auf den Weg nach Norden, im Winter pausieren sie am Boden.<br />

<strong>Dauergifte</strong> können im stetigen Wechsel zwischen Verdunstung und Kondensation im Laufe<br />

weniger Wochen oder Jahre sehr weite Wege zurücklegen. Ein DDT-Molekül beispielsweise,<br />

das ein Bauer während des Monsuns im Süden Indiens gegen Moskitos ausspritzte, kann<br />

sich verflüchtigen und im Herbst an den Südhängen des Himalaya auf den Boden sinken. Im<br />

nächsten Frühjahr kann es dort an einem warmen Tag wieder verdampfen und so Schritt für<br />

Schritt bis nach Kanada, Grönland oder Spitzbergen wandern. Forscher sprechen daher<br />

26


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

auch vom „Grasshopper-Effekt“, da diese Stoffe wie Heuschrecken von einer Station zur<br />

nächsten hüpfen und zwischendurch Pausen einlegen können. <strong>Die</strong> grobe Richtung ist dabei<br />

festgelegt: <strong>Die</strong> <strong>Dauergifte</strong> „hüpfen“ von niedrigen und mittleren Breiten in Richtung Nord- und<br />

Südpol. Im Grunde ist die <strong>globale</strong> Destillation eine regelrechte Giftpumpe in die arktischen<br />

Regionen.<br />

S. Abbildung 2 (Anhang)<br />

Weil sie in verschiedenem Maße flüchtig sind, wandern die <strong>Dauergifte</strong> schneller oder langsamer<br />

über den Globus. Das Nebenprodukt und Pilzgift Hexachlorbenzol (HCB) und α-<br />

Hexachlorcyclohexan (α-HCH), ein enger Verwandter des Insektengiftes Lindan, zählen zu<br />

den beweglicheren Giften, verdunsten relativ leicht und können weite Strecken zurücklegen,<br />

bevor sie sich bei tiefen Temperaturen in höheren Breiten wieder niederschlagen. Sie<br />

werden daher nicht nur nah am Einsatzort, sondern auch weit entfernt in hohen<br />

Konzentrationen nachgewiesen. So liegt die Konzentration von α-HCH rund um den Äquator<br />

weit unter 1 Nanogramm (ng) pro Liter (l) Meerwasser, im Bering-Meer bei 2 - 3 ng pro l und<br />

nördlich von Alaska in der Beaufort-See bei 7 ng pro l (Wania & MacKay, 1998).<br />

S. Abbildung 3 (Anhang)<br />

Der stetige Prozeß der „Globale Destillation“ bestimmt auch den zeitlichen Verlauf der<br />

Ausbreitung von <strong>Dauergifte</strong>n: <strong>Dauergifte</strong> werden in der Arktis später und länger andauernd<br />

eingetragen als in den gemäßigteren Breiten. Messungen von PCBs und Dioxinen in<br />

Seesedimenten bestätigten diese Annahme: Demnach begann die verstärkte Deposition von<br />

PCBs und Dioxinen in den mittleren Breiten in den Jahren 20er bis 40er Jahren, wogegen<br />

der verstärkte Eintrag in die Arktis erst in den 50er und 60er Jahren einsetzte und<br />

gegenwärtig ein vorläufiges Maximum erreicht hat - wogegen in den mittleren Breiten bereits<br />

wieder verbreitet Rückgänge festgestellt werden (Bard 1999). Das Insektengift DDT zählt zu<br />

den schwerer flüchtigen <strong>Dauergifte</strong>n. An Bodenproben in Kanada konnten Forscher zeigen,<br />

daß sich die Orte, die besonders hoch mit DDT belastet sind, nur im Laufe von Jahrzehnten<br />

in nördlichere Breiten verschieben. In den 60er und 70er Jahren fand man die höchsten<br />

Konzentrationen in südlichen kanadischen Regionen, heute sind es arktische Seen im<br />

nördlichen Kanada (Muir et al., 1995).<br />

Selbst innerhalb einer Stoffamilie wie der der polyzyklischen aromatischen Kohlenwasserstoffe<br />

(PAKs) oder der chlorierten Dioxine und Furane (PCDD/F) sind die Einzelstoffe in<br />

verschiedenem Maße flüchtig; mit der Konsequenz, daß bei den Mitgliedern der Stoffgruppe<br />

ganz verschiedene Ausbreitungsmuster gefunden werden. So ist der PAK „Naphthalin“ ein<br />

relativ kleines Molekül (Molekulargewicht 128, zwei Ringe) und daher recht leichtflüchtig.<br />

Benzo[a]pyren dagegen ist fast doppelt so schwer und außerdem sehr kompakt aufgebaut<br />

(Molekulargewicht 252, sechs Ringe). Das schlägt sich in PAK-Messungen in Sedimenten<br />

der Barentssee zwischen Skandinavien, Spitzbergen und Novaja-Semlja wieder: Dort liegen<br />

die Konzentrationen der beweglicheren Naphthaline bei bis zu 2329 ng pro g trockenem<br />

27


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Sediment. <strong>Die</strong> Werte der schwerfälligeren Benzo[a]pyrene variieren dagegen zwischen 1 bis<br />

41 ng pro g trockenem Sediment (Stange et al., 1997).<br />

Flüchtigkeit und Wanderfähigkeit organischer <strong>Dauergifte</strong>(Wania & MacKay, 1998)<br />

gering 1 relativ gering 2 relativ hoch 3 hoch 4<br />

PCBs 8 - 9 Cl 4 - 8 Cl 1 - 4 Cl 0 - 1 Cl<br />

Dioxine/Furane 4 - 8 Cl 2 - 4 Cl 0 - 1 Cl -<br />

PAKs > 4 Ringe 4 Ringe 3 Ringe 2 Ringe<br />

Pestizide Mirex DDT HCB, HCHs Chlordane<br />

<strong>Die</strong>ldrin<br />

1. unbeweglich: Ablagerung in der Regel nah der Quelle 2. relativ unbeweglich: bevorzugte<br />

Ablagerung in mittleren Breiten 3. relativ beweglich: bevorzugte Ablagerung in polaren<br />

Regionen 4. beweglich: weltweite Verteilung<br />

Bei der Untersuchung Arktischer Fische und Säugetiere wurde tatsächlich festgestellt, daß<br />

einige POPs wie DDT oder Chlordan im Vergleich zu anderen POPs wie PCBs in höheren<br />

Konzentrationen auftreten als in südlicheren Regionen. <strong>Die</strong>s läßt auf einen höheren Eintrag<br />

dieser Stoffe in der Arktis schließen (Muir et al, 1988).<br />

<strong>Die</strong> Arktischen Ozeane sind weitgehend von Landmassen umgeben und nur über enge<br />

Passagen mit den südlicheren Meere verbunden. Meereswasser aus dem Süden gelangt vor<br />

allem über die nordatlantische Barentssee und in kleinerem Umfang über die pazifische<br />

Beringsee in die Arktis. Meeresströmung tragen wahrscheinlich nur in einem geringen<br />

Umfang zu der Belastung der Arktis bei, da bei den gegebenen Austauschjahren für<br />

nennenswerte Einträge vermutlich <strong>–</strong> im Gegensatz zum atmosphärischen Eintrag - viele<br />

Jahrzehnte benötigt werden.<br />

Eine Ausnahme können POPs darstellen, die relativ wasserlöslich sind und über die<br />

Atmosphäre in nordwärts strömende Meeresströmungen deponiert werden können: So wird<br />

geschätzt, daß ca. 75% des HCH über Meeresströmungen , 2% über Flüsse und 22% über<br />

atmosphärische Deposition in die Arktis gelangen (Bard 1999).<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Zusammengefaßt hat die <strong>globale</strong> Destillation drei Effekte:<br />

∗ <strong>Die</strong> Konzentration beweglicher <strong>Dauergifte</strong> nimmt auf Dauer von wärmeren Breiten (wo sie<br />

eingesetzt werden) hin zu höheren und damit kälteren Breiten zu (Beispiel: Lindan) 1 .<br />

∗ Weniger flüchtige <strong>Dauergifte</strong> „hüpfen“ schrittweise in höhere Breiten. <strong>Die</strong>se schwerfälligeren<br />

Stoffe brauchen mehr Zeit (Beispiel: DDT, PAKs). Substanzen, die erst in den<br />

letzten Jahren und Jahrzehnten hergestellt wurden, sind daher möglicherweise erst am<br />

Anfang ihrer Wanderung in die Kälte.<br />

∗ Werden <strong>Dauergifte</strong> schubweise in größeren Mengen freigesetzt, sind hohe Schadstoffkonzentrationen<br />

oft nur wenige Wochen später an weit entfernten Orten nachweisbar<br />

(Beispiel: „brauner“ Schnee an der Hudson Bay).<br />

Fatale Folge der Globalen Destillation<br />

<strong>Die</strong> „<strong>globale</strong> Destillation“ transportiert die <strong>Dauergifte</strong> ausgerechnet in die Teile der Erde, wo<br />

sie am schlechtesten abgebaut werden: in die Arktis, die Tiefen der Meere und in die hohen<br />

Berge. Denn diese Regionen sind gekennzeichnet durch<br />

∗ Kälte<br />

∗ geringe Sonneneinstrahlung<br />

∗ geringe mikrobiologische Aktivität.<br />

Mit anderen Worten: <strong>Die</strong> <strong>Dauergifte</strong> gelangen gerade dorthin, wo sie sich am längsten<br />

halten. <strong>Die</strong> Ökosysteme dieser Umweltkompartimente sind daher besonders von der<br />

Dauergift -Anreicherung betroffen.<br />

Insgesamt muß festgestellt werden, daß die Arktis <strong>–</strong> vermeintlich eine der letzten reinen und<br />

unberührten Regionen der Erde <strong>–</strong> überraschend stark mit <strong>Dauergifte</strong>n belastet ist.<br />

Meeresströme treiben die Giftfracht in die polaren Regionen, Winde wehen Pestizide von<br />

Äckern und Dioxine aus Schornsteinen dorthin. Gerade dort reichern sich diese Gifte sehr<br />

stark in der Nahrungskette an, denn die Tiere der Kälteregionen brauchen sehr fettreiche<br />

Nahrung und haben viel Speck im Körper. So zählen Eisbären zu den am stärksten mit Umweltgiften<br />

belasteten Tieren der Welt. <strong>Die</strong> Schadstoffe machen auch vor Menschen nicht<br />

1 In der Regel finden sich heute noch höhere Dauergift-Konzentrationen in den industriellen Zentren<br />

der Erde, da dort die Stoffe laufend freigesetzt werden.<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

halt. Inuit, die sich überwiegend von dem, was ihnen das Meer gibt, ernähren <strong>–</strong> also Robben,<br />

Wale, Walrosse und Fische <strong>–</strong>, nehmen auch deren Gifte mit auf (s. Kap. 3.2.5).<br />

Arktische Fische sind im Vergleich zu Fischen aus südlicheren Meeren (noch) geringer<br />

belastet; sie sind aber stärker belastet, als Fische aus der Antarktis. So wurden von Ford<br />

Muir (Muir et.al 1988) im Muskelfleisch Arktischen Kabeljaus PCBs, Chlordane, Toxaphen<br />

und DDT in Konzentrationen gefunden, die 2-5 mal unter den Konzentrationen lagen, die für<br />

Fische mittlerer und niedriger Breiten üblich sind. <strong>Die</strong> HCH-Konzentrationen waren allerdings<br />

vergleichbar mit denen in den südlicheren Meeren.<br />

Der Biologe Shannon Bard von der Woods Hole Oceanographic Institution (USA) und Autor<br />

einer der besten Übersichtsarbeiten über den Transport von Umweltschadstoffen in die<br />

Arktis (Bard 1999), läßt keinen Zweifel an der Existenz der „Globalen Destillation“ von<br />

Schadstoffen in die Arktis: „Thus certain chemicals may be preferentially transported long<br />

distances to the pole and cause proportionally greater contamination than near source<br />

regions. ... The Arctic is the ultimate global sink for many contaminants. Although the use of<br />

many contaminants has declined in some regions, the contaminant concentrations in the<br />

Arctic environment continues to climb.“<br />

Belastung der Antarktis<br />

Wie in der Arktis sammeln sich auch in der Antarktis Schadstoffe an. Doch aus zwei<br />

Gründen ist die Antarktis bislang weniger stark belastet:<br />

- <strong>Die</strong> Quellen der Verschmutzung liegen überwiegend auf der nördlichen Halbkugel (auch<br />

Indien, der größte Teil Afrikas und fast die Hälfte Südamerikas liegen nördlich des<br />

Äquators).<br />

- <strong>Die</strong> Luftmassen der beiden Erdhemisphären tauschen sich kaum aus, denn der Äquator<br />

bildet mit den aufsteigenden Luftströmungen eine Art Barriere zwischen der Luft im<br />

Norden und Süden. Dadurch bleiben die <strong>Dauergifte</strong> überwiegend auf der<br />

Nordhemisphäre. Doch das kann sich auf lange Sicht ändern: Denn im Gegensatz zu<br />

den Luftmassen sind die Meeresströme sehr wichtig für den Austausch zwischen der<br />

Nord- und der Südhalbkugel. Der Austausch der Wassermassen durch die Meeresströme<br />

erfolgt sehr viel langsamer als der Austausch der Luftmassen (Steinhäuser, 1998, 2).<br />

<strong>Die</strong> Schadstoffbelastungen von Meerestieren auf der Südhemisphäre sind daher geringer als<br />

im Norden. So ist etwa die Belastung von Robbenmilch mit DDE in der Nordhemisphäre 14<br />

bis 118 Mal höher als auf der Südhemisphäre (Bacon 1992).<br />

2.3.2 Alarm auch in den Bergen<br />

30


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Als der Effekt der „<strong>globale</strong>n Destillation“ erkannt war, der <strong>Dauergifte</strong> in arktische Regionen<br />

treibt, lag eine weitere Vermutung nahe: Auch Hochgebirgsregionen gehören zu den kalten<br />

Regionen der Erde und können so eine Endstation der „Giftpumpe“ sein. 1998 wurden dafür<br />

erstmals Belege veröffentlicht.<br />

Fern von lokalen Schadstoffquellen fahndeten Jules Blais und seine Kollegen in<br />

Schneelagen der Rocky Mountains zwischen 770 und 3.100 Metern nach <strong>Dauergifte</strong>n (Blais<br />

et al., 1998). Ihre Entnahmestellen lagen etwa auf dem 50. Breitengrad im Süden des<br />

kanadischen Bundesstaates British Columbia, also etwa auf derselben Höhe wie Frankfurt<br />

am Main. Der Auslöser für ihr Unternehmen waren Untersuchungen, die zeigten, daß Fische<br />

aus den Gebirgsseen hoch mit chlororganischen Schadstoffen belastet sind. Tatsächlich<br />

wurden die Forscher im Schnee fündig: Sie fanden heraus, daß die Konzentration<br />

verschiedener <strong>Dauergifte</strong> (Chlororganika wie HCHs, PCBs, Chlordane, <strong>Die</strong>ldrin) im Schnee<br />

geradezu exponentiell mit der Höhe zunimmt: Zwischen 770 und 3.100 Metern steigen die<br />

Werte um das 10- bis 100fache. Je nach ihrer Flüchtigkeit reichern sich die <strong>Dauergifte</strong><br />

gemäß dem Modell der <strong>globale</strong>n Destillation in niederen oder höheren Schneelagen an. So<br />

nimmt die Konzentration von α-HCH, γ-HCH (Lindan), Heptachlorepoxid und<br />

leichtflüchtigeren PCBs (mit zwei oder drei Chloratomen) mit der Höhe rapide zu. <strong>Die</strong>se<br />

Stoffe zählen zu den beweglicheren unter den <strong>Dauergifte</strong>n. <strong>Die</strong> höchsten Konzentrationen<br />

schwerflüchtiger PCBs (mit sieben Chloratomen) fanden die Forscher dagegen, wie erwartet,<br />

in tieferen Lagen.<br />

Auch in den österreichischen Alpen wurden <strong>Dauergifte</strong> in verschiedenen Höhenlagen<br />

gemessen (Umweltbundesamt Österreich, 1998). In Fichtennadeln und Humus wurden unter<br />

anderen Dioxine, Furane, PCBs, PBBs, HCHs, Chlorphenole, DDT und PAKs nachgewiesen:<br />

Der höchstgelegene Standort wies bei den meisten <strong>Dauergifte</strong>n höhere Schadstoffgehalte in<br />

Fichtennadeln und Auflagehumus auf als niedriger gelegene Standorte.<br />

Ähnlich wie in der Arktis sind auch in den Bergen Menschen, Wild und Fische von der<br />

Anreicherung der <strong>Dauergifte</strong> betroffen. Derzeit wird in einem Forschungsprojekt der<br />

Europäischen Union versucht, die Belastung von entlegenen Bergseen der Alpen<br />

systematisch zu erfassen. Erste Ergebnisse des MOLAR-Projektes werden noch im Jahr<br />

1999 erwartet 2 .<br />

Eis und Schnee sind jedoch keine Endlager für <strong>Dauergifte</strong>. Bereits im nächsten Frühjahr mit<br />

der Schneeschmelze fließen die Schadstoffe wieder bergab und verschmutzen Bäche,<br />

Flüsse und Seen. Betroffen sind daher auch Menschen, die das Wasser der Berge als<br />

Trinkwasser nutzen: So ist der vom Alpen-Rhein gespeiste Bodensee die Basis der<br />

Fernwasserversorgung für weite Teile Süddeutschlands. In den USA zum Beispiel bezieht<br />

Denver im US-Bundesstaat Colorado sein Trinkwasser teilweise aus den Rocky Mountains.<br />

2 Measuring and modelling the dynamic response of remote mountain lake ecosystems to<br />

environmental change: the MOLAR project<br />

31


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

2.3.3 Endlager Meere<br />

Der Schnee der Berge, das Wasser der Flüsse, der größte Teil der Niederschläge, ja selbst<br />

das Eis der Arktis, sie alle gelangen mit ihrer Schadstofffracht letztlich in die Meere. <strong>Die</strong><br />

marine Nahrungskette ist daher besonders stark betroffen. Selbst in Großwalen werden<br />

enorme Mengen an <strong>Dauergifte</strong>n nachgewiesen (siehe Kap. 3.3.2). Das Thema <strong>Dauergifte</strong> ist<br />

somit ein zentraler Aspekt des Meeresschutzes.<br />

Das meiste Gift kommt von oben<br />

In Anbetracht der schon erheblichen Einleitungen von Schadstoffen über die Flüsse und die<br />

Direkteinleiter an den Küsten wird die Schadstoffbelastung der Meere über den Luftpfad<br />

stark unterschätzt. Tatsächlich ist für die meisten Meere aber der atmosphärische Eintrag<br />

über die Luft die dominierende Schadstoffquelle für <strong>Dauergifte</strong> und Schwermetalle:<br />

Etwa 80 bis 99 Prozent der Belastung von PCBs, DDT, HCB und HCH in offenen Meeren<br />

gehen zurück auf atmosphärische Einträge. Selbst im typischen Randmeer Nordsee übersteigen<br />

die atmosphärischen Einträge etwa von PAKs und HCH die Einträge über die Flüsse.<br />

Ähnlich sind die Verhältnisse beim Eintrag von Schwermetallen: Etwa 98 Prozent der<br />

Bleieinträge in die Ozeane stammen aus der Luft (GESAMP, 1990).<br />

Nicht nur die Randmeere, auch die Weltmeere sind mittlerweile stark von Umweltchemikalien<br />

belastet. Ein Teil ihrer Belastung stammt aus direkten Einleitungen und dem Wasseraustausch<br />

mit den stark verschmutzen Randmeeren. Doch insgesamt ist der Eintrag von<br />

Schadstoffen über die Luft die Belastung vorrangig.<br />

Entsprechend der weltweit dominierenden atmosphärischen Strömungen von West nach Ost<br />

wandern auch die Hauptschadstoffmengen: So belastet Nordamerika vor allem den Nordostatlantik;<br />

Asien den Nordpazifik und Europa die europäischen Randmeere. <strong>Die</strong> Haupt-<br />

Handelswinde aber verlaufen von Ost nach West, so daß Belastungen vom südlichen<br />

Nordamerika vor allem den Nordpazifik erreichen und Schadstoffe aus Nordafrika in den<br />

Nordatlantik gelangen (GESAMP 1990).<br />

Selbst arktische Meere weisen hohe Belastungen auf: So untersuchten Forscher im Jahr<br />

1993 Meeresgebiete, die kaum dem Einfluß lokaler <strong>Dauergifte</strong>inträge unterliegen, auf ihre<br />

Pestizidbelastung: das Bering-Meer und die Tschuktschen-See zwischen dem Nordens<br />

Alaskas und Sibiriens. Sie spürten unter anderem Organophosphate, Organochlorverbindungen<br />

und Triazine, zu denen auch Atrazin zählt, auf. <strong>Die</strong> höchste Konzentration war die<br />

des Herbizides Trifluralin in der Bristol Bay vor Alaska: 1150 ng/l (Chernyak et al., 1996).<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Sedimente <strong>–</strong> Endlager der <strong>Dauergifte</strong><br />

Im Wasser werden <strong>Dauergifte</strong> aufgrund ihrer Schwerlöslichkeit sehr viel stärker an Partikel<br />

gebunden als in der Luft (Swedish EPA, 1998, S. 47). <strong>Die</strong> Partikel bleiben im Wasser für<br />

Tage bis Monate suspendiert. Früher oder später aber sinken sie zu Boden. Folglich ist eine<br />

weiträumige Verteilung der <strong>Dauergifte</strong> in der Wasserphase weniger ausgeprägt als in der<br />

Atmosphäre und führt eher zu lokalen und regionalen Belastungen (Swedish EPA, 1998, S.<br />

48).<br />

<strong>Die</strong> Sedimente sind somit eine wichtige Senke für <strong>Dauergifte</strong>. So wurden Pyrethroid-<br />

Insektizide in Flußsedimenten in 10.000 Mal höheren Konzentrationen gemessen als im<br />

Flusswasser selbst (Neal 1997, 1998). Werden belastete Sedimente von neuen Schichten<br />

überdeckt, entstehen sauerstoffarme Bedingungen, unter denen viele <strong>Dauergifte</strong> besonders<br />

langsam abgebaut werden. Dadurch bleiben diese Gifte in den Sedimenten lange erhalten;<br />

allmählich werden sie jedoch dem Zugang von Organismen entzogen (Swedish EPA, 1998,<br />

S. 49).<br />

Verteilung von <strong>Dauergifte</strong>n auf Wasser, Sediment und Organismen in der Nordsee<br />

Mengenangaben in Tonnen (Lohse, 1991)<br />

Schadstoff Wasser Sediment Wasser- Fische Gesamt<br />

pflanzen<br />

HCB 1,3 10 0,18 0,2 11,7<br />

Lindan 65 20 0,05 0,03 85<br />

PCB 150 150 1,6 1,8 300<br />

Trotz des Ferntransports vieler <strong>Dauergifte</strong> sind die in Randmeeren wie der Nord- und Ostsee<br />

oder dem Mittelmeer gefunden Schadstoffmengen bislang meist höher als in den offenen<br />

Ozeanen. Ihre Belastung wird vor allem durch regionale Verschmutzer verursacht. So ist der<br />

atmosphärische Eintrag von Schwermetallen in der Nord- und Ostsee sowie im Mittelmeer<br />

etwa 3 bis 10 Mal höher als im offenen Nordatlantik und 10 bis 100 Mal höher als im<br />

tropischen Nordpazifik. Ähnliche Verhältnisse wurden für typische <strong>Dauergifte</strong> wie DDT, PCBs<br />

und HCH festgestellt: <strong>Die</strong> Lufteinträge in die europäischen Randmeere sind etwa zwei bis<br />

fünf Mal höher als in den Nordatlantik und um einen weiteren Faktor zwei bis fünf höher als<br />

in südlichen Ozeanen (GESAMP 1990). Hinzu kommen enorme Schadstofffrachten über die<br />

Flüsse und Einleiter an den Küsten.<br />

<strong>Die</strong> Einzugsgebiete von Elbe, Rhein und anderen Flüssen sind dicht bevölkert, hoch<br />

industrialisiert und werden intensiv landwirtschaftlich genutzt. <strong>Die</strong>se Flüsse tragen daher<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

einen großen Anteil daran, daß Schadstoffen in die Meere, beispielsweise in die südliche<br />

Nordsee, gelangen (Greenpeace, 1995).<br />

2.4. Anreicherung in Fett und Speck<br />

<strong>Dauergifte</strong> reichern sich in Lebewesen an. Dabei nimmt die angereicherte Giftmenge im<br />

Verlauf der Nahrungskette zu, das heißt Lebewesen (Menschen und Tiere), die am Ende der<br />

Nahrungskette stehen, sind gewöhnlich am stärksten belastet. <strong>Die</strong>s hat vor allem zwei<br />

Gründe:<br />

−<br />

−<br />

Organische <strong>Dauergifte</strong> lösen sich meist schlecht in Wasser. Mit anderen Worten: Sie sind<br />

fettfreundlich (lipophil) und wasserfeindlich (hydrophob). Da jeder Organismus<br />

Körperfette und lipidreiche Membranen, Nervenzellen und Organe enthält, reichern sich<br />

<strong>Dauergifte</strong> vor allem in Lebewesen an <strong>–</strong> etwa im Milchfett der Muttermilch, in den<br />

Fettdepots, im Gehirn und der Leber. Je mehr <strong>Dauergifte</strong> die Nahrung enthält und je älter<br />

ein Tier wird, desto höher ist die Anreicherung.<br />

<strong>Dauergifte</strong> werden im menschlichen und tierischen Gewebe nicht oder nur langsam<br />

abgebaut (s. Kap. 2.2).<br />

2.4.1 Gründe für die Anreicherung<br />

<strong>Die</strong> Anreicherung in Lebewesen (Bioakkummulation) wird durch zwei Phänomene bestimmt:<br />

− Biokonzentration: <strong>Die</strong> Anreicherung eines Stoffes in einem biologischen System infolge<br />

direkter Aufnahme aus dem umgebenden Medium (Wasser, Boden, Luft). <strong>Die</strong>se Aufnahme<br />

von Schadstoffen über das Wasser ist für viele Wasserorganismen der dominierende<br />

Anreicherungspfad.<br />

− Biomagnifikation: Anreicherung der Schadstoffe, die ein Organismus über die Nahrung<br />

aufnimmt. Bei Raubfischen, Meeressäugern und Landtieren dominiert dieser<br />

Anreicherungspfad.<br />

Geschätzt wird für die Nahrungskette im Meer: Auf 10.000 kg Phytoplankton kommen 1.000<br />

kg Zooplankton, 100 kg planktonfressende Fische wie Heringe und 10 kg fischfressende<br />

Fische wie Dorsche, Lachs oder Thunfisch. Entsprechend geben die unteren Glieder der<br />

Nahrungskette ihr Giftdepot an die höheren Glieder weiter. Und schon die Kleinstlebewesen<br />

können hoch belastet sein: So wurden im Plankton Chlorkohlenwasserstoffe in einer<br />

Konzen-tration gemessen, die eine Million mal höher war als die im umgebenen Wasser<br />

(Lozan et al., 1990).<br />

34


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

In der Regel ist die Konzentration an <strong>Dauergifte</strong>n am Ende der Nahrungskette bei den Räubern<br />

am höchsten, so wie bei einer Silbermöwe, die am Ontario-See, dem östlichsten der fünf Großen<br />

Seen in Nordamerika, lebt. Wissenschaftler haben 1978 gemessen, daß sich PCBs in<br />

Silbermöwen um den Faktor 25 Millionen gegenüber der Konzentration im Ontario-See<br />

angereichert hatten. Und zwar schrittweise: Im Phytoplankton hatten sich PCBs 250 mal, im<br />

Zooplankton 500 mal, im Wasserfloh bereits 40.000 mal aufkonzentriert, im Stint um den Faktor<br />

835.000 und in Seeforellen, die Beute von Silbermöven sind, um fast drei Millionen (Colborn et<br />

al., 1996).<br />

S. Abbildung 4 (Anhang)<br />

35


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Wann ist ein Stoff bioakkumulierend?<br />

Der Biokonzentrationsfaktor korreliert mit dem sog. n-Octanol-Wasser-Verteilungskoeffizienten<br />

(Pow). Nach dem Chemikaliengesetz erfolgt die Einstufung wie folgt:<br />

logPow < 2,7 wird eingestuft: "kein Hinweis auf Bioakkumulation“<br />

logPow > 2,7 wird eingestuft: "Hinweis auf Bioakkumulationspotential"<br />

(Ein logPow von 2,7 entspricht einem Biokonzentrationsfaktor von 50. )<br />

Bis zu einem logPow von 6 steigt die Anreicherung meist linear an, darüber nimmt sie jedoch<br />

wegen sinkender Bioverfügbarkeit eines Stoffes nicht mehr in demselben Maße zu. Bei<br />

einem logPow > 6 und einem Molekulargewicht >600 ist die Wahrscheinlichkeit einer<br />

Bioakkumulation geringer. (Eisenbrand 1994)<br />

Auch beim Anreicherungsverhalten von <strong>Dauergifte</strong>n in der Nahrungskette gibt es Ausnahmen<br />

von der Regel. Bei einigen Stoffen ist heute bekannt, daß die Schadstoffmenge in den<br />

Organismen nicht immer entsprechend ihrer Stellung in der Nahrungskette zunimmt. "<strong>Die</strong><br />

höchste Akkumulation wird oft in den Organismen der ersten und letzten Stufen des marinen<br />

Nahrungsnetzes festgestellt" (Lozan 1990).<br />

Neue <strong>Dauergifte</strong> breiten sich aus<br />

Während die Belastung der Umwelt mit den „klassischen“ <strong>Dauergifte</strong>n teilweise zurückgeht,<br />

breitet sich eine neue Generation von <strong>Dauergifte</strong>n in alarmierendem Umfang aus:<br />

In Seehunden, Lummen und anderen Fischfressern an der schwedischen Küste wiesen<br />

Forscher bromierte Flammschutzmittel (PBDE) nach (Sellström, 1993). Im Jahr 1998 Zeit<br />

wurden die Flammschutzmittel <strong>–</strong> polybromierte Biphenyle (PBB) und polybromierte Diphenylether<br />

(PBDE) <strong>–</strong> von holländischen Wissenschaftlern in Pott- und Minkwalen sowie in Weißschnauzendelphinen,<br />

die an der niederländischen Küste strandeten, nachgewiesen (de Boer<br />

et al., 1998).<br />

Japanische Forscher fanden organische Zinnverbindungen (Tributylzinn und Triphenylzinn)<br />

in der Leber von Tintenfischen (Yamada, 1997) sowie in Flaschennasendelphinen an der<br />

US-amerikanischen Süd- und Südostküste (Kannan, 1997).<br />

Greenpeace Deutschland und das Deutsche Umweltbundesamt fanden im Jahr 1995 in<br />

Walen, Fischen, Nahrungsmitteln und selbst in Muttermilch hohe Konzentrationen von<br />

krebserregenden Chlorparaffinen (Krautter 1996).<br />

36


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

2.4.2 Großteil der Belastung mit <strong>Dauergifte</strong>n ist unbekannt<br />

<strong>Die</strong> Vielfalt der <strong>Dauergifte</strong> ist beträchtlich: In Seehunden der Ostsee wurden etwa 90<br />

verschiedene <strong>Dauergifte</strong> gefunden, darunter viele, die bisher in der Natur unbekannt waren<br />

(Swedish EPA, 1998). Doch die tatsächliche Belastung mit <strong>Dauergifte</strong>n ist vermutlich weit<br />

umfangreicher, denn bei weitem nicht alle <strong>Dauergifte</strong> werden untersucht (s. Kap. 4).<br />

So liegt die Konzentration organisch gebundenen Chlors in Fischfett typischerweise<br />

zwischen 30 und 200 ppm (ppm = parts per million = mg pro kg), von denen etwa 10 ppm<br />

bekannten Chlororganika wie DDT, PCBs, Dioxinen und Chlorphenolen zugeordnet werden<br />

können. Der Rest (bis zu 95 Prozent) ist nicht identifiziert und muß in unbekannten<br />

chlororganischen <strong>Dauergifte</strong>n zu finden sein (GESAMP 1990).<br />

2.4.3 Wale werden Sondermüll<br />

Forscher weisen immer öfter nach, daß sich <strong>Dauergifte</strong> in Delphinen und Walen anreichern.<br />

Besonders hoch belastet mit PCBs, HCB und DDT & Co sind die in der Nord- und Ostsee<br />

heimischen Schweinswale (Brun, 1997). Schweinswale der Nordsee enthalten in ihrem Fett<br />

oft zwischen 50 und 150 Milligramm (mg) PCBs pro Kilogramm (kg). Das entspricht einer<br />

Anreicherung gegenüber dem Meerwasser um den Faktor Zehn- bis Dreißigmillionen, denn<br />

die PCB-Konzentration im umgebenen Nordseewasser beträgt rund 5 Nanogramm (ng) pro<br />

Liter. Fettreiche Nordseefische enthalten immerhin ca. 0,15 mg PCBs pro kg (WWF, 1991).<br />

Gestrandete Robben, Delphine oder Wale wurden zum Teil aufgrund ihrer Dauergift- und<br />

Schwermetallbelastung als „Sondermüll" entsorgt. So ließ Schleswig-Holstein von 1988, dem<br />

Beginn des Robbensterbens in der Nordsee, bis 1997 gestrandete Robbenkadaver<br />

zusammen mit PCB-haltigen Flüssigkeiten in der Sondermüllverbrennungsanlage Hamburg -<br />

Billbrook verbrennen. Zu recht, denn 1988 wurde im Speck von 32 toten Seehundjungen 5,8<br />

bis 49,9 ppm PCBs und 1,5 bis 11,5 ppm DDT nachgewiesen. Durch das Verbrennen wollte<br />

Bernd Heidemann, damaliger Umweltminister in Schleswig-Holstein, die <strong>Dauergifte</strong> zerstören<br />

und so endgültig dem Nahrungskreislauf entziehen. Heute hat sich die Zahl der gestrandeten<br />

Tiere auf jährlich etwa 200 wie vor dem Robbensterben eingependelt, und auch sie werden<br />

zur Tierkörperverwertung in Jagel gebracht und dort zu Tiermehl verarbeitet.<br />

Doch nicht nur die Meeressäuger der stark verschmutzten Nord- und Ostsee sind Opfer der<br />

<strong>Dauergifte</strong>. Inzwischen haben die Schadstoffe auch die offenen Weltmeere erreicht.<br />

Pottwale, die im offenen Atlantik leben und sich in Wassertiefen von über 500 Metern<br />

ernähren, zeigen, wie hoch selbst hier <strong>–</strong> fernab der industriellen Schadstoffquellen <strong>–</strong> die<br />

Belastung schon ist: Claude Joiris von der Freien Universität Brüssel hat im Winter 1994/95<br />

sieben an der belgischen Küste gestrandete Pottwale auf Schwermetalle, PAKs und<br />

Organochlorverbindungen untersucht (Holsbeck et al., 1998): Im Fettgewebe wurden PCB´s<br />

37


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

in Konzentrationen von 2,9 bis 5,5 mg/kg (TS) gemessen. <strong>Die</strong> Summe der Konzentrationen<br />

der verschiedenen DDT-Isomere und Methabolithen betrug 6,6 bis 11,8 mg/kg (TS). <strong>Die</strong><br />

Summe der gemessenen chlororganischen Verbindungen im Fettgewebe lag bei 10 bis 15<br />

mg/kg (TS).<br />

Greenpeace ließ diese Belastungen im 1999 durch das Darmstädter Öko-Institut fachlich<br />

begutachten (Greenpeace 1999). Demnach muß der Körper der Pottwale aufgrund der<br />

hohen Belastung mit Umweltschadstoffen tatsächlich als „Sondermüll" angesehen und<br />

behandelt werden. Bei mehreren <strong>Dauergifte</strong>n wie z.B. den PCBs werden im Fett und Fleisch<br />

der Wale nicht nur die Grenzwerte für Lebensmittel, sondern selbst die für Klärschlamm<br />

zulässigen Grenzwerte deutlich überschritten. <strong>Die</strong> hohe Belastung der Großwale hat auch<br />

Konsequenzen für die Entsorgung der gestrandeten Meeressäuger. Derzeit werden tote<br />

Wale und Robben in Tierkörperverwertungsanlagen zu Futtermittel verarbeitet. <strong>Die</strong> hohen in<br />

den Tieren enthaltenen Schadstoffmengen gelangen dabei zu einem großen Teil in das<br />

Futtermittel von Nutztieren und schließlich in die menschlich Nahrung. <strong>Die</strong> Verwertung<br />

gestrandeter Meeressäuger zur Herstellung von Futtermitteln ist mit dem Ziel der Herstellung<br />

möglichst schadstoffarmer Lebensmittel unvereinbar und rechtlich abzulehnen.<br />

S. Abbildung 5 (Anhang)<br />

Auch Prof. Claude Joiris, der die Wale selbst untersucht hat, fordert, die Tiere nicht zu<br />

Tierfutter zu verwerten, sondern als Sondermüll zu behandeln und sie bei 1600 bis 2000<br />

Grad Celsius zu verbrennen (Joiris 1999).<br />

2.4.4 Stärkere Anreicherung bei männlichen Tieren<br />

Bei vielen Tieren reichern sich <strong>Dauergifte</strong> geschlechtsspezifisch an: Männchen sind meist<br />

höher mit Schadstoffen belastet als Weibchen. Der Grund ist, daß Weibchen beim Säugen<br />

erhebliche Mengen Gift an ihren Nachwuchs weitergeben (Swedish EPA, 1998, S. 66).<br />

Ford Muir stellte fest, daß der durchschnittliche Bioakkumulationsfaktor von Fisch auf<br />

Robben bei DDE 62 für Männchen und 18 für Weibchen betrug. Auch die DDT- und PCB-<br />

Belastung war bei den Männchen höher als bei Weibchen (Muir et al 1988). Weibliche<br />

Ringelrobben verlieren beim Säugen ca. 38 Prozent ihrer gesamten Körperbelastung von<br />

DDT, 25 Prozent der PCBs und 30 Prozent der Chlordane und geben sie direkt an ihre<br />

Jungen weiter (Nataka 1998). Durch diesen Transfer großer Giftmengen von den Eltern auf<br />

die Kinder werden die <strong>Dauergifte</strong> über Generationen weitergereicht, selbst dann noch, wenn<br />

die Belastung der Meere selbst zurückgeht (Tanabe 1994).<br />

Bei Walen steigt die Konzentration der <strong>Dauergifte</strong> bei beiden Geschlechtern gleichermaßen<br />

bis zur Geschlechtsreife an. Bei den männlichen Tieren setzt sich dann dieser Anstieg mit<br />

dem Alter fort. Bei weiblichen Walen wird dagegen oft eine Abnahme der Belastung<br />

festgestellt. <strong>Die</strong>s liegt an der Abgabe von <strong>Dauergifte</strong>n mit der Muttermilch an die gesäugten<br />

Nachkommen (Cockcroft 1989, Aguilar 1988).<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

2.4.5 Gewichtsverlust mobilisiert <strong>Dauergifte</strong><br />

Insbesondere in Hungerperioden können Tiere zusätzlich durch Schadstoffe wie PCBs<br />

belastet werden, denn durch den Gewichtsverlust werden die Umweltgifte aus den Fettdepots<br />

freigesetzt. So müssen Wale, die nicht rechtzeitig vor Kälteeinbruch gen Süden<br />

schwimmen, das Zufrieren des Eis- und Atemloches durch ständiges Schwimmen und<br />

Springen verhindern. Als in einem Fall das Eisloch im tiefsten Winter doch zuzufrieren<br />

drohte, wurden die Wale erlegt und untersucht. Sie wogen zirka 200 kg weniger als gesunde<br />

Wale derselben Länge. Forscher fanden einen Zusammenhang zwischen den<br />

Konzentrationen an PCBs und an Entgiftungsenzymen. <strong>Die</strong> Erklärung ist, daß die Tiere<br />

während ihrer überlebensnotwendigen Aktivitäten viel mehr als üblich ihren Blubber als<br />

Energiereserve nutzen. Doch wenn sie verstärkt ihren Speck nutzen, setzen sie auch die<br />

darin gespeicherten Schadstoffe frei (AMAP, 1997, 87).<br />

Auch bei Tieren, die Winterschlaf halten und dabei ihre Fettreserven aufzehren, wie z.B. den<br />

Fledermäusen, wird eine gefährliche Mobilisierung der Umweltgifte beobachtet.<br />

2.4.6 Chlor und Brom fördern Anreicherung<br />

Durch Faktoren wie die Molekülgröße, die Aromatizität (Gehalt an Benzolringen) oder „... die<br />

Einführung von Chlorsubstituenten steigt die Lipophilie organischer Verbindungen..." (Henschler<br />

1994).<br />

Einfluß von Chlor auf die Lipophilie und das Anreicherungsvermögen von Benzol (Fiedler, VdS<br />

1994):<br />

Substanz Anzahl Chloratome Anreicherungsvermögen (log Kow<br />

Benzol 0 2,13<br />

Hexachlorbenzol 6 6,18<br />

Je mehr Chlor- oder Bromatome an einem Benzol-, PCB-, Dioxin- oder PBDE-Molekül hängen,<br />

desto unpolarar und um so fettfreundlicher wird das Molekül. Zusätzlich werden PCBs mit<br />

hohem Chlorierungsgrad schlechter im Körper abgebaut. So ist etwa in Robben die relative<br />

Konzentration der hochchlorierten gegenüber den niedriger chlorierten PCBs höher als in<br />

anderen Umweltkompartimenten. (Swedish EPA, 1998, S. 25, 65). Doch nicht immer folgen die<br />

Messungen bei Tieren dieser Regel. So nimmt die Konzentration der voll chlo-rierten Dioxin-<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Moleküle (sie enthalten acht Chloratome) vom Phytoplankton über das Zooplankton, Hering und<br />

Kabeljau ab. <strong>Die</strong>s hat möglicherweise zwei Ursachen: Zum einen nehmen diese Moleküle<br />

aufgrund der Halogenatome so viel Raum ein, daß die Zellmembranen nicht mehr so einfach<br />

passieren können. Zum zweiten kann auch deren extrem geringe Wasserlöslichkeit eine Rolle<br />

spielen: Denn extrem unpolare Substanzen werden nur sehr langsam vom Verdauungstrakt<br />

aufgenommen (Swedish EPA, 1998, S. 25, 58).<br />

So würde man auch erwarten, daß Robben höher mit Schadstoffen belastet sind als ihre<br />

Beutetiere, beispielsweise der Hering. Doch das Bild ist komplexer: So sind die Konzentrationen<br />

an DDT, PCBs, PBBs und Chlordane in Robben deutlich höher als in Heringen.<br />

<strong>Die</strong>ldrin, Toxaphen, PBDEs, α- und β-Hexachlorcyclohexane dagegen reichern sich von<br />

Hering zur Robbe nur mäßig an, und die Konzentration von HCB, Chlorparaffinen, Dioxinen,<br />

Furanen und γ-HCH (Lindan) nehmen sogar ab (Swedish EPA, 1998, 65).<br />

2.4.7 Entwarnung für den Menschen?<br />

Bei Menschen gilt Muttermilch als guter Bioindikator für Kontaminationen mit <strong>Dauergifte</strong>n.<br />

Seit die Nahrung mit PCBs, Dioxinen und anderen <strong>Dauergifte</strong>n belastet ist, akkumulieren sie<br />

im Fett der Muttermilch und werden auf Säuglinge übertragen, für die das Stillen die beste<br />

Ernährungsform ist. Denn Muttermilch ist nicht nur im Gehalt der Nährstoffe dem<br />

Stoffwechsel und dem jeweiligen Bedarf des Säuglings optimal angepaßt, sie enthält auch<br />

viele Stoffe zur Förderung des Wachstums, der Reifung und der Abwehr von Infektionen.<br />

In Deutschland wurden seit 1985 mehr als 2000 Muttermilchproben auf Rückstände an<br />

chlorierten Dioxinen und Furanen untersucht. <strong>Die</strong> Auswertung zeigt eine Halbierung der<br />

Dioxin-Konzentrationen von 1989 bis 1994 (UBA, 1997, siehe Tabelle). Inzwischen ist die<br />

tägliche Dioxinaufnahme weiter gesunken: Heute nimmt ein Erwachsener im Schnitt täglich<br />

weniger als 0,9 Pikogramm pro Kilogramm (pg/kg) Körpergewicht Dioxin auf. Besonders<br />

gefährdet sind dagegen Kinder unter fünf Jahren: Sie nehmen jeden Tag fast dreimal soviel<br />

Dioxine zu sich wie Erwachsene: 2,6 pg/kg Körpergewicht (Steinhäuser, 1998, 1).<br />

Jahr mittlere Dioxinkonzentration durchschnittliche tägliche<br />

im Milchfett der Frauenmilch<br />

Dioxinaufnahme eines Erwachsenen<br />

1989 30 - 32 ng TEq/kg 1,7 - 2,3 pg TEq/kg<br />

1994 15,5 ng TEq/kg 0,7 - 1,5 pg TEq/kg<br />

aus: Daten zur Umwelt - Der Zustand der Umwelt in Deutschland - 1997, UBA<br />

40


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

<strong>Die</strong> Konzentrationen von Dioxinen in der Summe als Toxizitätsäquivalente - ‘TEq’ -<br />

angegeben, gemessen an der Wirkung des Seveso-Dioxin 2,3,7,8-TCDD<br />

41


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

<strong>Die</strong>se Entwicklung zeigt, daß eine wirksame Umweltpolitik deutliche Erfolge zeigt. So wurden<br />

in Deutschland wichtige Emissionsquellen von Dioxinen und Furanen wie z.B. Müllverbrennungsanlagen<br />

deutlich reduziert. Auch das Verwendungsverbot von DDT im Jahre 1974 und<br />

der schrittweise Ausstieg aus der PCB-Anwendung seit 1978 zeigt Wirkung: <strong>Die</strong> Gehalte<br />

dieser <strong>Dauergifte</strong> in Muttermilch nehmen ebenfalls langsam ab.<br />

Dennoch, trotz sinkender DDT-, PCB- und Dioxin-Werte kann von Entwarnung keine Rede<br />

sein. So bedeutet die Aufnahme von durchschnittlich 0,9 pg an Dioxinen pro kg Körpergewicht<br />

für einen Menschen von 75 Kilogramm, daß er täglich fast 70 pg <strong>–</strong> das sind 70<br />

Billionstel Gramm <strong>–</strong> dieser Gifte aufnimmt. Hinter dieser unbedeutend scheinenden Zahl<br />

verstecken sich jedoch 126 Milliarden Moleküle des giftigsten Dioxins, des 2,3,7,8-TCDD.<br />

Außerdem liegt die mittlere Dioxinbelastung eines Erwachsenen nur knapp unter den von der<br />

Weltgesundheitsorganisation (WHO), dem Umweltbundesamt (UBA) und dem Bundesinstitut<br />

für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) empfohlenen TDI-<br />

Werten (tolerable daily intake = akzeptable tägliche Aufnahme): <strong>Die</strong> beiden deutschen<br />

Institutionen halten 1 bis 10 pg/kg für annehmbar (Steinhäuser, 1998, 1). <strong>Die</strong> WHO hat<br />

dagegen im Sommer 1998 nach neuen epidemiologischen Daten schärfere TDI-Werte<br />

festgelegt und hält nur 1 bis 4 pg/kg für vertretbar (Leeuwen & Younes, 1998; WHO, 1998).<br />

2.4.8 Neue <strong>Dauergifte</strong>: <strong>Die</strong> unerkannte Gefahr<br />

Bislang wird Muttermilch überwiegend auf die „klassischen“ <strong>Dauergifte</strong> untersucht. Wie im<br />

vorherigen Kapitel geschildert, nimmt deren Belastung z.T. wieder deutlich ab. Der Blick auf<br />

die <strong>Dauergifte</strong> der neuen Generation, also Chemikalien, die heute noch von uns in großem<br />

Umfang hergestellt und eingesetzt werden, zeigt ein anderes Bild:<br />

In der Muttermilch schwedischer Frauen finden sich polybromierte Diphenylether (PBDEs),<br />

die als Flammschutzmittel in Kunststoffen eingesetzt werden. In den letzten 25 Jahren hat<br />

sich ihre Konzentration etwa alle fünf Jahre verdoppelt. D.h., von 1972 bis 1997 <strong>–</strong> erhöhte<br />

sich die PBDE-Konzentration kontinuierlich auf das über fünfzigfache (siehe Tabelle). <strong>Die</strong><br />

Forscher sehen nur einen Weg, die Konzentrationen wieder zu senken: den Ausstieg aus der<br />

PBDE-Anwendung (Meironyté D. et al., 1998).<br />

Jahr<br />

mittlere PBDE-Konzentration<br />

im Milchfett der Frauenmilch<br />

1972 72 ng/kg Milchfett<br />

1997 4010 ng /kg Milchfett<br />

Chlorparaffine sind ein weiteres Beispiel für eine lange Zeit unbeachtetes Dauergift. Erst<br />

Greenpeace-Untersuchungen auf Chlorparaffine im Jahr 1995 zeigten die bisher unbekannte<br />

42


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Belastung des Menschen mit den krebserregenden und fruchtschädigenden <strong>Dauergifte</strong>n, die<br />

auch heute noch in großem Umfang eingesetzt werden: Damals wurde erstmals Muttermilch<br />

auf diese Schadstoffe untersucht. <strong>Die</strong> gefundenen Werte waren alarmierend: Mit 46<br />

Mikrogramm pro Kilogramm Milchfett lag das bisher von der Umweltforschung weitgehend<br />

ignorierte Umweltgift im selben Konzentrationsbereich wie viele klassische<br />

Umweltschadstoffe (Krautter, 1996; vgl. Kap. 5.3.1).<br />

Produktion und Einsatz von <strong>Dauergifte</strong>n der neuen Generation stellt eine ernstzunehmende<br />

und heute rasch wachsende Gefahr für die menschliche Gesundheit dar (vgl. Kap. 5.3).<br />

43


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

3 Wirkungen der <strong>Dauergifte</strong> auf Menschen und Tiere<br />

<strong>Dauergifte</strong>, die langlebig und fettliebend sind, reichern sich in Menschen und Tieren rund um<br />

den Globus an. Direkt tödlich sind sie in der Regel nur in hohen Dosen. Sie schädigen das<br />

Leben meist schleichend, indem geringe Konzentrationen aufsummiert werden. <strong>Die</strong>se<br />

langsame Vergiftung wird bislang meist erst dann von Industrie und Politik als solche<br />

erkannt, wenn es zu spät ist und Gegenmaßnahmen nicht mehr möglich sind. Das Prinzip<br />

Vorsorge hat bei <strong>Dauergifte</strong>n noch nie Beachtung gefunden.<br />

3.1 Wie <strong>Dauergifte</strong> auf Lebewesen wirken<br />

<strong>Dauergifte</strong> zeigen viele Wirkungen. Für Fische, Vögel, Reptilien und Säuger scheinen<br />

immuno- und neurotoxische Schäden sowie die Beeinträchtigung der Fortpflanzungsfähigkeit<br />

die Hauptgefahr zu sein. Beim Menschen dagegen sind es vor allem Schäden des<br />

Nervensystems, die als im Zentrum der Besorgnis stehen (Swedish EPA 1998). Wie<br />

<strong>Dauergifte</strong> exakt den Organismus schädigen, ist in vielen Fällen noch ungeklärt.<br />

<strong>Die</strong> gegenüber <strong>Dauergifte</strong>n anfälligste und daher kritischste Phase im Laufe eines Lebens ist<br />

die Zeit, in der sich der Organismus <strong>–</strong> sei es beim Menschen, bei Vogel oder Echse <strong>–</strong><br />

entwickelt, also wenn der Fötus oder das Embryo heranreift, sowie die ersten Lebensmonate<br />

und <strong>–</strong>jahre (Swedish EPA, 1998, 92). <strong>Die</strong> Dauergiftschäden am ungeborenen Leben und an<br />

den Kindern werden daher eingehend in einem eigenen Kapitel behandelt (Kap. 3.2.3).<br />

3.1.1 Wie Lebewesen auf Umweltgifte reagieren<br />

Organismen werden ständig mit Fremdstoffen konfrontiert. Das Immunsystem verteidigt sie<br />

mit Hilfe von Antikörpern, weißen Blutkörperchen und anderen spezialisierten Abwehrzellen<br />

gegen Bakterien, Viren und Krebszellen. Spezielle Eiweiße, die Enzym-Familie der<br />

Cytochrom P450-Komplexe, entgiften Schadstoffe. <strong>Die</strong>se Eiweißkomplexe, die Licht der<br />

Wellenlänge von 450 nm absorbieren, werden in der Leber, einem Schlüsselorgan der<br />

Entgiftung, hergestellt. Sie können die Löslichkeit von Fremdstoffen wie bestimmten<br />

Medikamenten (z.B. Barbituraten) und Umweltschadstoffen wie polyzyklischen<br />

aromatischen Kohlenwasserstoffen (PAKs) erhöhen und so deren Ausscheidung über die<br />

Niere erleichtern. <strong>Die</strong> Konzentration an Cytochrom P450-Komplexen, die normalerweise<br />

relativ gering ist, nimmt bei der Belastung mit Schadstoffen zu, denn dann produzieren<br />

Leberzellen mehr von diesen Enzymen. <strong>Die</strong>ser Vorgang wird „Induktion“ genannt. Eine<br />

chronische Belastung und damit eine nachhaltige Induktion birgt jedoch Gefahren (AMAP,<br />

1997; Swedish EPA, 1998, 79ff):<br />

∗ Cytochrom-P450-Komplexe können auch Stoffe angreifen, die natürlicherweise im Körper<br />

vorkommen und essentiell sind;<br />

44


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

∗ Abbauprodukte (Metaboliten) von <strong>Dauergifte</strong>n wie die der polyzyklischen aromatischen<br />

Kohlenwasserstoffe (PAKs) können giftiger sein als die Ausgangssubstanz. Einige<br />

Metaboliten wirken gentoxisch: Sie reagieren mit der Erbsubstanz (DNA) und bilden<br />

sogenannte DNA-Addukte. <strong>Die</strong> DNA ist dann nicht mehr voll funktionsfähig oder kann<br />

Fehlfunktionen aufweisen wie die unkontrollierte Vermehrung bestimmter Zellen <strong>–</strong> der<br />

typische Auslöser einer Krebserkrankung;<br />

∗ einige Abbauprodukte polychlorierter und polybromierter Biphenyle (PCBs, PBBs) und<br />

möglicherweise auch Abbauprodukte polybromierter Diphenyle (PBDEs) stören den<br />

Hormonhaushalt;<br />

∗ spezielle Abbauprodukte polychlorierter Biphenyle (PCBs) und von DDT/DDE, die<br />

sogenannten Methylsulphonylmetaboliten, sammeln sich in empfindlichen Organen an.<br />

Sie sind bei Robben vermutlich eine Ursache für eine starke Vergrößerung der<br />

Nebennierenrinde.<br />

3.1.2 Krebs und Mutationen<br />

In Tierversuchen zeigten viele <strong>Dauergifte</strong> ein krebserregendes Potential. Mehr als 200<br />

Chemikalien wurden als krebserregend eingestuft (Eisenbrand & Metzler, 1994). Dazu<br />

zählen beispielsweise auch kurzkettige Chlorparaffine, die für Algen, Muscheln, Fische und<br />

andere Lebewesen als hochtoxisch und krebsfördernd gelten. Ein Verbot dieser Substanzen,<br />

wie es das deutsche Umweltbundesamt (UBA) seit 1993 fordert, ist jedoch noch nicht Sicht.<br />

<strong>Dauergifte</strong> können auf zwei Wegen an der Krebsentstehung beteiligt sein. Entweder<br />

schädigen sie die Erbsubstanz direkt, oder sie wirken als „Promotor“, das heißt, sie fördern<br />

die Wucherung genetisch vorgeschädigter Zellen. <strong>Dauergifte</strong>, die leicht Chlor abspalten,<br />

wirken vorwiegend gentoxisch, stabile zyklische Verbindungen wie PCBs und Dioxine<br />

agieren überwiegend als Promotor (AMAP, 1997, 73; Swedish EPA, 1998, S. 87). <strong>Dauergifte</strong><br />

können auch aufgrund ihrer hormonellen Wirkung Auslöser für Wucherungen sein <strong>–</strong> auch<br />

noch bei den Nachkommen: So wurden nach dem Zweiten Weltkrieg Millionen Frauen mit<br />

<strong>Die</strong>thylstilbestrol (DES) gegen Fehlgeburten behandelt, das zu den östrogen wirksamen<br />

Stoffen zählt. Bei den Töchtern der Mütter, die mit DES behandelt wurden, wurde eine<br />

höhere Rate an Gebärmutterkrebs beobachtet.<br />

Für die heute steigende Rate an Hoden-, Brust- und Prostatakrebs wird als Ursache die<br />

zunehmende Belastung mit <strong>Dauergifte</strong>n diskutiert (Swedish EPA, 1998, 112).<br />

45


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

3.1.3 Störung der Fortpflanzungsfähigkeit und der Entwicklung<br />

„<strong>Die</strong> bedeutendste dokumentierte Wirkung von <strong>Dauergifte</strong>n scheint ihr Effekt auf die<br />

Fortpflanzungsfähigkeit zu sein“, schreibt die Europäische Umweltagentur in ihrem zweiten<br />

europäischen Umweltbericht (EEA, 1998, S. 118).<br />

Verschiedene <strong>Dauergifte</strong> können die Fortpflanzungsfähigkeit von Vögeln, Fischen, Reptilien,<br />

Amphibien und Säugern schädigen. So beeinflussen sie bei vielen Vogelarten den<br />

Kalkstoffwechsel und führen so nachweislich zu dünnschaligen, leicht zerbrechlichen Eiern,<br />

zusätzlich bringen sie auch Embyronen im Ei zum Absterben (EEA, 1998). Bei Sperbern<br />

wurde in Deutschland zwischen 1968 und 1976 registriert, daß über die Hälfte ihrer Eier<br />

erfolglos bebrütet wurden. In ihnen fanden sich Rückstände von DDT, PCBs,<br />

Methylquecksilber, Insekten- und Pilzgiften. Da Sperber fast ausschließlich Kleinvögel<br />

fangen, ist die Aufnahme der Gifte nur so zu erklären, daß ihre Beutetiere sich von Insekten,<br />

Früchten und Samen ernähren, die direkt mit den Giften behandelt wurden oder in<br />

Berührung gekommen sind. Seit 1974 dürfen in den alten Bundesländern DDT und HCB<br />

nicht mehr in der Land- und Forstwirtschaft eingesetzt werden <strong>–</strong> seit 1978 erhöht sich die<br />

Aufzugsrate von Greifvögeln wieder (Trommer, 1993). Beim Weißkopfseeadler in Florida<br />

sank nicht nur die Zahl der ausgebrüteten Eier, die Vögel verloren zudem ihren natürlichen<br />

Paarungs- und Brutinstinkt. Und nach einem Störfall einer Chemiefabrik in Florida<br />

verunreinigten große Mengen des Milbengiftes Dicofol die umgebenden Seen. <strong>Die</strong> Folge: <strong>Die</strong><br />

Population von Alligatoren verringerte sich um 90 Prozent (Colborn et al., 1996). Auch an<br />

Robben der Ostsee sind solche Beispiele gut dokumentiert: Fehlbildungen der<br />

Geschlechtsorgane und weniger beziehungsweise ausbleibender Nachwuchs sind<br />

Anzeichen einer hohen Belastung mit Schadstoffen (AMAP, 1998, 72). Auf Spitzbergen<br />

haben Forscher eine hohe Zahl weiblicher Eisbären mit männlichen Geschlechtsorganen<br />

beobachtet und machen dafür <strong>Dauergifte</strong> mitverantwortlich (Kap.4.3.5).<br />

<strong>Die</strong> in den letzten Jahren intensiv diskutierte Frage einer Abnahme der Spermienzahl beim<br />

Menschen und ihre möglichen Ursachen wird in Kapitel 3.2.2 aufgegriffen.<br />

3.1.4 Störung des Hormonsystems<br />

Hormonell wirksame Umweltchemikalien (endokrine Stoffe) können die Aufrechterhaltung<br />

des hormonellen Gleichgewichts (Homeostasis), die Fortpflanzung oder das Verhalten beeinflussen,<br />

in dem sie in Synthese, Ausscheidung, Transport, Bindung, Wirkung oder Abbau der<br />

natürlichen Körperhormone eingreifen, so die US-Umweltbehörde EPA (EPA, 1997). Sie<br />

können also mehr als nur die Homeostasis durcheinanderbringen, denn die Hormone regulieren<br />

die Entwicklung und die Fortpflanzung.<br />

Zwar sind meist die hormonellen Effekte von <strong>Dauergifte</strong>n geringer als die der natürlichen<br />

Hormone. Allerdings sind <strong>Dauergifte</strong> langlebig und können so über einen längeren Zeitraum<br />

wirken. Vor allem im Fötalstadium scheint die Empfindlichkeit gegenüber Stoffen, die in das<br />

Sexualhormonsystem eingreifen, sehr hoch zu sein. Besonders männliche Föten reagieren<br />

46


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

bereits auf geringe Dosen östrogen oder anti-androgen wirksamen Substanzen (Swedish<br />

EPA, 1998, 90).<br />

Mögliche Schäden durch endokrin wirksame Schadstoffe:<br />

∗ Mißbildungen der Sexualorgane<br />

∗ Verweiblichung<br />

∗ reduzierte Spermienproduktion<br />

∗ verändertes Paarungsverhalten<br />

∗ beeinträchtigte Fruchtbarkeit<br />

Östrogen und die Wirkung östrogener Umweltschadstoffe<br />

Östrogen ist ein weibliches Hormon. Es entsteht in Eierstöcken und im Mutterkuchen.<br />

Östrogen koordiniert das komplexe Zusammenspiel verschiedener Organe und Signalstoffe<br />

im weiblichen Körper. In Wechselwirkung mit anderen Hormonen läßt es beispielsweise<br />

jeden Monat die Gebärmutterschleimhaut anschwellen, stimuliert das Wachstum der Brust in<br />

der Pubertät und kontrolliert die Schwangerschaft.<br />

Doch dieses Hormon wirkt nicht nur im weiblichen Organismus. Besonders während der<br />

Entwicklung der Sexualorgane im Embryo ist Östrogen bei beiden Geschlechtern beteiligt.<br />

Jeder Fötus, ob er zum Jungen oder Mädchen bestimmt ist, entwickelt sich zuerst weiblich,<br />

bevor nach etwa sieben Wochen die männliche Entwicklungsschiene von der weiblichen<br />

abzweigt. Von da an wird die Balance von Östrogen und anderen Hormonen entscheidend.<br />

So entstehen bei der Entwicklung zu einem Jungen als erstes die „Sertolizellen“ im Hoden.<br />

Sie koordinieren dessen Entwicklung und wirken später bei der Reifung des Samens mit. Ist<br />

jedoch zu viel Östrogen vorhanden, entwickeln sich meist weniger Sertolizellen. <strong>Die</strong> Folge ist<br />

eine nur unzureichende Rückbildung der weiblichen Anlagen: kleinere Hoden und später<br />

eine geringere Samenproduktion (Strobel & Dickmann, 1994).<br />

Es gibt <strong>Dauergifte</strong> mit östrogenen Wirkungen, mit antiöstrogenen, mit androgenen und<br />

antiandrogenen Effekten (UBA, 1997). Prekär ist, daß die Wirkung dieser Stoffe nicht <strong>–</strong> wie<br />

es viele Toxikologen gewohnt sind <strong>–</strong> linear mit abnehmender Dosis fällt. Im Gegenteil:<br />

Niedrigste Konzentrationen können das hormonelle Gleichgewicht aus den Fugen bringen.<br />

So zeigte Fred vom Saal, University of Missouri-Columbia, bei männlichen Mäusen, die er<br />

mit für Menschen typischen Belastungen an DDT konfrontierte, eine Abnahme ihrer<br />

Hodenaktivität (vom Saal, 1998). Auch bei weiblichen Mäusen können bereits geringe<br />

47


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Schwankungen der hormonellen Umgebung im Mutterleib gravierende Konsequenzen auf<br />

den Nachwuchs haben (Colborn et al., 1996).<br />

Auch unter Umweltbedingungen gibt es deutliche Hinweise auf die Wirkung hormonell<br />

wirksamer <strong>Dauergifte</strong>. So haben Wissenschaftler bei männlichen Forellen die Synthese von<br />

„Vitellogeninen“ in Abhängigkeit der Konzentration der beiden <strong>Dauergifte</strong> Nonylphenol und<br />

Oktylphenol gemessen. „Vitellogenine“ sind Dottereiweiße. Sie werden von Weibchen<br />

eierlegender Tiere (Vögel, Reptilien, Amphibien, Fische) in der Leber, abhängig vom<br />

Östrogenspiegel, gebildet und mit dem Blut zu den Eierstöcken transportiert. Dort werden<br />

sie, wenn das Weibchen sich auf die Fortpflanzung vorbereitet, in die Eier eingebaut. Von<br />

einer Verweiblichung männlicher Fische kann daher gesprochen werden, wenn auch<br />

Männchen diese Dottereiweiße bilden. Genau diesen Effekt fanden Wissenschaftler für<br />

Nonylphenol bereits ab einer Konzentration von 20 Mikrogramm pro Liter (µg/l) und für<br />

Oktylphenol ab 5 µg/l (UBA 46/97). Solche Mengen werden häufig in britischen Gewässern<br />

nachgewiesen. In Deutschland gibt es nur einen lückenhaften Überblick, die gemessenen<br />

Werte liegen in der Regel zwischen 0,1 und 1 µg/l (Gies, 1998).<br />

Ein internationaler Workshop vom Februar 1997 in Berlin wies auf eine weitere Wirkung<br />

endokriner Stoffe hin: „Viele Substanzen sind in der Lage, das Hormonsystem von Mensch<br />

und Tier negativ zu beeinflussen. Es erhärtet sich der Verdacht, daß auch die Entwicklung<br />

der Intelligenz und der motorischen Fähigkeiten von Kindern beeinträchtigt werden kann,<br />

wenn ihre Mütter während der Schwangerschaft solchen Substanzen ausgesetzt waren.“<br />

(UBA 1999b).<br />

Hormonell wirksame <strong>Dauergifte</strong>:<br />

Name<br />

Wirkung<br />

DDT, DDE, Alkylphenole, Chlordane<br />

Phthalsäureester, bestimmte Kongenere und<br />

Metaboliten von PBBs und PCBs,<br />

möglicherweise PAKs, und TBBA<br />

östrogene Wirkung<br />

Dioxinartige Stoffe, Lindan, PAKs<br />

anti-östrogene Wirkung<br />

Dioxinartige Stoffe, DDE, Linuron, Vinclozolin<br />

anti-androgen Wirkung<br />

Tributylzinnverbindungen<br />

androgene Wirkung<br />

Quellen: Swedish EPA, 1998 und UBA, 1997<br />

48


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Das Umweltbundesamt hat den gegenwärtigen Wissensstand für über 200 Chemikalien<br />

ausgewertet, die im Verdacht stehen, das Hormonsystem von Wasserlebewesen zu<br />

beeinflussen (UBA, 1997). Das UBA konstatierte, daß die Forschungen zwar zum großen<br />

Teil noch am Anfang stünden, daß aber bei Wasserlebewesen bereits deutliche Effekte<br />

nachgewiesen wurden. Für deutsche Gewässer hält das UBA vor allem den Weichmacher<br />

Bisphenol A, von dem 1995 hierzulande 215.000 Tonnen hergestellt wurden, das Biozid<br />

Tributylzinn (TBT) und die beiden Alkylphenole Oktylphenol und Nonylphenol, die als<br />

Antioxidantien Kunststoffen zugesetzt werden, für bedeutsam.<br />

Laut UBA zählen auch Phthalate und Octachlorstyrol zu den gewässerrelevanten Stoffen in<br />

Deutschland (UBA: Texte 40/97).<br />

Der Anfang 1999 vom Verband der Chemischen Industrie (VCI) gegebenen Entwarnung <strong>–</strong><br />

„Östrogen-Hypothese durch neue wissenschaftliche Erkenntnisse widerlegt“ (VCI 1999) <strong>–</strong> ist<br />

nicht glaubhaft. So stellte das Umweltbundesamt klar: „<strong>Die</strong> ... vom Verband der Chemischen<br />

Industrie e.V. (VCI) aufgestellte Behauptung, ‘der Verdacht, bestimmte Industriechemikalien<br />

würden den Hormonhaushalt des Menschen nachhaltig stören, ist wissenschaftlich nicht<br />

länger haltbar’, ist voreilig“ (UBA 1999).<br />

<strong>Die</strong> Frage nach der tatsächlichen Wirkung endokriner Stoffe auf den Menschen ist bislang<br />

kaum klar zu beantworten. Das Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen<br />

Bundestag schrieb zur Frage, ob es einen Zusammenhang zwischen Umweltöstrogenen und<br />

„der zunehmenden Zahl an Brust- und Hodenkrebsfällen sowie mit Fertilitätsstörungen gibt“:<br />

„Zum gegenwärtigen Zeitpunkt kann diese Frage nicht eindeutig beantwortet werden. Es wird<br />

als schwierig erachtet, derartige Kausalzusammenhänge überhaupt herstellen zu können“<br />

(Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag, 1997).<br />

3.1.5 Störung des Immunsystems<br />

Auch das Immunsystem ist eine Hauptangriffsfläche von <strong>Dauergifte</strong>n. Zweieinhalb Jahre lang<br />

untersuchten holländische Wissenschaftler zwei Gruppen von je 11 Seehunden. Eine<br />

Gruppe wurde mit Heringen aus der belasteten Ostsee gefüttert, die andere mit deutlich<br />

weniger belasteten Heringen aus dem Atlantik. <strong>Die</strong> Unterschiede waren frappierend: Bei den<br />

Robben, die baltische Heringe verzehrten, sank die Aktivität von Killerzellen und anderen<br />

Zellen des Immunsystem, für die Wissenschaftler eine Folge der chronischen Belastung mit<br />

Umwelt-giften (de Swart et al., 1996).<br />

<strong>Dauergifte</strong> senken nicht nur die Antikörperproduktion, sondern auch die Aktivität des zweiten<br />

Zweiges der Immunabwehr, der zellulären Immunantwort (AMAP, 1997, 73). <strong>Die</strong>ser sogenannte<br />

zelluläre Teil des Abwehrsystems kämpft nicht gegen Bakterien oder Viren im Blut,<br />

sondern beseitigt mit Krankheitserregern infizierte Zellen und bekämpft auch Krebszellen.<br />

49


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Vor allem chlorierte Dioxine/Furane und dioxinähnliche Stoffe beeinflussen die Funktion der<br />

Thymusdrüse (in der Thymusdrüse werden unter anderem weiße Blutkörperchen, sog. T-<br />

Lymphozyten, gebildet) und das Immunsystem (Swedish EPA, 1998, 86). Mögliche Effekte<br />

sind:<br />

∗ Verkleinerung der Thymusdrüse;<br />

∗ Senkung der Aktivität der weißen Blutkörperchen (T-Lymphozyten) und damit erhöhte<br />

Anfälligkeit für Infektionen und erhöhtes Tumorrisiko;<br />

∗ Gefährdung der kindlichen Entwicklung, da der Thymus während der Embryonal- und<br />

Jugendzeit sehr aktiv ist und sich nach der Geschlechtsreife nahezu vollständig<br />

zurückbildet (allerdings nicht bei Robben, Delphinen und einigen Nagern);<br />

3.1.6 Störung des Nervensystems<br />

Unter den vielfältigen Wirkungen, die <strong>Dauergifte</strong> während der embryonalen Stadiums und im<br />

frühen Leben auslösen können, so die schwedische Umweltagentur, sind neurologische<br />

Störungen vermutlich die ernsthaftesten. Wenn sich Gehirn oder andere Teile des Nervensystems<br />

nicht normal entwickeln, können Verhaltensstörungen und beeinträchtigte Lernfähigkeiten<br />

die Folge sein. Bei Tieren kann das bedeuten, daß sie Probleme haben, Futter<br />

oder Schutz zu finden oder auch sich fortzupflanzen; bei Menschen kann auch das soziale<br />

Verhalten gestört werden (Swedish EPA, 1998, 91). <strong>Die</strong> Empfindlichkeit gegenüber Giftstoffen<br />

ist unmittelbar nach der Geburt besonders hoch. In dieser Zeit können selbst niedrige<br />

Dosen toxischer Stoffe wie DDT, polychlorierte Biphenyle (PCBs) und polybromierte Diphenylether<br />

(PBDEs) lebenslange Störungen hervorrufen. <strong>Die</strong> Folgen können sein (Swedish<br />

EPA, 1998, 15, 91):<br />

∗ Verhaltensstörungen,<br />

∗ beeinträchtigtes intellektuelles Vermögen wie Lernstörungen und Gedächtnistörungen,<br />

∗ geringeres Geburtsgewicht,<br />

∗ erhöhtes Krebsrisiko.<br />

An Mäusen wurde gezeigt, daß eine frühe Exposition mit <strong>Dauergifte</strong>n die Funktion des<br />

cholinergen Teil ihres Nervensystems beeinträchtigt. <strong>Die</strong>s sind die Nerven, die Azetylcholin<br />

freisetzen oder an deren Rezeptoren Azetylcholin andocken kann. <strong>Die</strong>se Azetylcholinabhängigen<br />

Nerven sind wichtig für das Verhalten und die Lernfähigkeit. So war in einigen<br />

Fällen die Zahl solcher Azetylcholinrezeptoren im Hirn erwachsener Mäuse, die in ihrer<br />

Jugend mit PCBs belastet wurden, deutlich verringert. <strong>Die</strong>s kann als ein Zeichen für<br />

verfrühtes Altern des Hirns interpretiert werden. Auch PBDEs, die als Flammschutzmittel<br />

eingesetzt werden, verändern in geringen Dosen das Verhalten von Mäusen: Zehn Tage<br />

alten Nagern wurde PBDE (0,8 mg/kg) verabreicht. Danach wurden sie in eine neue<br />

Umgebung gebracht und waren in den ersten 20 Minuten ruhiger als Kontrolltiere, die ihre<br />

neue Umgebung neugierig erkundeten. Nach 40 Minuten hatten sich die Kontrolltiere an das<br />

50


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Neue gewöhnt, die PBDE-behandelten Tiere waren allerdings deutlich aktiver. <strong>Die</strong>se<br />

Hpyeraktivität, die auch bei Mäusen beobachtet wurde, die im Alter von zehn Tagen mit DDT<br />

behandelt wurden, kann als Unfähigkeit interpretiert werden, neue Stimuli zu verarbeiten<br />

(Swedish EPA.1998, 91 & 92).<br />

Organische Quecksilberverbindungen wie Methylquecksilber können besonders schwerwiegende<br />

Nervenschäden hervorrufen. Sie lagern sich stark in Gehirn und Rückenmark ab (s.<br />

Kap. 7)<br />

Weitere Ausführung zu neurotoxischen Wirkungen finden sich in Kapitel 3.<br />

3.1.7 Mit dem Chlorgehalt steigt die Giftigkeit<br />

Gerade die Faktoren, die <strong>Dauergifte</strong> so schwer abbaubar machen <strong>–</strong> ihr Gehalt an Halogenen<br />

wie Chlor und Brom oder ihre aromatische Struktur <strong>–</strong> sind auch Faktoren, die in der Regel<br />

die Toxizität eines Stoffes erhöhen.<br />

Der renommierte Würzburger Toxikologe <strong>Die</strong>trich Henschler hat den Zusammenhang<br />

zwischen dem Chlorgehalt und der Toxizität organischer Substanzen eingehend untersucht<br />

und kam zu einem aufschlußreichen Ergebnis (Henschler 1994):<br />

"<strong>Die</strong> Einführung von Chlor in organische Verbindungen ist nahezu regelhaft mit einer<br />

Verstärkung des toxischen Wirkungspotentials verbunden. Nur selten hat die Einführung von<br />

Chlor keine Wirkungssteigerung oder gar eine Verminderung der Wirkung zur Folge. <strong>Die</strong>se<br />

Feststellung betrifft grundsätzlich alle toxischen Wirkqualitäten (akute, subchronische und<br />

chronische Toxizität, Reproduktionstoxizität, Mutagenität und Canzerogenität). [.. ...]<br />

Aus dem Gesagten ist abzuleiten, daß die Einführung von Chlorsubstituenten in organische<br />

Verbindungen im allgemeinen zu größerer chemischer und biologischer Reaktivität <strong>–</strong> mithin<br />

auch zu höherer Toxizität <strong>–</strong> führen sollte.[...]<br />

Häufig ist ein direkter Zusammenhang zwischen Chlorierungsgrad und akuter, v.a. aber<br />

chronischer Toxizität feststellbar, z.B. bei Chlormethanen, Chlorethanen, Chlorbenzolen. [...]<br />

Durch die Einführung von Chlor treten häufig auch neue Wirkqualitäten auf. Sie betreffen im<br />

Hinblick auf akute und subchronische Effekte überwiegend die parenchymatösen Organe<br />

(vor allem Leber und Niere, seltener Milz) sowie Kreislauf und Zentralnervensystem. [...]<br />

Durch die Einführung von Chlor werden die meisten hier betrachteten organischen<br />

Verbindungen gentoxisch (mutagen) und/oder krebserregend. [...]<br />

Ein Drittel der krebserregenden Stoffe der MAK-Liste sind Chlororganika.“<br />

Aus diesen Gründen stellen Produkte der Halogen- bzw. Chlorchemie auch heute noch die<br />

gefährlichsten Vertreter der <strong>Dauergifte</strong> dar.<br />

51


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

3.2 Schädliche Wirkungen auf Menschen<br />

In welcher Weise können auch Menschen von <strong>Dauergifte</strong>n betroffen sein? Zwar lassen sich<br />

Erkenntnisse aus Tierbeobachtungen nicht direkt auf Menschen übertragen, doch nicht ohne<br />

Grund werden Entwicklungen von Medikamenten abgebrochen, wenn sich im Tierversuch<br />

negative Wirkungen zeigen. Da Menschen am Ende der Nahrungskette stehen, werden sie<br />

in besonderem Maße von den <strong>Dauergifte</strong>n erreicht. Sie gefährden unsere Gesundheit mit<br />

akuten (siehe Kap. 3.2.6) und chronischen Auswirkungen (Kap. 3.2.1 ff).<br />

In der modernen Gesellschaft sind Körper und Psyche des Menschen in vielfältiger Weise<br />

belastet. Menschen sind über Lebensmittel, Getränke, Rauch, Belastungen in Innenräumen<br />

und Arbeitsplätzen einer Vielzahl von Gefahrstoffen ausgesetzt. <strong>Die</strong> Einzelbelastungen<br />

liegen dabei oft im Niedrigdosisbereich. Daher ist es extrem schwierig, negative Wirkungen<br />

einzelner Gefahrstoffe zu erkennen. Beim Menschen sind, bedingt durch die moderate, aber<br />

langfristige Aufnahme von <strong>Dauergifte</strong>n meist eher subtilere Effekte als zum Beispiel bei<br />

Wildtieren (Unfruchtbarkeit) zu erwarten. Unser Nervensystem reagiert wahrscheinlich am<br />

empfindlichsten auf <strong>Dauergifte</strong> (Swedish EPA, 1998, 91).<br />

3.2.1 Krebs<br />

In den letzten 50 Jahren stieg die Rate bestimmter Krebsarten deutlich an. So nahm das<br />

Auftreten von Hodenkrebs in Industrieländern um den Faktor zwei bis vier zu. <strong>Die</strong><br />

Sterblichkeit an Brustkrebs in den USA stieg seit den 40er Jahren um etwa ein Prozent pro<br />

Jahr an (PSR 1994). Viele Wissenschaftler vermuten einen Zusammenhang mit<br />

Umweltschadstoffen, doch kausale Beweise gibt es bislang kaum.<br />

S. Abbildung 6 (Anhang)<br />

Dänische Forscher am Kopenhagener Zentrum für Bevölkerungsentwicklung konnten<br />

anhand einer groß angelegten epidemiologischen Studie zeigen, daß das Insektengift<br />

<strong>Die</strong>ldrin bei Frauen Brustkrebs erzeugt. <strong>Die</strong> Forscher haben dazu 20 Jahre lang mehr als<br />

7000 Frauen untersucht. Nach ihren Ergebnissen verdoppelt sich die Wahrscheinlichkeit, an<br />

Brustkrebs zu erkranken, wenn das Blut der Frauen sehr hoch mit dem Wirkstoff <strong>Die</strong>ldrin<br />

belastet ist. <strong>Die</strong>ldrin wirkt im Körper wie das Hormon Östrogen und fördert offensichtlich die<br />

Entwicklung von Brusttumorzellen, vermutet Annette Hoyer <strong>–</strong> eine der Forscherinnen (NBC<br />

news, 17.12.1998; Hoyer et al., 1999).<br />

In der Regel gibt es aber keine ausreichenden Belege für einen monokausalen Zusammenhang<br />

zwischen hormonell wirksamen <strong>Dauergifte</strong>n und dem Anstieg von Krebskrankheiten.<br />

Es gibt aber deutliche Hinweise: So nimmt seit einigen Jahrzehnten in den Industrieländern<br />

die Rate von Krebserkrankungen an den Sexual- und Fortpflanzungsorganen zu. <strong>Die</strong> Hoden-<br />

52


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

krebsrate steigt jährlich um zwei bis fünf Prozent. Ebenso nehmen Brust- und Prostatakrebs<br />

zu (Swedish EPA, 1998, 112).<br />

Auch Dioxine können Krebs auslösen. So zeigen Bevölkerungsgruppen, die vermehrten<br />

Dioxinkonzentraionen ausgesetzt sind, erhöhte Raten verschiedener Krebserkrankungen<br />

Das ist beispielsweise der Fall bei den Opfern der Seveso-Katastrophe (siehe Kap. 3.2.6).<br />

Ein weiteres Beispiel sind Fischer, die an der Ostküste Schwedens leben. Ihre Belastung mit<br />

Dioxinen ist etwa doppelt so hoch wie bei einem durchschnittlichen Schweden, da sie sehr<br />

viel belasteten Fettfisch aus der Ostsee verzehren. <strong>Die</strong> Dioxin-Belastung kann ein Grund<br />

dafür sein, daß für Fischer in der südöstlichen Provinz Blekinge das Risiko, an Magenkrebs<br />

zu erkranken, etwa doppelt so hoch ist wie gewöhnlich (Swedish EPA, 1998, 110f).<br />

3.2.2 Fortpflanzungsfähigkeit<br />

Zu den am häufigsten diskutierten Wirkungen der <strong>Dauergifte</strong> zählt das Absinken der Zahl<br />

männlicher Samen. <strong>Die</strong> erste umfassende Untersuchung dazu stammt von der dänischen<br />

Arbeitsgruppe unter Niels Skakkebaek (Colborn et al., 1996). <strong>Die</strong> Gruppe verglich in 62<br />

Studien fast 15.000 Männer aus Afrika, Asien, Australien, Europa sowie Nord- und Südamerika.<br />

Für die Nationale Wissenschaftsakademie der USA hat die Forscherin Shanna Swan im<br />

Jahr 1997 Skakkebaeks Arbeit überprüft und sein Ergebnis bestätigt: So nimmt in den USA<br />

die Spermienzahl jährlich um rund 1,5 Prozent ab <strong>–</strong> das entspricht einem Verlust von<br />

1.500.000 Spermien pro Milliliter Samenflüssigkeit; in Europa ist die Abnahme etwa doppelt<br />

so hoch. Dadurch wird die männliche Fruchtbarkeit zwar noch nicht aufgehoben, der Trend<br />

ist für Swan aber ein Warnsignal. Sie wundert sich nicht, daß auch die Hypospadie zunimmt.<br />

Das ist bei Männern eine angeborene Fehlbildung der Harnröhre <strong>–</strong> die Harnnöhrenmündung<br />

endet nicht wie normal am unteren Ende des männlichen Glieds (Reuters, 1997).<br />

Opfer von Dioxinunfällen zeigen Störungen ihres Fortpflanzungsvermögens, einen Anstieg<br />

des Mädchenanteils bei Geburten und Mißbildungen bei Kindern. Mißbildungen von<br />

Geschlechtsorganen haben in der Regel auch eine niedrigere Fruchtbarkeit zur Folge.<br />

Allerdings wird dieser Zusammenhang in Fachkreisen noch kontrovers beurteilt. <strong>Die</strong><br />

Hypothese, daß hormonell wirksame Stoffe die menschlichen Sexualfunktionen und das<br />

Reproduktionsvermögen beeinflussen, können derzeit weder bestätigt noch widerlegt<br />

werden (Swedish EPA, 1998, 113).<br />

Auch das World Resources Institut (WRI 1998) kam zu einem ähnlichen Urteil: "... some<br />

researchers have suggested that endocrine disrupters may be associated with a decline in<br />

sperm counts in the general population. This hypothesis emerged when Danish, French,<br />

Belgian, and British researchers noted as much as a 50 percent decline in sperm counts over<br />

the past 20 to 60 years <strong>–</strong> roughly the same time during which the use of the endocrine<br />

disrupters became widespread. Studies in the United States, France, Finland, however, have<br />

not seen a decline in sperm counts; some have even reported an increase. That leaves<br />

researchers uncertain about, first, whether a decline in sperm counts has actually occurred in<br />

53


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

some parts of the world; and second, if it has, whether such a decline can be attributed to the<br />

influence of endocrine disrupters."<br />

Gut belegt ist dagegen die Verdopplung der Rate von Hodenhochstand bei Jungen seit den<br />

60er Jahren (Group JRHCS 1986).<br />

Nachdem im Jahr 1979 einige thailändische Frauen über Monate hinweg PCBkontaminierten<br />

Reis konsumierten traten bei den in den nachfolgenden sechs Jahren<br />

geborenen Kindern deutliche Schäden auf: Veränderungen von Haut und Nägeln, verzögerte<br />

Entwicklung, Hyperaktivität (Chen 1994). <strong>Die</strong> betroffenen Jungen, die heute das<br />

Erwachsenenalter erreicht haben, haben im Durchschnitt kleinere Penisse als normal (Guo<br />

1993). <strong>Die</strong>se Beispiel zeigt als eines von vielen, daß Kinder besonders durch die <strong>Dauergifte</strong><br />

bedroht sind.<br />

3.2.3 Besondere Gefahr für Kinder<br />

Kinder sind einem besonderen Risiko durch <strong>Dauergifte</strong> ausgesetzt. Während der Stillzeiten<br />

kann das Baby die größte Schadstoffexposition seines Lebens erfahren. Aber auch größere<br />

Kinder nehmen pro Kilogramm Körpergewicht mehr Gifte als Erwachsene auf, weil ihr Körper<br />

in der Entwicklung ist und sie deshalb einen intensiveren Stoffwechsel und eine höhere<br />

relative Nahrungsaufnahme haben. Selbst kleine Mengen an Schadstoffen, die erwachsene<br />

Menschen nicht schädigen, können die Entwicklung der Kinder stören. Studien zeigen, daß<br />

ein Fötus über einhundert Mal empfindlicher auf Dioxine reagiert als ein Erwachsener: Eine<br />

einzige Niedrigdosisgabe von Dioxinen an trächtige Ratten in der kritischen Phase der<br />

embryonalen Entwicklung hatte eine permanente Schädigung des Reproduktionssystems<br />

der Jungen zur Folge, so einen Rückgang der Spermienzahl der männlichen Jungratten um<br />

40 Prozent. <strong>Die</strong> hier eingesetzte Dioxindosis liegt nahe an den Dioxinbelastungen, die in<br />

industrialisierten Regionen Europas, der USA oder Japans auftreten (WWF 1999).<br />

Kinder spielen am Boden, dort wo Biozide aus Teppichen ausdünsten und sich der mit vielen<br />

<strong>Dauergifte</strong>n wie Phthalaten durchsetzte Hausstaub absetzt. Sie nuckeln und lutschen an<br />

Beißringen aus dem Kunststoff Polyvinylchlorid (PVC), das erst durch Zusatz von Weichmachern<br />

(sog. Phthalaten) weich wird (Swedish EPA, 1998, 69). Der britische Umweltverband<br />

„Friends of the Earth“ (FoE) empfiehlt Verbrauchern und Verbraucherinnen, auf kosmetische<br />

Produkte oder Reinigungsmittel zu verzichten, die die hormonell wirksamen Stoffe<br />

Nonoxinol oder Nonylphenol-Ethyoxylat enthalten. Greenpeace und andere Umweltverbände<br />

warnen vor Produkten aus Weich-PVC, weil aus ihm Weichmacher wie Phthalate<br />

ausdampfen. Computer oder Fernseher, die mit bromierten Flammschutzmitteln versehen<br />

sind, stellen ebenfalls eine Gesundheitsgefahr dar (FoE, 1998, BUND 1998). FoE betont<br />

auch, daß Kinder unter Chemikalien leiden können, deren Gefährlichkeit noch gar nicht<br />

erkannt wurde.<br />

54


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

3.2.3.1 Dauerbrenner PCB<br />

<strong>Die</strong> polychlorierten Biphenyle (PCBs) zählen zu den „Dauerbrennern“ unter den <strong>Dauergifte</strong>n.<br />

So machen PCB-Belastungen in öffentlichen Gebäuden und in Privathäusern immer wieder<br />

Schlagzeilen. Jürgen Jäger, PCB-Experte der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft<br />

(GEW), geht davon aus, daß in Deutschland rund 15.000 von insgesamt etwa 45.000<br />

Schulen mit PCBs belastet sind. Betroffen sind vornehmlich die Schulen, die in den 60er und<br />

70er Jahren gebaut wurden (Jäger, 1998).<br />

Der deutsche Gesetzgeber sieht Handlungsbedarf erst ab einer Raumluftbelastung von 300<br />

Nanogramm PCB pro Kubikmeter (ng/ m³). Niedrigere Konzentrationen gelten als tolerabel.<br />

Liegt die Belastung zwischen 300 und 3.000 ng PCB pro m³, sollte die Quelle der Belastung<br />

beseitigt werden, ab 3000 ng pro m³ werden akute Gefahren nicht ausgeschlossen, es muß<br />

saniert werden. Doch selbst 300 ng pro m³ sind für Jürgen Jäger zu hoch. Für ihn sollte die<br />

PCB-Belastung der Innenraumluft der Außenluft entsprechen: So liegt die Hintergrundkonzentration<br />

in ländlichen Regionen bei 0,1 ng PCBs pro m³ und in Städten zwischen 0,1 und<br />

10 ng pro m³ (Jost, 1999), also weit unterhalb des offiziell als unbedenklich geltenden<br />

Wertes.<br />

Verschiedene Studien über die Wirkung von PCBs und PCB-verwandten Substanzen (z.B.<br />

Dioxinen) zeigten verschiedene mögliche Störungen der Entwicklung des Menschen. Dazu<br />

gehören u.a. reduzierte intellektuelle Leistung, Wachstumsminderung, Schädigungen des<br />

Immunsystems und Reproduktionsstörungen. Einige dieser Effekte können bereits bei den<br />

heute üblichen Hintergrundkonzentrationen auftreten (Weisglas-Kuperus 1998, Brouwer<br />

1998, Allsopp 1997).<br />

Anfang der 80er Jahre untersuchten die Psychologen Sandra und Joseph Jacobsen von der<br />

Wayne State University, Detroit, 242 Kinder und deren Mütter im US-Bundesstaat Michigan.<br />

Sie wollten wissen, ob sich ein regelmäßiger Konsum von Fischen aus den Großen Seen,<br />

die mit PCBs und anderen Schadstoffen kontaminiert waren, auf die Gesundheit der Kinder<br />

aus-wirkt. <strong>Die</strong> Auswertung ergab: Je mehr Fisch die Mütter verzehrten, desto geringer waren<br />

Geburtsgewicht und Kopfumfang der Kinder und umso schlechter schnitten sie im Alter von<br />

vier Jahren bei Sprach- und Gedächtnistests ab (Jacobsen et al., 1984; Jacobsen &<br />

Jacobsen, 1996; UBA, 1998). Derzeit wird die Jacobsen-Studie an der State University of<br />

New York in Oswego am Ontario-See überprüft. Zwischenergebnisse der noch laufenden<br />

Untersuchung bestätigen die Lerndefizite bei Kindern, deren Mütter viel belasteten Fisch<br />

verzehren (Darvill, 1998). Auch Untersuchungen in den Niederlanden und North Carolina,<br />

USA, zeigen einen Zusammenhang zwischen der PCB-Belastung von Frauen und der<br />

Entwicklung ihrer Kinder (Swedish EPA, 1998, 115).<br />

<strong>Die</strong> Oswego-Kinderstudie wird ergänzt durch Laborversuche mit Ratten, die mit Lachs aus<br />

dem Ontario-See gefütterten werden. <strong>Die</strong> Ergebnisse der Experimente überraschten die<br />

55


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Forscher, denn sie hatten aufgrund der hohen Schadstoffbelastung der Fische lethargische<br />

Nager erwartet. Doch die Ratten verhielten sich, solange ihr Leben friedlich verlief, normal.<br />

Konfrontiert mit negativen Ereignissen, wurden sie jedoch deutlich unruhiger als Kontrolltiere.<br />

Helen Daly, eine der Wissenschaftlerinnen, spricht von hyperaktiven Ratten. Sie stellte damit<br />

Verhaltensstörungen bei Nagern fest, die in ähnlicher Weise auch zunehmend bei Schulkindern<br />

beobachtet werden. So leiden in den USA bereits fünf bis zehn Prozent aller Kinder<br />

im schulpflichtigen Alter an Symptomen wie Hyperaktivität und Konzentrationsschwächen. In<br />

Deutschland gelten ein bis zwei Prozent der Schulkinder als hyperaktiv. <strong>Die</strong>se Schlußfolgerung,<br />

<strong>Dauergifte</strong> verursachten das Zappelphilipp-Syndrom, ist in der Fachwelt allerdings<br />

umstritten.<br />

Abschließende Urteile hält der Psychologe Gerhard Winneke vom Medizinischen Institut für<br />

Umwelthygiene an der Universität Düsseldorf für verfrüht. Er untersucht derzeit die mentale<br />

und motorische Entwicklung von mehr als 100 Neugeborenen und fand einen Zusammenhang<br />

zwischen PCB-Belastung der Muttermilch und geistiger Entwicklung von Babys im Alter<br />

von sieben Monaten: <strong>Die</strong>se Babys suchen beispielsweise weniger aufmerksam nach einem<br />

Gegenstand, der hinter einem Schirm versteckt wird <strong>–</strong> möglicherweise aber nur vorübergehend.<br />

Denn nach dem vorläufigen Stand der Auswertung der Untersuchungen im<br />

Alter von 18 Monaten findet Winneke keine Anzeichen für eine verzögerte Entwicklung. Das<br />

letzte Wort ist noch nicht gesprochen: In einer ähnlichen Studie fanden niederländische<br />

Kollegen auch noch bei Kindern im Alter von 42 Monaten deutliche Hinweise auf einen<br />

Zusammenhang zwischen frühkindlicher PCB-Belastung und ihrer Entwicklung (Winneke,<br />

1998).<br />

3.2.3.2 Pestizidbelastung bei Yaqui-Indianern<br />

<strong>Die</strong> US-Anthropologin Elizabeth Guillette hat gemeinsam mit mexikanischen Forschern<br />

drastische Unterschiede in der Entwicklung von Kindern aus zwei Gemeinden festgestellt,<br />

der möglicherweise auf einen umfangreichen Einsatz von Pestiziden zurückgeführt werden<br />

kann (Guillette et a., 1998).<br />

Es handelt sich um Yaqui-Indianer, die im Yaqui-Tal im Nordwesten Mexikos im Bundesstaat<br />

Sonora leben. Eine Gemeinde lebt im Tal, die dort lebenden Menschen werden als „Valleypeople„<br />

bezeichnet. <strong>Die</strong> zweite Gruppe bewohnt die Gebirgsausläufer, die Leute werden als<br />

„Foothill-people“ bezeichnet. <strong>Die</strong> Untersuchungen ergaben, daß die Neugeborenen der<br />

Valley-people im Schnitt etwa vier Zentimeter kleiner sind als die der Foothill-people. <strong>Die</strong><br />

Forschungen zeigten aber auch, daß die geistigen Fähigkeiten der Foothill-Kinder im Alter<br />

von vier und fünf Jahren deutlich ausgeprägter waren als die der Valley-Kinder im gleichen<br />

Alter. So waren sie in der Lage, skizzenhaft aber erkennbar Menschen zu zeichnen, wozu<br />

Valley-Kinder nicht in der Lage waren.<br />

56


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

S. Abbildung 7 (Anhang)<br />

Solche Unterschiede können viele Erklärungen haben. Allerdings ist auffällig, daß bei den<br />

beiden Yaqui-Gemeinden das soziale und kulturelle Umfeld sehr ähnlich ist; auch besteht<br />

eine enge genetische Verwandtschaft. Der deutlichste Unterschied zwischen beiden<br />

Gemeinden ist der Einsatz von Pestiziden, betont Elizabeth Guillette (Guillette, 1999). <strong>Die</strong><br />

Valley-Farmer haben zwischen 1959 und 1990 allein 33 verschiedene Wirkstoffe wie die<br />

<strong>Dauergifte</strong> DDT, <strong>Die</strong>ldrin, Endosulfan, Endrin oder Toxaphen eingesetzt, um die Baumwolle<br />

vor Schädlingen zu schützen. Bis zu 45 mal haben die Farmer im Tal Getreide von der<br />

Aussaat bis zur Ernte gespitzt.<br />

<strong>Die</strong> Foothill-People dagegen leben fast frei von Pestiziden. Sie sind überwiegend Rancher,<br />

Viehzüchter. Es wird gesagt, daß sie Pestiziden nur dann ausgesetzt waren, wenn die<br />

Regierung, um Malaria zu bekämpfen, DDT gespritzt hat. Für Guillette sieht es ganz danach<br />

aus, als ob die Pestizid-Belastung im Tal für den Kleinwuchs der Neugeborenen und die<br />

Entwicklungsstörungen der Kinder verantwortlich sind. Ein Beweis ist das jedoch nicht.<br />

3.2.3.3 Weichmacher in Kinderspielzeug<br />

Babys sind von Natur aus neugierig und untersuchen alles, was sich in ihrer Reichweite<br />

befindet. Zu ihrem Alltag gehören auch das Nuckeln an Beißringen, Rasseln und anderen<br />

Dingen. Ihr Spielzeug wird oft aus dem hartem Kunststoff Polyvinylchlorid (PVC) durch<br />

Zugabe von Weichmacher (überwiegend Diisononylphthalat - DINP) hergestellt. Weil<br />

bestimmte Phthalate im Laborversuch bei Nagetieren Krebs erzeugen, fordert Greenpeace<br />

seit 1996, diese <strong>Dauergifte</strong> schon aus Vorsorgegründe aus PVC-Baby- und<br />

Kinderspielzeugen zu bannen.<br />

Mit dem Slogan „Bonino save our bambinos <strong>–</strong> ban soft PVC toys„ wollte Greenpeace im<br />

Dezember 1998 Emma Bonino, als EU-Komissarin zuständig für Verbrauchersicherheit,<br />

überzeugen, Phthalate aus PVC-Spielzeugen zu bannen. Doch die Kommissarin weigerte<br />

sich mit dem Hinweis, daß die Experten im Wissenschaftlichen Ausschuß für Toxizität,<br />

Ökotoxizität und Umwelt (CSTEE) zuständig sei. <strong>Die</strong> Experten kamen zum Schluß, daß<br />

Weich-PVC-Spielzeug trotz der Zugabe von Phthalaten sicher seien. <strong>Die</strong> höchste Dosis, der<br />

ein Kind ausgesetzt sein kann, und die Dosis, bei der gesundheitliche Effekte in toxikologischen<br />

Studien festgestellt wurden, lägen weit genug auseinander. Doch der Ausschuß<br />

sieht Forschungsbedarf und empfiehlt der Industrie erst einmal, auf Phthalate in Beißringen<br />

u.a. Babyspielzeug zu verzichten. Während also die EU-Kommission zögert, liegt anderen<br />

Staaten das Wohl der Kinder mehr am Herzen: Schweden, Dänemark, Griechenland und<br />

Österreich haben ein nationales Verbot erlassen. Am 21. Juli 1999 beschloß auch die<br />

Deutsche Bundesregierung, Weich-PVC-Spielwaren für Kinder unter drei Jahren zu<br />

verbieten (Greenpeace 1999e).<br />

57


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Während viele Politiker lange Zeit untätig blieben und in vielen Ländern noch heute die<br />

Hände in den Schoß legen, folgten einige Unternehmen bereits dem Aufruf von Greenpeace.<br />

So kamen die deutschen Hersteller Continua, Novatex, FASHY, MAPA und Helly im Laufe<br />

des Jahres 1998 verstärkt mit PVC- und phthalatfreien Artikeln auf den Markt, die zum Teil<br />

als „PVC-frei“ gekennzeichnet sind. Einer der größten Vertreter der internationalen<br />

Spielzeugbranche, der US-amerikanische Konzern Mattel, verkündete im September 1997,<br />

künftig auf Phthalate im Babyspielzeug zu verzichten. Im November 1998 zog „Toys 'R' Us“<br />

nach (Greenpeace 1998) .<br />

3.2.4 Chemisch Verletzte: das Frühwarnsytem Mensch<br />

Eng mit der Innenraumbelastung durch Holzschutzmittel, Lösemittel und anderen Chemikalien<br />

ist ein Krankheitssyndrom verknüpft, das als vielfache Chemikalienunverträglichkeit<br />

MCS (Multiple Chemical Sensitivity) bezeichnet wird. MCS-Patienten leiden unter einer<br />

Vielzahl verschiedener Symptome. Sie fühlen sich müde und schwach, leiden an Kopfschmerzen,<br />

können sich nicht konzentrieren, haben Muskelschmerzen, sind reizbar und<br />

überempfindlich. Da die Krankheit oft nicht erkannt bzw. anerkannt wird, werden die<br />

„Chemisch Verletzten“ häufig als Simulanten diffamiert (Greenpeace Magazin, 1998). Doch<br />

sie sind nicht psychisch krank, sie sind vielmehr nachweislich durch Chemikalien geschädigt.<br />

So lassen sich im Hirn Chemisch Verletzter spezifische Durchblutungsstörungen nachweisen<br />

(siehe Kasten).<br />

MCS-gefährdet sind vor allem die Menschen, die am Arbeitsplatz (wie Maler und Drucker,<br />

aber auch Büroangestellte), in der Schule (auch Lehrer) oder daheim von vielen Chemikalien<br />

umgeben sind. Zu den Auslösern zählen Holzschutzmittel wie Lindan und Pentachlorphenol<br />

(PCP), Insekten- und Pilzgifte, Teppichkleber sowie Putz- und Reinigungsmittel. Wie viele<br />

Menschen an MCS leiden, ist schwer abzuschätzen. In Deutschland nehmen Umweltmediziner<br />

an, daß ein bis zwei Prozent <strong>–</strong> also 800.000 bis 1.600.000 Menschen <strong>–</strong> an MCS<br />

leiden. Nicholas Ashford vom Massachusetts Institute of Technnology (MIT) schätzt, daß in<br />

Industrieregionen bis zu 30 Prozent der Bevölkerung mehr oder weniger offensichtlich an<br />

MCS leiden (Ashford, 1998). Für ihn ist das Krankheitssymptom MCS ein Zwei- oder ein<br />

Mehrstufenprozeß: Zuerst führt eine Belastung mit einem Stoff dazu, daß der Organismus<br />

seine Toleranz gegenüber diesem Stoff verliert. Später reagiert der Körper bereits bei sehr<br />

geringen Dosen quasi allergisch und das nicht nur auf den auslösenden Stoff, sondern auch<br />

auf andere Chemikalien. Ashford nennt die Krankheit daher auch TILT (Toxicant-Induced<br />

Loss of Tolerance).<br />

Parkinson durch Umweltgifte?<br />

<strong>Die</strong> Mehrzahl der Fälle von Alters-Demenz bei Menschen über 50, das sogenannte<br />

Parkinson-Syndrom, kann durch nicht identifizierte Umweltchemikalien ausgelöst werden.<br />

58


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

<strong>Die</strong>s ergab eine Studie von Forschern in Sunnyvale in Kalifornien (Tanner et al., 1999). <strong>Die</strong><br />

Symptome sind starke Verlangsamung der Willkür- und Ausdrucksbewegungen, gebeugte<br />

Haltungen, Depressionen und Apathie.<br />

Allergien: <strong>Die</strong> neue Umweltseuche<br />

Unstrittig ist, daß die Häufigkeit von Allergien in der Bevölkerung in den vergangenen Jahrzehnten<br />

stark zugenommen hat. Das Bundesforschungsministerium nimmt an, daß 10-20<br />

Prozent der Bevölkerung eine allergische Sensibilisierung aufweist. (TAB 1997). Bei<br />

deutschen Rekruten haben Allergien von 6 Prozent im Jahr 1958 auf 21 Prozent im Jahr<br />

1990 zugenommen (Krczak 1996).<br />

An der Zunahme an Allergien scheinen mehrere Ursachen beteiligt zu sein: „Zum Beispiel<br />

eine insgesamt verstärkte Allergenexposition <strong>–</strong> v.a. im Lebensmittelbereich durch exotische<br />

Nahrungsmittel und durch Fernreisen <strong>–</strong> sowie der erhöhte Arzneimittelkonsum, aber auch die<br />

allgemeine Chemisierung der menschlichen Umwelt“ (TAB 1997).<br />

3.2.5 Inuit <strong>–</strong> Opfer der <strong>Dauergifte</strong><br />

Alarmierender Gehalt an Umweltgift PCB im Blut von Grönländern,“ so titelte die Deutsche<br />

Presseagentur eine Meldung am 21. Juli 1999. Zugrunde liegt dieser Nachricht einer neue<br />

Studie des Instituts für Umwelt- und Arbeitsmedizin im dänischen Aarhus, der zufolge die<br />

Grönländer zu den am höchsten belasteten Bevökerungsgruppen der Welt gehören: Ein<br />

Drittel der Männer an der Ostküste Grönlands weise mehr als 100 µg PCBs pro Liter Blut<br />

auf. <strong>Die</strong> Vergleichswerte in Deutschland liegen nach einer Auskunft des Umweltbundesamts<br />

bei 3,5 µg pro Liter Blut (DPA 1999).<br />

<strong>Die</strong> Existenz von <strong>Dauergifte</strong>n in arktischen und subarktischen Gegenden ist seit den 70er<br />

Jahren bekannt. Mit der Belastung der dort lebenden Inuit (Eskimo) befassen sich<br />

Wissenschaftler jedoch intensiv erst seit einigen Jahren. So ist es eine traurige Ironie, daß<br />

man auf Suche nach wenig belasteten Kontrollpersonen in entlegenen Inuitdörfern auf<br />

Menschen mit höchsten Schadstoffbelastungen gestoßen ist: die Menschen auf der<br />

Broughton-Insel (Qikiqtarjuag), einer Insel nahe der Baffin-Insel. Für ihre Bewohner<br />

verursachten die Berichte über ihre Belastung ein soziales und wirtschaftliches Desaster:<br />

Andere Inuit-Gemeinschaften mieden das „PCB-Volk“ und unterbanden Handel und<br />

Eheschließungen (Colborn et al., 1996). Sehr hoch sind auch die sibirischen Inuit belastet,<br />

vermutet Sheila Watt-Cloutier, Vizepräsidentin der Inuit Circumpolar Conference (ICC). Das<br />

ist die Organisation, die die Interessen der Inuit Amerikas, Europas und Sibiriens vertritt: „Ich<br />

habe zwar keine Studien, aber ich kenne die russischen Kollegen. Dort gibt es Orte, wo der<br />

Teint der Leute grau ist und das nur, weil deren Nahrung und die Luft, die sie atmen, so<br />

vergiftet ist„ (Watt-Cloutier, 1998). So sind sibirische Flüsse viel stärker mit<br />

59


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Hexachlorcyclohexanen belastet als norwegische oder kanadische Flüsse, und die PCB-<br />

Konzentrationen in Meeressedimenten an der sibirischen Küste ist höher als die vor Kanada<br />

(AMAP, 1997, 82 & 85).<br />

Betroffen sind vor allem die Inuit, die an den Küsten leben und sich traditionsgemäß überwiegend<br />

von Seehunden, Walen, Karibous und Fischen ernähren. Doch viele Robben,<br />

Narwale, Walrosse und andere Tiere sind mit Schadstoffen belastet. Mehr als 3 mg DDT<br />

wurde beispielsweise in einem Kilo Speck von Belugawalen gefunden, in Narwalen mehr als<br />

8 mg Toxaphen pro Kilo Speck und in Walrossen mehr als 3 Milligramm PCB pro Kilogramm<br />

Speck.<br />

Im Blut bei grönländischen Müttern wurden die höchsten Level an HCB, Mirex und Chlordan<br />

gefunden, gefolgt von Inuitfrauen in Kanada. Auch bei der PCB- und DDT-Belastung sind<br />

grönländische Mütter unter den arktischen Völkern mit am stärksten belastet (Gilman 1997) .<br />

Land /<br />

Kanada 1<br />

Grönland 2<br />

Schweden 3<br />

Norwegen 4<br />

Island 5<br />

Rußland 6<br />

Dauergift<br />

(n = 67)<br />

(n = 117)<br />

(n = 40)<br />

(n = 60)<br />

(n = 40)<br />

(n = 51)<br />

β-HCH 9.3 18.5 9.2 8.1 32.1 222.5<br />

α-<br />

1.0 1.1 1.0 1.3 1.3 1.6<br />

Chlordane<br />

γ<br />

-chlordane 1.1 1.3 1.0 1.3 1.3 1.4<br />

6.6 20.9 1.2 1.8 2.7 5.3<br />

p,p’-DDE 133 407 84.0 79.4 113.2 411.9<br />

p,p’-DDT 7.9 15.0 2.4 3.0 4.0 48.3<br />

HCB 55.1 97.6 15.6 23.1 41.2 62.8<br />

Mirex 4.5 9.1 1.1 1.4 1.9 1.4<br />

Cisnonachlor<br />

Oxychlordane<br />

27.8 60.8 1.9 3.7 6.6 3.3<br />

Transnon- 30.5 110 3.8 6.8 12.2 11.5<br />

60


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

achlor<br />

1 Inuit women from west/central NWT, 2 women from Disko Bay region, 3 women from Kiruna, 4 women<br />

from Hammerfest and Kirkenes, 5 women from Nikel. Dauergiftkonzentrationen in Blutplasma von Müttern<br />

Circumpolar Study 1994-1996 (Mittelwerte in µg/kg Fett (ppt)) (Gilman et al. 1997).<br />

Bei den Inuit zeigt sich besonders deutlich, daß Menschen im hohen Norden stärker belastet<br />

werden, als weiter südlich: Nordkanadische Inuitfrauen, die viel Fisch und Meeressäuger<br />

aßen, hatten PCB-Konzentrationen in ihrer Muttermilch, die sieben mal höher lagen als bei<br />

Frauen in Südkanada (Dewailly 1993). In einer anderen Studie wurden bei erwachsenen<br />

Inuit aus Nordkanada PCB-Körperbelastungen gefunden, die 15-fach höher waren als in<br />

Süd-kanada (Ayotte 1997). Auch die Muttermilch ist bei Inuit in Nordkanada um ein<br />

mehrfaches höher belastet, als in Südkanada (Dewailly 1993).<br />

Dauergift<br />

Inuitfrauen (n = 107) aus<br />

dem arktischen Quebec<br />

(ppt)<br />

Frauen aus Süd-Quebec<br />

(n = 50)<br />

(ppt)<br />

DDE 1212 ± 170 336 ± 18<br />

HCB 136 ± 19 28 ± 3<br />

<strong>Die</strong>ldrin 37 ± 5 11 ± 1<br />

Mirex 16 ± 4 1.6 ± 0.3<br />

Heptachlor epoxide 13 ± 2 8 ± 1<br />

Trans-chlordane 3.7 ± 0.4


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

<strong>Die</strong> Folge: Babys im Norden Kanadas nehmen mit der Muttermilch etwa im Schnitt<br />

siebenmal soviel PCBs zu sich wie Säuglinge im Süden Kanadas oder in den USA und<br />

überschreiten damit die von der WHO empfohlenen Grenzwerte um das 10- bis 20fache<br />

(Töpfer, 1998).<br />

Untersuchungen zeigen, daß vor allem auch bei den Inuitkindern durch die Dauergiftbelastung<br />

besorgniserregende Gesundheitsstörungen auftreten: So wurde ein Zusammenhang<br />

zwischen der Aufnahme chlororganischer <strong>Dauergifte</strong> und Störungen des Immunsystems<br />

festgestellt (Dewailly 1993b). Der gleiche Forscher registrierte, daß das Wachstum männlicher<br />

Inuitkinder bei einer höheren Aufnahme von chlororganischen <strong>Dauergifte</strong>n über die<br />

Muttermilch beeinträchtigt wird: <strong>Die</strong> Kinder erreichen im Schnitt nicht die Größe ihrer Altersgenossen,<br />

die weniger belastet sind (Dewailly 1993c). Ähnliche Effekte sind bereits aus<br />

anderen Fällen hoher PCB-Belastung bekannt, etwa bei dem Unglück durch PCB-Vergiftung<br />

von Reis in Taiwan (s. Kap. 3.2.6).<br />

Dennoch versuchen offizielle Inuit-Vertreter wie Watt-Cloutier, nicht in Panik zu verfallen.<br />

Denn für sie überwiegen die Vorteile der natürlichen Nahrung. „Für uns ist Nahrung mehr als<br />

nur pures Essen. Wir haben eine spirituelle Beziehung zu unserer Nahrung. Es ist unser<br />

Lebensart, dadurch definieren wir uns. Das werden wir nicht aufgeben. Daher fordern wir:<br />

Eliminiert diese Gifte!“<br />

<strong>Die</strong> <strong>Bedrohung</strong> durch <strong>Dauergifte</strong> war ein Thema auf der letzten Hauptversammlung der Inuit,<br />

die vom 24. bis 31. Juli 1998 in Nuuk auf Grönland stattfand. Auf ihren Hauptversammlungen,<br />

die alle drei bis vier Jahre stattfinden, treffen sich Inuit aus Grönland, Alaska, Kanada<br />

und der Tschuktschen-Halbinsel am Ostzipfel Sibiriens. In Nuuk beschlossen sie die Resolution<br />

„Transboundary Contaminants and Public Health„. Kernpunkt der Resolution sind<br />

(Weinberg, 1998):<br />

“That the general assembly of the Inuit Circumpolar Conference directs its Executive<br />

Council to treat contamination of the circumpolar region by POPs as a matter of the<br />

highest political, health and environmental priority, to advocate on the international<br />

stage to eliminate POPs of concern in the circumpolar region, and to communicate<br />

regularly to regional and local Inuit organizations on POPs-related issues."<br />

„Calls upon the eight Arctic nations, singly and collectively through the Arctic Council to<br />

vigorously persuade countries emitting key POPs to conclude a rigorous, verifiable and<br />

enforceable global treaty to eliminate POPs of concern in the Arctic.”<br />

Neben den Inuit gibt es weitere Bevölkerungsgruppen, die durch ihre Ernährung besonders<br />

vielen <strong>Dauergifte</strong>n ausgesetzt sind. So werden auf den nordatlantischen Faroer-Inseln jährlich<br />

mehrere hundert Pilotwale erlegt und konsumiert. <strong>Die</strong> Inselbewohner nehmen dadurch<br />

täglich im Durchschnitt 2 µg PCBs pro Kilogramm (kg) Körpergewicht auf <strong>–</strong> das doppelte des<br />

PCB-TDI (tolerierbarer täglicher Aufnahmewert) der USA Food and Drugs Administration<br />

(FDA) (Simmonds 1994).<br />

62


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

3.2.6 Dauergift-Katastrophen<br />

<strong>Dauergifte</strong> können auch Katastrophen auslösen wie am 10. Juli 1976 in Norditalien. Damals<br />

kam es in der oberitalienischen Stadt Seveso zu einem chlorchemischen Störfall. Sicherheitsventile<br />

einer überhitzten Kesselanlage barsten, und neben Trichlorphenol entwichen<br />

über 2 kg an Dioxin. Chlorakne war eine der akuten Erkrankungen. <strong>Die</strong> Zahl der Mißgburten<br />

in dem Ort stieg von 4 (1976) auf 59 (1978) und die der Totgeburten von 8 (1976) auf 14<br />

(1978). Langzeitfolgen wie Krebs und Erbgutschäden werden allerdings erst nach<br />

Jahrzehnten absehbar. Umstritten ist, ob die bisher beobachtete leichte Erhöhung der<br />

Krebsfälle (Leberkrebs, Nierenkrebs) epidemiologisch relevant ist (Katalyse, 1993).<br />

PCB-Unglücke<br />

In Ostasien kam es mehrfach zu Massenvergiftungen mit PCBs. Im Jahr 1968 erkrankten im<br />

japanischen Yusho über 1.600 Japaner nach dem Genuß von Reisöl, in das aus einem<br />

defekten Behälter PCBs bis zu einer Konzentration von 200 mg/kg und Dibenzofurane bis zu<br />

5 mg/kg eingesickert waren. <strong>Die</strong> Betroffenen litten unter anderem an Chlorakne, Haarausfall,<br />

Leberschäden, Immunschwäche, Fehlgeburten, erhöhter Krebssterblichkeit, und Kinder<br />

kamen mißgebildet zur Welt. Elf Jahre später ereignete sich auf Taiwan eine zweite Reisölvergiftung<br />

durch PCBs. Betroffen waren diesmal rund 1.900 Einwohner in Yu-Cheng.<br />

Glücklicherweise betrug die PCB-Konzentrationen hier nur ein Zehntel von der des Reisöls in<br />

Yusho, so daß die Erkrankungen insgesamt schwächer ausfielen (Verein für Umwelt- und<br />

Arbeitsschutz (VUA), PCB: Begrenzter Nutzen, grenzenloser Schaden, Bremen, 1991).<br />

Minamata-Krankheit<br />

Im japanischen Minamata kam es zwischen den 30er Jahren und 1968 zu schwerwiegenden<br />

chronischen Methylquecksilber-Vergiftungen bei etwa 2.000 Menschen und 46 Todesfällen<br />

(seit 1953). <strong>Die</strong> Menschen, die sich von Fisch aus der Minamata-Bucht ernährt hatten,<br />

zeigten schwere Nervenerkrankungen wie Sehstörungen, Empfindungsstörungen,<br />

Gleichgewichtsbeschwerden oder schwerste Apathie. Das Quecksilber stammte aus den<br />

Abwässern einer Chemiefabrik, die das Schwermetall als Katalysator bei der Herstellung von<br />

Acetaldehyd verwendet hatte. Im Meer war das Quecksilber von Mikroorganismen in das<br />

metallorganische Dauergift Methylquecksilber umgewandelt worden, das nicht nur hoch giftig<br />

ist, sondern sich auch stark im Fisch anreicherte, der Haupteiweißquelle vieler Bewohner der<br />

Bucht. Einige Jahre später kam es zu ähnlichen Vergiftungen in der japanischen Stadt<br />

Niigata, hier stammte das Quecksilber aus einer Anlage zur Vinylchlorind-/PVC-Produktion<br />

(Strubelt 1996, GESAMP 1990). Weitere Informationen zum Dauergift „Methylquecksilber„<br />

finden sich in Kapitel 7.<br />

63


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

3.3 Vergiftete Wildnis <strong>–</strong> Schadwirkungen bei Tieren<br />

Ob Sperber, Alligator, Delphin oder Robbe <strong>–</strong> die Wirkungen von <strong>Dauergifte</strong>n bei Tieren sind<br />

vielfältig. Letztlich bedrohen die Gifte nicht nur einzelne Tiere, sondern ganze Arten.<br />

3.3.1 Schäden und ihre Auslöser<br />

1993 hat die Schwedische Umweltagentur eine, wenn auch unvollständige, Liste von<br />

Umweltchemikalien veröffentlicht, die schon in geringen Dosen große Schäden hervorrufen<br />

(Swedish EPA, 1993, EEA, 1998):<br />

Beobachtung Organismus Substanz Bewertung<br />

Globales Auftreten<br />

dünne Lumme, Adler DDT 5<br />

Eierschalen<br />

Fischadler<br />

Wanderfalke<br />

Fruchbarkeits- Seehund, Otter PCB 4<br />

Störungen Nerz PCB 5<br />

Fischadler DDT, PCB 4-5<br />

Adler DDT, PCB 2-3<br />

Lachs Chlororganika 2<br />

Fehlbildungen Grauer Seehund DDT, PCB 2<br />

des Skeletts<br />

krankhafte Seehunde PCB, DDT 3<br />

Veränderungen<br />

& Abbauprodukte<br />

Globales Auftreten und in der Nähe von Papierindustrien<br />

Induktion Flußbarsch Mischung organi- 3<br />

metabolisierender<br />

scher Stoffe &<br />

Enzyme<br />

Dioxine<br />

64


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Regionales Auftreten: in der Nähe von Papierindustrien<br />

Induktion Flußbarsch Mischung organi- 3-4<br />

metabolisierender<br />

scher Stoffe &<br />

Enzyme<br />

Dioxine<br />

Mißbildungen des four-horned sculpin organische Stoffe 3-4<br />

Rückgrats<br />

Lokales Auftreten: Forstwirtschaft<br />

Induktion metaboli- Flußbarsch organische Stoffe 4-5<br />

sierender Enzyme<br />

Mißbildungen des four-horned fish organische Stoffe 4-5<br />

Rückgrats<br />

Larvenschäden Muscheln organische Stoffe 3<br />

zur Bewertung: 1= keine Effekte beobachtet, 2 = vermuteter Zusammenhang, 3 = schwacher<br />

Zusammenhang, 4 = deutlicher Zusammenhang, 5 = bedeutender Zusammenhang<br />

3.3.2 Wale<br />

Umweltgifte gefährden Moby Dicks Nachkommen wie nie zuvor: Immer öfter stranden im<br />

Winter Pottwale an unseren Küsten; die Meeresverschmutzung wird als eine der möglichen<br />

Ursachen diskutiert (Sonntag 1999; Jacques 1997). <strong>Die</strong> Körper der Tiere sind so hoch mit<br />

langlebigen Umweltgiften belastet, daß sie als Sondermüll entsorgt werden müssen (siehe<br />

Kap. 2.4).<br />

<strong>Die</strong> Dauergiftbelastung bei Walen hängt u.a. von der Position einer Walespezies in der<br />

Nahrungskette ab (trophische Stufe): Bartenwale (z.B. Blau- oder Finnwale), die sich vor<br />

allem von pflanzlichem und tierischem Plankton oder Krill ernähren, stehen in der<br />

Nahrungskette tiefer als Zahnwale (z.B. Pott-, Schwertwale oder Delphine), die überwiegend<br />

Fisch oder andere Meeressäuger fressen. <strong>Die</strong> höchsten Dauergiftbelastungen finden sich in<br />

den kleineren Zahnwalen wie Delphinen und Schweinswalen (Aguilar 1995).<br />

<strong>Die</strong> Konzentration der <strong>Dauergifte</strong> steigt bei beiden Geschlechtern gleichermaßen bis zur<br />

Geschlechtsreife an. Bei den männlichen Tieren setzt sich dann dieser Anstieg mit dem Alter<br />

fort. Bei weiblichen Walen wird dagegen oft eine Abnahme der Belastung festgestellt. <strong>Die</strong>s<br />

liegt an der Abgabe von <strong>Dauergifte</strong>n mit der Muttermilch an die gesäugten Nachkommen<br />

(Cockcroft 1989, Aguilar 1988).<br />

65


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

<strong>Die</strong> permanente Belastung mit <strong>Dauergifte</strong>n machen kanadische Forscher für hohe Tumorraten<br />

bei Beluga-Walen im St. Lorenz-Strom mitverantwortlich. So enthalten die meisten<br />

Tiere mindestens 50 mg PCBs pro kg (Fent, 1998). Obwohl Krebs bei Wildtieren äußerst<br />

selten ist, fanden die Wissenschaftler in neun von 45 verendeten Belugas zehn verschiedene<br />

bösartige Wucherungen. Das Immunsystem vieler dieser Wale war geschwächt, 15 litten an<br />

Lungeninfektionen und die Milchproduktion vieler Weibchen war gestört. Für die Wissenschaftler<br />

ist die Umweltbelastung eine Erklärung dafür, warum sich die Beluga-Population im<br />

St. Lorenz-Strom nicht erholt. Denn gejagt werden die Tiere nicht mehr (Martineau, 1994 &<br />

Béland, 1998).<br />

Bei Schweinswalen in der Ost- und Nordsee wurden Dauergiftbelastungen festgestellt, die<br />

möglicherweise die Aufrechterhaltung der Population beeinträchtigen. Teilweise sind die<br />

Bestände dieser Wale in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen (Kleiven 1995). Das<br />

Umweltbundesamt und die Universität Kiel starteten 1999 ein Forschungsprojekt, um diese<br />

Gefahr aufzuklären (UBA1999c).<br />

Selbst für die Internationale Walfangkommission (IWC) gelten heute Klimawandel und<br />

Verschmutzung als Hauptursachen für die seit zehn Jahren steigende Sterblichkeit unter<br />

Walen. „Während wir uns über Walfangquoten unterhalten, um die Bestände zu schützen,<br />

bedroht eine unsichtbare Gefahr eben diese Bestände“, erklärt James Baker, amerikanischer<br />

Kommissar bei der IWC auf der Hauptversammlung der im Mai 1998 in Oman (Agence<br />

France Presse, 1998).<br />

3.3.3 Robben<br />

Nach dem zweiten Weltkrieg, in den 60er und 70er Jahren, kollabierte die Population der<br />

Robben in der Ostsee. Dort leben Kegel- und Ringelrobben sowie Gemeine Seehunde.<br />

Obwohl die Jagd eingestellt wurde, reduzierte sich deren Bestand auf einige Tausend Tiere.<br />

<strong>Die</strong> Ursache war die starke Zunahme unfruchtbarer Weibchen. Untersuchungen an toten<br />

Tieren zeigten krankhafte Veränderungen der Gebärmutter. So waren vier von fünf<br />

Weibchen des Gemeinen Seehundes unfruchtbar. Wissenschaftler fanden eine Korrelation<br />

zwischen Anomalien der Gebärmutter und einer erhöhten Schadstoffkonzentration in den<br />

Robbenkörpern. Weiterhin wurden Schäden an der Haut, dem Skelett, den Blutgefäßen und<br />

den Nieren festgestellt. Auffällig waren auch deren abnormal vergrößerte Nebennieren (im<br />

Mark der Nebennierenrinde wird das Hormon Adrenalin produziert). Studien zeigten, daß nur<br />

27 Prozent der erwachsenen weiblichen Ringelrobben im stark verschmutzten Bottnischen<br />

Meerbusen trächtig wurden, in Gebieten geringerer Verschmutzung lag die Rate bei 80-90<br />

Prozent (Helle 1976). <strong>Die</strong>se Symptome schienen zunächst für die stark belastete Ostsee<br />

spezifisch zu sein, doch Reproduktionsstörungen von Robben an der niederländischen Küste<br />

und von Seelöwen in Kalifornien sind wohl auch auf Schadstoffe zurückzuführen. Trotz<br />

intensiver Forschungen ist unklar geblieben, welche Schadstoffe im einzelnen für die<br />

Populationsrückgänge verantwortlich sind. Als verdächtigste Stoffe gelten polychlorierte<br />

66


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Biphenyle (PCBs) und Abbauprodukte des Insektengiftes DDT. Der generelle<br />

Zusammenhang mit den <strong>Dauergifte</strong>n gilt als belegt.<br />

Wie bei anderen Säugern, so geben auch die Robben <strong>Dauergifte</strong> in großem Umfang direkt<br />

über die Plazenta und die Muttermilch an ihre Nachkommen weiter. Weibliche Ringelrobben<br />

verlieren dabei ca. 38 Prozent ihrer gesamten Körperbelastung von DDT, 25 Prozent der<br />

PCBs und 30 Prozent der Chlordane und geben sie direkt an ihre Jungen weiter (Nataka<br />

1998). Durch diesen Transfer großer Giftmengen von den Eltern auf die Kinder werden die<br />

<strong>Dauergifte</strong> über Generationen weitergereicht, selbst dann noch, wenn die Belastung der<br />

Meere selbst zurückgeht (Tanabe 1994).<br />

<strong>Die</strong> Robbenbestände der Ost- und Nordsee konnten sich dank rückläufiger DDT- und PCB-<br />

Konzentrationen inzwischen teilweise erholen. <strong>Die</strong> Zahl der trächtigen Weibchen der Graurobben<br />

stieg wieder von 17 Prozent auf 60 Prozent, und deren Population erholt sich seit den<br />

80er Jahren. Das gilt jedoch nicht für alle Ostseerobben. So nehmen die Bestände der<br />

Ringelrobben im Bottnischen Meerbusen nur sehr langsam zu, und im Finnischen<br />

Meerbusen scheint es diesen Robben sogar schlechter zu gehen (Swedish EPA, 1998,<br />

100f). Bei Sattelrobben in der Barentssee (Gewässer der nordeuropäischen Arktis) wurden in<br />

jüngster Zeit beunruhigende Veränderungen der Fortpflanzungsfähigkeit beobachtet: In den<br />

letzten 30 Jahren stieg das durchschnittliche Alter der Geschlechtsreife bei weiblichen Tieren<br />

erheblich an: Von 5,5 Jahren zwischen 1963-72 auf 6,7 Jahre zwischen 1976 -85 und weiter<br />

auf 8,1 Jahre in der Periode 1990-93 (Kjellquwist 1995). <strong>Die</strong>ser Befund könnte eine Folge<br />

der „Globalen Destillation“ von <strong>Dauergifte</strong>n sein (Kap. 2.3.1).<br />

Bei Ostsee-Kegelrobben, die nach 1960, einem Zeitraum mit starkem Anstieg der Meeresverschmutzung,<br />

geboren wurden, stieg die Rate von Skelettdeformationen drastisch an.<br />

Etwa 30 Prozent der Robben zeigten abnormale Entwicklungen des Schädels:<br />

S. Abbildung 8 (Anhang)<br />

Mehrere Studien zeigten, daß verschiedene <strong>Dauergifte</strong> (z.B. PCBs) das Immunsystem der<br />

Robben beeinträchtigen. So wurden bei höher belasteten Tieren niedrigere Retinol-(Vitamin<br />

A) und Thyroxinwerte sowie eine geschächte Immunabwehr bis hin zur Immunsuppression<br />

festgestellt (Brouwer 1998, Hall 1997).<br />

<strong>Die</strong> Dauerbelastung mit <strong>Dauergifte</strong>n kann ebenfalls ein ursächlicher Faktor für eine Reihe<br />

von Epidemien gewesen sein, die Ende der 80er Jahre unter Robben in verschiedenen<br />

Regionen der Welt wütete (siehe Kasten). An den untersuchten Kadavern war auffällig, daß<br />

neben hohen Konzentrationen an verschiedenen Schadstoffen wie PCBs auch Anzeichen für<br />

ein geschwächtes Abwehrsystem gefunden wurden. Doch die Frage, weshalb die Tiere<br />

anfällig für den die Krankheit auslösenden Staupevirus und für andere Erreger waren, ist bis<br />

heute unbeantwortet (Colborn et al., 1996).<br />

67


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

68


Massensterben der Meeressäuger:<br />

Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

∗ 1987 tötete ein Staupevirus etwa zehntausend Baikal-Robben im sibirischen Baikalsee,<br />

Rußland;<br />

∗ 1987 und 1988 kam es an der Atlantikküste von New Jersey bis Florida zu einem<br />

Massensterben beim Großen Tümmler, über die Hälfte der Küstenpopulation starb;<br />

∗ 1988 starben in der Nordsee innerhalb weniger Monate über 20.000 Seehunde;<br />

∗ von 1990 bis 1993 wurden im Mittelmeer mehr als tausend blau-weiß gestreifte Delphine<br />

angespült. <strong>Die</strong> in ihrem Speck gemessenen PCB-Werte (bis zu 1000 ppm) gehören zu<br />

den höchsten, die je in freilebenden Tieren gefunden wurden.<br />

Nicht nur die Robben, sondern auch ihre Beute wird durch <strong>Dauergifte</strong> beeinträchtigt. So zeigt<br />

sich bei der Ostseeflunder schon bei Chlororganka-Konzentrationen von nur 120 ppb eine<br />

verringerte Brutrate (GESAMP 1990).<br />

3.3.4 Fischotter und Nerze<br />

Auch das Aussterben des Fischotters in weiten Teilen Europas wird den <strong>Dauergifte</strong>n<br />

angelastet. Erste Signale gab es bereits Ende der 50er Jahre, als britische Jäger immer<br />

weniger der scheuen Tiere für die traditionelle Otterjagd auftreiben konnten (Colborn et al.,<br />

1996). Untersuchungen an freilebenden Populationen zeigen einen engen Zusammenhang<br />

zwischen PCB-Belastung von Fischen, Anreicherung von PCB im Körperfett der Otter und<br />

Rückgang an Fischotterbeständen. Überall dort, wo Fische mehr als 50 µg PCB pro kg<br />

enthalten, scheint der Fischotterbestand bedroht zu sein.<br />

<strong>Die</strong> PCB-Konzentrationen in Fischen aus Gebieten, aus denen der Fischotter verschwindet,<br />

liegen meist weit über den Werten, die bei Fütterungsversuchen bei einem zweiten Marder,<br />

dem Nerz, dramatische Konsequenzen haben: Totgeburten, Mißbildungen bei Embryos,<br />

weniger Junge und Sterilität. So werden Nerze bei einer Körperkonzentration von rund 50<br />

mg PCB pro kg Fettgewicht reproduktionsunfähig, manchmal sterben ihre Jungen wenige<br />

Tage nach der Geburt. Neuere Untersuchungen gehen davon aus, daß die kritische<br />

Körperkon-zentration bei Nerzen, die mit einer Reduktion der Anzahl der Jungen einhergeht,<br />

bereits bei 1,2 mg PCB pro kg liegt. Flußfische, das Hauptnahrungsmittel de Fischotter sind<br />

häufig hoch mit PCBs und anderen <strong>Dauergifte</strong>n belastet. <strong>Die</strong> heute gefundenen PCB-Werte<br />

von 100 bis 300 µg PCB pro kg, etwa in Fischen aus typischen schweizerischen<br />

Fließgewässern, stellen für die Fischotter eine zu hohe Belastung dar (Fent, 1998).<br />

S. Abbildung 9 (Anhang)<br />

69


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

3.3.5 Eisbären<br />

<strong>Die</strong> ersten Funde von Chlororganika in Tieren der Arktis stammen aus den 70er Jahren, dasl<br />

DDT, PCBs und Toxaphen in Robben und Eisbären gefunden wurden. In der Zwischenzeit<br />

wurde viele Daten zur Belastung der Arktis mit (klassischen) Umweltschadstoffen<br />

zusammengetragen (Bard 1999). <strong>Die</strong> Eisbären nehmen dabei eine besondere Rolle ein, da<br />

sie <strong>–</strong> mit dem Menschen - an der Spitze der arktischen Nahrungskette stehen. Im Schnitt<br />

enthält ein Kilogramm Fett eines Eisbären aus Grönland, Kanada, Norwegen, Rußland oder<br />

den USA 7,2 mg PCBs, 2 mg Chlordan, 0,19 mg DDE und 0,15 mg <strong>Die</strong>ldrin.<br />

<strong>Die</strong> Bären unterliegen extremen Hungerperioden: Im Winter gebären und stillen die Eisbärweibchen<br />

ihre Jungen und müssen bis zu sechs Monaten ohne Nahrung auskommen. Auch<br />

in der eisfreien Sommerperiode, in der die Eisbären an Land bleiben müssen und schlechte<br />

Jagd-bedingungen vorfinden, verlieren die Tiere an Gewicht. Bis zu 90 Prozent der<br />

Fettreserven brauchen sie in solchen Zeiten auf. <strong>Die</strong>s führt zu einer starken Mobilisierung<br />

der im Fett gespeicherten <strong>Dauergifte</strong>, und einem Konzentrationsanstieg im Blut und den<br />

Organen (Öhme 1995, Letcher 1995, Polischuk 1995).<br />

Im Rahmen der AMAP-Studie (AMAP 1998) wurden Dauergiftkonzentrationen im Fett von<br />

Eisbären mit den Konzentrationen anderer Tierarten verglichen, bei denen bekanntermaßen<br />

biologische Wirkungen auftreten. In den meisten Fällen überschritten die Konzentrationen in<br />

den Eisbären die bei anderen Tierarten bekannten Wirkungsschwellen. Daraus wurde<br />

geschlossen, daß wildlebende Eisbären einem erhöhten Risko von Störungen des Immunsystems,<br />

Reproduktions- und Entwicklungsstörungen ausgesetzt sind. Es sind vor allem<br />

Eisbären auf Spitzbergen, im östlichen Grönland und an der McClure-Straße die zum Teil so<br />

viel PCB in ihrem Körper angesammelt haben, daß ihr Immunsystem Schaden nimmt. Bei<br />

einigen Bären auf Spitzbergen ist die PCB-Konzentration so hoch (bis zu 90 ppm), daß ihre<br />

Fortpflanzung gefährdet sein kann.<br />

Tatsächlich haben 1992 Forscher beobachtet, daß weniger Eisbärinnen als erwartet ihre<br />

Winterhöhlen mit Jungbären verließen (Colborn et al., 1996). Auch an der Hudson Bay<br />

wurde eine Abnahme der Reproduktionsrate der Eisbären registriert, die möglicherweise auf<br />

den Einfluß von <strong>Dauergifte</strong>n zurückzuführen ist (Derocher 1991).<br />

Nicht nur PCBs sind ein Problem: Auch die Dioxin-Werte bei Eisbären auf Spitzbergen und in<br />

der kanadischen Resolute-Bay sind so hoch, daß das Immunsystem angegriffen werden<br />

kann (AMAP, 1997, 89). <strong>Die</strong> Konzentrationen und Wirkungen der <strong>Dauergifte</strong> der neuen<br />

Generation in Eisbären wurden bisher kaum untersucht.<br />

Viel Aufsehen erregte 1998 eine Untersuchung der Zoologen Andrew Derocher und Øystein<br />

Wiig (Wiig 1998). Sie untersuchten 450 Eisbären auf Edgeoya und Hopen <strong>–</strong> zwei Inseln, die<br />

zu Spitzbergen gehören. Bei sieben von 450 untersuchten Tieren, also 1,5 Prozent, fanden<br />

Biologen neben den weiblichen Geschlechtsmerkmalen einen verkümmerten Penis <strong>–</strong> es<br />

handelt sich hierbei um eine Form von Zwittrigkeit. Genetisch gesehen sind die Tiere<br />

70


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Weibchen, sie haben aber vor ihrer Scheide einen kleinen Penis. Derocher meint: „Es kann<br />

eine perfekte natürliche Erklärung dafür geben“, doch „giftige Chemikalien wie beispielsweise<br />

PCB und DDT sind die wahrscheinliche Ursache" (Science, 1998, Derocher & Wiig, 1999;<br />

FR 1999). Unklar ist, ob diese Weibchen noch fruchtbar sind und Junge gebären können.<br />

S. Abbildung 10 (Anhang)<br />

Durch eine Folgeuntersuchung erscheint der Zusammenhang zwischen den Mißbildungen<br />

der Eisbären und den Umweltgiften belegt zu sein: Derochers Team verglich neugeborene<br />

Eisbärenweibchen der nordnorwegischen Inselgruppe Svalbard (Spitzbergen) und der<br />

kanadischen Arktis: In Nordeuropa treten 20mal mehr Entwicklungsfehler auf als in Nordamerika.<br />

<strong>Die</strong> wahrscheinliche Ursache: <strong>Die</strong> norwegischen Eisbären müssen mit einer dreimal<br />

höheren PCB-Konzentration leben als die kanadischen Populationen. Sie ist sogar sechsmal<br />

höher als die PCB-Konzentration in Alaska (AP 1998, National Geographic).<br />

Øystein Wiig stellte bei seinen Forschungen auf Spitzbergen darüber hinaus eine erhöhte<br />

Sterblichkeit von Eisbärjungen fest. <strong>Die</strong> <strong>Dauergifte</strong> sind hierfür eine mögliche Ursache:<br />

Während die Muttertiere fasten und säugen, steigen die Dauergiftkonzentrationen in der<br />

Muttermilch stetig an. <strong>Die</strong> Jungen werden so in ihrer besonders kritischen frühen Entwicklungsphase<br />

sehr stark mit Schadstoffen belastet. Tatsächlich wurden in den Jungtieren<br />

höhere Dauergiftkonzentrationen gefunden als in den Muttertieren (Wiig 1995, Polischuk<br />

1995).<br />

Neben den Eisbären sind auch andere arktische Tiere wie Robben, Füchse und Seevögel<br />

von den Dauergiftbelastungen betroffen. Arktische Tiere erreichen typischerweise später die<br />

Geschlechtsreife, habe eine geringere Reproduktivität und leben länger als ihre Verwandten<br />

in gemäßigteren Regionen (Bard 1999). Auch diese Faktoren machen sie anfälliger gegen<br />

die Anreicherung von <strong>Dauergifte</strong>.<br />

3.3.6 Wellhornschnecke<br />

Verheerend auf einige Meeresbewohner wirkt das Dauergift Tributylzinn (TBT). TBT ist ein<br />

Biozid, das als Antifouling-Mittel Schiffsfarben untergemischt wird. Antifouling-Mittel sollen<br />

verhindern, daß sich Algen, Muscheln, Seepocken und andere Organismen auf<br />

Schiffsrümpfen ansiedeln. Aus den Anstrichen wird das TBT laufend freigesetzt, um diese<br />

Lebewesen abzutöten. Dabei gelangt TBT in großen Mengen in die Meeresumwelt und in<br />

viele Binnengewässer. Durch TBT werden weibliche Strand- und Wellhornchnecken in<br />

fortpflanzungsunfähige Zwitter verwandelt. So ist die Wellhornschnecke inzwischen in stark<br />

befahrenen Teilen der Nordsee ausgerottet; auch bei Austern wird ein deutlicher Rückgang<br />

der Bestände beobachtet (Bundesrat 671/98).<br />

Vermutlich hemmt TBT ein Enzym (eine Cytochrom-P450-abhängige Aromatase), das<br />

männliche Hormone in weibliche Hormone umwandelt. Ist die Aromatase blockiert, steigt<br />

somit der Gehalt an Androgenen, während der an Östrogenen sinkt. <strong>Die</strong>s wird laut UBA bei<br />

Konzentrationen von 5 µg TBT pro Liter Meerwasser beobachtet (UBA 46/97, S. 182). In<br />

71


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

anderen Untersuchungen wurden negative Auswirkungen auf die Reproduktion bereits bei<br />

2,4 ng pro Liter beobachtet (Kortlandt 1998). Einige Bundesstaaten der USA und die<br />

Niederlande haben Seewasser-Grenzwerte von 1 ng/l erlassen. Als wissenschaftlich<br />

abgesichert gilt der Wert von 0,5 µg/kg Sediment. Doch auch dieser Wert wird an der deutschen<br />

Küste weit überschritten. Im Schnitt werden 500 bis 1000 µg TBT/kg gemessen. Der<br />

höchste bekannte Wert stammt aus dem Sportboothafen Kiel-Schliksee mit 470.000 µg/kg<br />

Sediment (Cameron, 1999).<br />

S. Abbildung 11 (Anhang)<br />

Nicht nur der Schiffsverkehr, auch Werften, die TBT verarbeiten, und TBT-Hersteller sind<br />

bedeutende Emittenten des Schadstoffes (Vanek 1998).<br />

3.3.7 Fledermäuse<br />

Der Bestand einheimischer Fledermäuse ist heute auf zwei bis fünf Prozent des Bestandes<br />

der fünfziger Jahre zurückgegangen. Einige Arten wie die kleine Hufeisennase oder die<br />

Mopsfledermaus sind bereits in weiten Teilen Deutschlands ausgestorben (Nagel, 1996).<br />

Als Hauptursache gilt die Belastung mit Chlorkohlenwasserstoffen, Pestiziden und<br />

polychlorier-ten Biphenylen<br />

Anfang der neunziger Jahre hat Alfred Nagel in Baden-Württemberg tote Fledermäuse<br />

eingesammelt und auf ihre Belastung mit <strong>Die</strong>ldrin, DDT und seinen Metaboliten, Heptachlor,<br />

Hexachlorbenzol, β-Hexachlorcyclohexan, γ- Hexachlorcyclohexan (Lindan), Heptachlor-<br />

Epoxid und verschiedene PCB-Kongenere untersucht: <strong>Die</strong> Gesamtbelastung mit chlorierten<br />

Kohlenwasserstoffen scheint vom Lebensraum abzuhängen, denn die Arten, die in<br />

städtischen Bereichen jagen, sind deutlich höher belastet als andere. <strong>Die</strong> höchsten Einzelkonzentrationen<br />

für DDT und seine Abbauprodukte (26,9 mg/kg) fand Nagel bei einer<br />

Mausohrfledermaus und für PCBs (132 mg/kg) bei einer Bartfledermaus. Jungtiere nehmen<br />

die Gifte überwiegend beim Säugen auf. <strong>Die</strong> Muttertiere bauen dabei Körperfett ab, die darin<br />

gelösten Chlorkohlenwasserstoffe werden gelöst und mit dem Milchfett an die Jungtiere<br />

weitergegeben. <strong>Die</strong> Belastung der Weibchen sinkt dabei. <strong>Die</strong>se „Regeneration„ sei, so<br />

Nagel, für die Fledermäuse eine Frage des Überlebens oder Aussterbens: Denn häufiger<br />

vorkommende Arten wie die Abendsegler und die Zwergfledermäuse haben eine höhere<br />

Reproduktionsrate, früher einsetzende Fruchtbarkeit und eine geringere maximale<br />

Lebenserwartung als seltenere Arten wie die kleine Hufeisennase und die Mopsfledermaus.<br />

72


4 Blinde Wissenschaft<br />

Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

<strong>Die</strong> Schadstofforscher betreiben heute überwiegend Geschichtsforschung und keine vorausschauende<br />

Frühindikation neuer Probleme. Aufwendige Monitoringprogramme erfassen<br />

weltweit, wie sich PCBs, DDT und andere klassische Vertreter der <strong>Dauergifte</strong> ausbreiten. <strong>Die</strong><br />

meisten der neuen <strong>Dauergifte</strong> aber werden von diesen Programmen nicht erfaßt. Damit<br />

begeht die Umweltforschung einen entscheidenden Fehler: Sie untersucht die Chemieprodukte<br />

von gestern, die oftmals schon verboten sind, statt die gefährlichen Stoffe, die<br />

unsere Chemieindustrie heute herstellt und freisetzt. Umweltpolitisch ist das kaum sinnvoll:<br />

Denn man kann nur dann schnell auf Gefahren neuer Umweltchemikalien reagieren und<br />

mögliche Schäden verhindern, wenn sie frühzeitig bekannt sind.<br />

Mit „Responsible Care“ („Verantwortliches Handeln“), wie es die chemische Industrie in<br />

Umweltleitlinien für sich in Anspruch nimmt, hat ein solches Wegschauen nichts zu tun. Das<br />

Augenmerk der Wissenschaft und Industrie muß auch den Produkten und <strong>Dauergifte</strong>n<br />

unserer Zeit gelten.<br />

Beispiel Chlorparaffine: <strong>Die</strong>se <strong>Dauergifte</strong> wurden seit den 60er Jahren von der Hoechst AG<br />

hergestellt. Ihre chemische Struktur mit vielen Chloratomen und chemisch besonders<br />

stabilen Molekülen weist bereits darauf hin, daß es sich hier um ein eindeutiges Dauergift<br />

handelt. Doch das Unternehmen hielt es für unnötig, durch Messungen zu prüfen, ob sich<br />

seine Produkte in der Umwelt ausbreitet. Erst Greenpeace-Untersuchungen von<br />

Chlorparaffinen in Muttermilch, Walen und Nahrungsmitteln im Jahr 1995 zeigten das<br />

Ausmaß der Belastung <strong>–</strong> die Hoechst AG kündigte kurz darauf an, die Produktion dieser<br />

Schadstoffe einzustellen. Daraufhin weitete aber der britische Chemiekonzern ICI seine<br />

Chlorparaffinproduktion aus und vermarktet bis heute das Umweltgift in ganz Europa<br />

(Krautter 1996).<br />

Der Großteil der gegenwärtigen Belastung mit <strong>Dauergifte</strong>n ist unbekannt, und die Menschheit<br />

muß sich auf weitere negative Überraschungen gefaßt machen. In Meßdiagrammen von<br />

Umweltproben finden sich Hinweise auf eine Fülle weiterer Stoffe <strong>–</strong> Substanzen, die zum Teil<br />

in höheren Konzentrationen als die bekannten Schadstoffe vorliegen. So liegt die<br />

Konzentration organisch gebundenen Chlors in Fischfett typischerweise zwischen 30 und<br />

200 ppm (parts per million = Milligramm pro Kilogramm), von denen etwa 10 ppm bekannten<br />

Chlororganika wie DDT, PCBs, Dioxinen und Chlorphenolen zugeordnet werden können. Der<br />

Rest (bis zu 95 Prozent) ist nicht identifiziert und muß in unbekannten chlororganischen<br />

<strong>Dauergifte</strong>n zu finden sein (GESAMP 1990; s. auch 2.4).<br />

S. Abbildung 12 (Anhang)<br />

Wissenschaftler wissen bei vielen Symptomen nicht, welche Stoffe sich dahinter verbergen.<br />

So können von der Toxizität, die in niederländischen Oberflächengewässern wie den<br />

Flüssen Maas und Rhein gemessenen wurde, nur 10 bis 30 Prozent bestimmten bekannten<br />

Substanzen zugeordnet werden (Hanns, 1998). Von Industrie und Umweltpolitik werden nur<br />

73


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

jene Problemstoffe beachtet, die im „analytischen Fenster„ sichtbar sind. <strong>Die</strong>ses Vorgehen<br />

widerspricht dem Vorsorgeprinzip.<br />

Es fällt auch in der Chemiepolitik schwer, eingefahrene Denkstrukturen zu ändern und das<br />

Vorsorgeprinzip zum Leitfaden beim Umgang mit Umweltchemikalien zu machen<br />

(Greenpeace 1999b). So war es lange Zeit die vorherrschende Meinung von Forschern, daß<br />

die Konzentrationen von <strong>Dauergifte</strong>n in der Umwelt viel zu gering sind, um biologische<br />

Effekte zu bewirken, und einige Experten glauben das immer noch. „Wissenschaftler<br />

schauten lange Zeit, ob diese Gifte Babys umbringen oder ob die Babys mißgebildet ohne<br />

Arme oder ohne Augen auf die Welt kommen“, so Fred vom Saal von der University of<br />

Missouri-Columbia: „Heute schauen wir, ob die Samenproduktion der Hoden abnimmt, ob die<br />

Prostata abnormal vergrößert ist oder ob die Gebärmutter in der Lage ist, ein Embryo zu<br />

ernähren“ (vom Saal, 1998).<br />

5 Umweltpolitik<br />

<strong>Die</strong> internationale Chemiepolitik hat sich 1992 auf dem Umweltgipfel in Rio klare Vorgaben<br />

gegeben. Damals haben sich 170 Staaten das Vorsorgeprinzip auf die Fahnen geschrieben:<br />

„In order to protect the environment, the precautionary principle shall be widely applied<br />

by States according to their capabilities. Where there are threats of serious or<br />

irreversible damage, lack of full scientific certainty shall not be used as a reason for<br />

postponing cost-effective measures to prevent environmental degradation” (‘Prinzip 15’<br />

der Rio-Deklaration).<br />

Mehrere internationale Initiativen bemühen sich heute darum, die Chemikalienexposition<br />

besser in den Griff zu bekommen. Hier eine Auswahl (EEA 1998):<br />

Instrument/Proposal/ Location Year<br />

Objectives<br />

1 Esbjerg Declaration on the North<br />

Sea<br />

1995 Eliminates persistent, bio-accumulating and<br />

toxic substances from North Sea over 25<br />

years<br />

2 Basel Convention on Hazardous<br />

Waste<br />

1989 Objectives are to control trans-boundary<br />

movements, to manage and minimise<br />

Hazardous Wastes<br />

3 UN-ECE POP-protocol 1998 Negotiate a POP-protocol<br />

74


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

4 UN-ECE Heavy metal-protocol 1998 Negotiate a heavy metal-protocol<br />

5 HELCOM convention 1998 Implementation of the Visby target<br />

6 OSPAR convention 1998 Implementation of the Esbjerg target<br />

7 UNEP "POPS" Convention 1998-2000 Reducing/eliminating releases of POPs to the<br />

environment<br />

8 UNEP-FAO PIC Convention 1996-1998 Manages importe and exports of hazardous<br />

chemicals and pesticides<br />

9 OECD Chemicals & Pesticide<br />

Risk Reduction<br />

1994 Share information/criteria on risk reduction<br />

programmes<br />

10 Intergovernmental Forum on<br />

Chemical Safety<br />

1994 To implement CH19 of Rio Declaration,<br />

including risk reduction programmes<br />

11 Montreal Protocol 1987-2040 To phase out certain ozonedepleting<br />

substances<br />

12 EU 5th Environment Action<br />

Programmes<br />

1991-1994 To achieve "significant reduction of pesticide<br />

use per unit of Land"<br />

13 EU Sustainable Use of Plant<br />

Protection Products<br />

1994-1998 Analyse use, impacts and reduction potential<br />

for agricultural pesticides<br />

14 Danish Minister Report on Future<br />

Initiatives on Chemicals<br />

1997 25 substances/groups of substances identified<br />

for priority phase-out, selected from 100<br />

undesirable substances<br />

15 Swedish Government Report on<br />

Chemicals Policy<br />

1997-2007 10-year phase out of all products containing<br />

persistent & bio-accumulating substances;<br />

giving rise to serious/irreversible effects; or<br />

containing lead, mercury,cadmium<br />

16 Norwegian targets for prioritised<br />

chemicals<br />

1996-2010 Discharges of hazardous chemicals to be<br />

substantially reduced by 2010 (e.g. Iead,<br />

cadmium, mercury, dioxins, PAH; or phased<br />

75


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

out by 2005 (e.g. halons, PCB, PCPs)<br />

17 Lithuanian waste management<br />

law<br />

1998 Waste management law, including chemicals<br />

reduction<br />

Doch es hakt an allen Ecken und Enden, die Chemiepolitik steht vor einem Dilemma. Denn<br />

<strong>Die</strong> Gifte, die im Rampenlicht stehen (siehe unten), sind nur die Spitze des Eisberges. Allein<br />

in der EU sind rund 50.000 Chemikalien im Umlauf (Neben- und Zwischenprodukte nicht<br />

mitgezählt); von diesen gelten rund 15.000 als gesundheitsgefährend, doch nur 2.000<br />

wurden auf ihre Risiken für Mensch und Umwelt geprüft (Berger et al., 1996) und das<br />

meistens unzureichend (Kap. 5.5).<br />

Selbst <strong>Dauergifte</strong> wie DDT, <strong>Die</strong>ldrin, Endrin oder Hexachlorbenzol, die schon seit Jahren im<br />

Rampenlicht stehen, werden immer noch zu günstigen Konditionen auf dem Markt angeboten.<br />

„Sie können nach Singapur, nach Hongkong, Indien oder China gehen. Dort kriegen<br />

Sie in der angebotenen Produktpalette alle diese Stoffe“, meint Matthias Kern, Pestizidexperte<br />

der Gesellschaft für Technologische Zusammenarbeit (GTZ). Allein in Mexiko<br />

werden jährlich 100.000 Tonnen DDT hergestellt <strong>–</strong> allerdings hat Mexiko im Rahmen eines<br />

Vertrages mit Kanada und den USA zugesagt, bis 2007 aus der Produktion auszusteigen.<br />

Ohne weltweite Regelungen wird sich die Lage nicht verbessern. Auch deutsche<br />

Chemiefirmen stellen Chemikalien für den Export her, die bei uns nicht zugelassen sind. So<br />

produziert AgrEvo, eine Tochter der Hoechst AG und der Schering AG das bei uns nicht<br />

mehr zugelassene Dauergift Endosulfan (Agrevo 1998).<br />

∗ Unter dem Dach der Umweltbehörde der Vereinten Nationen UNEP (United Nations<br />

Environmental Programme) wird über die weltweite Ächtung von 12 <strong>Dauergifte</strong>n<br />

verhandelt. <strong>Die</strong> sogenannte POP-Konvention soll Ende 2000 unterschriftsreif sein (s. 5.1).<br />

∗ Im Bereich der westlichen Industrieländer (West- und Nordeuropa und Nordamerika)<br />

wurden im Rahmen einer UN/ECE-Konvention bereits 16 <strong>Dauergifte</strong> geächtet (s. Kap.<br />

5.4).<br />

∗ Der nordöstliche Atlantik soll in Zukunft umfassender geschützt werden. Das beschlossen<br />

die EU-Kommission und 15 nord- und westeuropäische Staaten im Rahmen der OSPAR-<br />

Konvention (s. Kap. 5.5).<br />

76


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Wichtige internationale Dauergift-Konventionen und ihre bisherigen Schwerpunkt-Stoffe:<br />

Stoff(gruppe) UNEP-Liste UN/ECE-Liste OSPAR-Liste<br />

*<br />

1. Pestizide<br />

Aldrin X X -<br />

Chlordan X X -<br />

Chlordecon - X -<br />

DDT X X -<br />

<strong>Die</strong>ldrin X X -<br />

Endrin X X -<br />

Heptachlor X X -<br />

Hexachlorbenzol (HCB) X X -<br />

Hexachlorcyclohexan<br />

(HCH, incl. Lindan) - X -<br />

Mirex X X -<br />

Toxaphen X X -<br />

77


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

2. Industriechemikalien<br />

Polychlorierte Biphenyle<br />

(PCBs)<br />

X X X<br />

Hexabrombiphenyl - X X<br />

u.a. bromierte<br />

Flammschutzmittel<br />

- - X<br />

Pentachlorphenol - - X<br />

Kurzkettige Chlorparaffine - - X<br />

Nonyl-Verbindungen - - X<br />

Moschusxylene - - X<br />

Dibutyl- und<br />

<strong>Die</strong>thylhexaphthalat<br />

- - X<br />

3. Nebenprodukte<br />

Dioxine X X X<br />

Furane X X X<br />

Polyzyklische aromatische<br />

Kohlenwasserstoffe (PAK)<br />

- X X<br />

*: OSPAR nennt zusätzlich<br />

Schwermetall<br />

und deren<br />

Verbindungen<br />

auch<br />

e<br />

78


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

5.1 Das dreckige Dutzend der UNEP<br />

<strong>Die</strong> POPs-Konvention der UNO ist die jüngste Initiative, um die Umwelt weltweit vor<br />

gefährlichen Chemikalien zu schützen. So wurde bereits im Montréaler Protokoll der<br />

weltweite Ausstieg aus Produktion und Verwendung der Ozonkiller FCKW<br />

(Fluorchlorkohlenwasserstoffe) geregelt. Seit mehreren Jahren sind im Rahmen der<br />

Bemühungen um den Klimaschutz auch Treibhausgase wie Kohlendioxid ein<br />

beherrschendes Umweltthema auf internationalem Parkett. <strong>Die</strong> im Sommer 1998<br />

begonnenen Verhandlungen über <strong>Dauergifte</strong> haben zum Ziel, erstmals Chemikalien weltweit<br />

zu bannen, die für Mensch und Tier giftig sind. Es geht dabei um zwölf klassische <strong>Dauergifte</strong>:<br />

neun Pestizide (in erster Linie Insektengifte), polychlorierte Biphenyle (PCBs) sowie Dioxine<br />

und Furane als unerwünschte Nebenprodukte (s. Kasten "Das dreckige Dutzend"). <strong>Die</strong> erste<br />

Verhandlungsrunde fand vom 28. Juni bis 1. Juli 1998 in Montréal statt, die zweite vom 25.<br />

bis zum 29. Januar 1999 in Nairobi am Sitz der UNEP. <strong>Die</strong> dritte Verhandlungsrunde soll im<br />

September 1999 in Genf stattfinden, die vierte im Frühjahr 2000 und die fünfte Ende 2000.<br />

<strong>Die</strong> Verhandlungen werden von finanziellen Erwägungen beherrscht. Denn ohne finanzielle<br />

und technische Unterstützung für die Entwicklungsländer sowie der Staaten im ehemaligen<br />

Ostblock durch die reicheren Industriestaaten werden die Verhandlungen scheitern.<br />

„Bei den zur Zeit laufenden Verhandlungen zur POPs-Konvention spielt der Aspekt der<br />

technischen Hilfe zur Umsetzung der Konvention für Entwicklungsländer und auch für die<br />

Transformationsländer eine entscheidende Rolle. Ohne ein schlüssiges Konzept für die<br />

Unterstützung und vor allem deren Finanzierung sind die wirtschaftlich schwachen Länder<br />

nicht bereit, der Konvention beizutreten. Aber ohne die Entwicklungsländer, die jetzt noch die<br />

Hauptanwender der zur Diskussion stehenden POPs sind, wäre die Verabschiedung einer<br />

POPs-Konvention weitgehend sinnlos.“ So Matthias Kern, bei der bundeseigenen<br />

Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) zuständig für internationales<br />

Chemikalienmanagement (Kern 1999).<br />

Wie weit Deutschland, Japan, die USA, die EU und andere bereit sein werden, zum POPs-<br />

Ausstieg beizutragen, ist ungewiß. <strong>Die</strong> wichtigsten Knackpunkte sind das Ausstiegsszenario<br />

für das Insektengift DDT, die Grenzwerte für Dioxine und Furane sowie die alte Frage, wer<br />

die überflüssigen Pestizide, die in vielen Entwicklungs- und Schwellenländern auf Halde<br />

liegen, beseitigen soll.<br />

79


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Das dreckige Dutzend<br />

Aldrin - Insektizid (Termiten, Ameisen), Chlordan - Insektizid (Termiten, Bodenschädlinge),<br />

DDT - Insektizid (Anopheles-Mücke, Tsetsefliege), <strong>Die</strong>ldrin - Insektizid (Termiten,<br />

Heuschrecken), Dioxine, Furane - Nebenprodukte chemischer Prozesse und Verbrennung,<br />

Endrin - Insektizid, Nagetiergift, Heptachlor - Insektizid, (Termiten, Ameisen),<br />

Hexachlorbenzol - Pilzgift, Weichmacher für Kunststoff, Mirex - Insektizid (Ameisen), PCB -<br />

Kühl- und Isolierflüssigkeit, Toxaphen - Insektizid, Nagetiergift. Detaillinformationen zu<br />

diesen Stoffen: s. Kap. 7.<br />

5.1.1 Problemstoff DDT<br />

Einige Entwicklungsländer wollen nicht auf DDT verzichten. Es ist für sie ein preiswertes<br />

Mittel, die Anopheles-Mücke (überträgt Erreger der Malaria) und die Tse-Tse-Fliege<br />

(überträgt Erreger der Schlafkrankheit und der Rinderkrankheit Nagana), in Schach zu<br />

halten. <strong>Die</strong>se Länder berufen sich auf die Weltgesundheitsorganisation WHO, die empfiehlt,<br />

DDT in Häusern einzusetzen, um Menschen vor Malaria zu schützen. Doch in der WHO<br />

zeichnet sich ein Umdenken ab: „I think one can safely say that WHO feels that eventually<br />

provided a number of condition met we can recommend the elimination of this persistent<br />

organic pollutant” so Robert Bos, WHO (Bos, 1999). Und die Voraussetzungen sind, daß die<br />

Staaten, die auf DDT vertrauen, eine angemessene Unterstützung erhalten. Das bedeutet<br />

unter anderem Technologietransfer und Hilfe, um die Menschen auszubilden, die Moskitos<br />

umweltschonend zu bekämpfen. Alternativen sind vorhanden oder werden entwickelt. So<br />

wurden in Kheda, einer Region im indischen Bundesstaat Gujurat, von 1983 bis 1989 rund<br />

700.000 Menschen gegen Malaria geschützt - ohne, daß sie ihre Häuser mit DDT oder<br />

anderen Insektiziden besprühen mußten. In diesem Projekt wurden unter anderem in Seen<br />

und Flüssen, in denen Moskitolarven leben, larvenfressende Fische ausgesetzt, zusätzlich<br />

wurden Malariakranke intensiv gepflegt. Dadurch konnte die Malaria nicht nur qualitativ<br />

genauso gut kontrolliert werden wie durch den Einsatz von DDT, sondern auch noch billiger.<br />

Doch nach sieben Jahren endete das Projekt, die Mitarbeiter gingen und mit ihnen auch das<br />

Know-how. Heute wird wieder DDT gespritzt (Matteson, 1998 & WWF, 1998). <strong>Die</strong> Länder, in<br />

denen DDT angewandt oder hergestellt wird, werden in den Verhandlungen um finanzielle<br />

und technische Hilfeleistungen pokern. Und hier sind die Industrieländer gefragt.<br />

80


5.1.2 Problem Dioxin<br />

Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Nicht in Kairo, Kalkutta, Karachi <strong>–</strong> in keiner Metropole eines Entwicklungslandes existiert<br />

eine funktionierende Müllabfuhr. Oft verbrennen die Menschen ihren Müll auf der Straße, um<br />

sich zu wärmen, um etwas zu kochen oder einfach um den Müll zu beseitigen. Da<br />

inzwischen dort auch das Plastik Einzug gehalten hat, verkohlen auf den Straßen auch<br />

Kunststoffe wie PVC. <strong>Die</strong> Folge: <strong>Die</strong> Menschen vor Ort werden mit Dioxinen und Furanen<br />

belastet. Doch niemand weiß, welches Ausmaß das Dioxin-Problem hat. Untersuchungen<br />

sind teuer, und es gibt, wenn überhaupt, nur wenige Labore in diesen Ländern, die solche<br />

Analysen durchführen könnten. Finanziell können sich die armen Länder auch keine<br />

Müllverbrennungsanlagen mit Filtern nach dem neuesten Stand der Technik leisten. Auch<br />

hier sind sie auf die Unterstützung anderer angewiesen.<br />

Auch in Deutschland sind Dioxine weiterhin ein Problem <strong>–</strong> trotz vieler technischer<br />

Verbesserungen. So emittierten Müllverbrennungsöfen in den 80er Jahren um die 10 Nanogramm<br />

Dioxine pro Kubikmeter (ng/m 3 ) Abluft. Dank ausgereifter Filterkaskaden und weil die<br />

Verbrennungsöfen technisch verbessert wurden, liegen die Dioxin-Emissionen moderner<br />

Anlagen unter 0,1 ng/m³ Abluft, dem Grenzwert, den die Verordnung über Verbrennungsanlagen<br />

für Abfälle, Müllverbrennungsanlagen (MVA), festlegt. Moderne MVA wie die in<br />

Bonn enthalten pro Kubikmeter Abluft im Schnitt nur 4 Pikogramm (pg) an Dioxinen und<br />

Furanen. Solche Anlagen sollen daher zur Senke für Dioxine werden (SRU, 1998).<br />

Belasteter Müll darf jedoch auch in Kohlekraftwerken, Zementwerken, Anlagen zur<br />

Stahlerzeugung und anderen „Großfeuerungsanlagen“ verbrannt werden. <strong>Die</strong> Anforderungen<br />

an solche Anlagen sind jedoch gemäß Großfeuerungsverordnung geringer als an MVAs. Das<br />

heißt, aus solchen Industrieöfen entweichen mehr Dioxine als aus MVAs. Hier sieht der<br />

Sachverständigenrat für Umweltfragen (SRU) dringenden Handlungsbedarf. Er empfiehlt, die<br />

Grenzwerte für Groß-feuerungsanlagen denen für Hausmüllverbrennungsanlagen<br />

anzugleichen (SRU, 1998). Auch in der Metallindustrie <strong>–</strong> heute eine der größten<br />

Dioxinquellen <strong>–</strong> besteht erheblicher Handlungsbedarf.<br />

Anstatt supermoderne Müllverbrennungsanlagen zu bauen, ließe sich das Dioxin- und<br />

Furan-Problem an der Quelle lösen. Denn diese <strong>Dauergifte</strong> entstehen etwa bei der<br />

unvollständigen Verbrennung von chlorhaltigen Kunststoffen wie Polyvinylchlorid (PVC). Mit<br />

einem Verbot chlorhaltiger Kunststoffe könnte in Industrieländern wie Deutschland die<br />

alltägliche Belastung mit Dioxinen und Furanen weiter gesenkt werden. Das gilt auch für<br />

Entwicklungsländer. Zwar weiß derzeit niemand, wie groß das Dioxin/Furan-Problem in<br />

Nigeria, Indien oder Brasilien derzeit ist, aber ein Verbot könnte Risiken für Umwelt und<br />

Gesundheit vorbeugen und ihnen teure Investitionen in moderne Müllverbrennungsanlagen<br />

mit modernsten Filtertechniken ersparen.<br />

81


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

5.1.3 Chemiealtlasten: tickende Zeitbomben<br />

In Entwicklungsländern ticken Zeitbomben: Es sind „obsolete“ Chemikalien, das heißt meist<br />

veraltete und überflüssige Pestizide, die als Altlasten Mensch und Umwelt gefährden. Sie<br />

werden offen auf Deponien oder in privaten Schuppen gelagert, wo die Gifte leicht in die<br />

Umwelt gelangen können.<br />

Auszug aus FAO-Inventar veralteter und überflüssige Pestzide in Afrika<br />

(IFCS/Forum-II, 1996)<br />

Staat Anzahl Anzahl versch. Menge in<br />

der Plätze Pestizide Tonnen<br />

Äthiopien 143 ca. 70 426<br />

Benin > 15 ca. 21 67<br />

Burkina Faso 24 57 54<br />

Eritrea 29 58 158<br />

Kamerun 20 10 225<br />

Madagaskar 4 14 76<br />

Marokko 48 ca. 170 2265<br />

Mosambique 48 ca. 150 443<br />

Namibia 1 1 245<br />

Sudan 44 ca. 80 657<br />

Südafrika einige ca. 30 390<br />

Zaire 5 11 591<br />

Zentralafrika > 15 14 238<br />

Rund 100.000 Tonnen dieser Stoffe warten darauf, entsorgt zu werden, schätzt die FAO,<br />

20.000 Tonnen davon alleine in Afrika (siehe Tabelle). Aus Sicht der FAO nimmt das<br />

Problem zu, denn alte Pestizide werden, wenn sie durch neuere und effektivere ersetzt<br />

werden, zu überflüssigen Pestiziden: Oftmals besteht Entwicklungshilfe nur im ‘Verschenken<br />

von Pestiziden’. So kommen mehr Pestizide ins Land, als gebraucht werden. <strong>Die</strong> FAO<br />

schätzt, daß die umweltgerechte Beseitigung dieser Stoffe allein in Afrika rund 100 Millionen<br />

US-Dollar kosten wird, eine Summe, die die afrikanischen Staaten jedoch nicht aufbringen<br />

können. Kaum ein Land bietet die technischen Voraussetzungen, um veraltete Pestizide bei<br />

hohen Temperaturen in Sondermüllverbrennungsanlagen zu vernichten. Neben der<br />

Verbrennung gibt es auch andere Möglichkeiten zur Entsorgung: Umweltgerechte Techniken<br />

zur Beseitigung solcher Chemikalien hat Greenpeace 1998 vorgeschlagen (Costner, 1998).<br />

82


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

5.2 <strong>Die</strong> zweite POP-Konvention<br />

Gäbe es nur ein Dutzend <strong>Dauergifte</strong>, würde mit der POP-Konvention die Welt ein gutes<br />

Stück sauberer werden. Doch dem ist nicht so. Denn das „dreckige Dutzend„ der UNEP kam<br />

Anfang der 90er Jahre ohne systematische Auswahl zustande (Schlottmann, 1998). Es<br />

handelt sich hier um zwölf <strong>Dauergifte</strong>, über die am meisten bekannt ist, meint Kevin Stairs<br />

von Greenpeace-International (Stairs, 1999). Das weiß auch die UNEP. Sie hat daher bei<br />

den Verhandlungen zur ersten POP-Konvention nicht nur die POP-Klassiker im Auge,<br />

sondern auch <strong>Dauergifte</strong> der industrialisierten Länder, der Gegenwart und Zukunft. So hat im<br />

Auftrag der Delegierten eine Expertengruppe (CEG, Critera Expert Group) Kriterien erarbeitet,<br />

um aus der Vielzahl aller potentiellen Schadstoffe diejenigen herauszufiltern, die auch<br />

weltweit gebannt werden müssen. Einen ausführliche Überblick über die Arbeit der CEG<br />

geben Steinhäuser und Klein (Steinhäuser; Klein, 1999).<br />

Kriterien für eine zweite Pop-Konvention<br />

<strong>Die</strong> bisher ausgehandelten CEG-Kriterien sind noch nicht fixiert, und es gibt Details, auf die<br />

sich die Fachleute noch nicht einigen konnten (im folgenden durch eckige Klammern<br />

gekennzeichnet):<br />

So muß ein Stoff-Kandidat für die zweite POP-Liste aufgrund seiner [chronischen] Toxizität<br />

oder seiner Ökotoxizität eine <strong>Bedrohung</strong> darstellen, und er muß die „Cut-off-Kriterien“<br />

erfüllen: Persistenz (Langlebigkeit), Bioakkumulierbarkeit (Anreicherung in der<br />

Nahrungskette) und das Potential für weiträumigen Transport erfüllen:<br />

∗ Persistenz: <strong>Die</strong> Halbwertszeit eines POP-Kandidaten ist in Böden oder Sedimenten<br />

länger als sechs Monate oder im Wasser länger [zwei] oder [sechs] Monate, oder es<br />

existieren andere Belege, daß der Kandidat ausreichend persistent ist.<br />

∗ Bioakkumulierbarkeit: Der Biokonzentrationsfaktor BCF des POP-Kandidaten in<br />

Wasserlebewesen wie Muscheln, Fischen, Robben und Walen überschreitet den Wert<br />

von 5000 oder, falls keine BCF-Werte vorliegen, der Verteilungskoeffizient logKow ist<br />

größer als 5 (zu BCF und logKow, siehe Kasten auf der folgenden Seite) oder, falls der<br />

Bioakkumulationsfaktor den 5000-Wert nicht erreicht, der Kandidat aber sehr (öko)-<br />

toxisch ist, oder wenn Monitoring-Daten belegen, daß das Akkumulierungspotential<br />

bedenklich ist;<br />

∗ Potential für weiträumigen Transport: Der POP-Kandidat kommt in bedenklichen<br />

Konzentrationen in Gegenden vor, die weit von seinen Herstellungs- oder<br />

Anwendungsorten entfernt liegen,oderes existieren Daten, die seinen weiträumigen<br />

Transport mit Hilfe von Luftmassen oder Meeresströmen es existieren Modellrechnungen,<br />

die den weiträumigen Transport durch Luft, Wasser oder wandernde Arten nahelegen.<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

<strong>Die</strong> POP-Kriterien sollen zwei Zwecke erfüllen:<br />

∗ Blick in die Gegenwart: Existierende Datenbanken sollen anhand der Kriterien durchsucht<br />

und POPs-Kandidaten identifiziert werden. Man erwartet, daß dabei zunächst 50, 100<br />

oder mehr Stoffe im Kriteriensieb hängenbleiben; sie sollen die Kandidaten für die zweite<br />

POP-Konvention werden.<br />

∗ Blick in die Zukunft: Es sollen keine neuen Chemikalien, die die POP-Kriterien erfüllen,<br />

mehr zugelassen werden.<br />

Doch klar ist, nicht alle Chemikalien, die im Kriteriensieb hängenbleiben, werden auch in<br />

einer zweiten POP-Konvention international geregelt. Aus den 50, 100 oder mehr POP-<br />

Kandidaten werden letztlich wohl nur vier, fünf oder zehn Stoffe ausgewählt. Schadstoffe, die<br />

aus diesem Kriteriensieb herausfallen, sind nicht automatisch harmlos. Tritt ein Giftstoff<br />

beispielsweise nur regional auf, heißt das, daß statt einer internationalen Konvention<br />

nationale oder regionale Maßnahmen getroffen werden müssen. Das generelle Problem an<br />

Kriterien ist, daß sie nicht alle Stoffe abdecken und daß es immer Substanzen geben wird,<br />

bei denen sich erst später herausstellt, daß sie eigentlich auch verboten werden müßten.<br />

Der CEG-Kriterienkatalog krankt am lückenhaften Wissen. So sind BCF-Werte oder<br />

Halbwertszeiten erst für wenige Stoffe bekannt. Daher entwickelt das Fraunhofer-Institut für<br />

Umweltchemie und Ökotoxikologie (IUCT) in Schmallenberg zur Zeit eine Methode, um<br />

Halbwertszeiten organischer Schadstoffe kalkulieren zu können. Das Institut schlägt ein<br />

Computermodell zur Berechnung <strong>globale</strong>r Halbwertszeiten vor (POPFATE). Für viele Stoffe<br />

sind allerdings die für die Berechnung benötigten Stoffdaten nicht verfügbar, so daß<br />

vermutlich in Zukunft auch ein besseres Feldmonitoring von POPs notwendig sein wird (Klein<br />

1999).<br />

Außerdem ist der Kriterienkatalog ein Kompromiß. So haben sich das deutsche Umweltbundesamt<br />

und der schwedische Ausschuß für Chemiepolitik weniger enge Cut-offs für die<br />

Sammlung der POP-Kandidaten gewünscht. Denn es sollten möglichst keine <strong>Dauergifte</strong><br />

durch das Kriteriensieb fallen. So schlägt das Umweltbundesamt einen Cut-off-Wert von 4 für<br />

den Verteilungskoeffizienten (log Kow) vor und der schwedische Ausschuß einen Cut-off-<br />

Wert von 3. In einem ersten Schritt sollen aus Sicht des schwedischen Ausschusses nur<br />

Stoffe mit einem BCF größer als 10.000 oder einem log Kow größer als 5 gebannt werden<br />

(Chemical Policy Committee, 1997 & Steinhäuser, 1998, 2).<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

BCF und logKow: Anreicherung in Fett und Speck<br />

Es gibt zwei Kriterien, um die Anreicherung eines Stoffes zu beurteilen. Da ist einmal der<br />

empirische Biokonzentrationsfaktor, kurz BCF, der das Anreicherungspotential eines Stoffes<br />

beschreibt. So wurden für das Seveso-Dioxin 2,3,7,8-TCDD in Fischen BCF-Werte von 7900<br />

und 9200 publiziert und für Tributylzinn in Muscheln 133.000 und in Schnecken 100.000.<br />

Liegen keine empirischen BCF-Werte vor, greifen Wissenschaftler auf den Verteilungskoeffizienten<br />

„logKow“ zurück. <strong>Die</strong>ser Koeffizient beschreibt als reiner Laborparameter, um<br />

wieviel besser sich eine Substanz in Oktanol, einem fettfreundlichen Alkohol, als in Wasser<br />

löst. Löst sich eine Substanz mehr als 1000 mal besser in Oktanol, dann hat der Verteilungskoeffizient<br />

den Wert 3. Für das Seveso-Dioxin wurden logKow-Werte zwischen 6,6 und 6,76<br />

veröffentlicht und für Tributylzinn zwischen 3,2 und 3,8 (Zahlenangaben aus dem UBA). Vgl.<br />

Kap. 2.4<br />

<strong>Die</strong> Expertengruppe CEG selber schlägt keine POP-Kandidaten vor, sie entwickelt allein die<br />

Kriterien. Doch schon jetzt stehen einige <strong>Dauergifte</strong> zur Auswahl: Dazu zählen polyzyklische<br />

aromatische Kohlenwasserstoffe (PAKs), Hexachlorcyclohexane (HCHs), kurzkettige<br />

Chlorparaffine und einige bromierte Flammschutzmittel, also die <strong>Dauergifte</strong>, die heute schon<br />

unter die UN/ECE-Konvention fallen oder zur Prioritätsliste der OSPAR-Staaten gehören<br />

(Kap. 5.3 und 5.4).<br />

5.3 <strong>Dauergifte</strong> der neuen Generation<br />

<strong>Die</strong> Klassiker der <strong>Dauergifte</strong> werden bereits seit Jahrzehnten erforscht. <strong>Die</strong> neuen <strong>Dauergifte</strong><br />

jedoch werden erst allmählich als Gefahr erkannt und entsprechend untersucht. Zu den<br />

wichtigsten Kandidaten für eine zweite POP-Konvention sollten etwa Phthalate, die Gruppe<br />

der Chlorparaffine, zinnorganische Verbindungen wie Tributylzinn (TBT), synthetische<br />

Moschusverbindungen, bromierte Flammschutzmittel sowie das Insektengift Lindan (γ-HCH)<br />

gezählt werden. Sie alle werden <strong>–</strong> im Gegensatz zu den „klassischen POPs“ <strong>–</strong> in großem<br />

Umfang in Industrieländern wie den USA, Westeuropa und Japan hergestellt und eingesetzt.<br />

5.3.1 Chlorparaffine <strong>–</strong> vielseitig eingesetzte <strong>Dauergifte</strong><br />

Chlorparaffine sind ölige bis wachsartige Substanzen. Zirka 200 verschiedene Stoffe dieser<br />

Art werden industriell genutzt <strong>–</strong> als Pigmentlösemittel für Druckschreibepapier, als Flammschutzmittel<br />

und Weichmacher für PVC und Lacke, in Anstrichen, für Schmierflüssigkeiten<br />

und als Zusatz zu Schmiermitteln zur Metallbearbeitung. Von ihrer chemischen Struktur her<br />

sind Chlorparaffine Kohlenstoffketten mit einer Kettenlänge von 10 bis 30<br />

Kohlenstoffatomen, die unterschiedlich stark chloriert sind. <strong>Die</strong> Chlorgehalte liegen zwischen<br />

30 und 70 Gewichtsprozenten. Chlorparaffine gelangen vor allem bei der Metallbearbeitung<br />

in die Umwelt und über die Produkte, in denen sie enthalten sind. Sie können aus<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Autositzen, Computergehäusen, Farben, Textilien und anderen Produkten ausdünsten. Sie<br />

sind schwer abbaubar und wurden bei gezielten Untersuchungen in Flüssen, Meeren,<br />

Sedimenten, Pflanzen, Tieren und Menschen nachgewiesen (Krautter 1996).<br />

Da die massenhafte Produktion der Chlorparaffine in den 60er Jahren begann, konnten sie<br />

sich über Jahrzehnte unbemerkt in der Umwelt, in Tieren und Menschen ansammeln. In<br />

Deutschland wurden über lange Zeit hinweg rund 20.000 Tonnen pro Jahr hergestellt. Im<br />

Jahr 1998 stellte die Hoechst AG als letzter deutscher Betrieb die Herstellung der<br />

Chlorparaffine ein. Kurz nachdem Hoechst im Jahr 1995 seinen Ausstieg aus der Produktion<br />

dieser Stoffe bekannt gab, erklärte der britische Chemiekonzern ICI (Imperial Chemical<br />

Industries PLC), daß er seine Produktion erhöhen werde.<br />

Kurzkettige Chlorparaffine (mit zehn bis dreizehn Kohlenstoffatomen) sind für Kleinkrebse,<br />

Fische und andere Wasserorganismen akut giftig. Schon bei minimalen Konzentrationen von<br />

zwei hunderttausendstel Gramm pro Liter hemmen sie das Wachstum von Kieselalgen, drei<br />

hunderttausendstel Gramm pro Liter ändern das Verhalten von Regenbogenforellen bei der<br />

Nahrungsaufnahme. Doch auch für Säugetiere und den Menschen, sind Chlorparaffine giftig.<br />

Sie rufen in geringen Dosen bei Ratten und Mäusen Tumore hervor - besonders in Leber,<br />

Niere und Schilddrüse. In der MAK-Liste (MAK = Maximale Arbeitsplatzkonzentration) sind<br />

sie in der Klasse IIIb eingestuft. Das heißt, es gibt einen „begründeten Verdacht auf krebserregendes<br />

Potential“ (MAK- und BAT-Werte-Liste 1997). Chlorparaffine gefährden auch die<br />

Fortpflanzungsfähigkeit von Ratten und Kaninchen: Weibliche Nager, deren Futter Chlorparaffine<br />

beigemengt wurden, neigten stärker zu Fehlgeburten, und die Sterblichkeit ihrer<br />

Jungen stieg parallel mit der Konzentration der Chlorparaffine in der Muttermilch. So<br />

verwundert es nicht, daß das UBA seit 1993 ein Verbot dieser Stoffe fordert. Bislang zwar<br />

vergebens, doch es tut sich etwas: Im Rahmen der OSPAR-Konvention haben sich die<br />

Mitgliedsstaaten schon 1995 verpflichtet, zumindest die Anwendung der kurzkettigen<br />

Chlorparaffine drastisch einzuschränken. In den meisten Mitgliedsländern, so auch in<br />

Deutschland, ist dieser Beschluß bis heute nicht umgesetzt worden (Worm, 1998;<br />

Greenpeace 1995b, Römpp, 1995).<br />

5.3.2 Lindan <strong>–</strong> noch immer ein Problemstoff<br />

Lindan ist der Handelsname für γ−Hexachlorcyclohexan. Lindan ist das einzige Mitglied aus<br />

der Familie der Hexachlorcyclohexane (HCHs), das als Insektengift wirkt. Eingesetzt wird es<br />

zur Saatgutbehandlung gegen Bodenschädlinge und gegen rindenbewohnende Forstschädlinge.<br />

Lindan ist Bestandteil von Holzschutzmitteln und wird im außereuropäischen<br />

Bereich bei der Bekämpfung von Parasiten an Nutztieren verwendet sowie in Kakaoplantagen<br />

gegen Vorratschädlinge und Wanzen und in Kaffeeplantagen gegen Schadkäfer.<br />

Lindan reichert sich im fetthaltigen Gewebe und im Fett der Muttermilch an, es wird dort<br />

nachgewiesen, ist neurotoxisch, hat negative Effekte für die Reproduktion, die Leber und das<br />

Immunsystem und gilt als Krebspromotor. Lindan ist bienengefählich und weist eine hohe<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Fischtoxizität auf. Lindan ist offensichtlich an der Zunahme tödlich verlaufender Darmkrebserkrankungen<br />

bei Personen mitverantwortlich, die in Industrieländern einen großen Teil ihrer<br />

Nahrung mit tierischen Fetten decken. 10 bis 20 Milligramm Lindan pro Kilogramm Körpergewicht<br />

können schwere Vergiftungen mit Übelkeit, Kopfschmerzen, Krampfanfällen und<br />

Atemlähmung hervorrufen. Obwohl die freigesetzten Mengen immer weniger werden, steigen<br />

die Konzentrationen von Lindan im Nordseeschlick und in Organismen weiter an. Lindan ist<br />

in Deutschland nicht mehr als Pestizid zugelassen (Katalyse, 1993; Römpp, 1995).<br />

5.3.3 Moschusverbindungen: synthetische Duft-Plagiate<br />

Was heute in Kosmetik-, Seifen-, Waschmittel- und Weichspülerprodukten nach Moschus<br />

riecht, ist selten echter Moschusduft <strong>–</strong> dieser wird nur in wenigen teuren Parfums verwendet.<br />

Echter Moschus stammt aus dem Sekret der walnußgroßen Drüse vor den Geschlechtsorganen<br />

des kleinen geweihlosen Moschushirsches, der in den feuchten Bergwäldern Ostund<br />

Zentralasiens zu Hause ist. Um echten Moschus zu gewinnen, muß dem erlegten Hirsch<br />

die Drüse entfernt und das Sekret getrocknet werden.<br />

Es gibt zwei Gruppen synthetischer Moschusverbindungen: Als erstes kamen<br />

Nitromoschus-verbindungen wie Moschus Xylol, Moschus Keton oder Moschus Ambrette auf<br />

den Markt. <strong>Die</strong> zweite Generation sind polyzyklische Moschusverbindungen wie HHCB,<br />

ATHN und ADBI. Weltmarktführer für Nitroverbindungen sind China und Indien; China baut<br />

auch Produktionsanlagen für die polyzyklischen Verbindungen. In Deutschland werden synthetische<br />

Moschusverbindungen etwa in Holzminden von der Haarmann & Reimer GmbH,<br />

einer hundertprozentigen Bayer-Tochter zu Duftstoffkreationen für zahlreiche Produkte<br />

verarbeitet. <strong>Die</strong> Haupteinsatzbereiche der synthetischen Moschusverbindungen sind<br />

Waschmittel, Weichspüler, Körperpflegeprodukte wie Reinigungsmittel, Kosmetika und<br />

Parfums.<br />

Alle synthetischen Moschusverbindungen werden in Kläranlagen unvollständig abgebaut und<br />

reichern sich in Fischen, Muscheln und Krabben, aber auch in menschlicher Muttermilch an.<br />

Bereits 1981 wurden Moschus Keton und Moschus Xylol in der Bucht von Tokio und dem<br />

japanischen Fluß Tama nachgewiesen (Yamagishi et al., 1981). Über die Wirkung von<br />

Moschusverbindungen ist wenig bekannt. Doch schon bei kleinen Dosen wurden Effekte<br />

beobachtet: So entwickelt sich bei männlichen Tieren, die mit Moschus Ambrette behandelt<br />

wurden, eine „Kanälchenatrophie“, das heißt, die Reifung der Samen war gestört. Moschus<br />

Ambrette und ATTN wirken neurotoxisch. Moschus Xylol und Moschus Keton wirken kontaktsensibilisierend.<br />

Moschus Xylol induziert das Leberenzym Cytochrom P 450 und wirkt<br />

außerdem in hohen Dosen krebserregend. Eine Abschätzung der Gefährlichkeit ist aufgrund<br />

der Datenlücken für alle Moschusverbindungen im Moment schwierig.<br />

Menschen nehmen diese <strong>Dauergifte</strong> nicht nur über den Verzehr von Fischen auf. <strong>Die</strong> Nitromoschusduftstoffe<br />

waren weltweit die ersten Schadstoffe, bei denen die Aufnahme über die<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Haut <strong>–</strong> aus Kosmetika und von weichgespülter Wäsche <strong>–</strong> diskutiert wird (Rimkus & Brunn,<br />

1996 & 1997; Worm, 1998).<br />

5.3.4 Phthalate <strong>–</strong> weich und gefährlich<br />

Phthalsäureester (Phthalate) sind meist farb- und geruchslose, in Wasser schwerlösliche<br />

Flüssigkeiten. Sie werden vorwiegend als Weichmacher in Kunststoffen <strong>–</strong> vor allem in<br />

Polyvinylchlorid (PVC) <strong>–</strong> eingesetzt, doch auch in Farben und Lacken. Weltweit stellt die<br />

Wirtschaft jährlich rund 3,5 Millionen Tonnen an Di-(2-ethylhexylphthalat), kurz DEHP, her,<br />

das den Phthalatmarkt anführt (DEHP wird oft auch als Dioctylphthalat (DOP) bezeichnet).<br />

Weiterhin werden große Mengen an Diisononylphthalat (DINP) <strong>–</strong> 500.000 Tonnen <strong>–</strong> und<br />

Diisodecylphthalat (DIDP) <strong>–</strong> 240.000 Tonnen <strong>–</strong> hergestellt. Wichtigster deutscher Hersteller<br />

ist die BASF in Ludwigshafen. <strong>Die</strong> Phthalate sind heute wohl die Umweltchemikalien, die in<br />

unserer Umwelt in den höchsten Konzentrationen auftreten; in einem Kilogramm Hausstaub<br />

werden einige Gramm Phthalate gefunden.<br />

Wie Phthalate wirken, ist noch immer kaum bekannt. Am besten sind bislang die Effekte von<br />

DEHP dokumentiert. Das Internationale Krebsforschungsinstitut (IARC, International Agency<br />

for Research on Cancer) hat DEHP als potentielles Krebsgift eingestuft, denn es löst bei<br />

Experimenten in Ratten und Mäusen Krebs aus. Außerdem senken geringe DEHP-Dosen die<br />

Aktivität der Hoden männlicher Ratten und Mäuse, beeinträchtigen die Fruchtbarkeit der<br />

Weibchen und schädigen die Entwicklung der Embryonen. Phthalate wirken möglicherweise<br />

auch hormonell. So wurde bei in-vitro-Experimenten festgestellt, daß DEHP und zwei andere<br />

Phthalate die Bindung von Östradiol an Östrogenrezeptoren aus der Forellenleber hemmen<br />

und bestimmte Zellinien aktivieren können, die normalerweise durch Östrogene aktiviert<br />

werden. Bei Arbeitern, die mit diesen Giften in Berührung kamen, wurden schwere Haut- und<br />

Schleimhautreizungen, chronische Bronchitis und allergische Asthmaerkrankungen<br />

beobachet. (Katalyse 1993, UBA, 1997, Worm, 1998)<br />

5.3.5 Polybromierte Flammschutzmittel <strong>–</strong> <strong>Dauergifte</strong> aus<br />

Computern und Fernsehern<br />

Flammschutzmittel sollen verhindern, daß Produkte in Brand geraten. Jährlich werden nach<br />

Daten der OECD weltweit rund 150.000 Tonnen an bromierten Flammschutzmitteln<br />

hergestellt, das entspricht etwa einem Viertel aller 1992 eingesetzten Flammhemmer. Sie<br />

werden vorwiegend Kunststoffen beigemischt, zum Beispiel Leiterplatten und Kunststoffgehäusen<br />

technischer Geräte wie Kopierern, Computern und Fernsehern, aber auch<br />

Textilfasern, die flammfest sein müssen, sowie Schaumstoffen wie in Autositzen.<br />

Wichtige bromierte Flammhemmer sind Tetrabrombisphenol A (TBBA), polybromierte<br />

Biphenyle (PBB) und polybromierte Diphenylether (PBDE). TBBA und PBBs werden in<br />

Epoxyd- und Phenolharzen und in technischen Kunststoffen wie schlagfestem Polystyrol<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

oder Polycarbonat eingesezt, PBDEs zusätzlich in Textilien. TBBA ist heute in der informationstechnischen<br />

Industrie der gängigste Stoff. Zwar gibt es eine Selbstverpflichtung der<br />

deutschen kunststofferzeugenden Industrie, bestimmte bromierte Flammschutzmittel nicht<br />

mehr in Kunststoffen zu verwenden, dies betrifft allerdings nicht alle bromierten Flammschutzmittel<br />

und sagt nichts über importierte Produkte aus. <strong>Die</strong> drei weltweit wichtigsten<br />

Hersteller polybromierter Flammhemmer sind die Firma ‘Dead Sea Bromine’ in Israel sowie<br />

die beiden US-amerikanischen Unternehmen ‘Albemarle Corporation’ in Magnolia, Lousiana,<br />

und ‘Great Lakes Chemical Corporation’ in West Lafayette, Indiana.<br />

Bromierte Flammhemmer sitzen zum Teil lose im Material, werden ausgewaschen und<br />

gasen beim normalen Betrieb aus Fernsehern, Druckern und Monitoren aus. Ihre<br />

Anreicherung in Tier und Mensch ist vielfach bewiesen. Aufgrund ihrer hohen Stabilität in der<br />

Umwelt sind sie selbst schon in Pottwalen nachgewiesen worden, die im offenen Atlantik<br />

leben (de Boer 1998). <strong>Die</strong> Konzentration bromierter Flammschutzmittel in der Muttermilch<br />

verdoppelt sich derzeit alle fünf Jahre (s. Kap. 2.4). Untersuchungen der OECD, WHO und<br />

des UBA weisen deutliche Wissenslücken bezüglich der ökologischen und gesundheitlichen<br />

Auswirkungen auf. Eine genannte Gesundheitsgefahr ist, daß sich bei der Erhitzung oder<br />

dem Brand von Kunststoffen, die bromierte Flammhemmer enthalten, bromierte Dioxine und<br />

Furane bilden. Doch die ausgasenden bromierten Flammhemmer können auch direkt gesundheitsschädlich<br />

wirken. So zeigen hydroxylierte PBDE und TBBA das Potential, aktiv in<br />

den Hormonhaushalt des Schilddrüsenhormons Thyroxin sowie der Sexualhormone<br />

einzugreifen.<br />

Ökologischer und gesundheitsverträglicher Brandschutz ist auch ohne diese <strong>Dauergifte</strong><br />

möglich. So stellte das Umweltbundesamt fest, daß ungefährliche Alternativmaterialien wie<br />

Aluminiumoxid ebenfalls die Sicherheit der Geräte gewährleisten können (UBA 1996). Einige<br />

Computer- und Fernsehgerätehersteller haben inzwischen gehandelt, viele weigern sich<br />

jedoch noch immer, auf die Umweltgifte zu verzichten. <strong>Die</strong>s zeigt die jüngste „BUND-Umwelt-<br />

Computer-Liste„ aus dem Jahr 1998 (BUND 1998). So können Computerbauteile von IBM,<br />

Compaq, Comtech, Yakumo, Gateway, Schadt, Hewlett Packard, Dell und PC-Spezialist zum<br />

Teil bis zu elf Prozent aus bromierten Flammschutzmitteln bestehen. Für die Gesundheit der<br />

PC-Anwender und für die Umwelt ist dies eine nicht hinnehmbare Gefahr.<br />

<strong>Die</strong> Anwendung bromierter Flammschutzmittel unterliegt kaum Restriktionen. In Deutschland<br />

sind nach dem Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz PBBs und TRIS <strong>–</strong> Tris-(2,3-<br />

dibrompropyl)-phosphat <strong>–</strong> in „Bedarfsgegenständen„ verboten. Zu Bedarfsgegenständen<br />

gehören beispielsweise Spielzeuge, aber keine Computer. Hexabrombiphenyl soll im Rahmen<br />

der UN/ECE- und OSPAR-Beschlüsse verboten werden. Derzeit erstellt die EU<br />

Risikobewertungen für vier bromierte Flammhemmer. Der Verbraucher kann heute bewußt<br />

auf diese <strong>Dauergifte</strong> verzichten: So zeigen Umweltzeichen wie der Blaue Engel und der<br />

Monitorstandard TCO 99 durchgängig den Verzicht auf brom- und chlorhaltige Zusätze in<br />

Kunststoffen an, die in Gerätegehäusen eingesetzt werden (Eder, 1998; Worm, 1998) .<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

5.3.6 Tributylzinn <strong>–</strong> Biozid aus Schiffsanstrichen<br />

Tributylzinn (TBT) und Tributylzinnoxid (TBTO) werden unter anderem als Biozid in Antifouling-Anstrichen<br />

von Schiffen verwendet (fouling, englisch = Bewuchs). TBT soll verhindern,<br />

daß Algen, Muscheln und Seepocken die Schiffshaut besiedeln. <strong>Die</strong>se und ähnliche<br />

zinnorganischen Verbindungen werden auch als Stabilisator in PVC-Produkten, in Desinfektionsmitteln,<br />

Pilzgiften, Holzschutzmitteln und in Imprägnierungen für Textilien und Leder<br />

eingesetzt. TBT hat androgenes Potential und in vielen Meeresteilen zum Aussterben von<br />

Wellhornschnecke geführt (Kap. 3.3.6). Weltweit wichtigster TBT-Hersteller ist die Witco<br />

GmbH in Bergkamen.<br />

Seit 1989 ist in der EU der TBT-Anstrich für Boote unter 25 Meter Länge verboten. Daß nicht<br />

nur Yachten TBT-frei gegen Bewuchs geschützt werden können, wollen die Umweltministerien<br />

Hamburgs, Niedersachsens und Schleswig-Holsteins zusammen mit dem WWF demonstrieren:<br />

Sie testen biozidfreie Schiffsanstriche. Antihaftbeschichtungen und selbstpolierende<br />

Farben sollen eine so glatte Oberfläche schaffen, daß sich dort keine Meereslebewesen<br />

mehr ansiedeln können (UKÖB, 23/98). Ginge es nach den Wünschen der Internationalen<br />

Meeresorganisation (IMO, International Marine Organisation), würde ab dem Jahr 2003 kein<br />

Schiff mehr mit TBT-haltigen Anstrichen vor Bewuchs geschützt werden, und ab 2008<br />

würden alle Schiffe TBT-frei sein. <strong>Die</strong>s erklärte die IMO im November 1998. Ihr Beschluß ist<br />

allerdings rechtlich unverbindlich. Auch im Schlamm und Ablaufwasser kommunaler Kläranlagen<br />

finden sich regelmäßig hohe Konzentrationen von Organozinnverbindungen (in<br />

Mecklenburg-Vorpommern etwa 0,2-10 mg/kg TS), vermutlich werden sie aus PVC-Produkten<br />

wie Abflußrohren freigesetzt. (Vanek 1998)<br />

TBT-haltige Schiffsanstriche sind ein anschauliches Beispiel für „neue überflüssige Chemikalien“:<br />

Viele Schiffe werden heute in Billiglohnländern wie Indien abgewrackt, wo Schiffsstahl<br />

bereits 15 Prozent des Stahlbedarfs deckt. <strong>Die</strong> Arbeiten am Schiffsrumpf werden oft<br />

unsachgemäß ausgeführt. Sicherheitsbestimmungen werden nicht eingehalten, zum<br />

Schaden für Mensch und Umwelt. So enthält eine getrocknete Bodenprobe am Abwrackplatz<br />

über 1000 Mikrogramm TBT pro Kilogramm, das Sediment eines nahegelegenen Sees<br />

jedoch weniger als 1 Mikrogramm TBT.<br />

Auch die Neubau- und Reparaturwerften in unseren Häfen zählen zu den großen TBT-<br />

Emittenten. So sind in der direkten Umgebung von Schiffsdocks in Hamburg die TBT-<br />

Konzentrationen im Hafensediment um ein Vielfaches höher als im übrigen Hafengebiet<br />

(Gewässergütestelle Elbe). (Bernstorff & Kanthak, 1998; Römpp, 1995; Worm, 1998)<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

5.4 <strong>Die</strong> 16 <strong>Dauergifte</strong> der Industrieländer<br />

Gegenüber der UNEP-Stoffliste sind in der sogenannten UN/ECE-Konvention vier weitere<br />

<strong>Dauergifte</strong> hinzugekommen: die Insektizide Chlordecon, die Gruppe der Hexachlorcyclohexane<br />

(inkl. Lindan), das Flammschutzmittel Hexabrombiphenyl und polyzyklische<br />

aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), die bei unvollständigen Verbrennungen organischen<br />

Materials entstehen. Zur UN/ECE-Region zählen neben den europäischen Staaten auch die<br />

USA, Kanada sowie die Staaten der ehemaligen Sowjetunion. Ursprünglich sollte das<br />

Protokoll 18 Stoffe umfassen. Doch auf Bestreben der USA wurde Pentachlorphenol (PCP)<br />

gestrichen und auf Bestreben Deutschlands die kurzkettigen Chlorparaffine (Greenpeace<br />

1998b). Das Protokoll sieht, wenn es in Kraft tritt, ein Verbot von Produktion und Gebrauch<br />

von Aldrin, Chlordane, Chlordecone, <strong>Die</strong>ldrin, Endrin, Hexabrombiphenyl, Mirex und<br />

Toxaphen vor. DDT, Heptachlor, HCB und PCBs sollen erst später verboten werden. Der<br />

Einsatz von DDT, HCH und PCBs soll stark eingeschränkt werden.<br />

Fazit: <strong>Die</strong> Industrienationen Nordamerikas und Europas regeln nur die <strong>Dauergifte</strong>, deren<br />

Herstellung und/ oder Anwendung in ihrem Territorium sowieso schon stark eingeschränkt<br />

oder verboten wurde. Eine Vorreiterfunktion übernehmen sie damit nicht.<br />

5.5 Vorsorgepolitik: Das neue Ziel der OSPAR-Staaten<br />

Ziel der OSPAR-Konvention ist es, den Nordostatlantik vor Verschmutzung zu schützen. Sie<br />

trat am 25. März 1998 in Kraft (OSPAR, 1998). OSPAR steht für Oslo- und Paris-Kommission.<br />

<strong>Die</strong> teilnehmenden Staaten sind Island, Norwegen, die Schweiz, die 12 EU-Mitgliedsstaaten<br />

(Belgien, Dänemark, Deutschland, Finnland, Frankreich, Großbritannien, Irland,<br />

Luxemburg, Niederlande, Portugal, Schweden, Spanien) sowie die Europäische<br />

Kommission. OSPAR-Entscheidungen sind zwar völkerrechtlich verbindlich, in der Praxis<br />

zwingen sie die Mitgliedsländer aber kaum zum Handeln, denn für ein Nicht-Einhalten der<br />

Beschlüsse durch die Mitgliedsländer sind keine Sanktionen vorgesehen. Beschlüsse der<br />

OSPAR wurden daher bisher kaum oder gar nicht umgesetzt (s. Kasten „Chlorparaffine“,<br />

Kap. 5.3.1).<br />

Auf ihrem Treffen im Juli 1998 im portugiesischen Sintra verabschiedeten die 15 Umweltminister<br />

der Vertragsstaaten und die EU-Umweltkommissarin Ritt Bjerregard das „Sintra-<br />

Protokoll“. Darin beschlossen sie, innerhalb einer Menschengeneration den Eintrag<br />

gefährlicher Chemikalien in den Nordost-Atlantik auf Null herunterzufahren. Dazu sollen<br />

Produktionskreisläufe geschlossen werden und chemische Produkte entwickelt werden, aus<br />

denen keine schädlichen Stoffe mehr entweichen:<br />

„WE AGREE to prevent pollution of the maritime area by continuously reducing<br />

discharges, emissions and losses of hazardous substances (that is, substances which<br />

are toxic, persistent and liable to bioaccumulate or which give rise to an equivalent<br />

level of concern), with the ultimate aim of achieving concentrations in the environment<br />

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Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

near background values for naturally occuring substances and close to zero for manmade<br />

synthetic substances“ (OSPAR, 1998).<br />

Damit war für viele Umweltschützer ein lang verfolgtes Ziel erreicht, das von Politikern und<br />

Vertretern der Industrie oft belächelt wurde. Doch die Umweltminister der Nordseeanrainerstaaten<br />

hatten schon 1995 die Forderung von Greenpeace übernommen, die Emissionen in<br />

die Meere auf Null herunterzufahren. <strong>Die</strong> OSPAR-Erklärung bekräftigte dieses Ziel:<br />

„WE SHALL MAKE every endeavour to move towards the target of cessation of<br />

discharges, emissions and losses of hazardous substances by the year 2020. WE<br />

EMPHASIZE the importance of the precautionary principle in this work.“ (OSPAR, 1998)<br />

Heute wird die Erreichbarkeit dieses Zieles von einer Mehrheit der Experten nicht mehr in<br />

Frage gestellt: 1998 wurde im Auftrag des Bundesforschungsministeriums im Rahmen des<br />

„Delphi-Projektes“ ein breites Spektrum internationaler Experten dazu befragt, wie die rasche<br />

Bekämpfung von <strong>Dauergifte</strong>n umzusetzen ist. <strong>Die</strong> überwiegende Mehrheit der Experten ging<br />

dabei sogar davon aus, daß das Ziel, die Einträge persistenter schädlicher Stoffe in Böden<br />

und über die Luft auf ein langfristig umweltverträgliches Niveau zu verringern, sogar schon<br />

bis zum Jahr 2015 erreichbar ist (BMFT/ Delphi Umfrage 1998).<br />

Greenpeace und andere Umweltorganisationen müssen nun vor allem auf die Umsetzung<br />

der Sintra-Erklärung in nationale, EU-weite und schließlich auch global geltende Richtlinien,<br />

Gesetze und Verordnungen drängen. Um das ehrgeizige Ziel zu erreichen, wird in der Sintra-<br />

Erklärung betont,<br />

the need to provide consumer and purchaser with information on hazardous<br />

substances in goods thereby promoting the reduction of risks from the use of such<br />

chemicals, [...] will develop, individually or jointly, further means for disseminating this<br />

information.<br />

<strong>Die</strong> Kennzeichnung von Produkten, die Gefahrstoffe enthalten, ist eine weitere Forderung<br />

von Greenpeace. Denn nur, wenn Händler und Konsumenten wissen, was die Produkte<br />

enthalten, die sie einkaufen und benutzen, können sie eine bewußte Entscheidung für oder<br />

gegen einzelne Produkte treffen. Das macht Händler und Konsumenten zu gleichberechtigten<br />

Partnern der Industrie, die diese Produkte herstellt.<br />

Im Zentrum der Sintra-Erklärung steht das Vorsorgeprinzip. Denn nur damit können<br />

Verwendung und Freisetzung neuer <strong>Dauergifte</strong> verhindert werden. Ansonsten ersetzt die<br />

Industrie häufig einen gefährlichen Stoff, der gebannt ist, durch eine andere Substanz mit<br />

ähnlichen Eigenschaften. (s. Kap. 5.9)<br />

Zwei Monate nach Abschluß der Sintra-Erklärung, im September 1998, haben sich die<br />

OSPAR-Staaten auf eine Liste von 15 Stoffen und Stoffgruppen geeinigt, bei denen sie<br />

primären Handlungsbedarf sehen. Es sind 10 <strong>Dauergifte</strong> (Dioxine, Furane, PCBs, PAKs,<br />

PCP, kurzkettige Chlorparaffine, Nonylphenol und Nonylethoxylate und ähnliche<br />

Substanzen, einige bromierte Flammschutzmittel, Moschusxyol und die beiden Phthalate<br />

94


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

DBP und DEHP) sowie 5 Schwermetalle und Schwermetallverbindungen (Quecksilber und<br />

organische Quecksilberverbindungen, Kadmium, Blei und organische Bleiverbindungen<br />

sowie organische Zinnverbindungen, incl. TBT). Auch ein Zeitrahmen wurde festgelegt: Im<br />

Jahr 2000 soll OSPAR eine Strategie verabschieden, Emissionen dieser prioritären Stoffe bis<br />

spätestens 2020 zu erreichen.<br />

Der generellen Umsetzung des OSPAR-Ziels, die Freisetzung aller gefährlichen Stoffe bis<br />

zum Jahr 2020 zu unterbinden steht heute ein großes Hindernis im Weg: das EU-Chemikalienrecht:<br />

5.6 EU-Chemiepolitik <strong>–</strong> Russisch Roulette mit Gesundheit und<br />

Umwelt<br />

PCBs, DDT oder Dioxine sind gefährliche Umweltgifte, das ist bekannt. In Deutschland und<br />

anderen Industrieländern wurde daher ihre Anwendung bzw. ihre Freisetzung verboten oder<br />

deutlich eingeschränkt. Doch bei den meisten der ca. 50.000 in der EU vermarkteten<br />

Chemikalien, einschließlich der zahllosen Chemikalien, mit denen Menschen tagtäglich<br />

umgehen, ist die Wirkung auf Gesundheit und Umwelt kaum oder gar nicht bekannt. Für<br />

diese Stoffe fehlt die Information, ob sie gefährliche Stoffe im Sinne der OSPAR-Erklärung<br />

sind und reguliert werden müßten.<br />

Denn die einen sind im Dunkeln, und die andern sind im Licht.<br />

Und man siehet die im Lichte, die im Dunkeln sieht man nicht.<br />

Berthold Brecht, <strong>Die</strong> Schlußstrophen des Dreigroschenfilms 1930<br />

5.6.1 Chemikalien <strong>–</strong> überall verwendet, kaum untersucht<br />

Westeuropa ist die größte chemieproduzierende Region der Welt, hier werden 33 Prozent<br />

aller Chemikalien der Welt erzeugt.<br />

Das Universum der EU-Chemikalien:<br />

Das EU-Chemikalienrecht unterscheidet zwischen sog. Altstoffen, das sind Chemikalien, die<br />

bereits vor 1981 auf dem Markt waren, und neuen Stoffen, die erst danach angemeldet<br />

wurden.<br />

−<br />

Insgesamt 100.106 Altstoffe sind im Europäischen Verzeichnis der im Handel erhältlichen<br />

Stoffe (EINECS) aufgeführt. Sie stellen auch heute noch den mit Abstand größten Anteil<br />

der in der EU vermarkteten Chemikalien.<br />

− Von den schätzungsweise ca. 50.000 Chemikalien auf dem EU-Markt sind 2.500 (ca. 5<br />

Prozent) massenhaft hergestellte Chemikalien (sogenannte „high production volume<br />

chemicals“), also Stoffe, die von mindestens einem Hersteller oder Importeur mit mehr<br />

als 1000 Tonnen jährlich auf den Markt gebracht werden.<br />

95


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

−<br />

Ca. 2100 neue Stoffe, wurden seit 1981 neu angemeldet und registriert (ELINCS-Liste)<br />

Selbst für die circa 2.500 massenhaft hergestellten Chemikalien in der EU verfügt die EU<br />

über keine ausreichenden Stoffdaten: :<br />

1. Für 75 Prozent der EU-Großchemikalien sind gemäß eines Berichts der Europäischen<br />

Umweltagentur von 1998 keine ausreichenden Daten für eine Minimalbewertung<br />

vorhanden.<br />

2. <strong>Die</strong> amerikanische Umweltagentur fand im gleichen Jahr heraus, daß für 43 Prozent ihrer<br />

„high production volume chemicals“ überhaupt keine Information über Gefährlichkeit und<br />

Umweltschädlichkeit existiert.<br />

3. Das Europäische Chemikalien-Büro teilte 1998 mit, daß bei 80 Prozent der EU-<br />

Großchemikalien bisher nicht geprüft wurde, ob sie bei Tieren oder Menschen Krebs<br />

auslösen können und daß für 80 Prozent dieser Chemikalien keine Daten über die<br />

Reproduktionstoxizität (Schädigung der Fortpflanzung oder der Nachkommen) vorliegen.<br />

Kaum besser ist die Datenlage darüber, wie sich die Chemikalien in der Umwelt verhalten:<br />

4. Für 85 Prozent der Großchemikalien fehlen Daten über das Anreicherungsvermögen in<br />

der Natur und Nahrungskette.<br />

5. Für 70 Prozent ist nicht bekannt, wie gut oder schlecht sich die Stoffe in der Umwelt<br />

abbauen.<br />

6. Eine Übersicht des Europäischen Chemikalien-Büros (Doc. ECB4/20/8, 1998)<br />

veranschaulicht die Datendefizite bei Umweltdaten (vor allem für den aquatischen<br />

Bereich) für die derzeit von der EU erfaßten organischen Chemikalien:<br />

Datenverfügbarkeit<br />

Anzahl organischer<br />

Chemikalien<br />

Prozent<br />

Keine Daten verfügbar 2741 67<br />

Schlechte Datenqualität 686 17<br />

Gute Datenqualität 666 16<br />

Gesamt 4093 100<br />

96


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Fazit: : <strong>Die</strong> Datenverfügbarkeit und <strong>–</strong>qualität ist absolut ungenügend. Noch schlechter ist die<br />

Datenlage bei den 95 Prozent der EU-Chemikalien, die in Mengen unter 1000 Tonnen pro<br />

Jahr vermarktet werden. Für diese Chemikalien liegen überhaupt keine oder nur völlig<br />

unzureichende Stoffdaten vor.<br />

Gravierende Wissenslücken:<br />

1. Wichtige Gefahreneigenschaften von Stoffen werden von der EU nicht berücksichtigt<br />

<strong>Die</strong> gegenwärtig in der EU von den Herstellern und Vermarktern geforderten<br />

Stoffinformationen weisen große Lücken auf. <strong>Die</strong> Risikobewertungen ignorieren ganze<br />

Wirkungsbereiche von Stoffen. Unter anderem werden folgende wichtige toxische<br />

Stoffeigenschaften bei der Stoffbewertung nicht berücksichtigt:<br />

−<br />

−<br />

−<br />

−<br />

Wirkungen auf das Immunsystem<br />

Wirkungen auf das Nervensystem<br />

Endokrine (hormonartige) Wirkung<br />

Diverse Formen der Ökotoxizität, z.B. die Wirkung in<br />

Wasser-Sediment-Systemen<br />

−<br />

Kombinationseffekte, d.h. Effekte beim Zusammenwirken mehrerer Substanzen<br />

2. Verwendung unbekannt<br />

<strong>Die</strong> Einsatzbereiche der „high production volume chemicals“ sind für die Behörden nur in<br />

Einzelfällen bekannt. Für die Zigtausend Chemikalien, die in geringeren Mengen<br />

hergestellt werden („low production volume chemicals“), fehlen diese Informationen<br />

nahezu vollständig. <strong>Die</strong> Verbraucher, der Handel, aber auch die Aufsichtsbehörden<br />

wissen daher normalerweise nicht, welche Chemikalien in den Produkten auf dem Markt<br />

enthalten sind.<br />

5.6.2 Chemikalienrecht <strong>–</strong> Ignoranz der Probleme<br />

<strong>Die</strong> Grundlage für alle Maßnahmen der EU ist die Bewertung der Risiken eines Stoffes.<br />

<strong>Die</strong>se Bewertung hängt von der Datenlage ab <strong>–</strong> ohne ausführliche Daten gibt es keine<br />

Bewertung, ohne Bewertung gibt es keine Regulierung. Da aber die Datenlage, wie oben<br />

gezeigt, für weit über 95 Prozent der EU-Chemikalien unzureichend gering ist, werden über<br />

95 Prozent aller EU-Chemikalien von den Bewertungs- und Regulierungsinstanzen von<br />

vornherein regelrecht ausgeschlossen. Das EU-Recht und die Chemikalienvermarkter folgen<br />

dem Grundsatz: „Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß“.<br />

97


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

<strong>Die</strong> Hersteller sind zwar gehalten, nicht offiziell eingestufte Chemikalien selbst einzustufen <strong>–</strong><br />

jedoch lediglich auf der Grundlage bestehender Daten. (Sollte ein Stoff etwa krebserregend<br />

sein, aber es liegen keine Untersuchungen über sein krebserregendes Potential vor, so wird<br />

der Hersteller den Stoff auch nicht als krebserregend einstufen. Eine Verpflichtung zur<br />

Klärung der krebserzeugenden Wirkung gibt es für den Hersteller nicht.) <strong>Die</strong> Hersteller<br />

müssen noch nicht einmal nachweisen, welche Informationsquellen sie benutzt haben, um<br />

ihre Daten zu erschließen.<br />

Schließlich bleibt eine Selbsteinstufung ohne rechtliche Konsequenzen, denn nur die<br />

offizielle Einstufung stellt Verbindlichkeit her. So ist es unter geltendem Recht kein<br />

Widerspruch, daß leber- und hodenschädigende Phthalate, die von den Herstellern selbst als<br />

giftig eingestuft werden, in Weich-PVC-Spielzeug für Kleinkinder verwendet werden, obwohl<br />

die Spielzeug-richtlinie eine Verwendung gefährlicher Stoffe verbietet <strong>–</strong> aber eben nur jener<br />

gefährlichen Stoffe, die von den Behörden eingestuft worden sind, und das ist bei Phthalaten<br />

nicht der Fall.<br />

Bei der Datenerhebung sind die Behörden meist auf die Information der Industrie<br />

angewiesen. „Keine Daten“ bedeutet freie Stoff-Vermarktung für die Industrie. Wer dagegen<br />

Daten liefert, läuft potentiell Gefahr, daß aufgrund möglicherweise erkennbarer<br />

Gefahrenmomente Restriktionen für das Produkt erlassen werden.<br />

Tatsächlich stellt daher die Industrie nur sehr zögerlich und unvollständig Daten zur Verfügung.<br />

Das EU-Recht belohnt in seiner heutigen Form die Chemikalienvermarkter und <strong>–</strong><br />

hersteller, die keine Daten liefern oder Daten geheim halten.<br />

5.6.3 Risikobewertung für Chemikalien <strong>–</strong> ein Risiko für die Umwelt<br />

Das gegenwärtige Bewertungsverfahren der EU für Chemikalien beruht auf dem sog. „Risk<br />

Assessment“. Allein die Anleitung zur Durchführung eines solchen Risk Assessments<br />

(„Technical Guidance Document“) umfaßt über 700 Seiten und beschreibt akribisch, wie<br />

Daten für einen Stoff zu erfassen, zu bewerten oder nach theoretischen Modellen<br />

abzuschätzen sind. Der Aufwand dieses Bewertungsverfahrens ist enorm 3 , aber nicht<br />

gerechtfertigt, denn die Konzeption der Risiko-Bewertung weist schwerwiegende Mängel auf:<br />

−<br />

Verharmlosende Vereinfachungen einerseits…<br />

3 <strong>Die</strong> Kosten für das Risk-Assessment eines Stoffes liegen zwischen circa 100.000 Euro (Minimaldaten) bis 5<br />

Millionen Euro (umfassende Daten). <strong>Die</strong> von der EU bereitgestellten finanziellen Mittel für die Risikobewertung<br />

von Stoffen erlauben so <strong>–</strong> rein finanziell betrachtet <strong>–</strong> überhaupt nur die Bewertung von maximal 20-30 Stoffen<br />

pro Jahr. (EEA 1998)<br />

98


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

1. Das "Risk Assessment" betrachtet jeweils nur die Wirkung eines einzelnen Stoffes <strong>–</strong><br />

berücksichtigt also nicht die mögliche Kombinationswirkung mit anderen Schadstoffen<br />

oder Verunreinigungen in dem Produkt.<br />

2. Das "Risk Assessment" untersucht nur die Wirkung auf wenige Modelltiere und zum<br />

Teil auch Ökosysteme. <strong>Die</strong> tatsächliche Wirkung auf die Vielfalt von Tieren, Pflanzen,<br />

natürlichen Ökosystemen und auf den Menschen ist damit kaum voraussagbar.<br />

−<br />

…beruhend auf wissenschaftlich unhaltbaren Berechnungsverfahren…<br />

1. Das "Risk Assessment" versucht, die an den wenigen Modelltieren und Labortests<br />

gewonnenen Erkenntnisse auf die natürlichen Ökosysteme und Organismenvielfalt zu<br />

übertragen. Resultat dieses Verfahrens ist ein Wert, genannt „PNEC“ <strong>–</strong> „Predicted<br />

No-Effect Concentration“, unterhalb dessen in der Natur keine schädlichen Effekte<br />

erwartet werden.<br />

2. Das "Risk Assessment" versucht weiterhin, die bei der Freisetzung einer Substanz zu<br />

erwartende Konzentration in der Umwelt zu berechnen. Meist sind allerdings nicht<br />

einmal die Hauptanwendungsbereiche und Freisetzungspfade bekannt. Das<br />

Abbauverhalten der Stoffe in den verschiedenen Teilen der Umwelt ist fast gar nicht<br />

untersucht. So ist es nahezu unmöglich, vorauszusagen, in welchen Konzentrationen<br />

ein Schadstoff z.B. in Oberflächengewässern, im Grundwasser, im Meer, in Böden<br />

oder Tieren auftreten wird. Dennoch wird auf diese Weise ein Wert „PEC“ (Predicted<br />

Environmental Concentration) ermittelt, die Konzentration einer Chemikalie also, die<br />

in der Umwelt auftreten könnte.<br />

3. Erst wenn der „PEC“-Wert größer ist als der „PNEC“-Wert, sieht die EU<br />

Handlungsbedarf.<br />

Kaum ein Verfahren des "Risk Assessment" der EU ist in seinem wissenschaftlichen<br />

Ansatz so zweifelhaft und unzuverlässig wie die PEC/PNEC-Berechnung. Dennoch ist es<br />

ein zentrales Element der EU-Stoffbewertung. Denn nur wenn der PEC- den PNEC-Wert<br />

übersteigt, werden Regulierungsmaßnahmen in Erwägung gezogen. <strong>Die</strong> er reale<br />

Belastung von Mensch und Umwelt allerdings spiegeln die Modellwerte der EU kaum<br />

wider.<br />

−<br />

… und Vollständigkeitswahn andererseits!<br />

Der Nachweis einer schweren Giftwirkung einer Chemikalie reicht nicht aus, um<br />

Maßnahmen zu ergreifen. Bevor Maßnahmen ergriffen werden können, muß eine<br />

vollständige Stoffbewertung durchgeführt werden. Dazu müssen zuerst Daten über die<br />

möglichen anderen Effekte (z.B. das Abbauverhalten) dieser Substanz gesammelt oder<br />

erforscht werden. Doch dies gestaltet sich aufgrund des Datenmangels als äußerst<br />

99


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

langwierig und ist mit großen Unsicherheitsfaktoren verbunden. Viel Zeit und Ressourcen<br />

gehen dabei verloren <strong>–</strong> der Nachweis eines Risikos wird zum Risiko selbst.<br />

So dauern die Bewertungen mehrere Jahre und blockieren in der Zwischenzeit jedwede<br />

Maßnahme. Selbst wenn andere internationale Gremien, an denen die EU beteiligt ist,<br />

eine Stoffgruppe bereits umfassend geprüft und einen Maßnahmenkatalog verabschiedet<br />

haben, besteht die EU auf einem eigenen "Risk Assessment" vor der Umsetzung dieser<br />

Maßnahmen. <strong>Die</strong>se unnötige Doppelarbeit verschwendet Steuergelder: Seit 1995<br />

verhindert die Europäische Kommission mit ihrem Beharren auf einer eigenen<br />

Risikobewertung die Umsetzung des bereits im Jahr 1995 durch die OSPAR-Konvention<br />

beschlossenen Anwendungsverbots von hochgiftigen Chlorparaffinen, das bereits für das<br />

Jahr 2000 vorgesehen ist. <strong>Die</strong>ses Vorgehen erscheint kaum nachvollziehbar angesichts<br />

der Tatsache, daß das Anwendungsverbot der OSPAR-Konvention unter Mitwirkung der<br />

EU verabschiedet wurde.<br />

−<br />

„Im Zweifelsfall für den Angeklagten„, dieses Prinzip gilt aus guten Gründen für<br />

Rechtspersonen <strong>–</strong> in der EU gilt es aber auch für Chemikalien: Solange das "Risk<br />

Assessment" der EU keine wissenschaftlich eindeutigen, möglichst kausalen Beweise für<br />

die Wirkungen und Schadfolgen einer Chemikalie bei Mensch oder Umwelt erbracht hat,<br />

werden auf EU-Ebene keine Maßnahmen ergriffen. Wie in Kapitel 1 gezeigt, ist es nur<br />

selten möglich, solche Kausalbeweise aufzustellen <strong>–</strong> Umwelt und Natur sind durch viele<br />

Stoffe belastet. So wird von Verursachern wie der Chemieindustrie häufig behaupten,<br />

daß entweder keine Schädigung zu befürchten sei oder daß eine festgestellte Wirkung<br />

nicht durch die verdächtigte Chemikalie, sondern andere Einflüsse hervorgerufen worden<br />

sei.<br />

<strong>Die</strong> Toxikologie und Umweltwissenschaft arbeitet dagegen heute auf Basis von Wahrscheinlichkeiten<br />

und Verdachtshinweisen. Das Vorsorgeprinzip fordert im Gegensatz<br />

zum EU-Chemikalienrecht, daß bereits auf Verdachtsbasis Maßnahmen ergriffen<br />

werden. Für Chemikalien muß Gelten: „Im Zweifelsfall gegen den Angeklagten“.<br />

−<br />

Risikobewertung <strong>–</strong> der beste Freund der Industrie<br />

Mit der Aufnahme des von der Chemieindustrie favorisierten Risikobewertungsverfahrens<br />

in das EU-Chemikalienrecht wurde den Behörden eine fast unmöglich zu erbringende<br />

Beweislast aufgebürdet. De facto ist es äußerst schwierig, die für ein "Risk Assessment"<br />

erforderlichen Daten zu beschaffen und zu bewerten und so einen Schadstoff schließlich<br />

zu regulieren. Von einem vorsorglichen Schutz der Verbraucher und der Umwelt kann<br />

keine Rede mehr sein; Schaden ist geradezu vorprogrammiert.<br />

−<br />

Beweislast bei den Geschädigten<br />

Nach gültigem EU-Recht ist es nicht Sache der Chemikalienhersteller oder <strong>–</strong>vermarkter<br />

zu beweisen, daß die von ihnen auf den Markt gebrachten Stoffe ungefährlich sind. <strong>Die</strong><br />

Beweislast liegt bei den Behörden und im Schadensfall bei den Geschädigten <strong>–</strong> sie<br />

100


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

müssen nachweisen, daß der Stoff gefährlich sein kann oder einen Schaden verursacht<br />

hat.<br />

<strong>Die</strong> Kosten für die Stoffbewertung tragen heute die Steuerzahler, nicht die Unternehmen,<br />

die von der Vermarktung der Stoffe profitieren.<br />

− Neue EU-Chemikalien<br />

Seit 1981 wurden etwa 2.100 Chemikalien zur Neuvermarktung angemeldet. Zeichnet<br />

sich bei diesen Stoffen eine Wende zum Besseren ab? Bei der Anmeldung der Neustoffe<br />

müssen die Hersteller bzw. Vermarkter Datensätze zur Verfügung stellen, was bei den<br />

Altstoffen nicht notwendig war. Der Umfang der verlangten Daten hängt vom geplanten<br />

Vermarktungsvolumen ab. Dadurch ist über die physikalisch-chemischen, toxischen und<br />

Umwelteigenschaften der Neustoffe tatsächlich mehr bekannt als bei den Altstoffen. Sind<br />

die Daten erst einmal beigebracht, kann jede noch so gefährliche Chemikalie neu auf<br />

den Markt gebracht werden, da es sich eben nur um Anmelderecht und nicht um ein<br />

Zulassungsrecht handelt. 70 Prozent der neu angemeldeten Stoffe sind als „gefährlich“<br />

im Sinne des Chemikaliengesetzes eingestuft <strong>–</strong> eine Wende der Chemieindustrie hin zu<br />

ungefährlichen Produkten ist nicht erkennbar.<br />

5.6.4 Bewertung im Schneckentempo <strong>–</strong> noch 15.000 Jahre warten?<br />

Vor sechs Jahren startete die EU ihr Untersuchungsprogramm für EU-Chemikalien<br />

(Verordnung zur Bewertung und Kontrolle der Umweltrisiken chemischer Altstoffe) mit dem<br />

Ziel, die schon damals bekannten dramatischen Datendefizite zu beseitigen.<br />

Das Ergebnis von sechs Jahren EU-Chemikalienpolitik ist niederschmetternd:<br />

− Von den 100.106 Altstoffen sind nur 110 Stoffe als vorrangige Stoffe für eine<br />

Risikobewertung ausgewählt worden. Unter diesen 110 vorrangigen Altstoffen sind<br />

altbekannte Umweltgifte wie Cadmium, Chlor, Chlorparaffine und Phthalate.<br />

− Bis zum September 1998 waren die Risikobewertungen von lediglich 19 Stoffen<br />

abgeschlossen.<br />

− Für 14 dieser Stoffe wurden vorläufige Empfehlungen zur Risikoverminderung<br />

vorgeschlagen.<br />

− Jedoch für keinen einzigen dieser Stoffe hat die EU bislang Empfehlungen<br />

verabschiedet.<br />

− Und bis zu tatsächlichen Regulierungsmaßnahmen ist es dann immer noch ein weiter<br />

Weg.<br />

Sollte das bisherige Prüfungstempo der EU beibehalten werden, ist davon auszugehen, daß<br />

die Prüfung der circa 50.000 Stoffe, die sich schätzungsweise auf dem EU-Markt befinden,<br />

noch 15.000 Jahre andauern wird. (Bei insgesamt möglicherweise 100.000 Altstoffen<br />

verdoppelte sich dieser Zeitraum noch).<br />

101


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Chemikalien (Stand September 1998)<br />

Anzahl<br />

Altstoffe (Chemikalien, die bereits vor 1981 vermarktet wurden) 100.000<br />

Altstoffe, die offiziell als gefährlich eingestuft sind Ca. 3000<br />

Altstoffe mit einem Marktvolumen von mehr als 1000 t/Jahr Ca. 2500<br />

Altstoffe, die seit 1993 eine Risikobewertung durchliefen 110<br />

Altstoffe, deren Risikobewertung abgeschlossen ist 19<br />

Altstoffe, bei denen Entwürfe zur Risikominderung vorliegen 14<br />

Altstoffe, für die Risikoverminderungsmaßnahmen eingeleitet wurden 0<br />

102


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

5.6.5 EU läßt erkannte Umweltgifte unangetastet<br />

Selbst dort, wo die über die Generaldirektion Umwelt (GD XI) erstellten "Risk Assessements"<br />

der EU Maßnahmen zur Risikoverminderung empfehlen, bleibt bis zur tatsächlichen<br />

Ausführung der Maßnahme noch ein langer Weg, denn deren Umsetzung erfordert wieder<br />

andere Gesetzesinstrumente:<br />

<strong>Die</strong> Verantwortung für das wichtigste Regulierungsinstrument, die Marktbeschränkungsrichtlinie,<br />

liegt bei der Generaldirektion Industrie der Europäischen Kommission (GD III). <strong>Die</strong><br />

GD III stellt weitere Bedingungen, bevor sie einer <strong>–</strong> bis dato noch rein hypothetischen<br />

Maßnahme <strong>–</strong> zustimmen würde. So soll in weiteren „cost-benefit-Analysen„ geklärt werden,<br />

welche möglichen Kosten die Restriktion des gefährlichen Stoffes nach sich zieht und ob<br />

diese Kosten der Industrie zugemutet werden können. Während der gesamten Zeit darf die<br />

Industrie sogar erkanntermaßen gefährliche Chemikalien auf den Markt bringen.<br />

<strong>Die</strong> Chemieindustrie hat Narrenfreiheit: Jeder Altstoff kann ohne Restriktionen auf den Markt<br />

gebracht werden, und sei er noch so gefährlich <strong>–</strong> ein Freibrief für Chemikalien. Chemikalien<br />

werden quasi Menschenrechte zugestanden <strong>–</strong> sie werden als „unschuldig bis zum Beweis<br />

des Gegenteils“ erachtet <strong>–</strong> auf Kosten der menschlichen Gesundheit und der Umwelt. Das<br />

Menschenrecht auf eine intakte Natur, unbelastete Muttermilch und den Schutz der<br />

Gesundheit vor gefährlichen Umweltschadstoffen wird bislang den Interessen des Marktes<br />

untergeordnet.<br />

Greenpeace hat einen umfassenden Vorschlag zur Reform des EU-Chemikalienrechts<br />

vorgelegt, der die wesentlichen Mängel des bestehenden Systems beheben würde und sich<br />

am Vorsorgeprinzip orientiert: (Greenpeace 1999b)<br />

5.7. Andere Länder <strong>–</strong> bessere Chemiepolitik?<br />

5.7.1 USA: Öffentlicher Druck sorgt für Bewegung bei der<br />

Altstoffbewertung<br />

Im Herbst 1997 begann die Kampagne ‘3000 bis 2000’ des Umweltverbandes Environmental<br />

Defense Fund (EDF). Bis zum Jahr 2000 sollen die Chemieunternehmen die notwendigen<br />

Daten liefern, um das Gefahrenpotential von 3000 Chemikalien beurteilen zu können (3000<br />

massenhaft hergestellte Chemikalien, von denen in den USA jährlich mehr als 500 Tonnen<br />

hergestellt oder eingeführt werden). Untersuchungen der EDF, der EPA (US-Umweltbehörde)<br />

und des Dachverbands der chemischen Industrie (CMA), hatten unabhängig<br />

voneinander ergeben, daß nur für über sieben Prozent dieser Altstoffe vollständige<br />

Datensätze zur Gefährdungsabschätzung vorliegen.<br />

Im Oktober 1998 schlossen EDF, CMA und der Dachverband der Mineralölwirtschaft<br />

(American Petroleum Institute) einen Kompromiß: Bis Ende 2004 sollen Produzenten und<br />

103


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Importeure die Gefahren für Gesundheit und Umwelt von rund 2800 Massenstoffen prüfen<br />

(EDF 1998). <strong>Die</strong> Gefährdungsabschätzungen werden die Wirtschaft rund 500 bis 700<br />

Millionen US-Dollar kosten. Das Besondere: Jedes Testergebnis soll im Internet unter der<br />

Website ‘http://www.epa.gov.opptintr/chemrtk’ veröffentlicht werden. Um sicherzustellen, daß<br />

die Wirtschaft ihr Versprechen einhält, droht die US-Umweltbehörde EPA, die Datensammlung<br />

auf dem Verordnungswege festzuschreiben.<br />

Um das Stoffbewertungsverfahren zu vereinfachen, soll in den USA in Zukunft die<br />

Bewertung auf Basis einfach verfügbarer Stoffmerkmale (intrinsische Eigenschaften), statt<br />

auf Basis komplizierter Bewertungsmodelle wie in der EU-Risikobewertung, erfolgen.<br />

5.7.2 Dänische Gruppenbewertung<br />

Auch dänische Umweltpolitiker wollen die Altstoffbewertung beschleunigen. Sie schlagen<br />

dazu vor, Chemikalien mit ähnlichen physikalisch-chemischen Eigenschaften in einer Gruppe<br />

zusammenzufassen. Innerhalb einer Gruppe werden dann Stoffe, die derzeit nicht oder nur<br />

teilweise bewertet sind, so eingestuft und gekennzeichnet, wie diejenige Substanz in der<br />

Gruppe, die das höchste bekannte Risiko aufweist. Mit durchschnittlich 20 Stoffen in einer<br />

Gruppe würde die gesamte EINECS-Liste auf 5000 Stoffe schrumpfen. <strong>Die</strong>s System birgt<br />

zwar die Gefahr, daß die Gefährlichkeit einiger Stoffe überbewertet wird, doch solch eine<br />

Überklassifizierung hätte den Vorteil, daß Produzenten und Importeure angespornt wären,<br />

die Risiken von Chemikalien intensiver zu untersuchen und deren Auswirkungen besser zu<br />

dokumentieren (Teknologi-Rådet, 1996).<br />

Der dänische Umweltminister Auken will die Industrie veranlassen, bis zum Jahr 2005 die<br />

Bewertung prioritärer Altstoffe abzuschließen. Er droht an, daß Chemikalien, die bis dahin<br />

nicht bewertet wurden, als gefährliche Stoffe behandelt und damit vom Markt genommen<br />

werden müssen (S. Auken laut Environment Watch, 1.5.1998,6).<br />

Im Januar 1999 kündigte die dänische Regierung in einer „Government Strategy on<br />

Chemicals“ konkrete Schritte an (Presseerklärung der dänischen Umweltbehörde vom<br />

15.1.1999):<br />

„Among the elements of the strategy are:<br />

1) Phasing out the use of problematic chemicals<br />

⋅ measures to restrict the use of problematic chemicals shall be intensified, and instruments<br />

like bans, charges, voluntary agreements etc. shall be considered<br />

⋅ the List of Undesirable Substances, an important element in the efforts to reduce the use of<br />

critical chemicals, shall be updated, and a guiding list of dangerous chemicals shall be<br />

drawn up<br />

⋅ potential substitutes for chemicals which are harmful to health or dangerous for the<br />

environment shall be promoted, i.a. by integrated product policy measures.<br />

104


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

2) Strengthening of supervision and manufacturers' responsibility, improved access<br />

to information<br />

⋅ Danish EPA work with chemicals shall be strengthened <strong>–</strong> i.a. by allocating more jobs and by<br />

restructuring the Agency, setting up one more chemicals division and extending the<br />

Chemical Inspection Service<br />

⋅ manufacturers shall hold greater responsibility for providing knowledge on the impact of<br />

their products on health and the environment, and evaluate whether the products can be<br />

used safely in terms of health and the environment<br />

⋅ manufacturers' obligation to disclose information, also to consumers, and sanctions for not<br />

meeting the obligation, shall be strengthened, i.a. by bans on marketing ⋅ more products<br />

shall be registered in the Product Register, and consumer access to the Register shall be<br />

extended.<br />

3) Strengthening of EU regulation and setting up a coherent, simplified, more efficient<br />

and speedy EU assessment procedure<br />

⋅ the precautionary principle shall be used more widely at EU level ⋅ a list banning substances<br />

with particularly dangerous properties shall be drawn up<br />

⋅ computer-based group classifications shall be used more widely, to speed up EU<br />

assessment procedures<br />

⋅ risk assessments shall be simplified and carried out more rapidly ⋅ a date shall be fixed <strong>–</strong><br />

e.g. year 2005 <strong>–</strong> after which existing substances which have not been assessed at EU level<br />

shall be considered as new substances and therefore be subject to a notification procedure<br />

prior to use<br />

⋅ clear rules shall be implemented on the duty of manufacturers etc. to give information to the<br />

consumers<br />

⋅ common EU rules on chemicals shall be enforced more efficiently.<br />

....„<br />

Auch die EU-Kommission weiß, daß die Altstoffbewertung effizienter gestaltet werden muß.<br />

Doch die Empfehlungen aus Dänemark fanden bei ihr kein Gehör. <strong>Die</strong> Brüsseler Behörde<br />

will in erster Linie strukturelle Mängel wie fehlende finanzielle und personelle Ressourcen für<br />

die Bewertung angehen (EU-Kommission, 1998).<br />

105


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

5.7.3 Schweden: Dem Vorsorgeprinzip verpflichtet<br />

Das im Auftrag der schwedischen Regierung bestellte „Chemicals Policy Committee“ legte<br />

1997 Empfehlungen zu einer neuen nationalen und internationalen Chemiepolitik vor. <strong>Die</strong><br />

Hauptziele der schwedischen Politik wurden wie folgt zusammengefaßt:<br />

„The Chemicals Policy Committee proposes the following targets for the chemicals policy:<br />

By the year 2002 all companies attach appropriate product information to their products<br />

allowing forinformed consumer choice.<br />

By the year 2007 all products on the market are to be free from<br />

- substances that are persistent and liable tobioaccumulate<br />

- lead, mercury and cadmium<br />

- substances that give rise to serious or irreversible effects on health or the environment.<br />

By the year 2012 the production processes should have developed to the extent that<br />

- they are free from the deliberate use of persistent and bioaccumulating substances, or lead,<br />

cadmium or mercury<br />

- the releases are free from substances that cause serious or chronic health effects.<br />

By the year 2012 metals other than lead, cadmium and mercury are to be used in<br />

applications where- the metals are mainly kept intact during use<br />

- they are collected after use for reuse, recycling or deposition.„<br />

Angesichts der Tatsache, daß ein erheblicher Anteil der <strong>Dauergifte</strong> der neuen Generation<br />

Additive für Kunststoffe sind, verdienen die schwedischen Vorschläge zu „Clean Plastics“<br />

besondere Beachtung:<br />

„Clean plastics / The Chemicals Policy Committee proposes that:<br />

The use, as additives in plastic materials, of persistent, bioaccumulating substances, lead,<br />

mercury or cadmium, or substances that may cause serious or irreversible effects on health<br />

or the environment be phased out at the latest by 2007.<br />

A plastic material be substituted by other materials if it contains any of the substances<br />

mentioned above. For substances being used, industry report on their properties, and show<br />

that they can be safely used. The National Chemicals Inspectorate initiate and promote<br />

development of new environmentally adapted plastic materials“.<br />

Das schwedische Parlament hat im Mai 1999 eine neue Chemiepolitik verabschiedet, nach<br />

der sich Schweden weltweit als erstes Land verpflichtet, das „Generationsziel“ der OSPAR-<br />

Konvention (Kap. 5.5) in nationales Recht umzusetzen. Ferner sollen stoffinhärente<br />

Eigenschaften wie Persistenz und Bioakkumulationspotential für die Stoffbewertung sowie<br />

106


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

darüber, ob der Stoff in Umlauf gebracht wird, herangezogen werden. Auch die<br />

Gruppenbewertung wird als neues Instrument aufgegriffen (Schweden 1999).<br />

Schweden ergriff bereits konkrete Maßnahmen zur Umsetzung dieser Ziele, so wurden<br />

Phthalate und bromierte Flammschutzmittel scharfen Restriktionen unterworfen.<br />

Schweden und Dänemark erstellten zudem nationale Listen „unerwünschter Stoffe“ die von<br />

der Industrie nicht mehr eingesetzt werden sollen. Mit diesem Instrument wird versucht <strong>–</strong><br />

unterhalb der rechtlichen Regulierung <strong>–</strong>, den Ausstieg aus gefährlichen Stoffen<br />

voranzutreiben.<br />

5.8 Deutschland <strong>–</strong> kein Vorreiter in der Chemiepolitik<br />

In der Umweltpolitik wurde Deutschland lange Zeit als ein Vorreiter angesehen. So etwa bei<br />

der Luftreinhaltepolitik („Blauer Himmel über Rhein und Ruhr“), der Abwasserpolitik oder den<br />

Grenzwerten für Dioxin-Emissionen aus Müllverbrennungsanlagen (Grenzwert von 0,1 ng<br />

TEQ pro m³ Abluft). Wurden etwa in den 80er Jahren in den alten Bundesländern jährlich<br />

zwischen einem und zwei Kilogramm Dioxin-TEs emittiert, waren es Mitte der 90ziger Jahre<br />

es nur noch etwa 300 Gramm jährlich, und bis zum Jahr 2000 erwartet das UBA eine weitere<br />

Senkung bei industriellen Anlagen auf rund 70 Gramm (UBA, Daten zur Umwelt 1997).<br />

Heute spielt Deutschland in der Umwelt- und Chemiepolitik im internationalen Vergleich<br />

meist eher die Rolle des Nachzüglers oder gar Bremsers.<br />

∗ Während die USA bereits im Jahr 1977 Herstellung und Anwendung von PCBs<br />

einstellten, steigerte die deutsche Bayer AG ihre Produktion von 6.000 auf 7.500 Tonnen<br />

jährlich und stellte erst 1983 als letzter Hersteller in den westlichen Industrieländern die<br />

Produktion ‘freiwillig’ ein.<br />

∗ HCB: Während in den USA schon 1986 kein HCB mehr hergestellt wurde, produzierte die<br />

Bayer AG noch 1990 etwa 1.500 Tonnen dieses Stoffes (Greenpeace-Studie, 1995).<br />

∗ PVC: Deutschland wehrt sich gegen Restriktionen selbst bei gefährlichen Anwendungen<br />

wie zum Beispiel Kinderspielzeug oder Kabel in brandgefährdeten Bereichen.<br />

Greenpeace hat nachgewiesen, daß es umweltgerechte Alternativen gibt.<br />

∗ TBT: Ende 1998 wollte die EU-Kommission das TBT-Anwendungsverbot auf Boote bis 50<br />

Meter Länge ausweiten. Deutschland intervenierte (Cameron, 1999).<br />

∗ Deutschland hat maßgeblich dazu beigetragen, daß Chlorparaffine nicht auf die UN/ECE-<br />

Liste aufgenommen wurden, obwohl das UBA ein Verbot von Chlorparaffinen empfiehlt<br />

(Greenpeace 1998b).<br />

∗ Greenpeace belegte 1995, daß das Grundwasser in vielen Teilen Deutschlands stark mit<br />

Pestiziden belastet ist. Einige Unternehmen wie die Deutsche Bahn steuern um, doch<br />

107


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

eine generelle Abkehr von der Pestizidproduktion bzw. vom übermäßigen Einsatz gibt es<br />

weder bei der chemischen Industrie noch in der Landwirtschaft.<br />

∗ Auch bei polybromierten Flammhemmern, organischen Zinnverbindungen, Phthalaten,<br />

synthetischen Moschusverbindungen und anderen <strong>Dauergifte</strong>n der neuen Generation<br />

reagiert Deutschland bisher nicht auf die offensichtlichen Gefahren. So kündigte die alte<br />

Bundesregierung bereits 1991 eine Elektronikschrott-Verordnung an, um die Anwendung<br />

von Umweltgiften wie den bromierten Flammhemmern zu regeln. Und erst 1998 hat das<br />

UBA ein Forschungsvorhaben initiiert, um die Lücke der (öko-)toxikologischen Bewertung<br />

dieser Stoffe zu schließen.<br />

∗ In der sog. „Chester-Initiative“„ zur „Chemicals Policy in the European Union“ forderten<br />

Experten und Umweltminister aus Österreich, Dänemark, Finnland, den Niederlanden und<br />

Schweden im April 1998 eine grundlegende Reform des EU-Chemikalienrechts. <strong>Die</strong><br />

deutsche EU-Ratspräsidentschaft legte den EU-Mitgliedsländern im Mai 1999 dagegen<br />

einen Vorschlag zur Reform des EU-Chemikalienrechts vor, der weit hinter den<br />

Forderungen der Chester-Erklärung und den Erwartungen anderer EU-Staaten und<br />

Umweltverbände zurückbleibt. Eine Implementierung des OSPAR-Zieles wird darin nicht<br />

geleistet.<br />

Auch unter der neuen Bundesregierung hat sich die Chemiepolitik in Deutschland nicht<br />

erkennbar geändert. Vor allem das Bundeswirtschaftsministerium vertritt einen strikt<br />

marktliberalen Ansatz, nach dem die Regulierung von Umweltchemikalien durch den<br />

Gesetzgeber unterbleiben sollte und auf freiwillige Maßnahmen der Industrie vertraut wird.<br />

Weitergehende Initiativen des Umweltministeriums bleiben so meist auf der Strecke<br />

(Greenpeace-Gespräch beim BMWT, März 1999).<br />

5.9 Chemieindustrie: Zweifelhafte ‘Responsible Care’-Politik<br />

In ganzseitigen Anzeigen und bunten Broschüren gibt sich die Chemieindustrie als offene<br />

und verantwortungsbewußte Branche. Mit Begriffen wie „Sustainable Development“ und<br />

„Responsible Care“ will sie unterstreichen, daß sie eine umwelt- und verantwortungsbewußte<br />

Arbeit leistet. Tatsächlich aber betreibt die Chemische Industrie in vielen Feldern ein „rollback“<br />

der Umweltstandards:<br />

∗ In den Jahren 1993 und 1995 trat die Chemische Industrie für die Abschaffung des EU-<br />

Vorsorgegrenzwertes für Pestizide im Grundwasser (0,5 µg/l) ein. Dabei hatte sich die<br />

Branche noch in den 80er Jahren zum Ziel eines pestizidfreien Grundwassers bekannt;<br />

∗ 1994 wurden auf Drängen der chemischen Industrie die Abgabesätze im<br />

Abwasserabgabengesetz gesenkt. Damit wurde das bislang einzige Umweltgesetz<br />

entkräftet, das ökonomisch lenkend wirkte;<br />

108


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

∗ <strong>Die</strong> Chemieindustrie tritt gegen jegliche neue ordnungsrechtliche Regulierung von im<br />

Bereich der Chemiepolitik ein. Sie lehnt gleichzeitig neue umweltpolitische Instrumente<br />

ab, seien sie haftungsrechtlicher oder ökonomischer Natur. Seit 1994 lehnt der Verband<br />

der Chemischen Industrie (VCI) kategorisch jede Energie- und Ökosteuer ab. Im<br />

Gegensatz zum VCI befürworten ausländische Chemieunternehmen wie Ciba-Geigy<br />

(heute mit Sandoz zu Novartis fusioniert) eine Energiesteuer;<br />

∗ Seit 1993 forderte die Chemiewirtschaft ein Moratorium im Umweltrecht und lehnt auch<br />

längst überfällige Stoffregulierungen wie beispielsweise bei den Chlorparaffinen oder bei<br />

PVC ab;<br />

∗ Anti-Umwelt-Lobbyorganisationen der Chemieindustrie wie die „Arbeitsgemeinschaft PVC<br />

und Umwelt“ (AgPU), betreiben öffentliche Greenwashing-Kampagnen, die auch vor<br />

Ökolügen nicht halt machen. Solche Irreführungen wurden mehrfach durch Greenpeace<br />

und Verbraucherverbände abgemahnt.<br />

∗ Das Prinzip, den Teufel mit dem Beelzebub auszutreiben, statt innovative und umweltverträgliche<br />

Alternativen einzusetzen, läßt sich immer wieder bei den <strong>Dauergifte</strong>n feststellen:<br />

So wurden früher PCBs als Zusätze in Dichtungsmassen eingesetzt, heute werden dafür<br />

Chlorparaffine verwandt.<br />

∗ <strong>Die</strong> Gefahren von Umweltschadstoffen werden von der chemischen Industrie öffentlich<br />

verharmlost. Zuletzt proklamierte der VCI bei den endokrin wirksamen Umweltchemikalien<br />

eine voreilige „Entwarnung“, der von namhaften Wissenschaftlern, dem<br />

Umweltbundesamt und Umweltverbänden nachdrücklich widersprochen wurde (s. Kap.<br />

3.1.4).<br />

Sicherlich gibt es auch zahlreiche anerkennenswerte Maßnahmen der chemischen Industrie,<br />

die in den letzten Jahrzehnten zu einem verbesserten Umweltschutz beigetragen haben. So<br />

wurde die Freisetzung vieler Schadstoffe in die Flüsse deutlich reduziert. Doch noch immer<br />

harren drängende Umweltprobleme, wie das der <strong>Dauergifte</strong>, einer Lösung. Bis zu einer<br />

„nachhaltigen Chemie“ und einer glaubhaften „Responsible Care“-Politik der Chemiewirtschaft<br />

ist der Weg noch weit.<br />

109


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

6 Aus der Geschichte der <strong>Dauergifte</strong><br />

<strong>Die</strong> Geschichte der <strong>Dauergifte</strong> hat viele Anfänge und noch nirgendwo ein Ende. Sie ist eng<br />

mit der Chlorchemie verknüpft, denn die allermeisten <strong>Dauergifte</strong> enthalten Halogenatome,<br />

meistens Chlor, manchmal auf Brom oder Fluor. Ein kurzer, sicherlich nicht vollständiger<br />

Rückblick:<br />

1874: erste Synthese von DDT.<br />

1912: Isolierung von Lindan (γ-HCH) durch Herrn von der Linden aus einem Gemisch von α-,<br />

β-, γ- und δ-Hexachlorcyclohexan.<br />

1929: Industrielle Herstellung von PCBs durch Monsanto beginnt.<br />

Von 1945 an: <strong>Die</strong> Chlorchemie expandiert: Durch die Chlorierung von Aromaten, die aus<br />

Erdöl oder Steinkohle gewonnen wird, erschließt die Industrie neue Stoffklassen von<br />

Pestiziden, chemischen Waffen, Holzschutzmitteln und Kunststoffadditiven. Es folgen<br />

Synthesen, bei denen die Crackprodukte aus Erdöl wie Ethylen und Propylen durch<br />

Chlorgas in Kunststoffen wie Polyvinylchlorid (PVC), chlorierte Lösemittel wie<br />

Perchlorethylen (Per) sowie in Zwischenprodukte der Polymer- und Spezialitätenchemie<br />

umgewandelt werden.<br />

1948: Erstmals wird über die Anreicherung von DDT in menschlichem Fett berichtet<br />

(Bommama et al., 1994).<br />

1969: Erstmals wird PCB in der Tierwelt nachgewiesen (Swedish EPA, 1998).<br />

1968: „Yusho-Krankheit“ mit 1.600 Erkrankungen durch PCB-verseuchtes Reisöl.<br />

ab 1975: Erkrankungen durch Pentachlorphenol-haltige Holzschutzmittel; in einem<br />

spektakulären Prozeß werden im Jahr 1994 verantwortliche Manager zu Haft- und<br />

Geldstrafen verurteilt.<br />

1976: Nach dem Störfall in einer italienischen Produktionsanlage für Trichlorphenol bei<br />

Seveso werden zwei Kilogramm Dioxine explosionsartig freigesetzt. Seveso wird<br />

weltweit zum Synonym für die Gefahren der Chemieindustrie.<br />

1981-82: Greenpeace kämpft für das Verbot der Produktion chlorchemischer Pestizide bei<br />

Boehringer in Hamburg, wo auch Agent Orange hergestellt wird. Der schwer mit<br />

Dioxinen verscheuchte Betrieb wird 1983 geschlossen.<br />

1983: Ende der PCB-Produktion von Bayer. Insgesamt hat die Firma 76.000 Tonnen PCB<br />

hergestellt.<br />

110


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

1984: Als erste Umweltorganisation stellt der Bund für Umwelt- und Naturzschutz (BUND)<br />

die Forderung nach einem Ausstieg aus der Chlorchemie auf. Zahlreiche<br />

Chlororganika sind zu diesem Zeitpunkt schon als umwelt- und<br />

gesundheitsschädigend identifiziert worden.<br />

1984: Bhopal, das zweite Synonym für Chemiekatastrophen: In der indischen Millionenstadt<br />

bersten am 3.12. 1993 Sicherheitsventile einer Chemiefabrik der US-Firma Union<br />

Carbide. <strong>Die</strong> Folge: Zirka 30 Tonnen Methylisocyanat entweichen, 3.000 Menschen<br />

sterben, rund 200.000 werden verletzt.<br />

1987: Das Montréaler Protokoll zum Schutz der Ozonschicht wird verabschiedet. Das<br />

Protokoll läutet das Aus für die Ozonkiller, die Fluorchlorkohlenwasserstoffe (FCKW),<br />

ein. Es tritt am 1. Januar 1989 in Kraft.<br />

1991: Durchbruch für chlorfrei gebleichtes Papier, angestoßen durch Kampagnen von<br />

Greenpeace.<br />

Juli 1991: Wingspread-Erklärung von 21 Wissenschaftlern: Sie bekunden ihre<br />

Befürchtungen über die Verbreitung von Chemikalien, die in den Hormonhaushalt<br />

eingreifen.<br />

1992: Greenpeace stellt den ersten FCKW- und H-FCKW-freien Kühlschrank vor.<br />

„Greenfreeze“ wird in den Folgejahren zum Welterfolg.<br />

Mai 1993: <strong>Die</strong> Internationale Walfangkommission (IWC) ruft dazu auf, Emissionen und<br />

Einleitungen von halogenierten organischen Verbindungen zu verbieten. Sie bedrohen<br />

die Meeresumwelt, weil sie sich in der Nahrungskette anreichern.<br />

Oktober 1993: <strong>Die</strong> 21 Mittelmeeranrainerstaaten empfehlen auf ihrem Treffen in Antalya,<br />

Türkei, die Einleitungen persistenter und bioakkumulierender chlororganischer<br />

Verbindungen bis zum Jahr 2005 einzustellen. (Mittelmeerkonvention von Barcelona -<br />

BARCON)<br />

1994-98: Greenpeace streitet gegen den Export gefährlicher Abfälle in Nicht-OECD-Länder.<br />

In der sog. Basel-Konvention wird 1998 diese Exportpraxis international gebannt.<br />

1995: Erstmals werden Chlorparaffine in Muttermilch und Walen gefunden. <strong>Die</strong>se<br />

Ergebnisse werden nicht im Auftrag eines Chlorparaffin-Produzenten ermittelt,<br />

sondern im Auftrag von Greenpeace. <strong>Die</strong> Hoechst AG stellt unter dem Druck von<br />

Greenpeace ihre Chlorparaffinproduktion ein.<br />

<strong>Die</strong> endokrin wirksamen Umweltschadstoffe werden zum Thema der Umweltpolitik.<br />

111


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

September 1997: Erster Erfolg der PVC-Phthalat-Kampagne von Greenpeace: Der<br />

amerikanische Spielwarenhersteller Mattel kündigt an, künftig auf Phthalate in<br />

Babyspielzeug zu verzichten.<br />

Juni 1998: Unter dem Dach der Umweltbehörde der Vereinten Nationen (UNEP) beginnen<br />

die Verhandlungen zum weltweiten Bann von zwölf <strong>Dauergifte</strong>n.<br />

Juli 1998: <strong>Die</strong> OSPAR-Konvention verabschiedet das „Sintra-Protokoll“. Darin sagen 15<br />

Umweltminister und die EU-Umweltkommissarin Bjerregaard zu, innerhalb einer<br />

Menschengeneration, also bis 2020, den Eintrag gefährlicher Chemikalien in die<br />

Umwelt auf Null herunterzufahren.<br />

1999: <strong>Dauergifte</strong> der neuen Generation und die EU-Chemiepolitik stehen im Zentrum der<br />

Umweltarbeit von Greenpeace und finden verstärkt Beachtung in der Öffentlichkeit<br />

und Umweltpolitik.<br />

Das Phänomen der „Globalen Destillation“, durch das <strong>Dauergifte</strong> v.a. in die kalten<br />

Regionen der Erde wie die Arktis gelangen, wird öffentlich bekannt.<br />

7 Glossar: <strong>Dauergifte</strong> im Profil<br />

Aldrin und <strong>Die</strong>ldrin: Insektengifte für Bodeninsekten. Aldrin wird zu <strong>Die</strong>ldrin abgebaut und<br />

ist das stärkste Karzinogen im Körper. Beide Insektengifte wurden lange von der Shell<br />

Corporation hergestellt und bis in die späten 80er Jahre in Entwicklungsländer exportiert.<br />

Derzeit ist kein Hersteller bekannt, aber immer noch lassen sich beide Stoffe im Handel<br />

erwerben und werden in Fässern auf Abfallhalden gefunden.<br />

∗ Alkylphenole: Alkylphenole wie Nonylphenol und Oktylphenol sind Additivstoffe für<br />

Kunststoffe wie Polystyrol oder Polyvinylchlorid. Sie stabilisieren die Kunststoffe und<br />

machen sie weniger spröde. Sie haben östrogene Wirkung und gelangen u.a. als<br />

Abbauprodukte von Alkylphenolethoxylaten (z.B. aus Industriereinigern) in die Gewässer.<br />

Nonylphenol ist auch ein Abbauprodukt von Emulgatoren, die Chemikalien zur<br />

Abwasserbehandlung in Kläranlagen wasserlöslicher machen (UBA, PM 34/97).<br />

∗ Bisphenol-A: siehe Tetrabrombisphenol A<br />

∗ Blubber: Speck von Walen und anderen Meeressäugern wie Walrossen.<br />

∗ bromierte Flammschutzmittel: siehe Kap. 5.3<br />

∗ Chlordane: Eine Mischung von rund 120 Verbindungen, inklusive Heptachlor. Sie wurden<br />

gegen Termiten und Bodenschädlinge eingesetzt. Chlordane wurden bis 1997 von der<br />

112


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

US-Firma Velsicol Chemical für den Export hergestellt. Wer es derzeit produziert, ist<br />

unbekannt, doch es existieren große Lagerbestände. Chlordane greifen das Immunsystem<br />

an und stehen in Verdacht, das Reproduktionssystem zu schädigen und<br />

Blutkrankheiten zu verursachen. In Deutschland darf kein Chlordan eingesetzt werden.<br />

∗ Chlordecon: Insektengift. Es wurde 1958 durch die Firma ‘Allied Chemical Corporation’<br />

eingeführt und gegen blattfressende Insekten und Fliegenlarven eingesetzt. Es ist in<br />

Deutschland verboten.<br />

∗ Chlorparaffine: siehe 5.3<br />

∗ Chlorpyrifos: chloriertes Insektengift gegen Boden- und einige Blattinsekten. Eingesetzt in<br />

zahlreichen Kulturen.<br />

∗ Dichlordiphenyltrichlorethan (DDT): Insektengift, das in vielen Regionen verboten ist, doch<br />

in anderen Länder wie Indien noch eingesetzt wird, um die Moskitos, die Überträgerinnen<br />

der Malariaerreger, zu bekämpfen. ‘Inoffiziell’ wird DDT noch als "Pflanzenschutzmittel"<br />

eingesetzt. DDT wird über Nabelschnur und Muttermilch auf das ungeborene oder<br />

neugeborene Leben übertragen. DDT wird auch im Zusammenhang mit Leber-, Bauchspeicheldrüsen-<br />

und Brustkrebs diskutiert. Es steht im Verdacht, das Immunsystem zu<br />

schwächen. DDT wird im Körper zu DDE (Dichlordiphenyldichlorethan) abgebaut.<br />

∗ <strong>Die</strong>ldrin: siehe Aldrin<br />

∗ Dioxine: siehe Polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane<br />

∗ Endosulfan: chloriertes Insekten- und Milbengift. <strong>Die</strong>ses Kontakt- und Fraßgift wurde 1956<br />

von Hoechst eingeführt.<br />

∗ Endrin: chloriertes Insektengift, 1951 von ‘J.Hyman & Company’ auf den Markt gebracht.<br />

Ist auch für Vögel und Nagetiere giftig. Wurde früher oft in Baumwollplantagen eingesetzt.<br />

In Deutschland nicht mehr zugelassen.<br />

∗ Furane: siehe Polychlorierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane<br />

∗ Heptachlor: siehe Chlordan<br />

∗ Hexabrombiphenyl: siehe polybromierte Biphenyle<br />

∗ Hexachlorbenzol (HCB): HCB wurde früher als Pilzgift verwendet, doch der Einsatz ist<br />

weitestgehend gebannt. In Deutschland ist HCB als "Pflanzenschutzmittel" seit 1975<br />

verboten. Es wird auch vom russischen Militär als Nebelmittel in Nebelgranaten genutzt <strong>–</strong><br />

die Bundeswehr hat nie HCB eingesetzt. Als Nebelmittel setzt sie Restbestände an<br />

Hexachlorethan ein sowie roten Phosphor in Artilleriemunition und Kalium-Magnesium-<br />

Nebel in Handfeuerwaffen. <strong>Die</strong> Bayer AG hat als letzter deutscher HCB-Produzent 1993<br />

113


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

die Herstellung eingestellt. Heute ist die Belastung der Umwelt von HCB, das in<br />

chlorchemischen Prozessen als Nebenprodukt entsteht, von Bedeutung. HCB wird in<br />

Muttermilch gefunden und kann über Nabelschnur und Mutterkuchen den Fötus<br />

gefährden. <strong>Die</strong> HCB-Belastung der Bundesbürger ist laut Umweltbundesamt seit den 80er<br />

Jahren deutlich zurückgegangen. HCB wird mit Leber- und Schilddrüsenkrebs in<br />

Zusammenhang gebracht. Es schädigt Nieren, Immun- und Nervensystem sowie das<br />

Reproduktionssystem.<br />

∗ Hexachlorcyclohexane (HCHs): siehe Kap. 5.3<br />

∗ Kongenere: Gruppe von Chemikalien mit sehr ähnlichen Eigenschaften und gleichen<br />

Atomen. <strong>Die</strong> Anzahl der Atome ist jedoch nicht, wie bei Isomeren, festgelegt. Bei den PCB<br />

unterscheiden sich die Kongenere beispielsweise im Chlorgehalt.<br />

∗ Konzentrationsangaben:<br />

10g/kg 10 -2 Prozent %<br />

g/kg 10 -3 promill<br />

mg/kg 10 -6 Milligramm pro Kilogramm ppm<br />

ug/kg 10 -9 Mikrogramm pro Kilogramm ppb<br />

ng/kg 10 -12 Nanogramm pro Kilogramm ppt<br />

pg/kg 10 -15 Pikogramm pro Kilogramm ppq<br />

<strong>Die</strong>sen Konzentrationen entspricht ein Stück Würfelzucker, gelöst in<br />

1 Prozent 0,27 l ( 2 Tassen)<br />

1 Promille 2,7 l (ca. 4 Flaschen)<br />

1 ppm 2700 l ( 1 Tankzug)<br />

1 ppb 2,7 Mio l ( 1 Tankschiff)<br />

1 ppt 2,7 Mrd l ( Talsperre Öster-Stausee, Sauerland)<br />

1 ppq 2,7 Bio l (Starnberger See)<br />

∗ Mirex: <strong>Die</strong>ses Insektengift wurde gegen Ameisen und Termiten eingesetzt, aber auch als<br />

Flammschutzmittel in Kunststoffen. Mires steht im Verdacht, Krebs zu fördern und das<br />

Reproduktionssystem anzugreifen.<br />

∗ Nonylphenol: siehe Alkylphenole<br />

∗ Oktylphenol: siehe Alkylphenole<br />

∗ Pentachlorphenol (PCP): PCP wirkt gegen Bakterien, Pflanzen, Insekten, Mollusken und<br />

Fische. Bei Säugern führt PCP zu erhöhter Temperatur, beschleunigter Atmung, Blutdruckanstieg,<br />

Herzversagen etc. Technisches PCP kann herstellungsbedingt neben<br />

114


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

phenolischen Verunreinigungen auch Dioxine und Furane enthalten. Es ist in Deutschland<br />

verboten. <strong>Die</strong> USA strichen dieses Gift von der ersten POP-Liste der UN/ECE.<br />

∗ polybromierte Dibenzodioxine und Dibenzofurane: haben ähnliche Eigenschaften wie die<br />

chlorierten.<br />

∗ polybromierte Biphenyle (PBB): siehe Kap. 5.3<br />

∗ polybromierte Diphenylether (PBDE): siehe Kap. 5.3<br />

∗ polychlorierte Biphenyle (PCB): PCBs sind eine Familie von 209 Kongeneren. Zirka 60<br />

von ihnen werden in technischen Gemischen nachgewiesen. Verunreinigt können PCBs<br />

geringe Mengen an Dioxinen enthalten. PCBs wurden aufgrund ihrer vorteilhaften<br />

chemischen und physikalischen Eigenschaften (geringe Wärmeleitfähigkeit, hohe<br />

<strong>Die</strong>lektrizitätskonstante, geringe Entflammbarkeit, gute Alterungs- und Temperaturbeständigkeit)<br />

in den verschiedensten Bereichen eingesetzt, z.B. als Kühl- und<br />

Isolierflüssigkeit in Transformatoren, als Hydraulikflüssigkeit sowie als Weichmacher in<br />

Kunststoffen. Sie können auch entstehen, wenn chlorhaltige Kunststoffe verbrannt<br />

werden, und sie sind Nebenprodukte einiger industrieller Prozesse. Ob PCBs noch<br />

irgendwo hergestellt werden, ist unbekannt. Es gibt Gerüchte, daß sie in Rußland<br />

produziert werden. Doch in vielen Schwellen- und Entwicklungsländern werden noch<br />

PCBs verwendet. <strong>Die</strong>se Stoffe unterdrücken das Immunsystem, beeinflussen das<br />

Verhalten und die Reproduktion, haben toxische Effekte auf die Entwicklung des<br />

Nervensystems und auf Leberenzyme, sie wirken als Krebspromotoren und können<br />

Geburtsfehler verursachen. PCBs werden in Muttermilch gefunden.<br />

∗ polychlorierte Dibenzodioxine (PCDD) und Dibenzofurane (PCDF). <strong>Die</strong> 75 Isomere der<br />

PCDDs und die 135 Isomere der PCDFs sind unerwünschte Nebenprodukte in vielen<br />

Prozessen: Man findet sie als Verunreinigung in PCB-Ölen, in PCP und als Nebenprodukt<br />

der Verbrennung chlorhaltiger Kunststoffe wie Polyvinylchlorid. Das giftigste Dioxin ist das<br />

Seveso-Gift 2,3,7,8-Tetrachlordibenzodioxin (TCDD). Dioxine sind seit dem zweiten<br />

Weltkrieg als Folge des Aufstiegs der Chlorindustrie weltweit zu finden. Nabelschnur und<br />

Mutterkuchen sind für sie kein Hindernis. Sie werden mit Krebs, Endometriose und<br />

anderen Krankheiten in Zusammenhang gebracht, sie können das Immunsystem und den<br />

Reproduktionsapparat schwächen und die intellektuellen Fähigkeiten vermindern. PCDDs<br />

und PCDFs sind überwiegend menschengemacht, auch wenn diese Stoffe möglicherweise<br />

auch bei Waldbränden oder Vulkaneruptionen entstehen: So werden PCDDs in<br />

Sedimenten der Ostsee nachgewiesen, die mehrere hundert Jahre alt sind. <strong>Die</strong><br />

Konzentration dieser Gifte in Oberflächensedimenten ist etwa zehnmal so hoch.<br />

∗ polyzyklische aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK): Sammelbegriff für aromatische<br />

Verbindungen mit kondensierten Ringsystemen. Sie kommen unter anderem in Mineralölen,<br />

Bitumen, Pech, Teer vor, und sie werden bei unvollständiger Verbrennung aus<br />

115


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

praktisch allen organischen Stoffen gebildet unter anderem durch Waldbrand, Großfeuerungsanlagen,<br />

Hausbrand und Verbrennungsmotoren.<br />

∗ Quecksilber und Methylquecksilber: Von Mikroorganismen wird das Schwermetall<br />

Quecksilber in organische Quecksilberverbindungen, v.a. Methylquecksilber, umgewandelt.<br />

Obwohl eigentlich ein Schwermetall, muß Quecksilber als organisches Dauergift<br />

angesehen werden, denn erst diese organische Form des Quecksilbers ist, wie für <strong>Dauergifte</strong><br />

typisch, in der Lage, sich in den Organen von Lebewesen und in der Nahrungskette<br />

anzureichern. <strong>Die</strong> Aufnahme von Quecksilber erfolgt in der Regel nahezu ausschließlich<br />

über die Nahrung. <strong>Die</strong> mit Abstand höchsten Quecksilberkonzentrationen werden in<br />

Süßwasser- und Seefischen gemessen, aber auch Organe von Nutztieren (z.B.<br />

Schweinenieren) können hohe Quecksilberwerte aufweisen (Strubelt 1996). Auch bei<br />

diesem Dauergift ist es vor allem die marine Nahrungskette, die besonders stark von der<br />

Anreicherung betroffen ist. Das BGVV hat im Jahr 1999 erneut wegen der erhöhten<br />

Belastung verschiedener Fischsorten mit Quecksilber (u.a. <strong>Dauergifte</strong>n) besondere<br />

Verzehrempfehlungen ausgesprochen (BGVV 1999).<br />

∗ Tetrabrombisphenol A (TBBA, Bisphenol A): verwendet als Antioxidans für Kunststoffe<br />

u.a. in der Lebensmittelindustrie für Plastikflaschen und Dosen-Innenbeschichtungen.<br />

TBBA wirkt offenbar ähnlich wie das weibliche Hormon Östrogen. 1995 wurden davon in<br />

Deutschland 210.000 t hergestellt. Obwohl die hormonelle Wirkung von Bisphenol A<br />

bereits Mitte der dreißiger Jahre entdeckt wurde, gibt es über sein Verhalten in der<br />

Umwelt bisher kaum Untersuchungen (UBA, PM 34/97)<br />

∗ Toxaphen (Camphechlor): 1948 von der amerikanischen Firma ‘Hercules Powder’<br />

eingeführtes Insektengift, um Rüsselkäfer und bestimmte Würmer (‘crop worms’) zu<br />

bekämpfen. Toxaphen wird entweder aus Erdöl hergestellt oder indem an die Stoffe<br />

Camphen oder an Bornan aus Kiefern Chlor addiert wird. Es ist weitgehend verboten,<br />

doch wird in vielen Regionen unter verschiedenen Namen noch angeboten.<br />

Wissenschaftler vermuten, daß Toxaphen als Nebenprodukt beim Chlorbleichen in<br />

Papierfabriken entweicht. Vermutet wird auch, daß es zu den häufigsten Pestiziden in<br />

arktischen Tieren zählt. Es beeinflußt das Nervensystem und wurde vom US-Department<br />

of Health and Human Services als wahrscheinlich krebserregend eingestuft.<br />

∗ Tributylzinn (TBT) und andere Organozinnverbingungen: siehe Kap. 5.3<br />

∗ Triazine: halogenfreie Insektzide und Herbizide. Das Insektzid Azinphoymethyl, 1958 von<br />

Bayer eingeführt, hat ein breites Wirkungsspektrum. Das Herbizid Simazin, 1956 von<br />

Geigy eingeführt, wird gegen Ungräser und Unkräuter in tiefwurzelnden Kulturen sowie<br />

auf Nichtkulturland eingesetzt. Eines der Haupteinsatzgebiete ist der Maisanbau.<br />

∗ Trifluralin: <strong>Die</strong>s Herbizid enthält zwar keine Chloratome, dafür aber drei Fluoratome pro<br />

Molekül. Es wurde 1996 von ‘Eli Lilly & Co.’ eingeführt und wird im Sojabohnen-,<br />

Getreide- Baumwoll-, Raps-, Gemüse- und Sonnenblumenanbau verwendet.<br />

116


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

117


8 Was Greenpeace fordert<br />

Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Greenpeace kämpft für die Erhaltung der natürlichen Lebensgrundlagen auf unserem<br />

Planeten. Dafür fordern wir eine nachhaltige Chemie, die äußerst effizient und sparsam<br />

Rohstoffe und Energie nutzt, vermehrt erneuerbare Rohstoffe einsetzt, ihre Stoffe weitgehend<br />

im Kreislauf führt, keine schädlichen Stoffe in die Umwelt freisetzt und Unfallrisiken<br />

vermeidet.<br />

Das Ziel von Greenpeace ist eine von gefährlichen Chemikalien unbelastete Natur. Daher<br />

dürfen keine <strong>Dauergifte</strong> und andere gefährlichen Chemikalien in die Umwelt freigesetzt<br />

werden. <strong>Die</strong>s gilt für Stoffe aus Abwasserrohren, Abfällen und Schornsteinen ebenso wie<br />

für landwirtschaftliche Spritzmittel und Produkte des Alltags.<br />

∗ Reform des Chemikalienrechts zum Schutz vor <strong>Dauergifte</strong>n und ungeprüften Stoffen:<br />

Deutschland und die EU haben sich als Vertragspartner der OSPAR-Konvention im Jahr<br />

1998 verpflichtet, innerhalb einer Generation die Freisetzung gefährlicher Stoffe in den<br />

Nordostatlantik zu beenden. <strong>Die</strong>ses Ziel muß umgehend in nationales und EU-Recht<br />

umgesetzt werden. Hierzu sind im wesentlichen vier grundsätzliche Maßnahmen zur<br />

Reform des EU-Chemikalienrechts notwendig:<br />

1. Eine generelle Zulassung von Chemikalien für bestimmte Anwendungen und<br />

limitierte Zeiträume ersetzt das gegenwärtige System, bei dem Chemikalien nur<br />

angemeldet werden müssen.<br />

2. Als Voraussetzung für die Zulassung zum Gebrauch müssen für Altstoffe (EU-<br />

Altstoffliste) und neu angemeldete Stoffe folgende Informationen öffentlich verfügbar<br />

gemacht werden:<br />

∗ Innerhalb eines Jahres nach Inkrafttreten des neuen Zulassungsrechts:<br />

Produktions- und Vermarktungsmenge in jedem EU-Land (mit jährlicher<br />

Aktualisierung):<br />

Nennung und Quantifizierung der Chemikalien-Anwendungsbereiche für > 90% der<br />

gesamten Produktions- und Vermarktungsmenge (mit jährlicher Aktualisierung)<br />

∗ Innerhalb von drei Jahren nach Inkrafttreten des neuen Zulassungsrechts:<br />

Umfassende Stoff- und Gefährdungsdaten für Großchemikalien (Produktion oder<br />

Vermarktung von mehr als 1000 Tonnen pro Jahr)<br />

∗ Innerhalb von fünf Jahren nach Inkrafttreten des neuen Zulassungsrechts:<br />

Umfassende Stoff- und Gefährdungsdaten für Chemikalien mit einer jährlichen<br />

Produktion oder Vermarktung von weniger als 1000 Tonnen pro Jahr<br />

∗ Sollten diese Informationen für eine Chemikalie nicht innerhalb dieser Zeit zur Verfügung<br />

gestellt werden, wird die Zulassung nicht erteilt, und der Stoff darf nicht mehr vermarktet<br />

werden.<br />

118


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

3. Gefährliche Chemikalien dürfen nicht in die Umwelt freigesetzt werden. Gefährlich<br />

sind Chemikalien, die persistent, bioakkumulierend oder toxisch sind, oder die aus<br />

anderen Gründen ähnlichen Anlaß zu Bedenken in puncto Umwelt- und<br />

Gesundheitsschutz geben. Stoffe, die sich aufgrund der Stoff- und Gefährungsdaten<br />

als gefährlich herausstellen, erhalten für umweltoffene Anwendungsbereiche keine<br />

Zulassung und dürfen nicht emittiert werden (z.B. bei Produktion, Verarbeitung,<br />

Entsorgung usw.):<br />

Bei massenhaft hergestellten Chemikalien werden unverzüglich<br />

Restriktionsmaßnahmen zur Beendigung der Freisetzung in die Umwelt ergriffen.<br />

Für alle anderen gefährlichen Chemikalien (Produktion oder Vermarktung von<br />

weniger als 1000 Tonnen pro Jahr) werden stufenweise Restriktionsmaßnahmen<br />

zur Beendigung ihrer Freisetzung in die Umwelt bis zum Jahr 2020 ergriffen.<br />

4. Chemikalien müssen reguliert werden auf Basis ihrer intrinsischen Eigenschaften<br />

(Gefahrenmerkmale des Stoffes) anstatt auf Basis der gegenwärtigen<br />

Risikoabschätzungen. Besondere Bedeutung haben dabei Persistenz und<br />

Bioakkumulation von Chemikalien.<br />

∗ <strong>Die</strong> industriellen Wasserkreisläufe müssen geschlossen werden.<br />

∗ Produktion, Lagerung und Transport von Hochrisikochemikalien wie Chlor, Vinylchlorid<br />

oder Phosgen müssen vermieden werden. <strong>Die</strong> Sicherheitsstandards der chemischen<br />

Industrie müssen verbessert werden.<br />

∗ Für die Schäden, verursacht von Umweltschadstoffen und Chemiestörfällen, ist eine<br />

Voll-Haftpflicht der Verursacher nötig.<br />

∗ Umweltschädliche Produkte der Chlorchemie wie PVC oder chlorgebleichtes Papier<br />

müssen durch umweltgerechte Stoffe ersetzt werden.<br />

∗ Gefährliche Abfälle dürfen nach der sogenannten "Basel-Konvention" seit 1998 nicht<br />

aus EU-Staaten in Nicht-OECD-Länder exportiert werden. Greenpeace drängt auf eine<br />

schnelle Umsetzung dieses Exportverbots auch in den übrigen OECD-Staaten.<br />

Der Export gefährlicher Abfälle wie PVC-haltiger Müll muß einbezogen werden. Analog<br />

zu diesem Abkommen muß in Zukunft auch der Export von schadstoffhaltigen<br />

Schiffswracks international reguliert werden.<br />

119


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

9 Das können Sie tun<br />

9.1 Fordern Sie einen Stopp der <strong>Dauergifte</strong><br />

Schreiben Sie an Bundesumweltminister Jürgen Trittin und den Verband der Chemischen<br />

Industrie (VCI):<br />

Verlangen Sie einen generellen Freisetzungstopp für <strong>Dauergifte</strong> (Persistente organische<br />

Schadstoffe) der alten und neuen Generation sowie für ungeprüfte Chemikalien. Fordern<br />

Sie, die Freisetzung solcher Stoffe in die Umwelt <strong>–</strong> entsprechend dem Vorsorgeprinzip<br />

auf Null zu drosseln.<br />

Adressen:<br />

Bundesumweltministerium, Postf. 120629, 53048 Bonn. FAX: 0228-3053225<br />

Verband der Chemischen Industrie, Karlstraße 21, 60329 Frankfurt. FAX: 069-25561474<br />

9.2 Kaufen Sie Produkte ohne <strong>Dauergifte</strong><br />

Viele <strong>Dauergifte</strong> werden aus Konsumprodukten freigesetzt, die uns umgeben und mit denen<br />

wir täglich zu tun haben. Daher können wir selbst großen Einfluß auf die<br />

Schadstoffbelastung der Umwelt, unserer Nahrung und unserer Wohn- und<br />

Arbeitsumgebung nehmen. Bitte vermeiden Sie den Kauf von Produkten, die <strong>Dauergifte</strong><br />

freisetzen. Einige Hinweise:<br />

−<br />

−<br />

−<br />

−<br />

−<br />

Verwenden Sie möglichst schadstoffgeprüfte Produkte (z.B. Produkte mit dem Blauen<br />

Umweltengel) und natürliche Produkte, die ökologisch erzeugt wurden.<br />

Vermeiden Sie Weich-PVC-Produkte.<br />

Kaufen Sie Elektrogeräte, Computer und Fernsehgeräte ohne halogenierte<br />

Flammschutzmittel. (Lit.: BUND-Computerliste, Stiftung Warentest)<br />

Kaufen Sie Waschmittel ohne Moschus-Duftstoffe (Lit.: Öko-Test Sonderausgaben<br />

Kosmetik & Mode, 1999)<br />

Vermeiden Sie Textilien, die stark abfärben, und bevorzugen Sie Textilien aus<br />

ökologischem Anbau und umweltfreundlicher Verarbeitung (auch der Greenpeace<br />

Umweltschutzverlag bietet ein Sortiment ökologisch hergestellter Textilien an).<br />

9.3 Gesunde Ernährung<br />

Nahrungsmittel sind für die meisten von uns die Hauptaufnahmequelle von <strong>Dauergifte</strong>n und<br />

Schwermetallen. Verschiedene Fischarten und tierische Fette können besonders hoch mit<br />

Schadstoffen belastet sein. Das BGVV hat daher z.B. Verzehrempfehlungen für Fisch<br />

herausgegeben (BGVV 1999).<br />

120


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Pflanzliche Nahrung ist meist geringer mit Schadstoffen belastet und sollte daher gegenüber<br />

fettreichen tierischen Nahrungsmitteln bevorzugt werden.<br />

Nahrungsmittel aus ökologischem Anbau werden umweltfreundlicher erzeugt und sind meist<br />

weniger mit Schadstoffen belastet als Produkte aus der industriellen Landwirtschaft.<br />

Detaillierte Auskunft über die Belastung verschiedener Lebensmittel geben spezielle<br />

Ratgeber wie z.B. „Chemie in Lebensmitteln“ (Katalyse-Umweltgruppe).<br />

9.4 Sind Schadstofftests sinnvoll?<br />

Ist es sinnvoll, die eigene Körperbelastung durch <strong>Dauergifte</strong> untersuchen zu lassen?<br />

<strong>Die</strong> Untersuchung der Körperbelastung mit Umweltgiften wird im Normalfall, d.h. für<br />

Menschen mit einer durchschnittlich belasteten Umgebung und Ernährung , nicht<br />

empfohlen. <strong>Die</strong> verfügbaren Tests sind sehr teuer, und bislang gibt es keine anerkannten<br />

Verfahren zur Verminderung der Dauergiftbelastung des Körpers. Am wichtigsten ist es,<br />

den oben empfohlenen Empfehlungen zur Verminderung der Schadstoffbelastung zu<br />

folgen.<br />

Bei Menschen mit einer erhöhten Schadstoffbelastung oder bestimmten, ansonsten nicht<br />

erklärbaren, Beschwerdebildern kann<br />

• ein Allgemeinarzt oder Umweltmediziner konsultiert werden. Adressen erhalten Sie bei<br />

den örtlichen Landesärztekammern.<br />

• eine Untersuchung der Wohn- und Arbeitsumgebung sinnvoll sein. Adressen<br />

entsprechender Institute und Labors erhalten Sie bei Greenpeace e.V.,<br />

Fördererservice, 22745 Hamburg.<br />

121


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

10 Literaturempfehlungen, Internet-Links<br />

Greenpeace-Publikationen:<br />

− Death in small doses: The Effects of Organochlorines on Aquatic Ecosystems, 1992<br />

− The North Sea - invisible decline?, 1993<br />

− Nordsee - Das Endlager der Chlorchemie, 1995<br />

− Chlor macht krank - Auswirkungen von Chlororganika auf die menschliche Gesundheit,<br />

1995. Kurz- und Langfassung<br />

− Body of Evidence: The Effects of chlorine on human health, 1995<br />

− The North Sea - a dirty story, 1995<br />

− Chlorparaffine - ein Umweltgift breitet sich aus, 1995<br />

− Persistent Organic Pollutants in Humans: Review of Data on 12 Priority POPs, 1997<br />

− Greenpeace Report on the World's Oceans, 1998<br />

− Unseen Poisons - Levels of Organochlorine Chemicals in Human Tissues, 1998<br />

− Technical Criteria for the Destruction of Stockpiled Persistent Organic Pollutants, 1998<br />

− Zeit für das Vorsorgeprinzip! OSPAR entscheidet über langlebige Umweltgifte, 1998<br />

− POPs for Dummies, 1998<br />

− Sustainable Chemistry, 1998<br />

− Greenpeace Magazin 2/97: Das Gift, das in die Kälte kommt<br />

− Greenpeace Nachrichten 4/98: Ewiges Gift im Eis<br />

− Argumente: Wenn die Chemie nicht stimmt, 1999<br />

− Der Ausweg aus der EU-Chemiekrise, 1999<br />

− Entsorgung von Pottwalen: Konsequenzen der Dauergiftbelastung der Meeressäuger,<br />

1999<br />

− Tip of the Iceberg? State of Knowledge on Persistent Organic Pollutants in Europe and<br />

in the Arctic, 1999<br />

Publikationen anderer Institutionen zum Thema<br />

− AMAP: Arctic Pollution Issues, 1997 (popular), 1998 (scientific)<br />

− Swedish Environmental Protection Agency: Persistent Organic Pollutants, Stockholm<br />

1998<br />

− POPs, Stable Environmental Pollution - A big or a small problem; POP-working team.<br />

Stockholm 1996. Published by the Swedish National Environment Protection Board<br />

− Friends of the Earth UK: Poisoning our children: The dangers of exposure to untested<br />

and toxic chemicals, 1998<br />

122


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

− GFS-Hintergrundinformation Bromhaltige Flammschutzmittel, 1998: Internet<br />

www.gsf.de/IU/hints/hint1298.html<br />

− Martin Scheringer: Persistenz und Reichweite von Umweltchemikalien, Weinheim<br />

1999. (Konzept zur Chemikalienbewertung)<br />

Empfehlenswerte Internet-Links zum Thema:<br />

Greenpeace Deutschland<br />

Greenpeace International<br />

UNEP<br />

IPEN<br />

Canada/POPs<br />

Dänisches Polarzentrum<br />

AMAP-Artic pollution<br />

Links zum Thema Arktis:<br />

WWF<br />

Friends of the Earth<br />

Earth Negotiations Bulletin<br />

http://www.greenpeace.de<br />

http://www.greenpeace.org<br />

http://irptc.unep.ch/pops/<br />

http://www.psr.org/ipen.htm<br />

http://www.carc.org/index.html<br />

http://www.dpc.dk/<br />

http://www.grida.no/amap/<br />

http://www.dpc.dk/CoolLinks/PolLinks.html#anchor374179<br />

http://www.worldwildlife.org/toxics/<br />

http://www.foe.co.uk/<br />

http://www.iisd.ca/linkages/chemical/pop2/<br />

11 Literaturverzeichnis:<br />

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Agrevo: Schriftliche Mitteilung an Greenpeace, 1998<br />

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Assessment Programme (AMAP), Oslo.<br />

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Kongreß für praktische Umweltmedizin, Hamburg, Oktober 1998<br />

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Risiken des täglichen Lebens aus toxikologischer Sicht - Vorschläge für Handlungsbedarf<br />

seitens der Politik, ATU (Frauenhofer Arbeitsgruppe Toxikologie und Umweltmedizin,<br />

Hamburg),1996<br />

Bernstorff, Andreas & Judith Kanthak, Ships for Scrap - Steel and Toxic Wastes for Asia,<br />

Greenpeace, Hamburg, 1998<br />

BGVV: Pressedienst 24/95, 4.12.1995<br />

BGVV: Pressedienst 07/99, 6. 5. 1999: BgVV empfiehlt während der Schwangerschaft<br />

und Stillzeit den Verzehr bestimmter Fischarten einzuschränken. (Bezugsquelle: BGVV,<br />

Thielallee 88-92, 14195 Berlin, Tel.: 030 84124300, Internet: WWW.BGVV.DE)<br />

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BMFT: Delphi ‘98 - Studie zur <strong>globale</strong>n Entwicklung von Wissenschaft und Technik",<br />

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Kiel, Nr 291, Chlorierte Schadstoffe in Schweinswalen, 1997<br />

BUND: BUND-Umwelt-Computer-Liste des Bund für Umwelt und Naturschutz, Bonn 1998<br />

Bundesrat-Drucksache 671/98 vom 27.11.998 Beschluß des Bundesrates zur zweiten<br />

Verordnung zur Änderung chemikalienrechtlicher Verordnungen<br />

Büro für Technikfolgen-Abschätzung beim Deutschen Bundestag, TAB: Projekt „Umwelt<br />

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Reprinted with permission from National Institute of Environmental Health Sciences:<br />

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1998b<br />

EEA: Final Draft of 'State of Europe's Environment 1998 ("Dobris 3"): Chemicals, 3,<br />

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Fabig, Karl-Rainer, Vortrag ‘Dioxin- und SPECT-Analysen bei einem Fall von<br />

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Fent, Karl, Ökotoxikologie, Georg Thieme Verlag, Stuttgart, New York, 1998<br />

FoE (Friends of the Earth), Poisoning our children: Britain’s toxic chemicals crises,<br />

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persönliche Mitteilung, Dezember 1998<br />

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GESAMP (Joint Group of Experts on teh Scientific Aspects of Marine Pllution)/ United<br />

Nations Environment Programme: Reports and Studies No. 39/1990: The State of the<br />

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Lagervist B.J., Olafsdottir K., Weber J.P., Bjerregaard P. and Klopov V. (1997). The<br />

Circumpolar AMAP blood monitoring study: 1995-1996. In: AMAP (1997b).<br />

Greenpeace: ‘<strong>Die</strong> Nordsee - das Endlager der Chlorchemie’, 1995<br />

Greenpeace: Chlorparaffine - ein Umweltgift breitet sich aus, 1995b<br />

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Greenpeace: Entsorgung von gestrandeten Pottwalen - Konsequenzen der<br />

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132


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Anhang: Abbildungen und Graphiken<br />

Abbildung 1:<br />

Dioxinmolekül (TCDD):Chloratome (fett hervorgehoben) und aromatische Ringe (grau<br />

hinterlegt) machen das Sevesogift hochstabil und hochgiftig.<br />

133


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Abbildung 2:<br />

Globale Destillation: <strong>Dauergifte</strong> aus den Industrienationen wandern mit Wind und Wasser<br />

vor allem in die kalten Regionen der Erde.<br />

134


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Abbildung 3:<br />

<strong>Die</strong> Untersuchung von Wania etal (1996) zeigt: <strong>Die</strong> Konzentration des <strong>Dauergifte</strong>s α-HCH<br />

steigt im Meerwasser von Süd nach Nord erheblich an <strong>–</strong> ein deutlicher Beleg für den Effekt<br />

der „Globalen Destillation“.<br />

135


Abbildung 4:<br />

Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Anreicherung von PCBs in der arktischen Nahrungskette.<br />

136


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Abbildung 5:<br />

In Deutschland gestrandete Pottwale sind so hoch mit Umweltschadstoffen wie PCBs<br />

belastet, daß selbst die Grenzwerte der Klärschlammverordnung überschritten werden.<br />

(Greenpeace 1999)<br />

137


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Abbildung 6:<br />

Wie in Skandinavien stiegen auch in vielen Industrienationen in den vergangenen<br />

Jahrzehnten bestimmte Krebsraten deutlich an (Swedish EPA 1998). Viele Forscher<br />

vermuten einen Zusammenhang mit der Belastung durch Umweltschadstoffe.<br />

138


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Abbildung 7:<br />

Abhängig von der Pestizidbelastung ihrer Umgebung zeigten vier- und fünfjährige Kinder in<br />

Mexiko erhebliche Unterschiede in ihrer Entwicklung: Kinder aus den Berggebieten, in denen<br />

kaum Pestizide eingesetzt werden, zeigten eine deutlich bessere Fähigkeit zur<br />

zeichnerischen Darstellung als ihre Altersgenossen aus den stark pestizidbelasteten<br />

Talregionen (Guillette, 1999).<br />

Abbildung 8:<br />

Stark mit <strong>Dauergifte</strong>n belastete Robben im Ostseeraum (links) wiesen gegenüber Tieren, die<br />

geringen Belastungen ausgesetzt waren (rechts) schwere Knochenschäden an den<br />

Schädeln auf (Swedish EPA 1998).<br />

139


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Abbildung 9:<br />

Von den Einheimischen Fischarten ist der Fischotter besonders von der Dauergiftbelastung<br />

betroffen: In ganz Europa ließ sich belegen, daß die Fischotterpopulationen zurückgingen<br />

oder das Tier ganz ausstarb, wenn eine PCB-Belastungen erreicht wurde (Fent 1998).<br />

140


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Abbildung 10:<br />

Bei diesem weiblichen Eisbären von Spitzbergen sind die Geschlechtsorgane mißbildet: Das<br />

Tier hat einen Penis ausgebildet. Bei jungen Eisbären auf Spitzbergen und Grönland tritt<br />

dieses Phänomen besonders häufig auf, es wird wahrscheinlich durch besonders hohe<br />

Belastung mit <strong>Dauergifte</strong>n hervorgerufen (Foto: Deroucher).<br />

141


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Abbildung 11:<br />

Das als Umwelthormon wirkende Dauergift TBT löst bei verschiedenen Meeresschnecken<br />

wie den Strand- oder Wellhornschnecken Unfruchbarkeit hervor: Das zur Spermienaufnahme<br />

dienende Körperteil der weiblichen Tiere erweitert sich zunächst so stark, daß das<br />

eingebrachte Sperma nicht mehr zurückgehalten wird. Unter stärkerer TBT-Einwirkung<br />

bilden die Weibchen Penisse aus (Fotos: Watermann).<br />

142


Greenpeace: <strong>Dauergifte</strong> <strong>–</strong> <strong>Die</strong> <strong>globale</strong> <strong>Bedrohung</strong><br />

Abbildung 12:<br />

Das analytische Fenster: <strong>Die</strong> gaschromatographische Untersuchung von Umweltproben und<br />

Biota zeigt heute ein typisches Belastungsbild: Neben zahlreichen <strong>Dauergifte</strong>n, die sich<br />

eindeutig identifizieren lassen, existiert eine Großzahl von Meßsignalen, denen noch kein<br />

(Schad-)Stoff zuweisbar ist.<br />

143

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