2. Risiko Gentechnik
RISIKO
Autor:
Mag. Thomas Fertl
Herausgeber:
Greenpeace Österreich
Siebenbrunneng. 44
A-1050 Wien
Tel: ++43/1/5454580
Fax: ++43/1/5454588
Email: office@greenpeace.at
Homepage: www.greenpeace.at
Bezug:
Der vorliegende Report kann bei Greenpeace
Österreich und Greenpeace Schweiz (Adressen siehe Seite 32) bestellt
oder direkt via Internet heruntergeladen werden.
Cover-Fotos:
Labor: © Thorsten Klapsch / Greenpeace
Rapsfeld: © Bernhard Nimtsch / Greenpeace
Monarch-Falter: © Bernhard Nimtsch / Greenpeace
G E N T E C H N I K
Wissenschaftliche Fallbeispiele
aus Landwirtschaft und
Lebensmittelproduktion
Gedruckt auf 100% Recyclingpapier
Wien, im September 2000
Risiko Gentechnik
Vo r w o r t
Die Firma Novartis hat Maispflanzen gentechnisch so manipuliert, dass diese selbst ein Insektengift
produzieren. Damit sollten Maiszünsler-Larven getötet werden, die sich von der Pflanze ernähren.
Florfliegen-Larven wiederum fressen die Maiszünsler-Larven und sind daher in der Landwirtschaft
willkommene Nützlinge. Fressen die Florfliegen-Larven nun Maiszünsler-Larven, die sich von dem
genmanipulierten Mais ernährt haben, so sterben auch sie an Vergiftungserscheinungen. Der Anbau
von genmanipuliertem Mais kann so zum Tod wichtiger Nützlinge führen.
Diese Forschungsergebnisse eines Schweizer Wissenschafter-Teams sind nur ein Beispiel unter vielen,
die aufzeigen, dass der Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft mit Risiken behaftet ist. Es
verwundert daher nicht, dass – trotz massiver Propaganda der Gentechnik-Industrie – seit Jahren die
breite Ablehnung der Gentechnik in diesem Anwendungsbereich durch die EU-Bürger anhält 1 . Zumal
mit dem verstärkten kommerziellen Einsatz genmanipulierter Lebewesen – etwa in den USA – deutlich
wird, dass die versprochenen Segnungen durch die neue Technologie nicht eintreten.
Nach einer kurzen Einführung finden Sie in diesem Report Informationen über Risiken, die mit der
Freisetzung genmanipulierter Organismen und mit Gentech-Nahrungsmitteln verbunden sind.
Greenpeace hat dafür die interessantesten Fallbeispiele aus Wissenschaft und Forschung zusammengetragen.
Die im Text erwähnten Studien sind jeweils in einer Fußnote zitiert, sodass Sie sich jederzeit
mit Hilfe der Original-Literatur detaillierter informieren können.
Am Ende der Studie finden Sie eine zusammenfassende Analyse. Und sollte Ihnen nach der Lektüre
der Appetit auf Gentechnik vergangen sein, dann folgen Sie am besten den Act!-Tips über
Gentechnik-freie Ernährung auf Seite 31.
Mit freundlichen Grüßen
Mag. Thomas Fertl
Greenpeace Österreich
1 Inra (Europa) - Ecosa (2000): Eurobarometer 52.1 - Europeans and Biotechnology. Study on behalf of Directorate-General for Research, Directorate B -
Quality of Life and Management of Living Resources Programme. Managed and organised by Directorate-General for Education and Culture „Citizens’
Centre“ (Public Opinion Analysis Unit). Brüssel, 84 S.
1
Report
I n h a l t s v e r z e i c h n i s
1. Was ist und kann Gentechnik? . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 3
2. Risiko Gentechnik . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Genmanipulation mit überraschenden Folgen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 5
Unsichtbar und dennoch von größter ökologischer
Bedeutung: Mikroorganismen . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 7
Genmanipulierte Nutzpflanzen: Maßgeschneidert für den Acker? . . . . . . . . . . . . . . . . . . 9
Wachstumssteigerung um jeden Preis: Genmanipulierte Tiere . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 17
Gentechnik und Bio-Landwirtschaft: ein Widerspruch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 19
Am Ende der Gentech-Nahrungskette steht der Mensch . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 21
3. Zusammenfassende Analyse . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 26
4. Act!-Tips . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Kaufen Sie Gentechnik-freie Lebensmittel . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 31
Werden Sie Gen-Detektiv . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
Unterstützen Sie die Arbeit von Greenpeace . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . . 32
2
Risiko Gentechnik
1. Was ist und kann Gentechnik?
In der Zeitschrift „Plant Science“ wurde kürzlich berichtet, dass japanische
Wissenschafter ein menschliches Gen in Karotten eingebaut
haben. Dadurch erzeugen die Karotten eine Substanz, die ihnen
Widerstandsfähigkeit gegen eine Pilzerkrankung verleihen soll. 2 Wie ist
das möglich?
Karotten mit menschlichen
Genen – wie geht das?
Zellen sind die kleinsten Bausteine von Lebewesen. In jeder Zelle
befindet sich Erbgut in Form von Desoxyribonucleinsäure (DNS oder
englisch DNA abgekürzt). In der Abfolge der einzelnen Bausteine dieses
strangförmigen Moleküls ist die Erbinformation gespeichert. Die
DNS wird von einer Generation auf die nächste weitergegeben, womit
sichergestellt ist, dass Frösche nur Frösche, Sonnenblumen nur
Sonnenblumen, Menschen nur Menschen usw. hervorbringen.
Die Desoxyribonucleinsäure
(DNS) ist Träger der
Erbinformation
Die DNS beeinflusst die Lebensvorgänge nur indirekt. Dazu werden
basierend auf der Erbinformation sogenannte Proteine (Eiweiße)
gebildet. Jeweils ein Teilabschnitt der DNS, ein sogenanntes Gen, enthält
die Information über ein Protein (Eiweiß). Diese Proteine sind es
letztendlich, die in den Stoffwechsel der Zellen eingreifen und somit
die in der DNS gespeicherte Information umsetzen. Ein Großteil des
Aussehens und der Eigenschaften von Lebewesen geht damit auf die
Gene zurück. Die Vererbungslehre wird auch Genetik genannt.
Die Erbinformation wird in
Eiweiße übersetzt
Unter Gentechnik fasst man eine Reihe von Verfahren zur Manipulation
der Erbinformation durch Eingriffe in das Erbmaterial (DNS) zusammen.
Voraussetzung dafür sind molekularbiologische Kenntnisse, die
es erlauben, ein Gen aus der DNS eines Lebewesens auszuschneiden,
in ein anderes zu transportieren und schließlich dort in die DNS wieder
einzubauen. Die „molekularen Scheren“ zum Ausschneiden von
Genen werden Restriktionsenzyme genannt. Sogenannte Vektoren
dienen als Transportvehikel für derart isolierte Gene. Als Vektoren
werden häufig Plasmide verwendet. Das sind ringförmige DNS-Stücke,
die in Bakterien vorkommen. Die fremden, mittels Vektoren in eine
Zelle eingebrachten Gene können schließlich mit Hilfe „molekularer
Kleber“ (sogenannter Ligasen) in die zelleigene DNS eingebaut werden.
Dabei entsteht sogenannte rekombinante DNS. Die anfangs
Mittels Gentechnik kann die
Erbinformation verändert
werden
2 M. Takaichi und K. Oeda (2000): Transgenic carrots with enhanced resistance against two major pathogens, Erysipheraclei and Alternaria dauci. Plant Science
153(2):135-144.
3
Report
beschriebene Karotte mit menschlichem Gen wurde so erzeugt.
Derartige Konstruktionen nennt man genmanipulierte Organismen
(GMO). Weitere gebräuchliche Bezeichnungen sind genveränderte
Organismen (GVO) oder transgene Organismen. Während in der Natur
Erbinformation nur zwischen Individuen der selben Art oder nah verwandter
Arten ausgetauscht wird, besteht für die Gentechnik diesbezüglich
prinzipiell keine Einschränkung. Gene von Ratten können in
Brokkoli-Pflanzen genauso eingebaut werden wie menschliche Gene in
Schweine.
Mittels gentechnischer Methoden können Ratten-Gene in Brokkoli-Pflanzen
eingebaut werden
Die Gentech-Industrie drängt
mit genmanipulierten
Organismen auf den Markt
Ein weiterer wichtiger Vorgang ist das Klonen von Lebewesen. Dabei
werden „Kopien“ mit exakt gleicher Erbinformation erzeugt (Klone).
Dies funktioniert sowohl mit nicht genmanipulierten, als auch mit genmanipulierten
Organismen.
Seit der Geburtsstunde der Gentechnik Anfang der Siebzigerjahre hat
sich diese Wissenschaft im Eiltempo entwickelt. Viele Lebewesen wurden
inzwischen manipuliert, um ihnen neue, wirtschaftlichen Erfolg
versprechende Eigenschaften zu verleihen. Eine Vielzahl genmanipulierter
Organismen wird heute bereits kommerziell eingesetzt. Beispiele
sind genmanipulierte Bakterien zur Erzeugung bestimmter
Stoffe (wie Vitamine) und genmanipulierte Pflanzen mit völlig neuartigen
Eigenschaften wie Widerstandsfähigkeit gegen Pflanzenschutzmittel
oder Insektenfraß.
4
Risiko Gentechnik
2. Risiko Gentechnik
Genmanipulation mit überraschenden Folgen
Genmanipulierte Pflanzen zeigen immer wieder überraschende Eigenschaften.
Zum Beispiel haben Sojabohnen, die mittels Gentechnik
gegen ein Unkrautvernichtungsmittel widerstandsfähig gemacht wurden,
völlig unerwartet auf Temperaturänderung reagiert: Der Stengel
riss in der Hitze auf. Für betroffene Farmer könnte das Ernteeinbußen
von bis zu 40 Prozent bedeuten. 3 Um Millionen Dollar ging es auch in
Mississippi: Genmanipulierte Baumwollpflanzen auf ca. 12.000 Hektar
Anbaufläche haben die Blüten vor der Erntereife abgeworfen. 4
Gentech-Pflanzen reagieren
häufig anders als erwartet
„Der Unterschied zwischen Theorie und Praxis ist der Hauptgrund
dafür, dass die Gentechnik die eigenen Versprechen nicht halten kann
und zugleich Gefahren mit sich bringt“, so die britische Biophysikerin
Dr. Mae-Wan Ho. Sie kritisiert damit die mechanistische Annahme,
dass ein Gen für eine Eigenschaft eines Organismus zuständig sei.
Diese Annahme ist in vielerlei Hinsicht falsch. Denn die Funktion von
Genen ist eine komplexe, vernetzte Angelegenheit, bei der eine
Wirkung viele Ursachen hat und Rückkopplungen verschiedener
Prozesse eine große Rolle spielen. Gene „funktionieren“ nicht immer
gleich, sondern reagieren dynamisch auf Umwelteinflüsse. Deshalb
kann bei einer Pflanze, die ein Herbizidresistenz-Gen trägt, plötzlich
Die Gentechnik geht von
grundsätzlich falschen
Annahmen aus
3 A. Coghlan (1999): Splitting headache. Monsanto’s modified soya beans are cracking up in the heat. New Scientist, 20. November 1999. Elektronische
Version publiziert im Internet unter: http://www.newscientist.com
4 K. Kleiner (1999): Monsanto´s Cotton gets the Mississippi Blues. New Scientist, 1. November 1999. Elektronische Version publiziert im Internet unter:
http://www.newscientist.com
5
Report
durch Hitzeeinwirkung der Stengel aufreißen. Somit werden Eingriffe in
das Erbgut zu einem unpräzisen Unterfangen mit nicht vorhersagbaren
Folgen. 5
Versuch und Irrtum als
Methode der Gentechnik?
Wissenschafter in Neufundland haben versucht, Lachsen ein „Antigefrier-Gen“
eines anderen Fisches einzubauen. Sie wollten die Tiere
gegen die Kälte nordischer Winter widerstandsfähig machen. Die
transgenen Lachse erwiesen sich aber nicht als kälteresistent. Dafür
löste die Genmanipulation bei einem Teil der Fische eine im
Vergleich zu natürlichem Lachs zehnmal höhere Wachstumsrate
a u s . 6 Die überraschenden Folgen gentechnischer Manipulation an
Lebewesen fallen leider nicht immer so „glimpflich“ aus. Wie die folgenden
Beispiele zeigen, sind sie oft mit großen Risiken für Natur und
Mensch verbunden.
5 M.-W. Ho (1999): Genetic Engineering. Dream or Nightmare. Verl. Gateway, Dublin, 385 Seiten.
6 D. MacKenzie (1996): Altered salmon grow by leaps and bounds. New Scientist, January 6:6.
6
Risiko Gentechnik
Unsichtbar und dennoch von größter ökologischer
Bedeutung: Mikroorganismen
Mikroorganismen sind Kleinstlebewesen, die zumeist einzellig und nur
unter dem Mikroskop sichtbar sind. Dazu zählen unter anderem
Bakterien und manche Pilze. Im Stoffkreislauf der Natur spielen sie
eine enorme Rolle – etwa für die Fruchtbarkeit von Böden.
Auf Grund ihres relativ einfachen Aufbaus sowie der unkomplizierten
und raschen Vermehrung durch Zellteilung sind sie beliebte
Forschungsobjekte der Genetik. Sie dienen einerseits als ein „Werkzeug“
der Gentechnologie und werden andererseits selbst manipuliert,
um bestimmte Aufgaben zu erfüllen.
Als einfach strukturierte
Lebewesen gehören Mikroorganismen
zu den wichtigsten
Forschungsobjekten der
Gentechnik
Beispielsweise werden Bakterien zur Herstellung chemischer Stoffe
verwendet. Das Bakterium Klebsiella etwa wurde gentechnisch manipuliert,
um mit möglichst hoher Effizienz aus biologischen Abfällen
durch Vergärung Alkohol zu erzeugen. Damit sollten letztendlich
Pflanzenreste aus der Landwirtschaft zur Treibstoffherstellung genutzt
werden. Ein Forschungsteam ging der Frage nach, welche Auswirkungen
es hat, wenn Produktionsabfälle einer solchen Vergärung als
Dünger auf landwirtschaftliche Nutzflächen ausgebracht werden. Das
unerwartete Versuchsergebnis: Das Einbringen des genmanipulierten
Bakteriums änderte die Zusammensetzung der Bodenlebewesen, und
das Wachstum von Weizenpflanzen wurde bis hin zum Absterben
gehemmt. Interessant ist, dass sich ohne Pflanzenbewuchs keine nachweisbare
Änderung einstellte. Bei einer Versuchsanordnung ohne
Kulturpflanzen wäre man auf diesen Effekt also nicht gestoßen. Die
Wissenschafter leiten aus den Ergebnissen die Notwendigkeit ab, bei
Risikobeurteilungen möglichst alle Glieder der Nahrungskette mit einzubeziehen.
Da die Zusammenhänge in Ökosystemen sehr komplex
und großteils unerforscht sind, bleibt die Frage, ob dies praktisch
durchgeführt werden kann. 7
Die Freisetzung eines genmanipulierten
Bakteriums
stört das Bodenökosystem
2,4-D ist ein synthetisches Unkrautbekämpfungsmittel. Weil diese
Chemikalie Boden und Grundwasser langfristig vergiftet, kamen findige
Wissenschafter auf die Idee, das Bakterium Pseudomonas so zu manipulieren,
dass es 2,4-D abbaut. Und das tat es auch. Als Abbauprodukt
Genmanipulierte Bakterien
für den Umweltschutz? Ein zu
kurz gedachter Ansatz!
7 M. T. Holmes, E. R. Ingham, J. D. Doyle und C. W. Hendricks (1998): Effects of Klebsiella planticola SDF20 on soil biota and wheat growth in sandy soil.
Applied Soil Ecology 326:1-12.
7
Report
entstand jedoch eine Chemikalie mit Namen 2,4-DCP, die sich für
Bodenpilze als giftig erwies. Binnen kurzer Zeit wurden auf der
Versuchsfläche alle Bodenpilze abgetötet. Ein überraschender Effekt,
der weder bei den natürlichen, nicht manipulierten Bakterien, noch
beim ursprünglich verwendeten Pflanzenschutzmittel auftrat. Der
Einsatz genmanipulierter Organismen als „Umweltschutz“-Technologie
hat sich in diesem Fall also als Bumerang erwiesen. Die einzig nachhaltige
Lösung für dieses Problem liegt im biologischen Landbau, der
ohne synthetische Chemie auskommt und daher auch keine riskante
„Reparatur-Technologie“ braucht. 8
Horizontaler Gentransfer
Unter horizontalem Gentransfer versteht man den Austausch von
Genmaterial zwischen verwandten oder nicht verwandten Individuen
der selben Generation – z. B. zwischen Mikroorganismen untereinander
oder zwischen Mikroorganismen und Pflanzen. Im Gegensatz
dazu steht die Vererbung an Nachkommen durch ungeschlechtliche
Zellteilung oder sexuelle Fortpflanzung.
Durch „Horizontalen
Gentransfer“ können manipulierte
Gene in der freien
Natur rasch und unkontrollierbar
verbreitet werden
Eine wichtige Frage bei der Risikobewertung der Freisetzung gentechnisch
manipulierter Mikroorganismen lautet: Kann die genetische
Information zwischen Individuen der selben Generation ausgetauscht
werden? Forschungen im letzten Jahrzehnt haben gezeigt, dass dies
zwischen Bakterien leichter möglich ist als ursprünglich angenommen.
Dieser „Horizontale Gentransfer“ ist aber auch von Pflanzen auf Pilze
oder Bakterien möglich. 1998 wiesen die deutschen Wissenschafter
Gebhard und Smalla von der Biologischen Bundesanstalt für Land- und
Forstwirtschaft in Braunschweig in Laborexperimenten nach, dass
Gene manipulierter Zuckerrüben unter bestimmten Umständen vom
Bakterium Acinetobacter aufgenommen werden. Auf diese Weise
beeinflussen genmanipulierte Kulturpflanzen auch die Bodenökosysteme.
Jüngste, noch unveröffentlichte Forschungsergebnisse aus
Deutschland haben gezeigt, dass eine Übertragung von Genen manipulierter
Rapspflanzen auf Bakterien und Pilze im Darm von Bienen
stattfindet. Mittels „Horizontalem Gentransfer“ können sich manipu-
8 J. D. Doyle, G. Stotzky, G. McClung und C. W. Hendricks (1995): Effects of Genetically Engineered Microorganisms on Microbial Populations and Processes
in Natural Habitats. Advances in applied Microbiology 40:237-287.
8
Risiko Gentechnik
lierte Gene in der freien Natur rasch und unkontrolliert ausbreiten –
mit unabsehbaren Folgen.
9, 10, 11, 12
Genmanipulierte Nutzpflanzen:
Maßgeschneidert für den A c k e r ?
Die gentechnische Veränderung von Kulturpflanzen zum Zwecke der
Lebensmittelerzeugung ist ein in der Öffentlichkeit heiß diskutiertes
Thema. Das Ziel der Manipulation kann die Veränderung pflanzeneigener
Speicherstoffe (z. B. bei der Kartoffel) oder pflanzlicher
Entwicklungsprozesse (wie bei der „Anti-Matsch“-Tomate) sein. Am
häufigsten hat sie jedoch Herbizidresistenz, Insektenresistenz oder
Resistenzen gegen Krankheitserreger zum Ziel. Soja, Raps, Mais,
Kartoffeln und Baumwolle gehören zu den derzeit bedeutendsten
Beispielen genmanipulierter Kulturpflanzen.
Die Gentechnik sieht sich als
die moderne Form der
Pflanzenzucht
Herbizid- und Insektenresistenz
Ist eine Pflanze gegenüber einem bestimmten Umwelteinfluss resistent,
so bedeutet dies, dass sie dagegen widerstandsfähig ist und durch
dessen Einwirken keinen oder kaum Schaden erleidet. Im Fall der
Herbizidresistenz sind die Pflanzen widerstandsfähig gegen ein
Unkrautvernichtungsmittel (obwohl sie es aufnehmen).
Insektenresistente Pflanzen produzieren selbst ein Gift, das ihre
Fraßfeinde tötet.
Eine genmanipulierte Soja-Pflanze der Firma Monsanto (RRS) beispielsweise
ist herbizidresistent. Im Gegensatz zu den „Unkräutern“
verträgt sie die Behandlung mit dem Unkrautvernichtungsmittel
„Roundup-Ready“ (Glyphosat), das Monsanto im Kombi-Paket mit der
Pflanze liefert. Es handelt sich dabei um ein Totalherbizid, das alle
Pflanzen auf dem Acker abtötet – außer die kultivierten Gentech-
Herbizidresistenz ermöglicht
den Einsatz allesvernichtender
Totalherbizide
09 R. V. Miller (1998): Bacterial Gene Swapping in Nature. Scientific American, January.
10 F. Gebhard und K. Smalla: Transformation of Acinetobacter sp. Strain BD413 by Transgenic Sugar Beet DNA. Applied and Environmental Microbiology
64(4):1550-1554.
11 T. Hoffmann, C. Golz und O. Schieder (1994): Foreign DNA sequences are received by a wild-type strain of Aspergillus niger after co-culture with transgenic
higher plants. Current Genetics 27:70-76.
12 Presseaussendung von Pressetext-Austria „Horizontaler Gentransfer zwischen Biene und Gen-Pflanzen. Mikroorganismen im Verdauungstrakt von Insekten
nehmen Erbgut von Gen-Pflanzen auf“ vom 26. Mai. 2000. Publiziert im Internet unter: http://www.pressetext.at
9
Report
Pflanze selbst. Das mag auf den ersten Blick von Vorteil sein, stellt
jedoch ein großes Naturschutzproblem dar. Viele der Ackerunkräuter
sind bereits heute in ihrem Bestand gefährdet und der Einsatz von
Totalherbiziden könnte sie zum Aussterben bringen. In der Folge sind
auch jene Tiere betroffen, die an diese Ackerunkräuter gebunden sind.
Amerikanische Insektenforscher sind im Rahmen von Untersuchungen
über die Wanderungen des Monarchfalters auf dieses Problem gestoßen.
Die Forscher befürchten, dass durch den Anbau genmanipulierter,
herbizidresistenter Pflanzen die Monarchfalter gefährdet werden.
Millionen von Monarchfaltern wandern jedes Jahr zwischen ihrem Winterquartier
in Zentralmexiko und dem Sommerquartier in Südkanada und den
USA (ca. 2.500 Kilometer). Der Anbau herbizidresistenter Kulturpflanzen
könnte die Nahrungsquelle der Larven gefährden.
Denn der Einsatz von Totalherbiziden könnte die Seidenpflanze stark
dezimieren, die als „Unkraut“ vorkommt und von welchen sich die
Raupen des Monarchfalters hauptsächlich ernähren.
13, 14
Durch Auskreuzung können
genmanipulierte
Eigenschaften auf verwandte
Wildarten übertragen werden
Eine weitere Gefahr genmanipulierter Pflanzen liegt in der Möglichkeit,
dass sie sich mit verwandten wilden Arten kreuzen. Verschiedene
Untersuchungen haben diese Möglichkeit etwa für genmanipulierten
Raps (Brassica napus)nachgewiesen, der sich beispielsweise mit wil-
13 L. I. Wassenaar und K. A. Hobson (1998): Natal origins of migratory monarch butterflies at wintering colonies in Mexico: New isotopic evidence. Proceedings
of the National Academy of Sciences of the USA 95(26):15436-15439
14 C. Holden [Hrsg.] (1999): Monarchs and their Roots. Science 283:171.
10
Risiko Gentechnik
dem Kohl (Brassica rapa)oder Hederich (Raphanus raphanistrum) kreuzen
kann.
15, 16, 17
In einer Studie dänischer Wissenschafter wurde mittels Versuchen
nachgewiesen, dass die durch Kreuzung von herbizidresistentem Raps
mit Wild-Kohl entstandenen „Hybride“ fruchtbar sind und sich mit
dem natürlichen Wildkohl „rückkreuzen“ lassen. Nach nur zwei
Rückkreuzungsversuchen mit dem Wild-Kohl waren 40 Prozent der
Nachkommen ebenfalls herbizidresistent. Die Autoren folgern, dass
„diese Ergebnisse darauf hinweisen, dass eine schnelle Ausbreitung
manipulierter Gene von Gentech-Raps auf den verwandten Wild-Kohl
möglich ist“. 18 So könnten beispielsweise „Superunkräuter“ entstehen,
denen auch Totalherbizide nichts anhaben können. Das würde den
Gedanken von herbizidresistenten Pflanzen ad absurdum führen.
Die Annahme, dass sich Hybride (Kreuzungen) in der freien Natur nicht
behaupten könnten, ist leider nicht stichhaltig. Untersuchungen mit
Hybriden von Raps und Senf (Hirschfeldia incana) haben gezeigt, dass
diese unter bestimmten Umweltbedingungen sogar konkurrenzfähiger
sind als die Senf-Mutterpflanzen. 19 Neben Raps wurde die Möglichkeit
der Auskreuzung auch für eine Reihe weiterer Kulturpflanzen – wie z.
B. Zuckerrüben und Reis – auf verwandte Wild-Arten nachgewiesen. 20
Auskreuzung ist besonders problematisch, wenn genmanipulierte
Formen von Pflanzen in jenen Gebieten angebaut werden, wo sich die
ursprüngliche Art im Rahmen der Evolution entwickelt hat (Entwicklungszentren).
Denn dort wachsen in freier Natur viele nah verwandte
Arten, die mögliche Auskreuzungs-Partner darstellen. Dies gilt z. B. für
den Anbau von Raps in Europa und im Mittelmeerraum, Mais in Mexiko
oder Reis in Asien. Wenn das eingebaute Gen den Wild-Pflanzen einen
Konkurrenz-Vorteil verschafft (etwa durch erhöhte Widerstandsfähigkeit
gegen Schädlinge oder Krankheiten), dann ist es auch wahrscheinlich,
dass sich diese Pflanzen in der freien Natur durchsetzen
können. Die Folgen davon kann niemand abschätzen.
15 R. B. Jörgensen und B. Andersen (1994): Spontaneous Hybridization between Oilseed Rape (Brassica napus) and weedy B. campestris (Brassicaceae): A risk
of growing genetically modified Oilseed Rape. American Journal of Botany 81(12):1620-1626.
16 A.-M. Chevre, F. Eber, A. Baranger und M. Renard (1997): Gene flow from transgenic crops. Nature 389:924.
17 S. Frello, K. R. Hansen, J. Jensen, R. B. Jörgensen (1995): Inheritance of rapeseed (Brassica napus)-specific RAPS markers and a transgenic in the cross B. juncea
x (B. juncea x B. napus). Theoretical and applied Genetics 91:236-241.
18 T. R. Mikkelsen, B. Andersen und R. Bagger Jörgensen (1996): The risk of crop transgene spread. Nature 380:31.
19 Lefol E., V. Danielou, H. Darmency, F. Boucher, J. Maillet und M. Renard (803) Gene dispersal from transgenic crops. I. Growth of interspecific hybrids between
oilseed rape and the wild hoary mustard. Journal of applied Ecology 33:803-808.
20 British Crop Protection Council [Hrsg.] (1999): Gene Flow and Agriculture: Relevance for Transgenic Crops. Proceedings of a symposium held at the University
of Keele, Staffordshire 12 - 14 April 1999. BCPC symposium proceedings Nr. 72, Verl. BCPC Publ., Farnham, Surrey, 286 Seiten.
11
Report
Intensiver Einsatz von Giften
fördert die Bildung von
Resistenzen bei den betroffenen
Lebewesen
Herbizidresistenz kann aber nicht nur durch Auskreuzung entstehen,
sondern auch durch natürliche Anpassungserscheinungen: Durch
massiven Einsatz eines Giftes entsteht ein enormer Selektionsdruck
auf die betroffenen Organismen. Individuen, die Abwehrmechanismen
entwickeln, pflanzen sich schneller fort als andere und so entwickeln
sich über kurz oder lang widerstandsfähige Populationen.
1997 wurde erstmals berichtet, dass in Australien ein Weidelgras
(Lolium rigidum)gegen das Unkrautvernichtungsmittel „Roundup-
Ready“ resistent wurde. Ebenfalls 1997 tauchte eine resistente Form
des Gänsegrases (Eleusina indica)
Malaysien auf. Und in den USA
entwickeln offenbar Amaranth-Pflanzen derzeit gesteigerte Toleranz
gegen Roundup-Ready. Roundup-Ready ist ein Totalherbizid, das
die Firma Monsanto mit ihren herbizidresistenten Pflanzen liefert.
Der großflächige Anbau dieser Pflanzen fördert somit die
Resistenzbildung bei Unkräutern.
21, 22, 23
Grundsätzlich können die gleichen Mechanismen bei virusresistenten
Pflanzen 24 zur Bildung von Infektionserregern und bei Insektizid-produzierende
Pflanzen zur Bildung von Insekten beitragen, welche die
Abwehrmechanismen durchbrechen (siehe Seite 20).
Pflanzen, die selbst ein
Insektengift produzieren,
töten nicht nur die Ziel-
Organismen
Die Idee scheint auf den ersten Blick einleuchtend: Pflanzen produzieren
selbst ein Gift, das sie davor bewahrt, von Insekten aufgefressen zu
werden. Doch so einfach ist die Sache nicht, denn das Gift tötet nicht
nur die Schädlinge (Zielorganismen), sondern kann auch Nicht-
Zielorganismen (darunter wertvolle Nützlinge) töten und damit das
ökologische Gleichgewicht in der freien Natur stören.
Das Gift von Bt-Pflanzen kann auch im Pollen produziert werden.
Amerikanische Untersuchungen zeigen, dass durch den Wind verbreiteter
Pollen von Bt-Pflanzen die Larven des Monarch-Falters schädigen
kann. In Laborexperimenten wurden die Larven des Falters auf
Seidenpflanzen aufgezogen, die mit Pollen von genmanipulierten Bt-
Pflanzen bestäubt waren. Nach vier Tagen lebte von diesen Tieren beinahe
nur mehr die Hälfte (56 Prozent), während auf den mit Nicht-Bt-
Pollen verunreinigten Pflanzen alle Tiere überlebten. Weiters führte
21 S. B. Powles und D. F. Lorraine-Colwill, J. J. Dellow, C. Preston (1998): Evolved resistance to glyphosate in rigid ryegrass. Weed Science 46:604-607.
22 B. Hartzler (1998): Are Roundup Ready weeds in your future? Proceedings 18th Annual Crop Pest Management Short Course 18:12-19. Univ. Minnesota, St.
Paul, MN..
23 J. Doll (1999): Glyphosate Resistance in Another Plant. Wisconsin Crop Manager 171-172
24 C. Eckelhamp, M. Jäger und B. Weber (1997): Risikoüberlegungen zu transgenen virusresistenten Pflanzen. Studie des Öko-Institut Freiburg im Auftrag des
Umweltbundesamtes, Berlin, 282 Seiten.
12
Risiko Gentechnik
Bt-Pflanzen
Sogenannten „Bt-Pflanzen“ wurde ein Gen des Bodenbakteriums
Bacillus thuringiensis (Bt) eingebaut. Dadurch produzieren sie ein
Gift, das Insekten tötet, wenn sie die Pflanze fressen.
Derartige Sorten sind unter anderem von Mais, Kartoffel und
Baumwolle erhältlich
der Bt-Pollen dazu, dass die Larven weniger fraßen und daher langsamer
wuchsen. Seidenpflanzen sind die wichtigsten Futterpflanzen der
Monarch-Larven. Da diese Pflanzen vor allem in und am Rand von
Äckern vorkommen und viele Bt-Pflanzen zu jener Zeit blühen, zu der
auch die Monarch-Larven schlüpfen, besteht für die Monarch-Larven
ein erhöhtes Risiko durch die Bt-Pflanzen zu sterben. Ähnliche
Untersuchungen an der Iowa State-Universität deuten darauf hin, dass
die im Bereich von Bt-Pflanzen real auftretenden Pollen-Ablagerungen
tatsächlich ausreichen, um Larven des Monarchfalters zu töten. Für den
Großteil der Schmetterlings-Arten liegen keine vergleichbaren Untersuchungen
vor.
25, 26
Und was passiert, wenn sich Insekten von Insekten ernähren, die Bt-
Pflanzen fressen? Angelika Hilbeck und Forschungskollegen von der
Schweizer Eidgenössischen Forschungsanstalt für Agrarökologie und
Landbau haben dazu folgenden Laborversuch durchgeführt:
Maiszünsler-Larven wurden mit Maispflanzen gefüttert – und zwar einmal
mit gentechnisch manipuliertem Bt-Mais und einmal mit natürlichem,
nicht manipuliertem Mais. Diese Insekten wurden dann an
Florfliegen-Larven verfüttert. Jene Florfliegen, die mit Insekten von Bt-
Mais gefüttert wurden, starben mit doppelter Häufigkeit verglichen mit
jenen, die Maiszünsler von natürlichen Pflanzen fraßen. Zwei
Folgestudien haben bestätigt, dass Bt-Pflanzen über die Nahrungs-
Insektengift-produzierende
kette Nützlinge töten können.
27, 28, 29
Pflanzen gefährden wichtige
Nützlinge
25 L. Hansen (1999): Non-target effects of Bt-corn pollen on the Monarch butterfly (Lepidoptera: Danaidae). Poster. Veröffentlicht im Internet unter
http://www.ent.iastate.edu
26 J. E. Losey, L. S. Rayor, M. E. Carter (1999): Transgenic Pollen harms monarch larvae. Nature 399:214.
27 A. Hilbeck, M. Baumgartner, P. M. Fried und F. Biegler (1998): Effects of transgenic Bacillus thuringiensis corn-fed prey on mortality and development time
of immature Chrysoperla carnea. Environmental Entomology 27(2) :480-487.
28 A. Hilbeck, W. J. Moar, M. Pusztai-Carey, A. Filippini und F. Bigler (1998): Toxicity of Bacillus thuringiensis CrylAb Toxin to the Predator Chrysoperla carnea
(Neuroptera: Chrysopidae). Environmental Entomology 27(4):1255-1263
29 A. Hilbeck, W. J. Moar, M. Pusztai-Carey, A. Filippini und F. Bigler (1999): Prey-mediated effects of Cry1Ab toxin and protoxin and Cry2A protoxin on the predator
Chrysoperla carnea. Entomologia Experimentalis et Applicata 91: 305 – 316.
13
Report
Neue Untersuchungen haben gezeigt, dass das Bt-Gift von Gentech-
Maispflanzen auch über die Wurzeln in den Boden abgegeben wird.
„Wir haben keine Hinweise darauf, wie Bodenlebewesen dadurch
beeinflusst werden“, so die Wissenschafter. 30
Mögliches Opfer von Gentech-Pflanzen: die nützliche Florfliege
Negative Auswirkungen auf Nützlinge wurden auch bei genmanipulierten
Kartoffeln festgestellt. Es handelte sich dabei um bisher am Markt
nicht erhältliche, im Versuchsstadium befindliche Kartoffeln, welchen
ein Gen des Schneeglöckchens eingepflanzt wurde, das sie gegen
Insektenfraß schützen sollte. Wurden Läuse, die sich von diesen
Pflanzen ernährten, an Marienkäfer verfüttert, so verschlechterte sich
dadurch die Fruchtbarkeit, die Lebensfähigkeit der Eier und die
Lebensdauer der Marienkäfer. 31
Florfliegen und Marienkäfer gehören zu den wichtigsten Nützlingen in
der biologischen Schädlingsbekämpfung, da deren Larven Blattläuse
und andere Schädlinge mit großem Appetit fressen ohne selbst
Schaden anzurichten. Über den beschriebenen Mechanismus können
Insektengift-produzierende Pflanzen diese Nützlinge töten und somit
die biologische Schädlingsbekämpfung schwächen.
Über ein weiteres, mit Bt-Pflanzen verbundenes Problem lesen Sie im
Kapitel über Biolandwirtschaft ab Seite 19.
30 D. Saxena, S. Flores und G. Stotzky (1999): Insecticidal toxin in root execudates from Bt corn. Nature 402:480.
31 A. N. E. Birch, I. E. Geoghegan, M. E. N. Majerus, J. W. McNicol, C. A. Hackett, A. M. R. Gatehouse und J. A. Gatehouse (1999): Tri-trophic interactions involving
pest aphids, predatory 2-spot ladybirds and transgenic potatoes expressing snowdrop lectin for aphid resistance. Molecular Breeding 5:75-83.
14
Risiko Gentechnik
Von Seiten der Gentech-Industrie wurde immer wieder versucht, herbizid-
und insektenresistente Pflanzen als „ökologisch“ zu verkaufen.
Damit würde, so die Argumentation, der Einsatz an umweltschädlichen
Chemikalien reduziert.
Erste Erfahrungen aus
Amerika widerlegen die
Versprechen der Gentech-
Industrie
Doch vor dem geschilderten Hintergrund wird klar, dass diese
Argumentation nicht haltbar ist. Denn wenn Unkräuter resistent werden
und Nützlinge sterben, dann wird man immer mehr und immer
neue Chemikalien benötigen, um dieses System aufrechtzuerhalten –
eine endlose Giftspirale.
Der „World Wide Fund for Nature“ (WWF) Kanada ging in einer Studie
der Frage nach, ob der Anbau gentechnisch manipulierter Pflanzen zu
einer Verringerung des Pestizid-Einsatzes führt. Eine Auswertung der
in den Jahren 1997 und 1998 gesammelten Erfahrungen zeigt, dass dies
nicht der Fall ist. Ein Detail aus der Studie: In der Praxis ist es häufig
so, dass – gerade weil die kultivierte Pflanze widerstandsfähig ist –
häufiger Chemikalien eingesetzt werden. 32
Der amerikanische Wissenschafter C. Benbrook sieht die Situation ähnlich.
Benbrook war jahrelang als landwirtschaftlicher Berater des amerikanischen
Präsidenten und des Repräsentantenhauses sowie als
Mitarbeiter der Amerikanischen Akademie der Wissenschaften tätig. In
einer Studie hat Benbrook Daten über den Anbau genmanipulierter
Soja im Jahre 1998 ausgewertet. Farmer die gentechnisch manipulierte
Soja-Bohnen angebaut hatten, brauchten zwei- bis fünfmal mal mehr
Herbizide (gemessen in Gewicht/Fläche) als Farmer, die konventionelle
Unkrautvernichtungsmethoden anwenden. Farmer, die beim
Pflanzenschutz nicht nur auf Chemie, sondern auch auf andere
Kulturmaßnahmen setzen, brauchen oft nur ein Zehntel dieser Menge.
Ein Grund dafür liegt in der Tatsache, dass das Herbizid Roundup-
Ready nur Pflanzen im Wachstumsstadium abtötet. Da sich aber nicht
alle Unkräuter zum selben Zeitpunkt in dieser Phase befinden, wird
ein mehrfacher Gifteinsatz notwendig. Ein anderer Grund liegt in der
Bildung toleranter Unkräuter, wie sie weiter oben im Text beschrieben
wurde. Die Studie von Benbrook brachte ebenfalls zu Tage, dass der
erzielte Ertrag bei Gen-Soja durchschnittlich geringer ist als bei konventioneller
Soja. In Summe kostet der Anbau genmanipulierte Soja
32 World Wide Fund for Nature Canada (2000): Do Genetically Engineered (GE) Crops reduce Pesticides? The Emerging Evidence says not likely. Toronto, 14
S. Publiziert im Internet unter: http://www.wwf.ca
15
Report
den Farmern bis zu 50 Prozent mehr als bei herkömmlichen
Kultursorten. Wenn also die Rede davon ist, dass herbizidresistente
Pflanzen weniger Unkrautvernichtungsmittel erfordern, dann fragt
Benbrook: „Weniger im Vergleich zu was? Wenn es darum geht den
Herbizid-Einsatz zu reduzieren, dann gibt es sicher bessere und billigere
Alternativen das zu tun.“
33, 34, 35
33 C. Benbrook (1999): World Food System Challenges and Opportunities: GMOs, Biodiversity, and Lessons from America´s Heartland. Paper presented Jannury
27, 1999 as a part of the University of Illinois World Food and Sustainable Agriculture Program. Publiziert im Internet unter: http://www.biotech-info.net.
34 C. Benbrook (1999): Evidence of the Magnitude and Consequences of the Roundup Ready Soybean Drag from University-Based Varietal Trials in 1998. Ag
BioTech InfoNet Technical Paper Number 1 (July 13). 28 Seiten. Veröffentlicht im Internet unter: http://www.biotech-info.net
35 P. Montague (1999): Sustainability and AG Biotech. Rachel´s Environmental & Health Weekly Nr. 686, Electronic Edition. Veröffentlicht im Internet unter:
http://www.rachel.org
16
Risiko Gentechnik
Wachstumssteigerung um jeden Preis:
Genmanipulierte Ti e r e
Seit Jahrzehnten wird versucht, durch Genmanipulation die tierische
Produktion zu steigern. Im Unterschied zu den Kulturpflanzen stehen
hier nicht Resistenzen im Vordergrund, sondern das Ziel, mit möglichst
wenig Futter möglichst viel Fleisch zu produzieren.
Genmanipulierte Tiere als
Fortsetzung der Massentierhaltung
Bereits Ende der Achzigerjahre wurde versucht, das Wachstum von
Nutztieren durch den Einbau von Hormon-Genen zu beschleunigen.
Hormone sind chemische Botenstoffe, die über den Blutkreislauf im
Körper verteilt werden und so in den Stoffwechsel eingreifen. Viele
dieser Versuche verliefen problematisch, da Hormone und Wachstum
sehr komplex zusammenspielen und diese Vorgänge bis heute nur
wenig verstanden sind. Beispielsweise wurden Schafen Gene für ein
Wachstumshormon eingebaut. Das Hormon wurde zwar in einigen der
Schafe tatsächlich erzeugt, das Wachstum stieg dadurch aber nicht an.
Dafür litten die Tiere an Diabetes und starben früh. Bei einem Tier
wurde die Geschlechtsreife unterdrückt. 36
Eingriffe in das
Hormonsystem von Tieren
verursachen Krankheit und
Leid
Vergleichbare Versuche mit Schweinen brachten ähnliche Ergebnisse.
Die Schweine zeigten zwar den gewünschten Wachstumseffekt, litten
aber an unzähligen Krankheiten: Magengeschwüre, Gelenksentzün-
36 C. E. Rexroad, K. Mayo, D. J. Bolt, T. H. Elasser, K. F. Miller, R. R. Behringer, R. D. Palmiter und R. L. Brinster (1991): Transferrin- and Albumin-Directed
Expression of Growth-Related Peptides in Transgenic Sheep. Journal of Animal Science 69:2995-3004.
17
Report
dungen, entzündliche Hautreaktionen, Herzvergrößerung und Nierenerkrankung.
37
Trotz dieser negativen Erfahrungen mit Eingriffen in das Hormonsystem
wurde 1994 in den USA als erstes Gentech-Produkt im Lebensmittelbereich
das sogenannte BST (Rindersomatropin), ein Rinder-Wachstumshormon,
zugelassen. Es handelt sich dabei um ein mittels genmanipulierter
Bakterien erzeugtes Hormon, das Kühen injiziert wird, damit
sie mehr Milch geben. Ganz abgesehen von der Fragwürdigkeit solcher
Maßnahmen angesichts landwirtschaftlicher Überproduktion ist dies für
Tier und Mensch riskant. Es hat sich gezeigt, dass die Tiere vermehrt an
Euterentzündung leiden. Der Konsum der Milch durch den Menschen,
wird mit erhöhtem Risiko an Brust- oder Prostata-Krebs zu erkranken in
Verbindung gebracht. In der Europäischen Union wurde daher die
Anwendung des Hormons verboten.
38, 39, 40, 41, 42, 43
Die Freisetzung
genmanipulierter Fische
bedroht Populationen natürlicher
Gewässer
Als erste gentechnisch manipulierte Tiere könnten Fische in Kürze für
den kommerziellen Einsatz zugelassen werden. Hauptziel der
Manipulation ist es auch hier, durch Einpflanzung fremder Gene das
Wachstum bei gleichzeitig möglichst wenig Nahrungsbedarf zu
beschleunigen. Die amerikanische „A/F Protein Inc.“ bietet beispielsweise
Lachse mit dem Handelsnamen „AquAdvantage Bred Salmon“
an, die vier- bis sechsmal schneller wachsen als natürliche Lachse. 44
Wenn es nach der Gentech-Industrie geht, dann kommen Lachse,
Karpfen und Forellen in Zukunft genmanipuliert auf den Tisch.
Was passiert, wenn solche Fische in die freie Natur gelangen? Forscher
aus den USA haben diese Fragestellung mittels Computermodell
untersucht und festgestellt, dass unter bestimmten Voraussetzungen
schon wenige genmanipulierte Fische die natürlichen Fisch-Bestände
ausrotten können. 45
37 V. G. Pursel, C. A. Pinkert, K. F. Miller, D. J. Bolt, R. C. Campbell, R. D. Palmiter, R. L. Brinster, R. E. Hammer (1989): Genetic Engineering of Livestock. Science
June 6:1281-1288.
38 P. Montague (1998): Breast Cancer, rGBH and Milk. Rachel´s Environmental & Health Weekly Nr. 598, Electronic Edition. Veröffentlicht im Internet unter:
http://www.rachel.org
39 Scientific Committee on Animal Health and Animal Welfare (1999): Report on Animal Welfare Aspects of the Use of Bovine Somatrophin. Bericht an den Rat
der Europäischen Union, 10. März 1999, 91 Seiten. Veröffentlicht im Internet unter: http://europa.eu.int.
40 D. S. Kronfeld (1991): Safety of Bovine Growth Hormone. Science 251:256.
41 J. M. Chan, M. J. Stampfer, E. Giobannucci, P. H. Gann, J. Ma, P. Wilkinson, C. H. Hennekens, M. Pollak (1998): Plasma Insulin-Like Growth Factor-I and Prostate
Cancer Risk: A Prospective Study. Science 279:563-566
42 S. E. Hankinson (1998): Circulating concentrations of insulin-like growth factor I and risk of breast cancer. The Lancet 351(9113):1393-1396.
43 T. B. Mepham, P. N. Schofiled, W. Zumkeller, A. M. Coterill (1994): Safety of milk from cows treated with bovine somatotropin. The Lancet 344:1445-1446.
44 Firmeninformationen, veröffentlicht im Internet unter: http://webhoast.avint.net/afprotein
45 W. M. Muir und R. D. Howard (1999): Possible ecological risks of transgenes effect mating success: Sexual selection and the Trojan gene hypothesis.
Proceedings of the National Academy of Sciences of America 96(24):13853-13856
18
Risiko Gentechnik
Erfahrungen mit der Freisetzung ortsfremder Fische zeigen, dass die
Ergebnisse durchaus realistisch sind. In den Sechzigerjahren wurde
beispielsweise der Nilbarsch in den afrikanischen Victoriasee eingesetzt.
25 Jahre nach dem Einsetzen des ersten Nilbarsches waren
bereits 70 Prozent der heimischen Fischarten ausgerottet und die
Größe der natürlichen Fischgemeinschaften stark reduziert. 46
Wenn genmanipulierte Fische in die freie Natur gelangen und sich
gegen die natürlich vorkommenden Fische durchsetzen, dann könnte
dies ähnliche Katastrophen auslösen.
Gentechnik und Bio-Landwirtschaft:
ein Wi d e r s p r u c h
„Wir brauchen und wollen keine Gentechnik“ lautet die Devise von
Biobauern auf der ganzen Welt. Der größte österreichische Biobauern-
Verband „Ernte für das Leben“ hat schon vor Jahren Gentechnik-
Freiheit in seine Produktionsrichtlinien aufgenommen. Mittlerweile ist
durch EU-Recht vorgeschrieben, dass Bio-Produkte Gentechnik-frei
sein müssen. Doch die Biobauern leben nicht in einer isolierten
Umwelt. Der verstärkte Einsatz von Gentechnik in der Landwirtschaft
gefährdet den biologischen Landbau durch verschiedene Wechselwirkungen.
Die biologische
Landwirtschaft kommt ohne
Gentechnik aus
Nützlinge wie der Marienkäfer sind wichtige „Mitarbeiter“ in der biologischen
Schädlingsbekämpfung
46 Kegel B. (1999): Die Ameise als Tramp - Von biologischen Invasionen. Verl. Ammann, Zürich, 416 Seiten.
19
Report
Pollenflug von benachbarten
Gentech-Äckern verunreinigt
die Ernte der Biobauern
Wind oder Insekten können den Pollen von genmanipulierten Pflanzen
verbreiten. Werden dadurch natürliche, nicht genmanipulierte Pflanzen
bestäubt, dann enthält auch diese Ernte die manipulierten Gene.
In Windrichtung sinkt die Pollenkonzentration von 100 Prozent beim
Acker auf etwa 2 Prozent in 60 Meter, 1 Prozent in 200 Meter und 0,5
Prozent in 500 Meter. Unter bestimmten Bedingungen kann fruchtbarer
Mais-Pollen bis zu 180 Kilometer weit verweht werden. 47 Eine Studie
des Ökologie-Instituts Freiburg hat gezeigt, dass unter realen
Bedingungen die transgene Erbinformation durch Pollenflug von genmanipuliertem
Mais auf Pflanzen eines Nachbarfeldes übertragen werden
kann. 48 Der Pollen von Gentech-Raps kann durch den Wind über
mindestens 2,5 km verbreitet werden. 49
Negative Auswirkungen von
Gentech-Pflanzen auf
Nützlinge schaden der biologischen
Landwirtschaft
Der Pflanzenschutz im biologischen Landbau erfolgt durch eine
Kombination mehrerer Maßnahmen. Eine davon ist die Förderung von
nutzbringenden Insekten, die Schädlinge fressen. Wie weiter oben im
Text gezeigt wurde, können durch den Anbau Insektengift-produzierender
Gentech-Pflanzen Nützlinge geschädigt werden (siehe Seite
13). Damit wird die biologische Schädlingsbekämpfung geschwächt.
Großflächiger Anbau von Bt-
Pflanzen könnte den Bio-
Landbau um sein wichtigtes
Pflanzenschutzmittel bringen
Der Anbau von Bt-Pflanzen birgt noch ein weiteres Risiko für Biobauern
in sich. Denn Bacillus thuringiensis-Präparate werden seit Jahren erfolgreich
in der biologischen Landwirtschaft als natürliches Pflanzenschutzmittel
verwendet. Wird dieses Gift vermehrt eingesetzt, so steigt
dadurch der „Selektionsdruck“ auf die betroffenen Insekten. Das bedeutet,
dass sich mit höherer Wahrscheinlichkeit Individuen bilden,
die gegen das Gift immun sind.
Die Wirkung von konventionellen Bt-Präparaten unterscheidet sich in
vielerlei Hinsicht von jener der Bt-Pflanzen. In der Natur treten eine
Vielzahl verschiedener Variationen des Giftes auf, weshalb sich
Insekten nicht so leicht anpassen können. Die Gentech-Pflanzen dagegen
produzieren nur eine Art des Giftes. Und Bt-Präparate werden in
der biologischen Landwirtschaft sehr selektiv eingesetzt, das heißt nur
zu dem Zeitpunkt und an dem Ort, wo es die Situation erfordert. Die
47 J. Emberlin (2000): Wind Pollination. In: GM on Trial – Scientific evidence presented in the defence of 28 Greenpeace volunteers on trial for their non-violent
removal of GM maize crops (Hrsg: Greenpeace), London, S. 5-12.
48 Freiburger Institut für Umweltchemie (1998): Untersuchung zur Ausbreitung einer gentechnisch veränderten Maissorte (BT 176) auf Nachbarfelder bei
Riegel. FIUC-Bericht Nr. 98-16, Freiburg.
49 A. M. Timmons, Y. M. Charters, J. W. Crawford, D. Burn, S. E. Scott, S. J. Dubbels, N. J. Wilson, A. Robertson, E. T. O´Brian, G. R. Squire, M. J. Wilkinson (1996):
Risks from transgenic crops. Nature 380:487.
20
Risiko Gentechnik
Bt-Pflanzen bilden im Gegensatz dazu in der ganzen Pflanze große
Mengen des Giftes - und zwar immer und überall.
50, 51
Der vermehrte Einsatz von Bt-Pflanzen könnte Insekten daher widerstandsfähig
gegen dieses Mittel machen und damit die biologische
Landwirtschaft um ein wichtiges Pflanzenschutzmittel bringen.
Wissenschaftliche Erkenntnisse der letzten Jahre zeigen, dass dies
schneller möglich ist, als ursprünglich angenommen. In 10 Jahren, bei
manchen Insektenarten bereits innerhalb weniger Jahre, könnte Bt-
Resistenz bereits zum Problem werden. Die aktuelle Diskussion über
„Resistenz-Management-Pläne“ in den USA bestätigt diese Befürchtungen.
52, 53, 54, 55
Am Ende der Gentech-Nahrungskette
steht der Mensch
Über verschiedene Wege landen die Produkte der Gentechnik auf
unserem Tisch. Entweder direkt im Fall von genmanipulierten
Tomaten oder Öl aus genmanipuliertem Raps. Oder indirekt als Fleisch
von Tieren, die mit genmanipulierten Sojabohnen gefüttert wurden.
Und auch weniger offensichtliche Wege führen vom Acker auf das
Frühstücksbrot: Englische Wissenschafter haben in Versuchen nachgewiesen,
dass genmanipuliertes Eiweiß aus dem Pollen von Gentech-
Pflanzen mehrere Wochen in Bienen-Honig stabil erhalten bleiben
kann. 56
Gentechnisch manipulierte
Lebewesen auf dem Weg in
die Küche
Mit Fütterungsversuchen an Mäusen haben deutsche Wissenschafter
nachgewiesen, dass fremde Erbsubstanz (DNS) nicht im Magen zerstört,
sondern über den Darm in den Körper aufgenommen werden
kann. Sie haben Viren-DNS an Mäuse verfüttert und jene in der Folge
in Blutzellen, der Milz und der Leber gefunden. Nach der Verfütterung
Über den Darm kann fremde
Erbsubstanz in den Körper
aufgenommen werden
50 Tapesser B. (1997): The differenes between conventional Bacillus thuringiensis strains and transgenic insect resistant plants. Possible reasons for rapid resistance
Development and susceptibility of non-target organisms. Prepared for the third meeting of the open-ended Working Group on Biosafety, Okt 13-17,
1997, Montreal. Gutachten des Ökologie-Instituts Freiburg, 5 Seiten.
51 Villinger M. (1999): Effekte transgener insektenresistenter Bt-Kulturpflanzen auf Nicht-Zielorganismen am Beispiel der Schmetterlinge. Studie, herausgegeben
vom WWF Schweiz, Zürich, 51 Seiten.
52 Y.-B. Liu, B. E. Tabashnik, T. J. Dennehy, A. L. Patin, A. C. Bartlett (1999): Development time and resistance to Bt crops. Nature 400:519.
53 F. Huang, L. L. Buschman, R. A. Higgins, W. H. McGaughey (1999): Inheritance of Resistance to Bacillus thuringiensis Toxin (Dipel ES) in the European Corn
Borer. Science 284:965-967.
54 F. Gould, A. Anderson, A. Jones, D. Sumerford, D. G. Heckel, J. Lopez, S. Micinski, R. Leonard und M. Laster (1997): Initial frequencies of alleles for resistance
to Bacillus thuringiensis toxins in field populations of Heliothis virescens. Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA 94:3519-3523.
55 B. E. Tabashnik, Y.-B. Liu, N. Finson, L. Masson und D. Heckel (1997): One gene in diamondback moth confers resistance to four Bacillus thuringiensis toxins.
Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA 94:1640-1644.
56 C. Eady, D. Twell und K. Lindsey (1994): Pollen viability and transgene expression following storage in honey. Transgenic Research 4:226-231.
21
Report
an trächtige Mäuse wurde die Fremd-DNS auch in Föten und
Neugeborenen gefunden. Auf diese Weise kann über Lebensmittel
gentechnisch manipulierte DNS aufgenommen werden – die Folgen
sind unbekannt.
57, 58
Genmanipulation birgt die
Gefahr ansteigender
Lebensmittel-Allergien in sich
Gene werden von Lebewesen in Proteine (Eiweiß) übersetzt. Und
Lebensmittel-Allergien beruhen auf einer Überempfindlichkeit
gegenüber Proteinen. Es besteht die Gefahr, dass mit der Anzahl neuer
Proteine in Lebensmitteln auch die Häufigkeit von Nahrungsmittel-
Allergien ansteigt. Wissenschafter aus den USA lieferten neuen
Diskussionsstoff, als sie ihre diesbezüglichen Analysen mit genmanipulierten
Soja-Bohnen veröffentlichten. Um den Nährstoffgehalt der
Sojabohnen zu erhöhen, wurden den Pflanzen Gene der brasilianischen
Paranuss eingebaut. Es hat sich gezeigt, dass Menschen, die auf
die Paranuß allergisch reagieren, auch auf Gentech-Soja allergisch sind.
Dies konnte nur festgestellt werden, da die Paranuss bereits als
Allergieauslöser bekannt war. Einen eindeutigen Test für neue
Allergene gibt es nämlich nicht. Die Gentechnik könnte somit unkontrollierbar
allergieauslösende Lebensmittel auf den Markt bringen –
ein groß angelegter Versuch am Konsumenten.
59, 60, 61
Antibiotika-Resistenz als Marker-Gene
Einige der derzeit für den Markt zugelassenen Gentech-Pflanzen enthalten
Gene, die ihnen Resistenz gegen Antibiotika verleihen. Der Bt-
Mais der Firma Novartis kann beispielsweise die Wirkung des
Antibiotika Ampicillin und einiger Penicilline inaktivieren. Die Gene
dienen nur als sogenannte „Marker-Gene“, sind also ein „Werkzeug“
der Gentechnik. Sie haben in der Pflanze letztendlich keine Funktion
mehr und wären durch andere Methoden ersetzbar.
57 W. Doerfler und R. Schubbert (1998): Uptake of foreign DNA from the environment: The gastrointestinal tract and the placenta as portals of entry. Wiener
Klinische Wochenschrift, The Middle European Journal of Medicine 110(2):40-44.
58 R. Schubbert, D. Renz, B. Schmitz und W. Doerfler (1997): Foreign (M13) DNA ingested by mice reaches peripheral leukocytes, spleen, and liver via the
intestinal wall mucosa and can be covalently linked to mouse DNA. Proceedings of the National Academy of Sciences of the USA 94:961-966.
59 Nestle M. (1996): Allergies to Transgenic Foods. Questions of Policy. The New England Journal of Medicine 334(11):726-728.
60 J. A. Nordlee, S. L. Taylor, J. A. Townsend, L. A. Thomas und R. K. Bush (1996): Identification of a Brazil-Nut Allergen in Transgenic Soyabeans. The New
England Journal of Medicine 334(11):688-682.
61 B. Weber (1998): Gesundheitliche Risiken gentechnisch veränderter Lebensmittel, insbesondere Allergierisiken transgener Pflanzen. Soziale Medizin Nr.
3:38-14
22
Risiko Gentechnik
1928 entdeckte Arthur Fleming das Antibiotikum Penicillin. Seither
haben sich Antibiotika als wichtige und teilweise einzige Medikamente
gegen Krankheiten wie Hirnhautentzündung, Tuberkulose und Lungenentzündung
bewährt. Seit geraumer Zeit wird jedoch ein Ansteigen
resistenter Krankheitserreger verzeichnet. Dies kommt einem medizinischen
Albtraum gleich: Wie vor der Entdeckung von Penicillin könnten
dadurch kleine Verletzungen zu schweren Krankheiten führen. 62
Antibiotika-Marker-Gene verstärken
die Bildung antibiotikaresistenter
Krankheitserreger
Die breite Anwendung von Gentech-Pflanzen mit Antibiotikaresistenz-
Genen könnte die Bildung antibiotikaresistenter Krankheitserreger
wesentlich verstärken. Bakterien können im Darm von Tieren (zum
Beispiel von Gentech-Futtermittel) oder Menschen (etwa von Gentech-Tomaten)
Antibiotika-Resistenzgene aufnehmen und dadurch
selbst resistent werden. Dies ist ein Problem der Human- und Tiermedizin
gleichermaßen.
63, 64
Prof. P. Courvalin beschäftigt sich am „Nationalen Zentrum für Widerstandsmechanismen
gegen Antibiotika“ des Pasteur-Instituts in Paris
mit Fragen der Antibiotika-Resistenz. Courvalin ist der Meinung, dass
gentechnisch veränderte Organismen das Problem der Antibiotika-
Resistenz verstärken können. Er stellt die rhetorische Frage: „Ist es
angebracht, in den transgenen Pflanzen Gene verbleiben zu lassen, die
für sie nutzlos sind und zur Resistenz beitragen gegen größere Antibiotikaklassen?
Ist all dies angebracht, wo doch seit über zwanzig Jahren
keine einzige neue Antibiotikaklasse in der klinischen Medizin eingeführt
wurde?“ 65
Am „Rowett Research Institute“ im schottischen Aberdeen wird seit
Jahren an gentechnisch manipulierten Kartoffeln geforscht. Ziel ist es,
Kartoffel-Pflanzen so zu manipulieren, dass sie ein Gift gegen
Schädlinge produzieren, vom Menschen aber gefahrlos gegessen werden
können. Dazu wurden den Pflanzen Gene des Schneeglöckchen
eingebaut. In der Folge produzieren die Pflanzen ein Eiweiß aus der
Gruppe der Lektine, das für Insekten giftig ist.
Der „Fall Pusztai“ – Vom
Umgang mit Gentechnikkritischen
Forschungsergebnissen
62 S. B. Levy (1998): The Challenge of Antibiotic Resistance. Scientific American March:32-39.
63 C. Eckelkamp, M. Jäger und B. Weber (1997): Antibiotikaresistenzgene in transgenen Pflanzen, insbesondere Ampicillin-Resistenz in Bt-Mais. Studie des
Ökologie-Institut Freiburg im Auftrag von Greenpeace, Freiburg.
64 A. Baier und B. Tappeser (1999): Therapeutische Relevanz von Antibiotika in Zusammenhang mit der Nutzung von Antibiotikaresistenzgenen in transgenen
Pflanzen. Kurzgutachten des Ökologie-Instituts Freiburg im Auftrag des Bundesgesundheitsministeriums, Freiburg. Publiziert im Internet unter:
http://www.oeko.de/deutsch/gentech/gentech.htm
65 P. Courvalin (1998): Plantes transgéniques et antibiotiques. La Recherche 309:36-40.
23
Report
Dr. Pusztai, ein erfahrener und international anerkannter Lektin-
Experte des Instituts, sollte in Versuchen die gesundheitlichen Auswirkungen
der genmanipulierten Kartoffeln testen. Dazu wurden über
10 Tage Mäuse mit folgenden drei Nahrungstypen gefüttert: Erstens
mit natürlichen Kartoffeln, zweitens mit genmanipulierten Lektin-
Kartoffeln und drittens mit natürlichen Kartoffeln vermischt mit Lektin,
das separat hergestellt wurde.
Der „Fall Pusztai“ begann damit,
dass Kartoffeln ein Gen
des Schneeglöckchens eingebaut
wurde ...
Pusztai stellte bei einigen Versuchstieren Veränderungen fest: Es
waren dies ein verringertes Gewicht verschiedener Organe sowie
Veränderungen im Immunsystem. Diese Effekte traten nur bei jenen
Tieren auf, die mit Lektin-Kartoffeln gefüttert wurden. Sowohl die
Versuchstiere, die natürliche Kartoffeln, als auch jene, die natürliche
Kartoffeln gemischt mit Lektin fraßen, zeigten keine derartigen
Veränderungen. Pusztai schloß daraus, dass diese Effekte nicht auf das
Lektin an sich zurückzuführen sind, sondern mit dem gentechnischen
Verfahren in Zusammenhang stehen. Seiner Meinung nach sind die
gängigen Verfahren zur Prüfung gentechnisch manipulierter
Lebensmittel nicht ausreichend, um solche Risiken zu erkennen. 66
Die Präsentation seiner Zwischenergebnisse im August 1998 schlug ein
wie eine Bombe. Pusztai wurde binnen zweier Tage vom Dienst suspendiert,
weil er angeblich irreführende Schlüsse aus seinen
Ergebnissen gezogen hat. Nach langem hin und her wurden die Daten
Ende 1999 in der Zeitschrift „The Lancet“ doch noch publiziert. 67 Der
Streit um die Bedeutung der Resultate hält bis heute unvermindert an.
Die Risikobeurteilung für
Gentech-Lebensmittel ist
unzureichend
Zwei Erkenntnisse lassen sich aus dem „Fall Pusztai“ aber mit
Sicherheit ableiten: Erstens scheinen die Ergebnisse von großer
Bedeutung zu sein, denn sonst wäre der Druck auf Pusztai und das
Rowett Research Institute nicht so groß. Immerhin wurde die wissenschaftliche
Reputation von Dr. Pusztai nach 35 Jahren Arbeit binnen
zweier Tage ruiniert. Dr. Hoppichler von der Bundesanstalt für
Bergbauernfragen in Wien hat sich gemeinsam mit Kollegen aus aller
Welt hinter Pusztai gestellt und ein entsprechendes Memorandum
unterzeichnet. „Für mich ist es nicht akzeptabel, dass ein angesehenes
66 Bundesverband Verbraucher Initiative (1999): Streitfall Lektin-Kartoffeln. Sicherheitsüberprüfung in der Diskussion. Dossier zum Fall Pusztai publiziert im
Internet unter http://www.transgen.de
67 S. W. B. Ewen und A. Pusztai (1999): Effects of diets containing genetically modified potatoes expressing Galanthus nivalis lectin on rat small intenstine. The
Lancet 354:1353-1354.
24
Risiko Gentechnik
Mitglied der wissenschaftlichen Gemeinschaft suspendiert wird, weil
seine Forschungsergebnisse nicht zum ökonomischen Mainstream und
den Interessen der EU-Politik passen“, so Hoppichler über seine Beweggründe.
68
Zweitens sind die Ergebnisse von großer Bedeutung für die Risikoabschätzung
gentechnisch manipulierter Lebensmittel. Denn in der
staatlichen Risikobeurteilung steht die Frage im Vordergrund, ob sich
das Gentech-Produkt substanziell vom natürlichen Produkt unterscheidet.
Was „substanziell unterschiedlich“ bzw. „substanziell gleich“
bedeutet ist nicht klar definiert. Selbstverständlich sind genmanipulierte
Pflanzen anders beschaffen als natürliche. Die Gentech-
Sojapflanze der Firma Monsanto wäre sonst wohl kaum herbizidresistent
und als neuartiges Lebewesen patentierbar. Dennoch wurde im
Zulassungsverfahren entschieden, dass sich die Gentech-Sojabohne
substanziell nicht von der natürlichen Soja-Bohne unterscheidet. Und
zwar weil für die einzelnen Veränderungen isoliert betrachtet keine
negativen Auswirkungen erwartet wurden. Pusztai hat in seinem Versuch
gezeigt, dass genau dieser Ansatz falsch ist. Er ist in seinem
Versuch davon ausgegangen, dass die verschiedenen Nahrungstypen
„substanziell gleich“ sind. Doch obwohl das Lektin alleine keinen
Effekt hervorgerufen hat, wirkte sich das Lektin-Gen in der transgenen
Kartoffel negativ aus. Aus diesem Grund ist der Ansatz der „Substanziellen
Äquivalenz“ für die Risikobeurteilung von Gentech-Lebensmittel
völlig unzureichend. 69, 70 25
68 J. Hoppichler (1998): What we may learn from the genetically engineered lectin-potato and the suspension of Dr. Pusztai. Kommentar vom 10. September
1998, publiziert im Internet unter: http://plab.ku.dk/tcbh/hoppichlercommentpusztai.html.
69 B. Tappeser (1999): Human and animal health impacts of transgenic crops. The results of feeding experiments with transgenic potatoes. Consequences for
the Biosafety Protocol. To the participants of the Sixth Open-ended Ad Hoc Working Group on Biosafety negotiating the final wording of an internationally
binding Biosafety Protocol under the Convention on Biological Diversity taking place in Cartagena, Colombia, 15.-19.2.1999. Stellungnahme des Ökologie-
Institut Freiburg.
70 Millstone E., E. Brunner und S. Mayer (1999): Beyond `substantial equivalence. Showing that a genetically modified food is chemically similar to its natural
counterpart is not adequate evidence that it is safe for human consumption. Nature 401:525-526.
Report
3. Zusammenfassende A n a l y s e
Gentechnik in Landwirtschaft
und Lebensmittelproduktion
birgt eine Vielzahl von
Risiken in sich
Der vorliegende Report zeigt anhand von Fallbeispielen aus Wissenschaft
und Forschung, dass der Einsatz von Gentechnik in Landwirtschaft
und Lebensmittelproduktion mit einer Reihe von Gefahren
verbunden ist:
• Genmanipulierte Organismen zeigen in der freien Natur häufig völlig
unerwartete Eigenschaften
• Gentech-Mikroorganismen können Bodenökosysteme massiv stören
• Durch „Horizontalen Gentransfer“ können manipulierte Gene in der
freien Natur unkontrolliert verbreitet werden
• Herbizidresistente Gentech-Pflanzen ermöglichen den Einsatz
allesvernichtender Totalherbizide. Das gefährdet bestimmte Pflanzenarten
sowie von den Pflanzen abhängige Tiere (z. B. Insekten,
Vögel, etc.) in ihrem Bestand. Weiters wird dadurch die Bildung
resistenter Superunkräuter gefördert.
• Insektengift-produzierende Gentech-Pflanzen können auch Nicht-
Ziel-Organismen und Nützlinge schädigen
• Durch Auskreuzung können Gene und damit Eigenschaften von
Gentech-Kulturpflanzen auf nah verwandte Wildarten übertragen
w e r d e n
• Genmanipulation an Tieren verursacht Krankheit und Leid
• Die Freisetzung genmanipulierter Tiere (wie Fische) stellt für die
natürlichen Lebensgemeinschaften eine Bedrohung dar
• Die Nutzung der Gentechnik in der Landwirtschaft gefährdet über
verschiedene Wechselwirkungen den ökologischen Landbau
• Genmanipulierte Lebensmittel stellen eine neue Form der Nahrung
dar, die mit unabsehbaren Risiken – etwa neuen Allergien – verbunden
ist.
Atomtechnologie, synthetische
Chemie und Gentechnik
sind „harte“ Technologien
Gentechnik ist nicht per se gut oder schlecht. Zweifelsohne handelt es
sich aber um eine harte Technologie. Eine sanfte Technologie ist fehlertolerant,
wieder rückgängig machbar, dezentral, öffentlich zugängig,
lokal orientiert und lokal kontrollierbar. Gentechnik ist eine harte
Technologie: Kleine Fehler können zu Katastrophen führen, die
Wirkung ist unabsehbar und nicht wieder rückgängig zu machen, und
sie ist von den großen Gentech-Konzernen in fester Hand.
26
Risiko Gentechnik
Mit dem Eingriff in das Erbgut werden Lebewesen geschaffen, die in
der Natur keinen angestammten Platz haben. Im Laufe der Evolution
entstehen Arten innerhalb extrem langer Zeiträume und immer in
Interaktion mit der Umwelt. Die Gentechnik umgeht diese Mechanismen
und schafft von heute auf morgen völlig neuartige Lebewesen.
Ähnlich schwerwiegende Eingriffe in die Natur stellen die synthetische
Chemie und die Atomtechnologie dar. Und die negativen Folgen dieser
Technologien sind mittlerweile leider hinlänglich bekannt.
Das Zahlenspiel mit der Wahrscheinlichkeitsrechnung kann nicht beruhigen.
Denn auch wenn manche potentiellen Gefahren gentechnisch
veränderter Organismen nur mit geringer Wahrscheinlichkeit eintreffen:
Durch die wachsende Anzahl zugelassener Gentech-Lebewesen
und deren vermehrter Einsatz ist es nur mehr eine Frage der Zeit, bis
der „größte anzunehmende Unfall“ (GAU) eintritt.
Der gentechnische „GAU“ ist
nur eine Frage der Zeit ...
Politik und Industrie versprechen daher, dass genmanipulierte
Lebewesen nur dann erlaubt werden, wenn sie „für Mensch und Natur
ungefährlich“ sind. Doch wie wird das beurteilt? Die Ökosysteme sind
bis heute nur wenig verstanden. Wie Boden, Wiesen oder Wälder
„funktionieren“ ist großteils unbekannt. Ähnliches gilt für die menschliche
Gesundheit – etwa das Immun- oder Hormonsystem. Daher ist es
praktisch unmöglich die Gefahr abzuschätzen, die von genmanipulierten
Lebewesen für Mensch und Natur ausgehen. Und wer bestätigt die
Sicherheit? Die überforderten Beamten in Brüssel und die nationalen
Ministerien können das nicht leisten. Es sind die Antragsteller selbst,
die die Studien durchführen bzw. in Auftrag geben!
Die Auswirkungen der
Gentechnik auf die Natur
können nur grob untersucht
werden
27
Report
Eine Analyse der Untersuchungen zu den Auswirkungen von Insektengift-produzierenden
Pflanzen auf Nützlinge hat gezeigt, dass die Untersuchungen
teilweise nicht einmal vom methodischen Ansatz her geeignet
sind, die bekannten Gefahren zu untersuchen. 71 Wie sonst ist es erklärbar,
dass Österreich ein Importverbot für den genmanipulierten Bt-
Mais mit Antibiotikaresistenz-Genen verhängt hat? Dies obwohl der
Mais zuvor im Rahmen der Risikobeurteilungsverfahren nach europäischem
Recht geprüft, für sicher befunden und daher zugelassen
wurde. 72
Die Lösung im Umgang mit
der Gentechnik liegt im
Vorsorgeprinzip
Die Naturwissenschaften sind weder heute, noch werden sie in Zukunft
im Stande sein, mit Sicherheit ein Gentech-Produkt als „sicher“ oder
„gefährlich“ zu beurteilen. Es ist Aufgabe der Politik mit dieser Unsicherheit
umzugehen. Das kann aber nicht bedeuten, dass man etwas
als ungefährlich erklärt, wenn die Gefahr wissenschaftlich noch nicht
bekannt, nachweisbar oder abschätzbar ist. Denn so wird Unwissenheit
zum Garant für Sicherheit erklärt. Die Lösung liegt im Vorsorgeprinzip,
das im Zweifelsfall für die Natur spricht. Eher unterlassen als riskieren,
besser zuwarten als blind lospreschen lautet die Devise.
Bauern brauchen keine
Gentechnik und die
Konsumenten wollen sie nicht
Für Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion ist
das Vorsorgeprinzip besonders leicht zu realisieren. Denn es ist nicht
nur sicher, dass die Gentechnik in diesem Bereich ein Risiko in sich
birgt. Es ist auch sicher, dass die Bauern die Gentechnik nicht brauchen
und die Konsumenten keine Gentech-Lebensmittel wollen. Das
hat das Gentechnik-Volksbegehren in Österreich eindeutig gezeigt.
Warum dennoch versucht wird, die Bevölkerung mittels Zwangsernährung
von Gentech-Lebenmittel zu überzeugen, bleibt unverständlich.
Es muss wohl am Einfluss der wenigen großen Chemie-,
Agrar- und Lebensmittelkonzerne liegen, denn sie sind es, die vorrangig
davon profitieren.
Für die Bauern bedeutet Gentechnik, ein Stück Freiheit aufzugeben.
Sie werden zu Leibeigenen der Gentech-Multis. Ihnen wird in Knebelverträgen
genauestens vorgeschrieben, was sie dürfen und was sie vor
allem nicht dürfen. Zu letzterem gehört zum Beispiel die Saatgut-
71 A. Hilbeck, M. S. Meier und A. Raps (2000): Review on Nont-Target Organisms and Bt-Plants. Studie der Ecostrat GmbH. (Ecological Technology Asessment
& Environmental Consulting) im Auftrag von Greenpeace. Amsterdam, 80 Seiten.
72 Bundesministerium für Gensundheit und Konsumentenschutz (1997): Gründe für die österreichische Entscheidung, den Gebrauch und Verkauf von gentechnisch
veränderten Maislinien, notifiziert von CIBA-GEIGY in Übereinstimmung mit der Richtlinie 90/220/EWG und zugelassen von Frankreich am 5. 2.
1997 zu verbieten. Skriptum, Wien, 9 Seiten.
28
Risiko Gentechnik
gewinnung aus der Ernte. Sie müssen jedes Jahr das Saatgut und die
zugehörigen Chemikalien neu kaufen, ansonsten drohen deftige
Strafen. Die Entwicklung des Terminatorgens geht ebenfalls in diese
Richtung. Durch diese Genmanipulation wird erreicht, dass die Samen
genmanipulierter Pflanzen nicht mehr keimfähig sind.
Um Gentechnik dennoch zu rechtfertigen, werden letztendlich immer
wieder die Argumente „Arbeitsplätze“ und „Ernährung der Entwicklungsländer“
angeführt. Aber Arbeitsplätze bieten auch die alternativen,
umweltfreundlichen Technologie-Sparten. Und zwar im
Gegensatz zur Gentechnik nicht risikobehaftet und dafür nachhaltig.
Eine Studie des Europäischen Zentrums für Wirtschaftsforschung und
Strategieberatung „prognos“ stellte fest, dass die Umstellung auf ökologische
Landwirtschaft in Summe positive Effekte auf die Beschäftigungsbilanz
hätte. 73
Die Scheinargumente von
„Arbeitsplätzen“ und „Ernährung
der Entwicklungsländer“
greifen nicht
Und die Hungersnöte in den Entwicklungsländern kann Gentechnik
leider nicht lösen. Denn es handelt sich dabei vor allem um ein Verteilungs-
und nicht ein Produktionsproblem.
Nach jahrelangem Ignorieren sind Politik und Industrie mittlerweile
zumindest in der EU gezwungen, die ablehnende Haltung der Bevölkerung
gegen Gentechnik in der Landwirtschaft ernst zu nehmen.
Händler listen Gentech-Nahrung aus, mehrere Länder verbieten einzelne
Gentech-Pflanzen und die Kennzeichnungs-Pflicht für Gentech-
Lebensmittel soll verschärft werden. Die kritische Haltung ist auch
schon von Europa auf die USA und Asien übergeschwappt. Selbst das
„Wall Street Journal“ riet 1999 von Investitionen in den Gentech-Sektor
ab. Doch der Kampf ist noch lange nicht gewonnen. Für die Gentech-
Multis bedeutet dies alles nur, dass sie mit noch mehr Druck ihre
Produkte am Markt durchsetzen müssen.
73 Scheelhasse J. und K. Haker (1999): Mehr Arbeitsplätze durch ökologisches Wirtschaften? – Eine Untersuchung für Deutschland, die Schweiz und Österreich.
Studie des Europäischen Zentrums für Wirtschaftsforschung und Strategieberatung „Prognos“ im Auftrag von Greenpeace, Köln, 294 Seiten.
29
Report
Greenpeace setzt sich weltweit
für Gentechnik-freie
Landwirtschaft und
Lebensmittel ein
Gemeinsam mit lokal ansässigen Bauern protestiert Greenpeace gegen illegalen
Anbau von Gentech-Raps
Greenpeace kämpft daher weltweit für ...
• Eine Gentechnik-freie Landwirtschaft
• Die Förderung der Biologischen Landwirtschaft
• Die Anwendung des Vorsorgeprinzips im Umgang mit der Gentechnik
• Gentechnik-freie Zonen (z. B. Österreich, Schweiz, Toskana etc.)
• Keine Zwangsernährung mit Gentech-Lebensmittel. Nicht die Gentech-Konzerne,
sondern die Kunden sollten entscheiden, was auf
den Tisch kommt.
30
Risiko Gentechnik
4. A c t ! - Ti p s
Ob sich der Einsatz der Gentechnik in Landwirtschaft und Lebensmittelproduktion durchsetzen wird,
hängt wesentlich davon ab, ob die Konsumenten diese Produkte kaufen. Hier finden Sie drei A c t !-
Tips, wie Sie sich vor Gentech-Lebensmitteln schützen können.
Kaufen Sie Gentechnik-freie Lebensmittel
• Kaufen Sie Lebensmittel aus biologischer Landwirtschaft. Denn biologische Lebensmittel müssen
auch Gentechnik-frei sein! Darüberhinaus vermeiden sie mit Bio-Lebensmitteln eine Reihe
weiterer Umweltprobleme, da im biologischen Landbau weder chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel
(Pestizide), noch Kunst-Dünger eingesetzt werden. Die Tierhaltung muss artgerecht
erfolgen, und es ist nur eine eingeschränkte Anzahl von Zusatzstoffen zulässig. Da die Begriffe
rechtlich geschützt sind, muss überall „bio“ drinnen sein, wo „aus biologischem Anbau“, „aus biologischem
Landbau“ oder „aus biologischer Landwirtschaft“ auf der Verpackung steht. Statt „biologisch“
können auch die Worte „organisch-biologisch“, „biologisch-dynamisch“ oder „ökologisch“
verwendet werden.
• Auch auf die Aufschrift „Gentechnik-frei erzeugt“ können sie sich verlassen. Denn
dieser Begriff ist im Österreichischen Lebensmittelcodex klar definiert und darf nur
in diesem Sinne verwendet werden. Am weitesten verbreitet ist das Gütesiegel der
„ARGE für Gentechnik-frei erzeugte Lebensmittel“ (siehe Abbildung), das kontrolliert
Gentechnik-freie Qualität garantiert. Weitere Informationen finden Sie im
Internet unter www.gentechnikfrei.at.
• Kaufen Sie keinesfalls Produkte mit der Aufschrift „hergestellt aus genetisch verändertem ...“.
Dabei ist allerdings zu berücksichtigen, dass Produkte mit gentechnisch veränderten Bestandteilen
nach EU-Recht nur dann gekennzeichnet werden müssen, wenn die Veränderung im
Endprodukt nachweisbar ist. Dies ist häufig nicht der Fall! Vorsicht ist daher insbesonders bei Ölen
und Fetten aus Soja, Raps oder Mais angebracht, die nicht als „Biologisch“ oder „Gentechnik-frei“
gekennzeichnet sind. Da in der österreichischen und schweizer Landwirtschaft bis heute keine
genmanipulierten Pflanzen angebaut werden dürfen, kann man bei Produkten aus ausschließlich
inländischem Anbau davon ausgehen, dass Sie Gentechnik-frei sind.
31
Report
Werden Sie Gen-Detektiv
Fast alle Supermarktketten Österreichs haben versprochen, keine Gentech-Produkte zu verkaufen.
Um dies zu kontrollieren hat Greenpeace die „Gendetektive“ ins Leben gerufen. Diese melden an
Greenpeace, wenn sie genmanipulierte Produkte beim Einkaufen entdecken. Greenpeace verschickt
daraufhin an alle Detektive eine Warnung und fordert den Produzenten bzw. Händler auf, das Produkt
aus dem Programm zu nehmen. Auch Sie können Gendetektiv werden! Nähere Informationen dazu
finden Sie auf der Greenpeace-Homepage unter www.greenpeace.at/gen-detektive
Unterstützen Sie die Arbeit von Greenpeace
Greenpeace setzt sich weltweit gegen die Risiken der Gentechnik und für eine nachhaltige und
gesunde Lebensmittelproduktion ein. Sie können diese Arbeit als Förderer unterstützen. Nähere
Informationen erhalten Sie bei:
Greenpeace Österreich
Siebenbrunneng. 44
A-1050 Wien
Tel: 0043/1/5454580
Fax: 0043/1/5454588
Email: office@greenpeace.at
Homepage: www.greenpeace.at
Greenpeace Schweiz
Postfach
Heinrichtstr. 147
CH-8031 Zürich
Tel: 0041/1/447 41 41
Fax: 0041/1/447 41 99
E-mail: gp@greenpeace.ch
internet: www.greenpeace.ch
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