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Hereditäre Tubulopathien mit Diuretika-ähnlichem Salzverlust

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M E D I Z I N<br />

AKTUELL<br />

Kanäle – vermutlich vom ROMK-<br />

Typ (23) – sezerniert. Der für den<br />

Na + -Einstrom erforderliche Konzentrationsgradient<br />

wird wiederum<br />

durch die basolaterale Na + -K + -ATPase<br />

aufrechterhalten. Der gesamte<br />

Transportmechanismus wird durch<br />

Aldosteron stimuliert. Das Mineralokortikoid<br />

bindet an einen zytosolischen<br />

Rezeptor und erhöht über eine<br />

Steigerung der Proteinsynthese die<br />

Anzahl luminaler Na + -Kanäle und<br />

basolateraler Na + -K + -Pumpen (25).<br />

Grafik 4<br />

Proximaler<br />

Tubulus<br />

Henlesche<br />

Schleife<br />

Distaler<br />

Tubulus<br />

Sammelrohr<br />

Bei Patienten <strong>mit</strong> autosomal rezessiver<br />

ASLT wurden Mutationen<br />

verschiedener Untereinheiten des<br />

Amilorid-sensitiven Na + -Kanals ENaC<br />

als primäre Ursache für die Erkrankung<br />

nachgewiesen (-Untereinheit<br />

auf den Chromosomen 12p13.1-pter; -<br />

und -Untereinheit auf Chromosom<br />

16p12.2-13.11) (10, 58). Da der epitheliale<br />

Na + -Kanal auch in anderen Aldosteron-sensitiven<br />

Organen exprimiert<br />

wird, können neben der renalen Symptomatik<br />

auch der Respirationstrakt,<br />

die Kolonmukosa und die Schweißdrüsen<br />

betroffen sein (21, 26, 40). In diesen<br />

Fällen gleicht das klinische Bild dem einer<br />

Mukoviszidose (22). Die autosomal<br />

dominante Form der ASLT verläuft<br />

weniger dramatisch. Die renalen<br />

Salz- und Flüssigkeitsverluste nehmen<br />

<strong>mit</strong> zunehmendem Alter ab, extrarenale<br />

Symptome fehlen häufig<br />

(21). Als primäre Ursache wird ein<br />

Defekt des Aldosteron-Rezeptors<br />

diskutiert, allerdings steht der molekulargenetische<br />

Nachweis für diese<br />

Hypothese noch aus (31).<br />

Therapeutisch steht zunächst eine<br />

adäquate Natrium- und Flüssigkeitssubstitution<br />

im Vordergrund (1,<br />

40, 41). Hierdurch kann oft auch eine<br />

Lumen<br />

(apikal)<br />

Na +<br />

Amilorid<br />

R<br />

ALDO<br />

Proteinsynthese<br />

Interstitium<br />

(basolateral)<br />

K + 3Na + ATP<br />

2K +<br />

Mechanismus der Amilorid-sensitiven Na + -Reabsorption im Sammelrohr: Auch im Sammelrohr generiert die<br />

basolaterale Na + -K + -ATPase einen zelleinwärts gerichteten elektrochemischen Gradienten für Na + . Entlang<br />

dieses Gradienten wird Na + durch Amilorid-sensitive Na + -Kanäle (ENaC) aus dem Lumen resorbiert. Im Gegenzug<br />

wird K + durch selektive apikale K + -Kanäle in das Lumen sezerniert. Na + -Reabsorption und K + -Sekretion<br />

werden durch Aldosteron (ALDO) stimuliert. Dabei erhöht Aldosteron nach Bindung an den zytosolischen<br />

Mineralokortikoidrezeptor (R) die Zahl der apikalen Na + -Kanäle und basolateralen Na + -K + -Pumpen. Als Ursache<br />

für eine ASLT wurden bisher Mutationen des Amilorid-sensitiven Na + -Kanals (ENaC) identifiziert.<br />

ALDO<br />

Steigerung der renalen Kalium-<br />

Exkretion erreicht werden. Treten<br />

trotzdem bedrohliche Hyperkaliämien<br />

auf, ist die rektale oder orale Gabe<br />

von Ionenaustauschern (Natriumsalze!)<br />

indiziert. Ein weiterer Ansatzpunkt<br />

in der Behandlung ist die Supression<br />

der sekundär gesteigerten<br />

PGE 2<br />

-Freisetzung (8, 41). PGE 2<br />

hemmt den Chloridtransport in der<br />

Henleschen Schleife und so<strong>mit</strong> auch<br />

die Kalziumresorption in diesem Tubulussegment<br />

(Grafik 1). Daraus resultieren<br />

bei der ASLT zusätzliche<br />

<strong>Salzverlust</strong>e und in einigen Fällen eine<br />

Nephrokalzinose, die <strong>mit</strong> Indometacin<br />

erfolgreich behandelt werden<br />

kann (50).<br />

Die Prognose der ASLT hängt<br />

wesentlich von einer Prävention neonataler<br />

Dehydratationszustände und<br />

Elektrolytentgleisungen sowie vom<br />

Ausmaß der Beteiligung weiterer Organsysteme<br />

ab.<br />

Resümee<br />

Neue molekulargenetische Erkenntnisse<br />

und pharmakologische<br />

Untersuchungen haben im Laufe der<br />

letzten zwei Jahre wesentlich zur Aufklärung<br />

der Pathogenese hereditärer<br />

<strong>Salzverlust</strong>-<strong>Tubulopathien</strong> beigetragen.<br />

Allerdings lag bisher keine einheitliche<br />

Nomenklatur für diese Erkrankungen<br />

vor. Die von uns hier vorgeschlagene<br />

Einteilung in Furosemid-<br />

Typ, Thiazid-Typ und Amilorid-Typ<br />

erfolgte in Anlehnung an die allgemein<br />

bekannten Effekte dieser <strong>Diuretika</strong><br />

auf den tubulären Ionentransport.<br />

Da<strong>mit</strong> beinhaltet diese neue<br />

Klassifikation erstmals auch die pathophysiologischen<br />

Aspekte der entsprechenden<br />

<strong>Tubulopathien</strong>.<br />

Unter Berücksichtigung der in<br />

dieser Übersicht dargestellten molekularbiologischen<br />

Defekte, pathophysiologischen<br />

Mechanismen und<br />

klinischen Merkmale ist eine weitere<br />

Optimierung des klinischen Managements<br />

der <strong>Salzverlust</strong>-<strong>Tubulopathien</strong><br />

anzustreben. Eine entscheidende Voraussetzung<br />

hierfür ist – insbesondere<br />

bei pränataler Manifestation (FSLT<br />

und ASLT) – die gute Kooperation<br />

verschiedener Fachrichtungen. Aus<br />

diesem Grund sollte die Betreuung<br />

der Patienten nach Möglichkeit in<br />

Absprache <strong>mit</strong> einem spezialisierten<br />

Zentrum erfolgen.<br />

Zitierweise dieses Beitrags:<br />

Dt Ärztebl 1998; 95: A-1841–1846<br />

[Heft 30]<br />

Die Zahlen in Klammern beziehen sich auf<br />

das Literaturverzeichnis, das über den Sonderdruck<br />

beim Verfasser und über die Internetseiten<br />

(unter http: /www.aerzteblatt.de)<br />

erhältlich ist.<br />

Anschrift für die Verfasser<br />

Dr. med. Arnold Köckerling<br />

Universitäts-Kinderklinik<br />

Deutschhausstraße 12<br />

35033 Marburg<br />

A-1846<br />

(38) Deutsches Ärzteblatt 95, Heft 30, 24. Juli 1998

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