Die Landfrage entscheidet über den Hunger - Swissaid
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PortrÄt<br />
3<br />
Was treibt Pratyush Ranjan Singh an, sich<br />
fern von Familie und Freun<strong>den</strong> für die<br />
Ärmsten der Armen einzusetzen? Der junge<br />
Projektverantwortliche aus Indien plaudert<br />
aus dem Nähkästchen.<br />
Schauplatz auf einem ostindischen Markt,<br />
irgendwann Ende der 80er-Jahre: Pratyush<br />
Ranjan Singh reibt sich die Augen. Der<br />
kleine Junge versteht die Welt nicht. Wie kann<br />
es sein, dass ausgerechnet die Bauern, <strong>den</strong>en<br />
doch Gemüse, Früchte und Getreide förmlich<br />
in <strong>den</strong> Mund wachsen müssten und ohne deren<br />
Arbeit Marktstände, Vorratskammern und<br />
Töpfe leer blieben, die ärmsten Leute in <strong>den</strong><br />
Dörfern sind? <strong>Die</strong>se Frage sollte <strong>den</strong> aufgeweckten<br />
Jungen nicht mehr loslassen.<br />
Heute, rund 25 Jahre später, hat sich die<br />
Situation für die indische Landbevölkerung<br />
kaum verbessert. Rund 60 Prozent der Inderinnen<br />
und Inder sind in der Landwirtschaft tätig.<br />
Gleichzeitig bil<strong>den</strong> sie <strong>den</strong> ärmsten Teil der<br />
Bevölkerung; nur knapp reicht die Ernte ihrer<br />
Felder für die Ernährung der eigenen Familie<br />
und vielleicht ein paar Verkäufe auf dem lokalen<br />
Markt. Nirgendwo sind derart viele Kinder<br />
unterernährt wie auf dem indischen Subkontinent.<br />
Pratyushs Verwunderung ist Entrüstung<br />
gewichen. Gleichzeitig ist sein Wille gewachsen,<br />
gegen diese Ungerechtigkeit anzukämpfen.<br />
«Ich will etwas für die Gesellschaft tun<br />
und mit Menschen arbeiten», erklärt der<br />
SWISSAID-Projektverantwortliche energisch.<br />
Prestigeträchtiges Stipendium | Nach<br />
der Schule entschied sich Pratyush deshalb<br />
für ein Studium der Agrarwissenschaften.<br />
Nach dem Abschluss verschlug es ihn aufs<br />
Land. Als Mitarbeiter eines lokalen Hilfswerks<br />
sammelte er in einer sehr abgelegenen Gegend<br />
erste Praxiserfahrungen. «Mir ist es<br />
wichtig, mein Wissen an andere weiterzugeben,<br />
Menschen zu unterstützen, aber auch<br />
von ihnen zu lernen», so der heute 33-Jährige<br />
beschei<strong>den</strong>.<br />
Nach dem Wechsel zu einer amerikanischen<br />
Hilfsorganisation erlangte er ein prestigeträchtiges<br />
Stipendium der Ford Foundation,<br />
um ein Master-Studium in internationaler<br />
«Nicht nur für,<br />
sondern mit der Bevölkerung»<br />
«Für unsere Arbeit<br />
braucht es echte<br />
Motivation, Ideen<br />
und Flexibilität.»<br />
Agronomie und ländlicher Entwicklung abzuschliessen.<br />
Während zwei Jahren bildete er<br />
sich in <strong>den</strong> USA weiter und liess seine Frau<br />
und seinen heute sechsjährigen Sohn bei Verwandten<br />
in Indien zurück.<br />
Mehr als nur ein Job | Wieder in der Heimat,<br />
heuerte er im Juli 2012 bei SWISSAID in<br />
Pune an. Er schätzt die Zusammenarbeit mit<br />
lokalen Partnerorganisationen in abgelegenen<br />
Gebieten sehr, wo keine anderen internationalen<br />
Hilfswerke tätig sind. «Das ist mehr als nur<br />
ein Job. Wir arbeiten mit <strong>den</strong> Menschen vor<br />
Ort zusammen, erbringen nicht einfach eine<br />
<strong>Die</strong>nstleistung für sie. Es braucht dafür echte<br />
Motivation, Ideen und auch Flexibilität.»<br />
<strong>Die</strong> Abgeschie<strong>den</strong>heit der Projektgebiete<br />
hat auch ihre Kehrseite. Wegen der grossen<br />
Distanzen und der hohen Zahl Projekte kann<br />
Pratyush die einzelnen Partner nicht öfter besuchen<br />
und begleiten. Doch auch zu Hause<br />
fehlt er häufig. Dass er seinem Sohn bei <strong>den</strong><br />
Hausaufgaben nur selten unter die Arme greifen<br />
kann, ist ihm nicht recht.<br />
Und <strong>den</strong>noch sieht Pratyush Ranjan Singh<br />
seine Zukunft auf je<strong>den</strong> Fall in der Entwicklungszusammenarbeit.<br />
Gerne möchte er sich<br />
noch stärker einsetzen und zum Beispiel als<br />
Team- oder Programmleiter mehr Verantwortung<br />
<strong>über</strong>nehmen. Damit sich dereinst weniger<br />
Kinder die Augen reiben müssen.<br />
<br />
Zora Schaad<br />
Foto: Petra Engelhard, SWISSAID<br />
5/2013 <strong>Swissaid</strong>Spiegel