Dokument 1.pdf - RWTH Aachen University
Dokument 1.pdf - RWTH Aachen University
Dokument 1.pdf - RWTH Aachen University
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Frank Lehmkuhl<br />
THEMEN 1/2009<br />
Was Sedimente erzählen<br />
12<br />
Aus der aktuellen Tagespresse<br />
sind der Klimawandel und die<br />
damit verbundenen Auswirkungen<br />
auf die Umwelt nicht mehr<br />
wegzudenken. Die Vereinten<br />
Nationen haben beispielsweise<br />
im Bericht des Intergovernmental<br />
Panel on Climate Change<br />
2007 bis zu 20 Prozent<br />
mehr Starkregenereignisse voraus<br />
gesagt, die gravierende<br />
Auswirkungen haben werden.<br />
Die deutlichsten Folgen für die<br />
Flusslandschaften unserer Breiten<br />
sind konsequenterweise<br />
stärkere annuelle Schwankungen<br />
der Flusspegel und eine<br />
schwerer einschätzbare Hochwassergefahr.<br />
Nicht nur durch die klimatische<br />
Veränderung selbst, sondern<br />
auch durch vermehrten<br />
Bodenabtrag und damit Sedimentationen<br />
unserer Fließgewässer<br />
werden sich die Landschaftssysteme<br />
verändern. Davon<br />
ist gerade die weltweite<br />
Agrarwirtschaft und damit die<br />
gesamte globalisierte Welt betroffen.<br />
Unter dem Druck, dass<br />
die Bevölkerung des Planeten<br />
weiterhin wächst, stellt sich bei<br />
der Nutzung der zur Verfügung<br />
stehenden Ressourcen zunehmend<br />
die Frage „Bioenergie<br />
oder Nahrung?“. Dabei ist ein<br />
Großteil der heutigen Probleme<br />
vom Menschen gemacht, mindestens<br />
jedoch durch ihn verstärkt<br />
worden.<br />
Die Auswirkungen der unangepassten<br />
Landnutzung haben<br />
ihren Ursprung nicht erst<br />
im 20. Jahrhundert oder mit<br />
dem Beginn der Industriellen<br />
Revolution, sondern wurden<br />
bereits mit der Sesshaftwerdung<br />
des Menschen in der<br />
Jungsteinzeit vor etwa 10.000<br />
Jahren eingeleitet. Mit dieser<br />
wandelnden Lebensweise änderte<br />
sich auch die Nahrungsgrundlage.<br />
Wälder wurden gerodet,<br />
um Platz für Ackerland<br />
zu schaffen. Dadurch fehlte die<br />
dauerhafte Vegetationsdecke,<br />
so dass Böden und Sedimente<br />
Witterung und gravitativen<br />
Prozessen schutzlos ausgesetzt<br />
waren. Derartige Abtragungsprozesse<br />
werden gemeinhin<br />
unter dem Begriff Bodenerosion<br />
subsumiert.<br />
Die hydrologischen und sedimentären<br />
Prozesse in Flusssystemen<br />
werden durch die Wechselwirkung<br />
„Klima und<br />
Mensch“ gestaltet. Diese direkten<br />
Auswirkungen können unter<br />
dem Obergriff des Landschaftssystemwandels<br />
zusammengefasst<br />
werden. Die Fließgewässer<br />
als Teil des Wasserkreislaufs<br />
stellen hier das Kurzzeitgedächtnis<br />
dar, während Sedimente<br />
und Böden als Langzeitgedächtnis<br />
der Natur verstanden<br />
werden können.<br />
Die Forschungsaktivitäten<br />
des Lehrstuhls für Physische<br />
Geographie und Geoökologie<br />
fokussieren deshalb das Abflussverhalten<br />
von Fließgewässern<br />
unter dem Einfluss sich wandelnder<br />
Landnutzung. In gleichem<br />
Maß werden die in Flussablagerungen<br />
gespeicherten<br />
Landnutzungsänderungen<br />
berücksichtigt. Die Forschungsergebnisse<br />
dienen als wissenschaftliche<br />
Grundlage für die<br />
planerischen Herausforderun-<br />
gen unseres Jahrhunderts. Sie<br />
liefern wichtigen Input für weitergehende<br />
anwendungsorientierte<br />
Forschungsfragestellungen,<br />
beispielsweise aus Ökologie<br />
und Landschaftsplanung.<br />
Durch die Untersuchungen des<br />
Wassers werden heutige Prozesse<br />
erforscht, um die Teilaspekte<br />
der Wechselwirkungen<br />
besser verstehen zu können.<br />
Die Sedimente als Archive der<br />
Landschaft liefern heutige und<br />
vergangene Hinweise auf Veränderungen<br />
und Auswirkungen<br />
der unterschiedlichen Landnutzung.<br />
Durch das Zusammenführen<br />
der Ergebnisse ergibt<br />
sich ein ganzheitliches Systemverständnis.<br />
In einem etwa zwei Quadratkilometer<br />
großen Einzugsgebiet<br />
des Wüstebaches im Nationalpark<br />
Eifel werden an zwei<br />
Messfeldern mittels so genannter<br />
Tensiometer die horizontale<br />
und vertikale Fließgeschwindigkeit<br />
des Wassers im Boden gemessen.<br />
Diese Sickergeschwindigkeit<br />
des Wassers hängt von<br />
Sedimentdichte oder –eigenschaften,<br />
wie zum Beispiel dem<br />
Anteil von Ton, Schutt, Sand und<br />
Schutt, der Bodenfeuchte sowie<br />
der Niederschlagsintensität ab.<br />
Zusätzlich zum Einfluss der Materialeigenschaften<br />
wird der<br />
Weg des Wassers durch unterschiedliche<br />
Standortbedingungen<br />
bestimmt. So weisen Wasser-<br />
und Stoffhaushalt unter<br />
Nadelwald, Laubwald, landwirtschaftlich<br />
genutzten Freiflächen<br />
sowie Siedlungen große Unterschiede<br />
auf.<br />
An einem so genannten<br />
Thomson-Wehr wird mit einem<br />
mechanischen Pegelschreiber<br />
die Abflussmenge<br />
des Wüstebaches gemessen,<br />
siehe Bild 1. Im weiteren Bachverlauf<br />
stehen, in Kooperation<br />
mit dem Forschungszentrum<br />
Jülich, weitere mechanische<br />
und digitale Pegel und Messgerinne,<br />
die an unterschiedlichen<br />
Standorten den Abfluss<br />
ermitteln. Die Kombination<br />
analoger und digitaler Messgeräte<br />
ermöglicht so eine Gesamterfassung<br />
der Abflussraten<br />
und gleichzeitig eine Weiterentwicklung<br />
der Messtechnik.<br />
Da in diesem Untersuchungsgebiet<br />
Kleinstabflussmengen,<br />
Maximalabflüsse sowie<br />
kleinste Abflussschwankungen<br />
erfasst werden, ist der<br />
Einsatz unterschiedlicher Messtechniken<br />
erforderlich.<br />
Messergebnisse aus dem<br />
September 2007 zeigen, dass<br />
nach einem Starkniederschlag<br />
bei trockenen Bodenbedingungen<br />
der Höchststand des<br />
Hochwasserscheitels erst mit<br />
zwölfstündiger Verspätung<br />
auftritt. Bei einem wenige Tage<br />
später einsetzenden Regenereignis<br />
waren die Sedimente als<br />
Zwischenspeicher noch wassergesättigt.<br />
Der neue Niederschlag<br />
konnte nicht mehr zwischengespeichert<br />
werden und<br />
als Folge setzte die Scheitelwelle<br />
des Abflusses schon nach<br />
vier Stunden ein. Durch das erste<br />
Niederschlagsereignis wurde<br />
dem oberflächennahen Untergrund<br />
und damit dem Zwischenabfluss,<br />
der so genannte<br />
Interflow, soviel Wasser zuge-