Judit – Frau mit Schwert - Evangelische Kirchengemeinde Langenfeld
Judit – Frau mit Schwert - Evangelische Kirchengemeinde Langenfeld
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Sommerpredigtreihe ‚Starke Töchter Gottes. <strong>Frau</strong>en der Bibel‘<br />
‚<strong>Judit</strong> <strong>–</strong> <strong>Frau</strong> <strong>mit</strong> <strong>Schwert</strong>‘<br />
Predigt von Pfarrer Dr. Stefan Heinemann am 9. Sonntag nach Trinitatis<br />
in der Lukaskirche sowie in der Erlöserkirche, <strong>Langenfeld</strong><br />
1) Einleitung: Das <strong>Schwert</strong><br />
Liebe Schwestern und Brüder,<br />
vom <strong>Schwert</strong> war in der Lesung schon die Rede. Um eine <strong>Frau</strong> <strong>mit</strong> <strong>Schwert</strong> soll es jetzt auch gehen.<br />
Ich habe Ihnen so ein Kampfgerät mal <strong>mit</strong>gebracht. Wenn wir <strong>Schwert</strong> hören, dann denken wir meist<br />
an die großen Zweihänder, <strong>mit</strong> denen die Ritter des Mittelalters edelmütig aufeinander einstürmten.<br />
Die <strong>Schwert</strong>er im Alten Israel aber waren anders. Ähnlich wie dieses hier: Ein harter Holzgriff. Eine<br />
Scheide aus Holz, die kreischt, wenn man das <strong>Schwert</strong> zieht.<br />
Aber so ungehobelt es wirkt, es liegt gut in der Hand. Da<strong>mit</strong> kann man Schädel spalten.<br />
Da wollen Sie nicht in der Nähe sein, wenn das frei unterwegs ist.<br />
Irgendjemand im Raum, der mir vertraut?<br />
Ich lege diesem Freiwilligen dieses Mordwerkzeug einmal dahin, wo ein <strong>Schwert</strong> zum Ritterschlag<br />
aufgelegt wurde: Auf die Schulter. Am Hals.<br />
Und Sie ohne <strong>Schwert</strong> am Hals dürfen mal spekulieren: Wie fühlt sich das an <strong>–</strong> solch ein Mordgerät<br />
drei Zentimeter von der Halsschlagader? Da gehört Mut zu <strong>–</strong> und Vertrauen. Dass der, der es in der<br />
Hand hält, dieses Mordwerkzeug nicht missbraucht.<br />
Und allem Vertrauen zum Trotz bleibt vielleicht dieses Restrisiko <strong>–</strong> dieses Quentchen eines Gedankens:<br />
Was, wenn der doch …? Da ist dieses eisige Kitzeln des Metalls. [Ich danke Ihnen!]<br />
Die <strong>Frau</strong>, um die es heute geht, hat sich solches Vertrauen erschlichen <strong>–</strong> und dann dem Mann dazu den<br />
Kopf abgehackt. <strong>Judit</strong> <strong>–</strong> <strong>Frau</strong> <strong>mit</strong> <strong>Schwert</strong>, davon will ich nun erzählen.<br />
2) Überleitung zur Geschichte: <strong>Judit</strong> ist nicht echt!<br />
<strong>Judit</strong> muss eine faszinierende <strong>Frau</strong><br />
gewesen sein - ähnlich wie auf Ihrem<br />
Handzettel abgebildet: Vielleicht nicht<br />
so rothaarig, da sie ja aus Israel kam -<br />
aber selbstbewusst, aufreizend schön,<br />
brutal <strong>–</strong> eine <strong>Frau</strong>, die es so nie gegeben<br />
hat.
Das merkt schon, wer die ersten Zeilen des Buches <strong>Judit</strong> aufmerksam liest: Der Autor geht sehr frei <strong>mit</strong><br />
historischen Tatsachen um. Da regiert König Nebukadnezar im Land Assur <strong>–</strong> in Wahrheit regierte er in<br />
Babylonien. Sein Regierungssitz ist im Buch <strong>Judit</strong> angeblich die Stadt Ninive - von der wir wissen, dass<br />
sie schon Nebukadnezars Vater Nabupolassar hatte zerstören lassen. Was dieser Autor betreibt, ist<br />
derbe Geschichtsklitterung! <strong>Judit</strong> ist zu schön, um wahr zu sein. Diese <strong>Frau</strong> ist nicht echt.<br />
Aber ob das Buch <strong>Judit</strong> deshalb nie Teil des biblischen Kanons war, sondern immer den Spätschriften,<br />
den Apokryphen zugeschlagen wurde? Wohl kaum. Dann müsste noch ganz anderes aus der Bibel<br />
gestrichen werden. Denn Historizität ist nicht das erste, was die Menschen der Bibel interessierte.<br />
Dennoch ist <strong>Judit</strong>, die schöne Witwe aus Betulia, für die Menschen ihrer Zeit ein ‚innerer Leitstern‘, ein<br />
Idol. Das Buch <strong>Judit</strong> wird geschrieben im 2. Jahrhundert vor Christus. Da leben die Juden unter<br />
Menschen, die ihrem Glauben zunehmend kritisch gegenüber stehen.<br />
Modern ist damals der Hellenismus, der <strong>mit</strong> Alexander dem Großen aus Griechenland herübergeschwappt<br />
ist. Modern sind die griechischen Philosophen: Sokrates, Platon, Aristoteles und wie sie alle<br />
heißen. Modern sind deren Amphitheater und deren Gottesskepsis. Deren Atheismus.<br />
Der Glaube an den JHWH-Gott vom Gebirge Juda wirkt althergebracht und überholt.<br />
Wie kann man seinen Glauben behalten unter Menschen, die diesem Glauben spöttisch bis<br />
feindlich gegenüber stehen? Das ist die Frage, die <strong>Judit</strong> bewegt. Und manches in dieser Geschichte<br />
ist uns näher, als wir zunächst meinen.<br />
3) Die Geschichte <strong>mit</strong> ihren Subbotschaften<br />
So geht die Geschichte: <strong>Judit</strong> lebt in Betulia, einem kleinen Städtchen auf den Gebirgszügen Judäas.<br />
Als Witwe lebt sie gesetzestreu. Sie beachtet die Gebote der Tora. Sie betet täglich. Die schöne <strong>Judit</strong> ist<br />
das personifizierte Gottvertrauen.<br />
Ihr Widerpart ist der Feldhauptmann Holofernes, der im Auftrag seines Königs Nebukadnezar die Welt<br />
erobern soll. Mit einem Vielvölkerheer der heidnischen Nationen <strong>–</strong> über 100.000 Mann stark - rückt<br />
Holofernes vor gegen das Gottesvolk. Das Volk Israel. Er will den Herrschaftsanspruch seines<br />
Großkönigs umsetzen, der sich selbst für Gott hält <strong>–</strong> und so von sich reden lässt.<br />
Wer ist Gott? Darauf spitzt sich der Konflikt zu. Ein Mensch, der fast schon überirdische Macht hat<br />
über die ganze, bekannte Welt <strong>–</strong> oder ist es JWHW, der große Gott des kleinen Volkes.<br />
Das ist ein wiederkehrendes Thema in der Bibel. Am Turmbau zu Babel stellt sich diese Frage: Die<br />
Menschen, die bis zum Himmel bauen, wollen sein wie Gott. Und der Pharao, der Israel den Auszug<br />
aus Ägypten verwehrt, hält sich für stärker als der Gott, dem Mose in der Wüste begegnet ist.<br />
Auch Goliath, den David <strong>mit</strong> der Steinschleuder besiegt, verspottet den Gott Israels.
Davor wird Holofernes gewarnt: Mit diesem kleinen Bergvolk ist Gott <strong>–</strong> aber Holofernes will es nicht,<br />
kann es nicht glauben. Die Macht des Großkönigs soll vor den Augen der ganzen Welt unter Beweis<br />
gestellt werden!<br />
Holofernes schneidet also den Einwohnern Betualias den Zugang zu ihren Wasserquellen ab. Bald sind<br />
die Zisternen in der Stadt leer. Und die Menschen stehen vor der Wahl: Für den eigenen Glauben<br />
verdursten oder dem übermächtigen Vielvölkerheer der Heiden die Tore der Stadt öffnen?<br />
Und sie fangen schon an, sich ihre Unterwerfung schönzureden. Dass sie ja dann „leben, um Gott<br />
darin zu loben“ <strong>–</strong> dass sie dann noch am Leben sein werden. Wenn sie sich Holofernes unterwerfen.<br />
Aber das sind billige Worte, denn wer sich dem Großkönig einmal unterworfen hat, der wird den<br />
eigenen Überzeugungen, dem eigenen Gott nicht mehr treu bleiben können. Dafür wird Nebukadnezar<br />
schon sorgen.<br />
<strong>Judit</strong> widerspricht ihren Mitbewohnern. Sie ist angeekelt von deren Unterwürfigkeit. <strong>Judit</strong> wirbt<br />
wortmächtig für Gottvertrauen und nimmt das Schicksal der Stadt selbst in die Hand:<br />
Unter dem Vorwand, die Belagerten verraten zu wollen, betritt sie das feindliche Lager. Holofernes<br />
verguckt sich sofort in sie. Drei Tage bleibt <strong>Judit</strong> dort. Sie betet jeden Tag. Und sie bestrickt den<br />
Feldherrn. Er lädt sie ein zum Festgelage. Sie nimmt an.<br />
Spät in der Nacht, die Diener sind fort, erhofft Holofernes die Erfüllung seiner liebestollen Phantasien.<br />
<strong>Judit</strong> enthauptet ihn <strong>mit</strong> seinem eigenen <strong>Schwert</strong>. Sein Kopf, am nächsten Tag auf der Stadtmauer<br />
ausgestellt, löst Panik aus im feindlichen Heer. Die Israeliten haben leichtes Spiel. Sie verfolgen ihre<br />
Feinde bis zur Landesgrenze. Dann kehren sie um.<br />
<strong>Judit</strong> aber gilt als Heldin des Glaubens. Eine bildschöne Lichtgestalt. Ein brutales Idol?<br />
4) Übertragung: Wir, die Belagerten?<br />
So abschreckend <strong>Judit</strong>s Tat auf den ersten Blick erscheinen mag, muss man sie doch ins Verhältnis<br />
setzen. Die Geschichte der schönen Witwe ist ja nur Fiktion.<br />
Und diese Fiktion beschreibt keine wilden Eroberungsphantasien wie das Buch Josua. Es predigt<br />
keinen blindwütigen Fremdenhass wie Nehemia und Esra <strong>–</strong> im Gegenteil.<br />
Der Autor beschreibt eine Glaubensheldin, die <strong>mit</strong> Mut und Witz ihr Volk vor der Vernichtung rettet <strong>–</strong><br />
und dabei ‚nur‘ ein menschliches Leben opfert.<br />
Ob das zu verantworten ist, ob Mord im Namen Gottes erlaubt ist <strong>–</strong> diese Frage lasse ich heute einmal<br />
zur Seite. Auch weil es sich hier ja um keinen echten Mord handelte.<br />
Dennoch stellt sich die Frage: Wo steckt da Gottes Wort drin?<br />
Man darf diese Geschichte nicht eins zu eins ernst nehmen. So war sie nie gedacht. Aber man kann sie<br />
als Bild verstehen <strong>–</strong> als Idol, das damals Menschen Mut machte, für ihren Glauben einzustehen. Heute<br />
auch?
Die Einwohner Betulias sehen sich den <strong>–</strong> bis dahin rein verbalen - Angriffen eines Vielvölkerheeres<br />
ausgesetzt, das ihnen ihren Glauben madig machen, ja verbieten will. Wie reagieren wir auf eine<br />
wachsende Zahl Menschen in unserer Gesellschaft, die Glaube jedweder Art müde belächeln und ihn in<br />
den Bereich des Privatlebens verbannen will?<br />
<strong>Judit</strong> rettet ihr Volk aus der Gefahr, in einem Vielvölkerstaat aufzugehen, der einem anderen Gott<br />
huldigt. Wie verhalten wir uns in einer Umwelt, die uns als Christen und als Kirche zu verschlingen und<br />
zu marginalisieren droht?<br />
Wir sind doch belagert von düsteren Zukunftsprognosen und ausgedürstet von widerkehrenden<br />
Austrittszahlen. Der demographische Wandel in unserer Stadt wird dazu führen, dass unsere<br />
<strong>Kirchengemeinde</strong> in 15 Jahren ein Viertel weniger Geld zur Verfügung haben wird.<br />
Vielleicht werden wir in dieser Zeit eines unserer vier Kirchenzentren aufgeben müssen. Vielleicht!<br />
Genau wissen wir es noch nicht. Aber wie gehen wir um <strong>mit</strong> dieser Perspektive des ‚Immer weniger‘?<br />
Schauen wir frustriert unter uns? Öffnen wir dem Zeitgeist die Tore unserer Stadt - bereit, den eigenen<br />
Überzeugungen abzuschwören?<br />
Wie kann man seinem Glauben treu bleiben <strong>mit</strong>ten unter Menschen, die diesem Glauben<br />
spöttisch bis feindlich gegenüber stehen? Das ist die Frage, die <strong>Judit</strong> bewegt.<br />
Das ist die Herausforderung, vor der wir stehen werden.<br />
5) Übertragung: <strong>Judit</strong> kämpfte <strong>–</strong> <strong>mit</strong> allen Mitteln!<br />
Drei Dinge können wir dabei von <strong>Judit</strong> lernen: Widersprechen, beten, handeln.<br />
<strong>Judit</strong> sieht sich <strong>–</strong> auch in den eigenen Reihen <strong>–</strong> einer Mehrheit gegenüber, die klein beigeben will. Aber<br />
sie widerspricht. Sie steht zum eigenen Glauben, weil sie Gott vertraut.<br />
Das können wir heute tun: Unseren Glauben nicht mundtot machen lassen. Sondern deutlich davon<br />
reden, wovon wir überzeugt sind. Dass Gott uns hilft. Uns als Kirche und mir in meinem Leben.<br />
Dabei müssen wir uns bestärken lassen durch das zweite: Beten. Wer nicht im regelmäßigen Kontakt<br />
<strong>mit</strong> Gott bleibt, der kann auch nicht aufrichtig von ihm reden. Wer nicht erlebt, dass Gott da ist <strong>–</strong> wer<br />
will da überzeugend davon erzählen? Nur muss man Gott auch die Chance geben, <strong>mit</strong> einem ins<br />
Gespräch zu kommen. Im regelmäßigen Gebet.<br />
Beten also, um auf Gott zu hören <strong>–</strong> und dann handeln. Mit dem, was man tut, andere erfahren lassen,<br />
woran man glaubt. Dafür muss niemand Köpfe abhacken.<br />
Nein, es dürfen auch kleine Zeichen sein.<br />
6) Beispiel: Sterbende begleiten<br />
Die Geschichte erzähle ich zum Abschluss. Ich habe sie gehört von den Kindern eines<br />
Gemeindeglieds, das kürzlich verstorben ist. Die Mutter lag im Krankenhaus.<br />
Es war klar, dass sie sterben würde. Das waren ihre letzten Tage, ihre letzten Stunden.<br />
Der Zimmernachbarin der sterbenden <strong>Frau</strong> wollten die Schwestern etwas Gutes tun.
Sie wollten die Zimmernachbarin aus dem Zimmer verlegen: Kann man doch nicht <strong>mit</strong> ansehen!<br />
Aber die Zimmernachbarin weigerte sich: Nein, sie wolle in diesem Zimmer bleiben.<br />
Sie werde die sterbende <strong>Frau</strong> nicht allein lassen!<br />
Und so ist es geschehen: Die Zimmernachbarin blieb da. Sie begleitete sie durch die Nacht.<br />
Die Zimmernachbarin betete für sie <strong>–</strong> vielleicht auch <strong>mit</strong> ihr? Und als die Mutter verstorben war,<br />
da gab die Zimmernachbarin den Kindern Geld, um einen Blumenkranz zu kaufen, den sie aufs Grab<br />
legen sollten.<br />
Die beiden <strong>Frau</strong>en hatten sich zuvor nicht gekannt.<br />
Aber die Kinder haben diese Geschichte voller Freude erzählt: Dass jemand so etwas macht.<br />
Dabei hat die Zimmernachbarin im weitesten Sinne nur getan, was <strong>Judit</strong> tat:<br />
Widersprechen, beten, handeln. Im Sinne Gottes. Amen.