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Rede - Dr. Hans-Ulrich Zurflüh, VR-Präsident, 185 ... - AEK Bank 1826

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REFERAT DR. HANS-ULRICH ZURFLÜH, VERWALTUNGSRATSPRÄSIDENT<br />

<strong>185</strong>. GENERALVERSAMMLUNG VOM 10. MÄRZ 2012<br />

Sehr geehrte Damen und Herren<br />

Werte Genossenschafterinnen und Genossenschafter<br />

Ich begrüsse Sie zur <strong>185</strong>. Generalversammlung.<br />

Das Ergebnis des Geschäftsjahres 2011 hat unsere Erwartungen übertroffen. Trotz sinkender<br />

Zinsmarge - eine wichtige Kennzahl für uns – erreichten wir ein besseres Ergebnis als<br />

2010. Es ist das zweitbeste Resultat in der Geschichte der <strong>AEK</strong> BANK <strong>1826</strong>.<br />

Die Wirtschaftskrise der 30er Jahre im letzten Jahrhundert war das erste grosse ökonomische<br />

Experiment, das Milton Friedman zusammen mit Anna Schwartz analysiert hat. Jetzt<br />

erleben wir das zweite grosse Experiment mit dem Euro und der Krise in den Euro-Ländern.<br />

Wichtigste Erkenntnis aus dem ersten Experiment war, dass die US Notenbank versagt hat.<br />

Anstelle einer massiven Ausdehnung der Notenbankgeldmenge zur Stützung des Finanzsystems<br />

hat sie damals die Geldmenge schrumpfen lassen und damit einen Run auf die <strong>Bank</strong>en<br />

ausgelöst und die Depression verstärkt. Inflationsrisiken bestanden wegen des nicht ausgelasteten<br />

Produktionsapparates keine. Die schweizerische Notenbank hat damals den<br />

Schweizerfranken zu spät abgewertet und die Krise unnötig verlängert.<br />

Die Notenbanken haben ihre Lektion aus dem ersten Experiment gelernt, indem die EZB mit<br />

massiven Liquiditätsspritzen einen Zusammenbruch des Finanzsystems und eine Depression<br />

verhindert hat. Ähnliches geschah in den USA. Ich vermute, dass aus dem zweiten Experiment<br />

die Erkenntnis gewonnen werden dürfte, dass die Regierungen versagt und zu zögerlich<br />

eingegriffen haben. Die bisherige Politik der Euro Regierungen dürfte mit dem Stichwort<br />

„Durchwursteln“ am treffendsten beschrieben werden. Dabei liegen positive Beispiele aus<br />

Island, Irland und Lettland vor, wo die Regierungen gezeigt haben, dass mit raschen und<br />

massiven Eingriffen wie Abbau von Staats- und Leistungsbilanzdefiziten die wirtschaftliche<br />

Situation nach einer für die Bevölkerung harten Durststrecke wieder stabilisiert und neue<br />

Wachstumsimpulse ausgelöst werden können. Offenbar schreckt man in Südeuropa vor solchen<br />

Massnahmen zurück. Sie werden von den betroffenen Völkern ja auch nicht mitgetragen<br />

bzw. von starken Interessengruppen bekämpft. Leider bieten die Wirtschaftswissenschaften<br />

keine klaren bzw. eindeutigen Lösungen an.<br />

In der Schweiz war das Jahr 2011 nebst den National- und Bundesratswahlen sowie Skandalen<br />

(Stichworte wären etwa Basler Zeitung, Zuppiger und Hildebrand) geprägt durch den<br />

starken Schweizerfranken, der letzten Sommer praktisch die Parität mit dem Euro erreicht<br />

hat. So wurde ich oftmals gefragt, was gegen den starken Franken unternommen werden<br />

könnte? Meine lapidare, aber nicht ernst gemeinte Antwort war meistens: „Leben wie die<br />

Griechen“, da würde der Franken relativ rasch an Wert verlieren. Aber uns würde keiner zu<br />

Hilfe eilen. Konkret würde das bedeuten, dass wir auf Pump wesentlich mehr importieren als<br />

exportieren, grosse Staatsdefizite mit einer überdimensionierten Bürokratie aufbauen und<br />

verkrustete Wirtschaftsstrukturen erhalten würden. Wirtschaftsstrukturen kann man erhalten,<br />

indem Märkte durch hohe Eintrittsbarrieren wie z.B. Zölle, Lizenzen, technische Vorschriften<br />

oder Typenprüfungen abgeschottet werden. Beispiele in der Schweiz wären etwa der Ärzte-


Stopp, der dieses Jahr aufgehoben wird, hohe Einfuhrzölle auf landwirtschaftlichen Produkten<br />

oder Lizenzen für den Betrieb von Taxis. Schliesslich könnte beim Eintreiben der Steuern<br />

auch etwas nachlässiger gearbeitet werden; dabei dürfen wir die Korruption als bewährtes<br />

Schmiermittel einer Volkswirtschaft nicht vergessen. Mit anderen Worten eine Einbusse unserer<br />

Wettbewerbsfähigkeit wäre eine mögliche Lösung oder statt mehr Wohlstand mehr<br />

Müssiggang. Diese Lösung würde aber nicht unserer Mentalität entsprechen.<br />

Unsere Notenbank hat ihre Lektion auch gelernt und einen anderen Weg eingeschlagen,<br />

indem sie eine untere Wechselkursgrenze von CHF 1.20 pro Euro festsetzte und gewillt ist,<br />

diese Grenze zu verteidigen. Je nach Glaubwürdigkeit der Notenbank muss eine solche<br />

Wechselkursgrenze durch eine mehr oder weniger starke Erhöhung der Geldmenge bzw.<br />

durch Devisenkäufe gesichert werden, um einer Spekulation gegen den Schweizerfranken<br />

entgegen zu wirken. Bis jetzt hat sie ihr Ziel ohne grossen Einsatz im Sinne von Euro Käufen<br />

erreicht. Gewinner dieser Politik sind vor allem die Exportindustrie und der Tourismus. Sie<br />

haben ja auch entsprechend gejammert. Die Statistiken betreffend Exporte und Übernachtungen<br />

haben sich bis jetzt aber nicht so dramatisch verschlechtert, wie das Gejammer eigentlich<br />

befürchten liess. Verlierer sind die Konsumenten und Sparer, weil die Importgüter<br />

teurer und ihre Vermögen entwertet werden. Die Gefahr einer hohen Inflation wegen einer<br />

Geldmengenausweitung scheint zurzeit nicht bedrohlich zu sein.<br />

Ergänzend dazu schnürte der Bundesrat ein Paket von CHF 2 Mrd. um die Exportwirtschaft<br />

und den Tourismus zu stützen. Soweit ich mich erinnere, sind bis jetzt rund CHF 950 Mio.<br />

zur Förderung von Innovationsprojekten bewilligt worden. In diesem Zusammenhang wäre<br />

eine historische Abklärung interessant, wie es seinerzeit in der Landwirtschaft mit den Subventionen<br />

begonnen hat. Vielleicht ergäben sich da gewisse Parallelen und Zukunftsperspektiven!<br />

Es kann auf jeden Fall nicht behauptet werden, dass unsere Landwirtschaft durch<br />

die Subventionen wettbewerbsfähiger geworden wäre. Sonst hätten wir nicht derartige<br />

Schwierigkeiten mit Abschlüssen von Freihandelsabkommen. Die Hotellerie lobiiert für eine<br />

Befreiung von der Mehrwertsteuer während eines Jahres. Ob sie dabei Erfolg hat, ist ungewiss,<br />

und ob das die Lösung des Problems wäre, darf füglich bezweifelt werden. Sicher wäre<br />

es ein ganz kleiner Beitrag zur Aufschiebung eines Problems! Und der Anfang zu einer weiteren<br />

Befreiung von der Mehrwertsteuer wäre ja auch schon gemacht.<br />

Beide Massnahmen, jene der SNB und des Bundes bzw. Parlamentes, verringern den Wettbewerbsdruck<br />

auf die Schweizer Wirtschaft, insbesondere auf die Exportwirtschaft und den<br />

Tourismus. Es wird etwas Zeit gewonnen für Strukturanpassungen. Auf betrieblicher Ebene<br />

erfolgen solche Strukturanpassungen, indem z.B. neue Produkte eingeführt und neue Märkte<br />

erschlossen werden, bei gleichem Lohn länger gearbeitet, Kurzarbeit eingeführt oder rationalisiert<br />

wird. Stichworte sind: Kosten senken, Produktivität steigern und Innovationen einführen!<br />

Ob die notwendigen Strukturanpassungen auf politischer Ebene im Sinne von verbesserten<br />

Rahmenbedingungen auch erfolgen, das darf ruhig bezweifelt werden. Ein schönes<br />

Beispiel für die berechtigten Zweifel hat das neue Parlament bereits mit der Ablehnung eines<br />

einheitlichen und reduzierten Mehrwertsteuersatzes geliefert. Eine Chance zur Stimulierung<br />

des Wirtschaftswachstums und zum Abbau von Bürokratie wurde vergeben. Partikularinteressen<br />

sind da wichtiger!<br />

Ähnliche Vereinfachungen in unserem komplexen Steuersystem wären denkbar; aber niemand<br />

hat ein Interesse daran. Dem marginalen Gewinn für den Steuerzahler stünden grosse<br />

Verluste für gewisse Interessengruppen gegenüber. Weil der Gewinn für den Steuerzahler<br />

marginal ist, lässt er sich schwerlich für solche Projekte mobilisieren. Dafür betreiben die mit<br />

möglichen Verlusten konfrontierten Interessengruppen umso intensiver ihre Lobbyarbeit.<br />

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Arbeitsplätze würden verschwinden oder müssten umstrukturiert werden. Welcher Politiker<br />

will schon die von ihm vertretenen Interessengruppen vergraulen und seine Wiederwahl gefährden?<br />

Im Gegenteil: es werden immer neue Abzüge eingeführt und das Steuersystem<br />

entsprechend komplexer. Weitere Beispiele für schlechte Wirtschaftspolitik oder fragwürdige<br />

Eingriffe in Märkte liefern die Abstimmungsvorlagen von diesem Wochenende (Buchpreisbindung,<br />

Förderung des Bausparens und Initiative betreffend Zweitwohnungsbau).<br />

Wir müssen uns bewusst bleiben, dass die Festlegung einer Untergrenze beim Wechselkurs<br />

CHF gegenüber Euro und das Massnahmenpaket des Bundes nur kurzfristiger Natur sein<br />

können. Geldpolitik ist primär dem Ziel der Preisstabilität im Inland verpflichtet und nicht einem<br />

bestimmten Wechselkursziel. Im 2010 hat die SNB mit ihren massiven Käufen von Euro<br />

gezeigt, dass sie gegen einen Aufwertungsdruck auf den CHF machtlos ist und mit ihren<br />

grossen Verlusten auf den Devisen Volksvermögen vernichtet. Das haben die Kantone<br />

schmerzlich erfahren müssen, als ihr Anteil an der Gewinnausschüttung der SNB gekürzt<br />

wurde. Der Schweizerfranken wird gegenüber dem Euro und dem US$ stark bleiben, weil die<br />

Regierungen dieser Länder eine Politik betreiben, die ausländische Anleger in den sicheren<br />

Hafen “Schweiz“ treibt. Es ist zu hoffen, dass die Euro- Regierungen die Schuldenprobleme<br />

in den Griff bekommen; sonst könnte der <strong>Dr</strong>uck auf den CHF unerträglich bzw. teuer im Sinne<br />

von hoher Inflation werden. Da bleibt uns nur eine Option: langfristig muss die Wettbewerbsfähigkeit<br />

der schweizerischen Volkswirtschaft gestärkt werden, es sei denn, man nehme<br />

eine Wohlstandseinbusse in Kauf. Wer will das?<br />

Die Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz wird aber je länger desto mehr zu einer<br />

Illusion, da die Umverteilungsfunktion des Staates immer wichtiger wird und immer breitere<br />

Schichten der Bevölkerung Nutzniesser dieser Umverteilung werden. Deshalb soll der „Status<br />

quo“ möglichst erhalten oder gar ausgebaut werden. Dazu passt eine „Pflästerlipolitik“,<br />

mit der jeder seine Interessen am besten wahren kann. Grundlegende Reformen mit langfristigen<br />

Wirkungen z.B. in der Sozial-, Gesundheits-, Steuer- oder Subventionspolitik lassen<br />

sich nicht mehr umsetzen. Warum auch, uns geht es ja gut; und die nächste Generation<br />

spielt höchstens beim Erben eine Rolle! Die zukünftigen Verpflichtungen aus unserer Wirtschaftspolitik<br />

wird sie so oder so übernehmen müssen. Aktuelles Beispiel: die beiden bernischen<br />

Pensionskassen!<br />

Damit erkläre ich die <strong>185</strong>. Generalversammlung der <strong>AEK</strong> <strong>Bank</strong> <strong>1826</strong> als eröffnet.<br />

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